Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360217/7/MB/JO

Linz, 05.11.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Brandstetter über die Berufung der X, vertreten durch die X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Eferding vom 2. Mai 2013, Pol96-35-2013-As, wegen einer Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Eferding vom 2. Mai 2013, Pol96-35-2013-As, als belangte Behörde, der sowohl der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) als auch dem Finanzamt zugestellt wurde, wurde wie folgt abgesprochen:

„Auf Grund der am 27.02.2013 um 10:30 Uhr anlässlich einer Überprüfung des Lokales mit der Bezeichnung X, in X festgestellten, weiteren verbotenen Ausspielung von Glücksspielen ergeht von der Bezirkshauptmannschaft Eferding als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung folgender

SPRUCH:

Die von Ihnen auf der Liegenschaft in X in Bestand genommenen und somit angemieteten Geschäftsräumlichkeiten des Lokales X sind unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen von Ihnen aufzukündigen und das Kündigungsschreiben binnen 14 Tagen als Beweis dafür der Bezirkshauptmannschaft Eferding vorzulegen.

Ebenfalls ist der Stromlieferbezugsvertrag für die von Ihnen angemieteten Geschäftsräumlichkeiten des Lokales X in X binnen 14 Tagen aufzukündigen und die Schlussrechnung darüber der Bezirkshauptmannschaft Eferding vorzulegen.

Diese Maßnahmen wurden bereits am 30.04.2013 gegenüber Ihren, beim angekündigten Lokalaugenschein anwesenden Rechtsvertreter X verfügt. In den Geschäftsräumlichkeiten des Lokales X wurden bei einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei am 27.02.2013 um 10:30 Uhr 3 Geräte der Fa. X vorläufig beschlagnahmt, nachdem festgestellt wurde, dass diese Geräte in Betrieb waren und offenkundig wiederholt, verbotene Ausspielungen durchgeführt wurden. Eine Betriebsschließung wurde bereits am 13.09.2012 niederschriftlich für den Fall, dass weiterhin verbotene Ausspielungen durchgeführt werden, angedroht.

Rechtsgrundlage:

§ 56a Glücksspielgesetz (GSpG)

BEGRÜNDUNG:

Am 01. März 2012, 08. März 2012 und am 09. März 2012 wurden in den Geschäftsräumlichkeiten des Lokales X in X insgesamt 39 Geräte vorläufig beschlagnahmt. Nachdem die Beschlagnahmebescheide durch Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates rechtskräftig bestätigt wurden, erfolgte am 13. September 2012 ein angekündigter Lokalaugenschein in den Geschäftsräumlichkeiten des Lokales X in X. Während dieses Lokalaugenscheines wurde eine Betriebsschließung mündlich als auch niederschriftlich gegenüber Ihres Mitarbeiters X sowie gegenüber Herrn X für den Fall des Abhaltens von weiteren verbotenen Ausspielungen angedroht.

Am 27.02.2013 erfolgte eine weitere, jedoch unangemeldete Überprüfung der Geschäftsräumlichkeiten des Lokales X in X durch Organe der Finanzpolizei. Anlässlich dieser unangemeldeten Kontrolle wurden mit 3 Geräten zumindest seit dem Aufsteilungsdatum am 27.02.2013 wiederholt Glücksspiele in Form von virtuellen Hunderennen durchgeführt, obwohl weder die für Glücksspiele erforderliche Konzession des Bundesministers für Finanzen vorlag, noch die mit diesen Geräten durchführbaren Ausspielungen nach den Bestimmungen des § 4 Giückspielgesetz vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen noch von einer landesrechtlichen Bewilligung gedeckt waren. Aufgrund der möglichen Einsätze und der in Aussicht gestellten Gewinne in verschiedener Höhe wurde daher in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen.

Dieser Sachverhalt wurde im Zuge der Kontrolle von den Organen der Finanzpolizei dienstlich wahrgenommen. Als Beweise dienen u.a. durchgeführte Testspiele, das Protokoll über die vorläufige Beschlagnahme sowie niederschriftlich festgehaltene Aussagen, angefertigtes Bildmaterial usw..

Bei den am 27.02.2013 durchgeführten Testspielen auf den allesamt funktionstauglichen Geräten mit der Nummer 1, 2 und 3 konnten folgende Spielabläufe generalisierend festgestellt werden:

1. Wetten auf den Ausgang von virtuellen Hunderennen (Geräte Nr. 1, 2, 3):

Nach Eingabe von Geld für das Spielguthaben, Auswahl des gewünschten Spieleinsatzes und nach Festlegen eines vermuteten Rennergebnisses kann die Wette durch Betätigung einer entsprechen virtuellen Büdschirmtaste abgeschlossen werden. Über Wunsch wird ein Wettschein ausgedruckt.

