Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281571/4/Wg/GRU

Linz, 23.09.2013

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des x, vertreten durch x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11.7.2013, Gz. 0034599/2012, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), zu Recht erkannt:

I.             Der Berufung wird stattgegeben. Das bekämpfte Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.

II.            Der Berufungswerber hat für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 24, 51, 51c und 51e Abs. 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Aufgrund des vorgelegten Aktes, des Berufungsschriftsatzes und der ergänzenden Stellungnahme des Berufungswerbers vom 19.9.2013 steht folgender Sachverhalt fest:

 

1.1. Der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit Sitz in x. Am 18.7.2012 um ca. 15.15 Uhr waren die Arbeitnehmer der x, x und x bei der Transformatorstation in x, x, mit dem Abmontieren einer Konsole, welche auf einer Höhe von ca. 4 m befestigt war, beschäftigt. Da das Abmontieren der Konsole in einer Höhe von ca. 4 m geschehen musste, wurde noch eine ca. 2,5 m lange Anlegeleiter auf dem Gerüst aufgestellt und an der Mauer angelehnt. Herr x führte die Arbeiten auf der Leiter stehend durch. x stand dabei am Gerüst. Bei dieser Arbeit kippte das Gerüst um, worauf in Folge x von der Leiter in die Baugrube fiel. Herr x fiel in die ca. 1,0 m tief darunter liegende Baugrube. Bei dem Arbeitsunfall zog sich der 21-jährige x durch den Fall von der Leiter Abschürfungen an den Händen und Füßen zu. Der 17-jährige Lehrling x zog sich beim Sturz vom Gerüst in die Baugrube einen Oberarmbruch links und eine vermutliche Halswirbelverletzung zu (Strafantrag Arbeitsinspektorat Wels vom 6.8.2012).

 

1.2. Der verfahrensgegenständliche Arbeitsunfall vom 18.7.2012 fiel in den mit Bestellungsurkunde vom 1.10.2006 begründeten Verantwortungsbereich des Herrn x als verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 Abs. 2 VStG iVm § 23 ArbIG (Stellungnahme des x, Beilage der Stellungnahme des Bw vom 19.9.2013).

 

1.3. Das Arbeitsinspektorat Wels brachte in weiterer Folge bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding den Strafantrag vom 6.8.2012 ein. Darin beantragt das Arbeitsinspektorat, gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen ein Strafverfahren einzuleiten und gem. den näher bezeichneten Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes Geldstrafen in der Höhe von 8.000,-- Euro zu verhängen.

 

1.4. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding übermittelte daraufhin dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) den Verfahrensakt gem. § 27 Abs. 1 VStG zur Durchführung des Strafverfahrens.

 

1.5. Die belangte Behörde leitete gegen den Bw ein Verwaltungsstrafverfahren ein. Der Bw führte dabei rechtfertigend ua ins Treffen, die ggst. Verwaltungsübertretungen würden in den Verantwortungsbereich des Herrn x fallen. Die belangte Behörde lastete dem Bw nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Straferkenntnis vom 11.7.2013 folgende Verwaltungsübertretungen an:

„Der Beschuldigte, Herr x, geboren am x, wohnhaft: x, hat folgende Verwaltungsübertretungen als verwaltungsstrafrechtlich verantwortli­cher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit dem Sitz in x zu vertreten:

Am 18.7.2012 waren die Arbeitnehmer der x, Herr x und Herr x, auf der Baustelle „x" mit dem Abmontieren einer Konsole, die sich auf einer Höhe von ca. 4 m befand, beschäftigt.

1. Herr x führte diese Arbeit auf einer ca. 2,5 m langen Anlegeleiter, die auf einem 2 m hohen Gerüst aufgestellt war, durch, ohne dass diese Leiter gegen Wegrutschen oder Umfallen gesichert war.

2. Herr x führte diese Arbeit auf einem ca. 2 m hohen Gerüst durch. Dieses Gerüst war von der x zum Hochführen des Erdkabels in den oberen Bereich der Trafostation aufgestellt worden und war nach Durchführung dieser Arbeiten teilweise wieder abgebaut worden. Der unterste, ca. 2 m hohe Gerüstteil blieb bestehen und wurde so belassen, dass eine Verwendung dieses Gerüstteils möglich war, obwohl der stehengebliebene Teil den Anforderungen an Gerüste nicht entsprach. Das Standgerüst war mit keinen Wehren versehen und nicht freistehend standsicher auf­gestellt bzw. nicht an dem einzurüstenden Objekt sicher verankert.

3. Das Standgerüst, auf dem Herr x die Arbeiten ausführte, war nicht freistehend standsicher aufgestellt bzw. an dem einzurüstenden Objekt sicher zug- und druckfest ver­ankert und kippte um.

4. Das Standgerüst, auf dem Herr x bei der Ausführung der Arbeit stand, war mit keinen Wehren versehen, obwohl Absturzgefahr aus einer Höhe von ca. 3 m bestand (Ab­sturzgefahr in eine 1 m tiefe Baugrube von dem 2 m hohen Gerüst).

