Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750069/11/BP/WU

Linz, 29.10.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb.  am X, StA der Russischen Förderation, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz im zweiten Rechtsgang, zu Recht erkannt:

 

 

    I.        Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 II.        Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten. 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 120 Abs. 7 FPG idgF. iVm. §§ 24, und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II.: § 64ff. VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß §§ 31 Abs.1 iVm § 120 Abs. 1a FPG, BGBl. 100/2005 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

"Sie hielten sich als Fremde zumindest vom 28.02.2011 bis 09.10.2012 als Fremde an der Adresse X nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da gegen Sie seit 28.02.2011 eine durchsetzbare und rechtmäßige Ausweisung des Asylgerichtshofes vom 07.12.2010, ZI. D 17403726-2/2010 E, besteht.

 

Im angeführten Tatzeitraum waren Sie weder auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen, zwischenstaatlicher Vereinbarung, bundesgesetzlicher Vorschriften oder Verordnung zur Niederlassung oder zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Des weiteren waren Sie auch nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels, einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten, einer Entsendebewilligung, einer EU-Entsendebestätigung, einer Anzeigebestätigung nach § 3 Abs. 5 AuslBG oder einer Anzeigebestätigung nach § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten. Sie hatten kein Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz.

 

Tatort: Gemeinde X

Tatzeit: 28.02.2011 bis 09.10.2012"

 

In der Begründung führt die belangte Behörde zum Sachverhalt und Verfahrensverlauf aus, dass die Bw am 6. Juli 2008 illegal ins Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Bis zur Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes (rk. 28. Februar 2011) habe sich die Bw rechtmäßig als Asylwerberin im Bundesgebiet aufgehalten. Am 29. Juni 2012 habe sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte plus gem. § 41 a/9 NAG gestellt. Diese Antragstellung verschaffe ihr jedoch kein Bleiberecht.

 

Am 17. September 2012 sei der Bw eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise nachweislich zugestellt worden. Dieser Ausreiseverpflichtung sei die Bw nicht nachgekommen, stattdessen habe sie am 22. Oktober 2012 einen Asylfolgeantrag gestellt, über den mittlerweile erstinstanzlich gem. § 68 AVG und Ausweisung entschieden wurde. Dagegen habe sie Berufung eingebracht.

Die Bw habe sich vom 28. Februar 2011 bis 9. Oktober 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Am 15. Oktober 2012 sei der Bw eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt worden. Ihre Stellungnahme sei per Telefax am 20. November 2012 eingelangt.

 

Weiters führt die Behörde Folgendes aus:

 

Ausgehend von der seit 28.02.2011 rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung besteht für die Behörde kein Zweifel, dass Sie sich vom 28.02.2011 bis 09.10.2012  nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten haben. Es ist unbestritten, dass Sie nicht im Besitz einer Berechtigung im Sinne des § 31 FPG waren. Der illegale Aufenthalt stellt eine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 120 Abs. 1a i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG dar. Für diese haben Sie sich zu verantworten.

 

(...)

 

Aufgrund der Aktenlage geht die Behörde davon aus, dass Sie die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen haben.

 

In Ihrer Rechtfertigung vom 20. 11. 2012 führen Sie an, dass Sie sich zum Zeitpunkt 28.02.2011 bis 09.10.2012 als Fremde im Sinne des FPG 2005 ohne gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten haben. Am 29.06.2012 stellten Sie den Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus. Den Umstand dass Sie die Erledigung dieses Antrag im Inland abwarten wollten bezeichnen Sie als eine entschuldigende Notstandssituation.

 

Unter Notstand ist nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH E 25.11.1986, 86/04/0116, E 20.1.1987, 86/04/0100).

 

Die Zwangslage, nämlich der nicht rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet, haben Sie durch Ihre illegale Einreise am 06. 07. 2008 selbst herbeigeführt. Darüber hinaus wurde Ihr erster Asylantrag bereits am 26.01.2010 negativ entschieden.

 

Aus vorgenannten Gründen wird daher das Vorbringen einer aufgetretenen Notstandssituation gemäß § 6 VStG 1991 nicht anerkannt.

 

(...)

 

Bei der Strafbemessung war als mildernd zu werten, dass keine einschlägigen Vorstrafen vorliegen, erschwerende Umstände lagen nicht vor.