Die aufgezeichneten, bereits in der Vergangenheit stattgefundenen, allenfalls nur mit einer fortlaufenden Nummerierung gekennzeichneten Rennen werden am Bildschirm dargestellt. Nach dem Zieleinlauf werden die ersten Drei in Zeitlupe oder mit Standbild noch einmal kurz gezeigt. Der Wettkunde kann nur aufgrund von Vermutungen, vergleichbar mit dem Roulette-Spiel, eine Nummer oder ein Farbe wählen, durch welche jeder Hund gekennzeichnet ist und auf diese Weise eine Wette auf den Sieger oder eine Kombinationswette auf den ersten und zweiten, allenfalls auch noch auf den dritten durch das Ziel laufenden Hund abschließen, um sodann den Rennverlauf und das Ergebnis abzuwarten.

Jedem möglichen Einlaufergebnis ist eine bestimmte Quote zugeordnet, welche am Gerätebildschirm in einem Quotenblatt dargestellt wird. Der in Aussicht gestellte Gewinn errechnet sich durch Multiplikation des gewählten Einsatzbetrages mit der dem erwarteten Rennverlauf entsprechenden Quote.

Wetten sind ausschließlich aus Anlass sportlicher Veranstaltungen und nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig. Die Wiedergabe von aufgezeichneten Rennveranstaltungen stellt nicht eine sportliche, in der Zukunft liegende und vom Menschen beeinflusste Veranstaltung, sondern eine Abfolge elektronischer Funktionen dar. Wetten auf das Ergebnis elektronischer Vorgänge sind somit nicht Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, sondern Glücksspiele, welche in Form einer Ausspielung veranstaltet werden.

Die durchgeführten Spiele waren deshalb Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 GSpG, weil den Spielern keine Möglichkeiten geboten wurden, bewusst Einfluss auf den Ausgang der Spiele zu nehmen, sondern die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich vom Zufall abhing. Die Spieler konnten bei den elektronischen Geräten nur einen Einsatz und den dazugehörenden Gewinnplan auswählen und die Start-Taste bestätigen.

Diese gewerbsmäßige Durchführung von verbotenen Ausspielungen stellen offenkundige Übertretungen der §§ 52, 53 und 54 GSpG dar, weshalb entsprechende Verwaltungsverfahren bzw. Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt werden bzw. wurden, da am 15. April 2013 der Beschlagnahmebescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding versehen mit der Amtsignatur elektronisch an Sie bereits übermittelt wurde.

Gemäß § 56a GSpG kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetz veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und mit Grund anzunehmen ist, dass eine Gefahr der Fortsetzung besteht. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Giücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Nachdem bereits am 13.09.2012 die Verfügung einer Betriebsschließung angedroht wurde und am 27.02.2013 festgestellt wurde, dass zumindest an diesem Kontrolltag im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des Glückspielgesetzes veranstaltet oder durchgeführt wurden, besteht die Gefahr der fortgesetzten Veranstaltung oder Durchführung von verbotenen Ausspielungen.

Obwohl die Bezirksverwaltungsbehörde gem. § 56a GSpG eine gänzliche oder teilweise Schließung eines Betriebes verfügen kann, machte die Bezirkshauptmannschaft Eferding von ihrem Ermessenspieiraum Gebrauch und verfügte als gelinderen Eingriff sonstige Maßnahmen, nämlich die von Ihnen zu veranlassende, somit eigenverantwortliche Aufkündigung des Mietgegenstandes in X sowie die Aufkündigung des Stromlieferbezugsvertrages binnen einer Frist von 14 Tagen samt unverzüglicher Vorlage der Schriftstücke (Kündigungsschreiben + Schlussrechnung für Strom) an die Bezirkshauptmannschaft Eferding.