Verletzte Verwaltungsvorschrift(en) in der gültigen Fassung:

ad 1. § 130 Abs. 1 Z. 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), § 34 Abs. 2 Z. 3 AM-VO

ad 2. § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG, § 60 Abs. 7 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV)

ad 3. § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG, § 55 Abs. 4 BauV

ad 4. § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG, § 58 Abs. 3 BauV

Strafausspruch:

Über den Beschuldigten werden folgende Geldstrafen verhängt:

ad 1. bis 4. je € 2.000,--

gesamt       € 8,000,--

Im Falle der Uneinbringlichkeit werden folgende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt:

ad 1 bis 4. je  46 Stunden

gesamt      184 Stunden

Rechtsgrundlage: § 130 Abs. 1 und 5 ASchG, §§ 9, 16, 19 und 22 VStG

Kostenentscheidung:

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens hat der Beschuldigte 10 % der verhängten Strafe, das sind € 800,- zu leisten. Rechtsgrundlage: § 64 Abs. 1 und 2 VStG“ Begründend führte die belangte Behörde im bekämpften Straferkenntnis aus, es liege keine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche vor, weshalb die Bestellung des Herrn x nicht rechtswirksam sei.

 

1.6. Dagegen richtet sich die Berufung vom 6.8.2013. Der Bw stellte den Antrag, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zur Gänze zu beheben und das Strafverfahren im Zweifel einzustellen. In der Berufung wird im Wesentlichen, wie schon im Verfahren vor der belangten Behörde, vorgebracht, Herr x sei verantwortlicher Beauftragter.

 

1.7. Die belangte Behörde legte den Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

1.8. Im Einvernehmen mit dem Arbeitsinspektorat gab der UVS dem Bw die Gelegenheit, eine schriftliche Stellungnahme des Herrn x vorzulegen, in der dieser seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit bestätigt. So legte der Bw mit Eingabe vom 19.9.2013 ein von Herrn x unterfertigtes Schriftstück mit folgendem Wortlaut vor:

„Bezugnehmend auf die Berufung zu 638/12 Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des ASchG darf ich, x, geboren am x, bestätigen, dass

-          der verfahrensgegenständliche Arbeitsunfall vom x auf der Baustelle x, in meinen, mit Bestellungsurkunde vom 1.10.2006 begründeten Verantwortungsbereich als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs. 2 VStG iVm § 23 ArbIG fällt

-          und damit die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für allfällige Übertretungen des ASchG mich und nicht Herrn x trifft.“

Im Übrigen wies der Bw in dieser Stellungnahme darauf hin, dass eine etwaige Verfahrenseinleitung gegenüber Herrn x verfristet sei.

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu erwogen:

 

2.1. Hergang und Folgen des Arbeitsunfalles ergeben sich aus dem Strafantrag des AI (Pkt 1.1.). Strittig war, inwieweit der Bw die Verantwortlichkeit an Herrn x abgetreten hatte. Dazu liegt eine Bestellungsurkunde des Herrn x vor. x stellte ausdrücklich mit der im Rahmen der Feststellungen (Pkt 1.8.) wiedergegebenen Stellungnahme klar, dass die Verantwortlichkeit für allfällige Übertretungen des ASchG ihn und nicht den Bw trifft. Das AI hat dies zustimmend zur Kenntnis genommen. Es war daher festzustellen, dass mit der Bestellungsurkunde vom 1.10.2006 die strafrechtliche Verantwortlichkeit des x als verantwortlicher Beauftragter begründet wurde (Pkt 1.2.). Da die Verantwortlichkeit des x - wie in der Folge im Rahmen der rechtlichen Beurteilung noch erörtert wird - die Behebung des bekämpften Straferkenntnisses zur Folge hat, konnte eine Verhandlung gem. § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG entfallen. Im übrigen beschränken sich die Feststellungen (Pkt 1.3 bis 1.8.) auf die Wiedergabe des Verfahrensablaufes, des bekämpften Straferkenntnisses und des Vorbringens des Bw.

 

2.2. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften ergeben sich aus folgenden gesetzlichen Bestimmungen:

 

§ 9 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) lautet unter der Überschrift „Besondere Fälle der Verantwortlichkeit“:

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

§ 32 VStG lautet unter der Überschrift „Beschuldigter“:

(1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.

 

 

 

§ 23 Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG) lautet:

(1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG.

(2) Arbeitnehmer/innen können für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

(3) Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hat den Widerruf der Bestellung und das Ausscheiden von verantwortlichen Beauftragten nach Abs. 1 dem zuständigen Arbeitsinspektorat unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

 

2.3. In Folge der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten ist nicht der Bw, sondern Herr x gem. § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Soweit der Bw ins Treffen bringt, gegenüber x  sei die Verfahrenseinleitung verfristet, ist auf § 32 Abs. 3 VStG zu verweisen.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Weigl