Ihre Angaben zu Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen und allfällige Sorgepflichten, in der Stellungnahme vom 02.11.2012, waren nicht geeignet eine außerordentliche Milderung der Strafe auszusprechen. Die Strafhöhe von 500,00 € stellt die Mindeststrafe nach dem FPG 2005 dar.

Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2. Jänner 2013.

 

Vorerst stellt die Bw die Anträge, das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben; gem. § 45 Abs. 1 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen; in eventu gem. § 21 VStG von der Strafe abzusehen; in eventu gem. § 20 VStG eine außerordentliche Milderung der Strafe vorzunehmen.

 

Die Bw begründet ihre Berufung wie folgt:

 

1) Die Behörde legt mir im zitierten Straferkenntnis zur Last, dass ich mich „zumindest in der Zeit vom 28.02.2011 bis zum 09.10.2012" nicht rechtmäßig als Fremde in X aufgehalten habe, da gegen mich seit 28.02.2011 eine „durchsetzbare und rechtmäßige Ausweisung" des AsylGH besteht.

Nach Ansicht der Behörde hätte ich dadurch eine Übertretung gem. § 120 Abs 1a iVm § 31 Abs 1 FPG 2005 begangen.

 

2)   Wie ich bereits in meiner Stellungnahme vom 30.10.2012, auf die ich mich hiermit vollinhaltlich beziehe, ausgeführt habe, bin ich Fremde iSd FPG 2005 bin und somit grundsätzlich den einschlägigen fremdenrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Ich bin zusammen mit meinen Kindern nach Österreich geflüchtet, weil mir in meinem Herkunftsland aufgrund meiner Verwandtschaft zum Widerstandsführer X und der Widerstandstätigkeit meines verschollenen Gatten Gefahr für Leib und Leben droht, wofür ich im Asylverfahren auch zahlreiche Beweismittel vorgelegt habe. Ich durfte (darf) aufgrund der Bestimmungen der GFK, der MRK und des AsylG darauf vertrauen, in Österreich Schutz und Zuflucht zu finden, wie er auch meiner Schwester in der Schweiz und meiner Mutter in Frankreich durch Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zuteil wurde.

 

3)   Mit Antrag vom 29.06.2012 ersuchte ich insbesondere aufgrund meiner Integration in Österreich um die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gem § 41 Abs 9 NAG 2005. Zu diesem Antrag erging bislang noch kein Bescheid von Seiten der entscheidenden Behörde.

Zwar begründet ge, § 44b Abs 3 NAG 2005 ein diesbezüglicher Antrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Durch die explizite Normierung der Möglichkeit der Inlandsantragstellung reduziert sich jedoch schon aufgrund von rechtsstaatlichen Erwägungen der Unrechtsgehalt meines Verhaltens beträchtlich. Im Hinblick darauf, dass durch die Möglichkeit der Inlandsantragstellung auch dem Interesse, die Entscheidung im Inland abzuwarten, eine objektive Berechtigung zukommt, ergibt sich somit ein unauflöslicher Interessenkonflikt, der eine entschuldigende Notstandssituation begründet.

 

Dies auch vor dem Hintergrund, dass das zu rettende Rechtsgut, nämlich unser Leib und unser Leben, im Rahmen einer Interessenabwägung als höherwertig anzusehen ist. Aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, deren Anwendung nicht zu widersprechenden Ergebnissen führen darf, ergibt sich, dass jede Strafbestimmung den stillschweigenden Vorbehalt in sich trägt, dass ihre Anwendung nicht erfolgt, wenn die ihr unterstellte Tat rechtmäßig ist. Laut stRspr des VwGH (vgl. VwGH 11.05.1998, ZI. 94/10/0073) handelt nicht rechtswidrig, wer ein im Rechtssinn höherwertiges, und zwar ein zweifellos höherwertiges Gut auf Kosten eines geringerwertigen rettet.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Aufgrund der beschriebenen Notlage und meiner begründeten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsland ist mein Verhalten gerechtfertigt bzw. nicht schuldhaft iSd VStG und ist mein Verschulden höchstens als culpa levissima einzustufen, was eine Bestrafung jedoch nicht rechtfertigt.