Um eine weitere Gefährdung der Interessen des Glückspielmonopols hintanzustellen, ist dieser Bescheid gem. § 56a Abs. 5GSpG sofort vollstreckbar, da ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs. 1 keine aufschiebende Wirkung zukommt.“

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, umfassende und rechtzeitige Berufung vom 13. Mai 2013. Darin führt die Bw im Wesentlichen aus, dass die Begründung der belangten Behörde nicht über die Wiederholung der „verba legalia“ hinausgehe, der angefochtene Bescheid ein rechtliches „Nichts“ darstelle, da er mehr als drei Tage nach der Verfügung vom 30. April 2013 erlassen wurde (6. Mai 2013). Für eine elektronische Zustellung liege in diesem Zusammenhang die Zustimmung der Bw nicht vor. Vielmehr sei im Protokoll vom 30. April 2013 auf die ausschließlich postalische Zustellmöglichkeit insistiert worden. Auch sei zu erkennen, dass die Betriebsschließung iSd GSpG als „ultima ratio“ anzusehen sei und die belangte Behörde mit anderen Möglichkeiten (Beschlagnahme) das Auslangen zu finden gehabt hätte. Auch der von § 56a GSpG geforderte begründete Verdacht liege im gegebenen Fall nicht vor, da beim Lokalaugenschein am 30. April 2013 ersichtlich geworden sei, dass kein Terminal in Betrieb gewesen sei. Zudem sei kein verwaltungsstrafrechtlicher Tatbestand gesetzt worden, da auch alle bisherigen Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden seien.

 

Insofern stellt die Bw abschließend den Berufungsantrag, dass der Berufung stattgeben werden solle und der Bescheid aufzuheben und die verfügten Maßnahmen zu beseitigen seien. Allenfalls solle das Ermittlungsverfahren ergänzt und der Bw im Rahmen des Parteiengehörs das Recht zur weiteren Stellungnahme eingeräumt werden.

 

2. Mit Schreiben vom 21. Mai 2013 legte die belangte Behörde den Bescheid samt dem gegenständlichen Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

2.1. Mit Schreiben vom 5. Juni 2013, zu VwSen360217, welches am 10. Juni 2013 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt ist, beantragte der Oö. Verwaltungssenat die Aufhebung bestimmter Wortfolgen des § 50 Abs 1 GSpG bzw. § 51 Abs 1 VStG wegen Verfassungswidrigkeit.

 

2.2. Mit Beschluss zu G 51/2013-5 vom 26. Juni 2013 wurde der Antrag des Oö. Verwaltungssenates zurückgewiesen. Mit 30. August 2012 rückübermittelte der Verfassungsgerichtshof den gegenständlichen Verwaltungsakt. Insofern entfaltet G 113/2012 vom 13. Juni 2013 keine Anlassfallwirkung auf das gegenständliche Verfahren und ist daher die immunisierte Zuständigkeitsnorm im GSpG aufgrund der Fristsetzung durch den Verfassungsgerichtshof anwendbar.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 51e Abs 2 Z 1 VStG).

 

3.1. Gem. § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall durch ein Mitglied zu entscheiden.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht sohin von dem unter Pkt. 1.1 und 1.2. dargestellten, in den entscheidungswesentlichen Passagen unbestrittenen, Sachverhalt aus. Darüber hinaus ist festzustellen:

 

Die sonstigen Maßnahmen gem. § 56a Abs 1 GSpG wurden von der belangten Behörde am 30. April 2013 vor Ort mündlich verfügt. Im Zuge dieser Verfügung wurde von der belangten Behörde in der Niederschrift zu Pol96-41-2013-As festgehalten, dass am „Donnerstag darüber ein Bescheid zugestellt wird“. Als Zustellmodus wird die postalische Zustellung angeführt.

 

Die im Akt ersichtliche email-Adresse wurde nicht zur Zustellung bekannt gegeben. Überdies befindet sich im Briefkopf der Rechtsvertretung keine dahingehende Angabe.

 

In weiterer Folge wurde von der belangten Behörde mit Email vom 3. Mai 2013 an die Adresse: x@x.at der gegenständliche Bescheid amtssigniert übermittelt. Zusätzlich dazu erfolgte die postalische Zustellung mit Rsb. Dieser wurde am 6. Mai 2013 übernommen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 50 Abs. 1 GSpG ist in 2. Instanz für Strafverfahren und Betriebsschließungen die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate gegeben. Diese Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates ist auch vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zu G 113/2012 ua gegeben, da die Anlassfallwirkung für das gegenständliche Verfahren nicht schlagend wird.

 

4.2. Besteht der begründete Verdacht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des Glücksspielgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, dass eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde gem. § 56a Abs 1 GSpG ohne vorausgegangenes Verfahren aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebs verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

 

Über eine Verfügung nach § 56a Abs. 1 ist binnen 3 Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Gemäß § 56 Abs. 4 können in einem Bescheid nach § 50 Abs. 3 auch andere nach Abs. 1 des § 56a für zulässig erklärte Maßnahmen angeordnet werden. Gemäß § 56a Abs. 5 stehen gegen Bescheide über Verfügungen nach § 56a Abs. 1 Rechtsmittel zur Verfügung, welchen aber keine aufschiebende Wirkung zukommt.

