Linz, 29.10.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. am X, StA der Russischen Förderation, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz im zweiten Rechtsgang, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 120 Abs. 7 FPG idgF. iVm. §§ 24, und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II.: § 64ff. VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß §§ 31 Abs.1 iVm § 120 Abs. 1a FPG, BGBl. 100/2005 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
In der Begründung führt die belangte Behörde zum Sachverhalt und Verfahrensverlauf aus, dass die Bw am 6. Juli 2008 illegal ins Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Bis zur Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes (rk. 28. Februar 2011) habe sich die Bw rechtmäßig als Asylwerberin im Bundesgebiet aufgehalten. Am 29. Juni 2012 habe sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte plus gem. § 41 a/9 NAG gestellt. Diese Antragstellung verschaffe ihr jedoch kein Bleiberecht.
Am 17. September 2012 sei der Bw eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise nachweislich zugestellt worden. Dieser Ausreiseverpflichtung sei die Bw nicht nachgekommen, stattdessen habe sie am 22. Oktober 2012 einen Asylfolgeantrag gestellt, über den mittlerweile erstinstanzlich gem. § 68 AVG und Ausweisung entschieden wurde. Dagegen habe sie Berufung eingebracht.
Die Bw habe sich vom 28. Februar 2011 bis 9. Oktober 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Am 15. Oktober 2012 sei der Bw eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt worden. Ihre Stellungnahme sei per Telefax am 20. November 2012 eingelangt.
Weiters führt die Behörde Folgendes aus:
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2. Jänner 2013.
Vorerst stellt die Bw die Anträge, das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben; gem. § 45 Abs. 1 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen; in eventu gem. § 21 VStG von der Strafe abzusehen; in eventu gem. § 20 VStG eine außerordentliche Milderung der Strafe vorzunehmen.
Die Bw begründet ihre Berufung wie folgt:
1.3. Mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2013 wies der UVS des Landes Oberösterreich zu VwSen-750069/3/BP/WU, die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der belangten Behörde.
1.4. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde folgte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. September 2013, zu Zl. 2013/21/0088-8, und hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.
2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.
Da schon aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, entfiel die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 VStG.
2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.
Insbesondere ist auf einen aktuellen Auszug aus der Asylwerberinformation hinzuweisen, aus dem sich ergibt, dass die Bw am 22. Oktober 2012 einen Asyl-Folgeantrag gestellt hatte. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 (zugestellt 4. Dezember 2012) wurde der Antrag gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Dagegen erhob die Bw Beschwerde an den AGH am 11. Dezember 2012. Dieser Beschwerde wurde vom AGH aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des AGH vom 9. April 2013 wurde die Beschwerde jedoch abgewiesen (Rk. 17. April 2013). Einer dagegen erhobenen Beschwerde sprach der VfGH mit 10. September 2013 die aufschiebende Wirkung zu.
2.3. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
3.1.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, ua. (Z. 2) die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Ein Straferkenntnis ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verwirklicht wurde.
3.1.2. Im vorliegenden Fall wurde der Bw zur Last gelegt, dass sie sich „zumindest“ zwischen dem 28. Februar 2011 und dem 9. Oktober 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Als maßgebliche Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z. 2 VStG wurde (insbesondere) § 120 Abs. 1a FPG herangezogen. Abs. 1a wurde allerdings erst mit dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38, in die Bestimmung des § 120 FPG eingefügt. Die Bezugnahme auf diesen Absatz für den vor dem 1. Juli 2011 liegenden Tatzeitraum erweist sich damit von vornherein als verfehlt. Insoweit hat die belangte Behörde der Bw damit die Verletzung einer Rechtsvorschrift angelastet, die nicht bezüglich des gesamten inkriminierten Tatzeitraumes in Kraft gestanden ist.
3.1.3. Entsprechend der Vorgabe des Verwaltungsgerichtshofes wäre der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend abzuändern, als für den Tatzeitraum 28. Februar 2011 bis 30. Juni 2011 als Strafnorm in der Rechtsgrundlage § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 122/2009 angeführt würde. Dieser Austausch erwiese sich deswegen als zulässig, da das in § 120 Abs. 1 Z. 2 iVm. § 31 Abs. 1 (der unverändert geblieben ist) inkriminierte Verhalten vor der Novelle 1. Juli 2011 mit dem des § 120 Abs. 1a FPG im weiteren Tatzeitraum korrespondierte und sohin tatsächlich nur ein Austausch der Rechtsgrundlage stattfände.
3.2. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs- gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebe- willigung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
9. Oktober 2012 ohne gültigen Aufenthaltstitel bzw. sonstigen Rechtstitel – somit illegal im Bundesgebiet erfolgte. Es liegt unbestrittener Maßen keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG vor.
4. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. aufzuerlegen.
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
H I N W E I S
Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Bernhard Pree