Objektive Sorgfaltswidrigkeit und damit Fahrlässigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn ein maßgerechter (einsichtiger und besonnener) Mensch aus meinem Verkehrskreis - also ein Flüchtling aus Tschetschenien mit meinen Fluchtgründen - an meiner Stelle anders gehandelt hätte. Kein mit Vernunft begabter Mensch würde sich der Gefahr, Opfer staatlicher oder quasistaatlicher Verfolgung zu werden, nur deshalb aussetzen, damit er nicht gegen eine Bestimmung des österreichischen FPG verstößt.

Ich bin durch mein Verbleiben in Österreich also in keiner Weise vom Verhalten eines

maßgerechten Menschen aus meinem Verkehrskreis abgewichen, womit mein Verhalten nicht objektiv sorgfaltswidrig und somit nicht tatbestandsmäßig ist.

Es liegt somit sowohl ein Rechtfertigungs- als auch ein Entschuldigungsgrund vor.

 

Eine Beurteilung der Notstandssituation hat durch die Strafbehörde unabhängig vom Ausgang etwaiger administrativer Verfahren, sprich Asylverfahren, zu erfolgen (UVS OÖ 28.06.1995, ZI. VwSen-230408/3/Kei/Shn).

 

4) Der Normzweck der einschlägigen Bestimmungen des FPG 2005, nämlich das hohe Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung, ist im Wesentlichen auf anders gelagerte Sachverhalte gerichtet und wird vor diesem Hintergrund kaum tangiert. Eine Möglichkeit, vor Entscheidung der Behörde einen Aufenthaltstitel zu erwirken, bestand für mich aufgrund der Umstände nicht. Grundsätzlich bestand meine Absicht auch darin, einen Aufenthaltstitel nach asylrechtlichen Bestimmungen zu erwirken. Dies wurde mir jedoch von Seiten der Asylbehörden zunächst verwehrt.

 

5)   Am 22.10.2012 brachte ich in der Folge einen zweiten Asylantrag ein. Gegen den zurückweisenden Bescheid erhob ich Beschwerde. Diesem Rechtsmittel wurde aktuell mit Beschluss des AsylGH vom 20.12.2012 die aufschiebende Wirkung zuerkannt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Abschiebung eine reale Gefahr eine Verletzung von Bestimmungen der MRK bedeuten würde. Die Grundlagen meines Aufenthaltes in Österreich, insbesondere auch die Frage der Zulässigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf meine Integration, werden somit nochmals überprüft.

 

6)   Für den Zeitraum vor Antragstellung nach dem NAG ist anzuführen, dass ich in dieser Zeit Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und bei der zuständigen Behörde auch die Einräumung einer Duldung angeregt habe. Ich ging daher - auch vor dem Hintergrund, dass ich von der Behörde keine Aufforderung bzw. Benachrichtigung mehr erhielt, davon aus, dass faktisch eine Duldung vorlag. Jedenfalls habe ich aber keine vorsätzliche Verwaltungsübertretung begangen und ist mir auch in dieser Hinsicht kein subjektiver Tatvorsatz vorzuwerfen.

 

7)   Weiters verweise ich auf § 21 Abs 1 VStG, wonach die Behörde darüber hinaus ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen kann. Selbst bei Annahme eines Verschuldens wäre dieses jedenfalls als geringfügig einzustufen und sind die Folgen der Übertretung im Wesentlichen unbedeutend. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ich im Falle des konkret rechtskonformen Verhaltens meine Integration aufgeben hätte müssen und damit den Voraussetzungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes nicht entsprochen hätte.

 

8)   Schließlich ist festzuhalten, dass ich keiner Beschäftigung nachgehen kann. Aufgrund der einschlägigen Bestimmungen ist mir eine Arbeitsaufnahme verwehrt. Ich habe weder Besitz noch Vermögen und befinde mich in Grundversorgung des Landes Oberösterreich, wobei ich im Monat € 150,-- an Verpflegungsgeld erhalte.

Auch vor diesem Hintergrund wäre eine Bestrafung unverhältnismäßig. Jedenfalls würden aber die Milderungs- die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und wären in eventu die Voraussetzungen einer außerordentlichen Milderung iSd § 20 VStG erfüllt.

 

9) Es wird daher um antragsgemäße Entscheidung ersucht.

 

1.3. Mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2013 wies der UVS des Landes Oberösterreich zu VwSen-750069/3/BP/WU, die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der belangten Behörde.