 

4.3. Die § 360 GewO nachgebildete Bestimmung über die Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz lässt somit einen gesetzlich vorgegebenen Ablauf erkennen. Gemäß § 56a Abs. 1 GSpG hat zunächst eine Aufforderung zu ergehen, die Verstöße gegen das Glücksspielgesetz abzustellen. Sodann kann die Behörde an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Diese Verfügung wiederum hat binnen 3 Tagen mittels eines schriftlichen Bescheides durch die belangte Behörde entweder bestätigt oder aufgehoben zu werden. In diesem Bescheid ist die Behörde wiederum nicht an den bereits ausgesprochenen Verfügungsumfang hinsichtlich der Maßnahmen gemäß § 56a Abs. 1 GSpG gebunden, sondern kann den vollen Katalog des § 56a Abs. 1 GSpG ausschöpfen. In weiterer Folge schließt der Gesetzgeber dieses System der Betriebsschließung ab, indem er normiert, dass Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs. 1 des § 56a GSpG keine aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Geht nun die Behörde eben diesen Weg der Betriebsschließung, so hat sie sich an die angegebene Reihenfolge zwingend zu halten, ansonsten ist der letztlich erlassene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

4.4. Mit Blick auf § 56a Abs. 3 GSpG, welcher fordert, dass binnen 3 Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen ist, ist zu erkennen, dass ein Bescheid, der schriftlich zu ergehen hat, durch dessen Zustellung als erlassen anzusehen ist. Mit anderen Worten erst mit Zustellung des Bescheides über die Verfügung nach § 56a Abs. 1 GSpG wird dieser gemäß § 56a Abs. 3 GSpG erlassen.

 

4.4.1. §§ 37 iVm 2 Z 5 ZustellG ergeben, dass eine Zustellung ohne Zustellnachweis auch an einer elektronischen Zustelladresse erfolgen kann. § 2 Z 5 ZustellG bestimmt, dass als elektronische Zustelladresse eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse gilt. Als grundsätzlich taugliche elektronische Zustelladresse kann auch eine „email-Adresse“ gelten ( s N. Raschauer in Frauenberger-Pfeiler/N. Raschauer/Sander/Wessely (Hrsg), Österreichisches Zustellrecht2, § 2 Rz 8). Jedoch muss diese elektronische Zustelladresse der Behörde gegenüber zur Zustellung angegeben wurde.

 

Entsprechend der Niederschrift vom 30. April 2013 ist jedoch zu erkennen, dass die rechtsfreundliche Vertretung ausdrücklich mit der belangten Behörde die postalische Zustellung „vereinbart“ hat. Hieraus ist zu schließen, dass gerade eine Zustellung an die aus dem Akt ersichtliche, grundsätzlich taugliche mögliche „elektronische Zustelladresse“ nicht möglich ist, da diese Adresse von der Bw nicht als Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustellG bekannt gegeben wurde.

 

4.4.2. Hieraus folgt, dass die Übermittlung des amtssignierten Schreibens der belangten Behörde vom 2. Mai 2013, welches den Betriebsschließungsbescheid beinhaltet, nicht zur Erlassung des Bescheides iSd § 56a Abs. 3 GSpG geführt hat. Diese Erlassung erfolgte erst mit Zustellung des Bescheides am 6. Mai 2013.

 

Insofern erfolgte die Erlassung des Bescheides über die Betriebsschließung außerhalb der vom Gesetzgeber eingeräumten Frist von 3 Tagen und galt die von der Behörde am 30. April 2013 iSd § 56a Abs. 1 GSpG erlassene Verfügung mit Ablauf dieser Frist des § 56a Abs. 3 GSpG als aufgehoben.

4.4.3. Daran anknüpfend ist zu erkennen, dass der nunmehr in der Rechtswirklichkeit durch dessen Zustellung vorhandene Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 2013 zu GZ: Pol96-35-2013-As mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

 

Die belangte Behörde hat den gegenständlichen Bescheid über eine Verfügung erlassen, welche bereits mit dem Verstreichen der Frist nach § 56a Abs 3 GSpG als aufgehoben galt. Eine originäre Bescheiderlassung – so dies aus § 56a GSPG im Rahmen eines Größenschlusses überhaupt ableitbar ist – wurde von der belangten Behörde nicht durchgeführt, zumal ausdrücklich auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung iSd § 56a Abs 5 GSpG für Bescheide über Verfügungen nach § 56a Abs 1 GSpG verwiesen wird.