 

1.4. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde folgte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. September 2013, zu Zl. 2013/21/0088-8, und hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.  

 

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Da schon aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, entfiel die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 VStG.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

Insbesondere ist auf einen aktuellen Auszug aus der Asylwerberinformation hinzuweisen, aus dem sich ergibt, dass die Bw am 22. Oktober 2012 einen Asyl-Folgeantrag gestellt hatte. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 (zugestellt 4. Dezember 2012) wurde der Antrag gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Dagegen erhob die Bw Beschwerde an den AGH am 11. Dezember 2012. Dieser Beschwerde wurde vom AGH aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des AGH vom 9. April 2013 wurde die Beschwerde jedoch abgewiesen (Rk. 17. April 2013). Einer dagegen erhobenen Beschwerde sprach der VfGH mit 10. September 2013 die aufschiebende Wirkung zu. 

 

2.3. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, ua. (Z. 2) die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Ein Straferkenntnis ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verwirklicht wurde.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall wurde der Bw zur Last gelegt, dass sie sich „zumindest“ zwischen dem 28. Februar 2011 und dem 9. Oktober 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Als maßgebliche Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z. 2 VStG wurde (insbesondere) § 120 Abs. 1a FPG herangezogen. Abs. 1a wurde allerdings erst mit dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38, in die Bestimmung des § 120 FPG eingefügt. Die Bezugnahme auf diesen Absatz für den vor dem 1. Juli 2011 liegenden Tatzeitraum erweist sich damit von vornherein als verfehlt. Insoweit hat die belangte Behörde der Bw damit die Verletzung einer Rechtsvorschrift angelastet, die nicht bezüglich des gesamten inkriminierten Tatzeitraumes in Kraft gestanden ist.

 

3.1.3. Entsprechend der Vorgabe des Verwaltungsgerichtshofes wäre der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend abzuändern, als für den Tatzeitraum 28. Februar 2011 bis 30. Juni 2011 als Strafnorm in der Rechtsgrundlage § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 122/2009 angeführt würde. Dieser Austausch erwiese sich deswegen als zulässig, da das in § 120 Abs. 1 Z. 2 iVm. § 31 Abs. 1 (der unverändert geblieben ist) inkriminierte Verhalten vor der Novelle 1. Juli 2011 mit dem des § 120 Abs. 1a FPG im weiteren Tatzeitraum korrespondierte und sohin tatsächlich nur ein Austausch der Rechtsgrundlage stattfände. 

 

3.2. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländer­beschäfti­gungs- gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsende­be- willi­gung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist zunächst völlig unbestritten, dass der Aufenthalt der Bw im Bundesgebiet im vorgeworfenen Tatzeitraum von 28. Februar 2011 bis
9. Oktober 2012 ohne gültigen Aufenthaltstitel bzw. sonstigen Rechtstitel – somit illegal im Bundesgebiet erfolgte. Es liegt unbestrittener Maßen keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG vor.

 

Betreffend den Tatzeitraum ist allerdings korrespondierend zur jüngeren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes festzustellen, dass während der 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise im Rahmen der Asylentscheidung (rk am 28. Februar 2011) kein tatbildliches Handeln der Bw vorlag, weshalb der Tatzeitraum im Spruch mit Beginn am 15. März 2011 anzusetzen wäre.

 

3.4.1. Gemäß § 120 Abs. 7 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 oder 1a nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf Internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

3.4.2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Bw noch vor Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses – nämlich am 22. Oktober 2012 – einen weiteren Asylantrag gestellt hatte, der erst mit 17. April 2013 rechtskräftig negativ erledigt wurde. Zudem erkannte der Verfassungsgerichtshof einer dagegen erhobenen Beschwerde am 10. September 2013 die aufschiebende Wirkung zu.

 

3.4.3. Nach § 120 Abs. 7 letzter Satz FPG ist das Verwaltungsstrafverfahren während des Asylverfahrens unterbrochen. Im Hinblick auf die „ex-lege“ Unterbrechung des Verwaltungsstrafverfahrens war der belangten Behörde die Fällung des vorliegenden Straferkenntnisses verwehrt.

 

3.5. Es war daher im Ergebnis der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

 

 

4. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. aufzuerlegen.

 

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

 

H I N W E I S

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

Bernhard Pree

 

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