 

4.5. Abgesehen von diesen Überlegungen ist zu erkennen, dass die von der belangten Behörde verfügten Anordnungen (Kündigung des Bestands- und Stromlieferbezugsvertrages) in § 56a GSpG keine Deckung finden.

 

4.5.1. § 56a GSpG sieht wohl vor, dass von der Betriebsschließung Abstand zu nehmen ist (!), wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopoles durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Gem. § 56a Abs. 2 GSpG ist bei der Erlassung einer Verfügung nach § 56a Abs. 1 GSpG soweit mit bestehenden Rechten schonend umzugehen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist.

 

Hieraus ergibt sich vor dem Hintergrund der durch die möglichen Verfügungen bewirkten Grundrechtseingriffe eine vom Gesetzgeber klar vorgenommene Abstufung und Reihung der verschiedenen Möglichkeiten der Verfügung im Rahmen des § 56a GSpG. Als „ultima ratio“ und schärfster Eingriff wird die Verfügung der gänzlichen oder teilweisen Schließung des Betriebes normiert. Diese schärfste „Waffe“ sollte jedoch nur dann zum Zug kommen, wenn „andere Vorkehrungen“ nicht hinreichend zum Ziel führen. Im Rahmen dieser „anderen Vorkehrungen“ zählt der Gesetzgeber nun die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen auf. Insofern ist erkennbar, dass diese „anderen Vorkehrungen“ – wozu auch sonstige Maßnahmen zählen – in ihrer Eingriffsintensität nicht höher als die Betriebsschließung selbst sein dürfen.

 

4.5.2. Hieraus folgt für die von der belangten Behörde getroffenen Verfügungen, dass diese nicht als „andere Vorkehrungen“ zu verstehen sein können, da sie zu einer unwiderruflichen Auflösung des Unternehmensstandortes führen und somit über die bloße „Schließung“ des Betriebes hinausgehen. „Andere Vorkehrungen“ sind in der Eingriffsintensität aber unter der Betriebsschließung ieS angesiedelt. Eine über der Betriebsschließung in ihrer Eingriffsintensität angesiedelter Eingriff ist im GSpG nicht vorgesehen.

 

4.5.3. Abgerundet wird diese Sichtweise durch den Umstand, dass erkannt werden muss, dass die Betriebsschließung selbst dem Grunde nach auf einer bloßen Verdachtslage basiert. Einem Grundrechtseingriff auf dieser Basis sind schon per se strenge Grenzen gesetzt (s Gollwitzer, EMRK 358f; weiter Schulz, Normiertes Misstrauen 475). Eingedenk der Formulierung des § 56a GSpG (arg. „...begründeter Verdacht...“) ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber eine Verdachtsintensität vergleichbar mit der vorläufigen Verfügung der Beschlagnahme gem. § 53 GSpG gewählt hat, denn der Verdacht an sich ist in seiner Konstruktion immer ein begründeter. Von einem dringenden Verdacht spricht der Gesetzgeber hingegen nicht. Der Verdacht selbst lässt sich lediglich durch sein im Grunde vorhandenes Sachverhaltssubstrat von der bloßen Vermutung unterscheiden und hat somit dieses weitere Tatbestandselement keine verschärfende Wirkung, welche die Intensität des Grundrechtseingriffes im Vergleich zur Beschlagnahme rechtfertigen würde. Unwiderrufliche Verfügungen stellen sich daher vor dem Hintergrund der so erwirkten Intensität der Grundrechtseingriffe nicht durch den in § 56a GSpG verlangten Verdachtsgrad rechtfertigbar (s dazu weiter Brandstetter, Die Amtsanzeige 133 ff mwN).

 

Ist der Bestandsvertrag aber gekündigt, so besteht kein wie auch immer gearteter Anspruch des vormaligen Bestandnehmers gegenüber dem Bestandgeber, dass dieser einen neuerlichen Bestandsvertrag abschließt (die zu differenzierende Sicht bei Energielieferverträgen kann hier außer Acht bleiben). Der Unternehmenssitz wäre somit zur Gänze vernichtet (vergleichbar mit dem Abriss des Gebäudes).

 

4.6. Aus all diesen Überlegungen folgt sohin, dass der Bescheid der belangten Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet ist und daher spruchgemäß zu entscheiden war.

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Markus Brandstetter