Linz, 27.11.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die auf die Höhe der Geldstrafe beschränkte Berufung des X, nunmehr vertreten durch die Mutter X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. August 2013, GZ.: Sich96-1035-2013, wegen Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 22. November 2013 zu Recht erkannt:
I. Der Berufung gegen die Höhe der Geldstrafe des Berufungswerbers wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 500 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 67 Stunden und der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde auf 50 Euro herabgesetzt werden.
II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II.: § 64ff. VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 23. August 2013, GZ.: Sich96-1035-2013, wurde der Berufungswerber wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:
2. Gegen dieses dem Bw am 28. August 2013 zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung (Poststempel 10. September 2013).
Sowohl in den Berufungsschriftsätzen der Mutter als auch des Vaters, sowie verfrüht in jenen der Stellungnahmen scheinen Anträge auf, die erschließbar die Beseitigung des Straferkenntnisses anstreben.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde geklärt, dass die Mutter des Bw von diesem ersucht worden war, gegen das Straferkenntnis zu berufen. Im Berufungsverfahren ist vorerst der Vater als Bevollmächtigter für das weitere Verfahren aufgeschienen, dieser hat nach Rücksprache mit dem Bw und der Mutter diese ermächtigt, als Vertreterin für den Bw tätig zu werden.
In der Berufungsschrift der Mutter scheint folgende Passage auf, die den Bw betrifft:
3.1. Mit Schreiben vom 20. September 2013 übermittelte die belangte Behörde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Verwaltungsstrafakte betreffend die Familienmitglieder des Bw.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat für den 22. November 2013 eine öffentliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Verfahrensparteien geladen. Die belangte Behörde ist entschuldigt ferngeblieben.
Die Mutter des Bw hat nach Eröffnung der öffentlichen Verhandlung einleitend dargelegt, dass sie ihre Kinder X, X, X und X im Berufungsverfahren vertrete. Der Bw werde derzeit (auch) von ihrem Gatten vertreten.
Nach Zustellung der Straferkenntnisse der belangten Behörde (Sich96-1033-2013, Sich96-1034-2013, Sich96-1035-2013 und Sich96-1036-2013) wäre die weitere Vorgangsweise im Kreise der Familie besprochen und in der Folge die Berufungen von ihr und ihrem Gatten erhoben worden. Beide hätten in der Begründung der Berufungen die Aufhebungen der Straferkenntnisse gegen die Söhne X und X erschließbar beantragt. Die Geschäftszeichen der die beiden Söhne betreffenden Bescheide seien nicht angeführt worden, es habe auch keine schriftliche Vollmacht der Beiden gegeben, aber das Ersuchen an sie (Mutter), ein Rechtsmittel zu erheben, sei eindeutig gewesen und vor der Einbringung der Schriftsätze besprochen worden.
Nach Rücksprache mit dem bevollmächtigten Gatten vertritt die Mutter ihren Sohn X im weiteren Verfahren und ersucht um Zustellung der Entscheidung an sie.
Anschließend schränkt die gewillkürte Vertreterin (Mutter) die Berufung auf den Strafausspruch ein. Der Schuldspruch ist daher mit 22. November 2013 in Rechtskraft erwachsen.
3.2.1. Auf Grund der Verhandlung steht folgender relevanter Sachverhalt fest:
Der Bw hat sich zum Tatzeitpunkt nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und verfügt auch derzeit über kein Aufenthaltsrecht. Tschechien hat dem Bw die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Zumindest in Tschechien verfügt er über ein Aufenthaltsrecht.
Der Weiterverbleib des Bw wurde von der gewillkürten Vertreterin wie folgt begründet:
Nach der Anerkennung als Flüchtlinge in Tschechien reiste der Bw mit der Familie nach Holland und suchte dort um Asyl an. Die neuerliche Antragstellung wurde damit begründet, dass die Familienerhalter in Tschechien keine Arbeit fanden und die Kinder einer fremdenfeindlichen Stimmung ausgesetzt waren. In Holland wurde dem Bw im Hinblick auf die Entscheidung in Tschechien Asyl verweigert. Die vor der Ausreise nach Holland gewährte Unterstützung und Verpflegung wurde von den tschechischen Behörden nach der Rückkehr nach Tschechien nicht mehr gewährt. So habe die gesamte Familie fast ein halbes Jahr im Auto gelebt und sich auf Grund des unerträglichen Zustandes entschlossen, Tschechien mit unbekanntem Reiseziel wiederum zu verlassen. In Österreich fanden sie in der Folge Unterkunft und Arbeit. Da nach anfänglichem Erfolg die Legalisierung des Aufenthalts in Österreich nicht dauerhaft möglich war, stellten einige Familienmitglieder, so auch der Bw, Asylanträge. Diese wurden allesamt negativ entschieden und Ausweisungsentscheidungen erlassen. Um nicht neuerlich dem – aus subjektiver Sicht bestehenden – diskriminierenden Umfeld in Tschechien ausgesetzt zu sein, unterblieb eine freiwillige Ausreise nach Tschechien.
Der Bw ist in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht absolut unbescholten. Er besitzt keine Vermögenswerte und hat kein Einkommen.
Einem aktuellen Auszug aus der Fremdeninformation ist zu entnehmen, dass der Bw zur Tatzeit über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat und sich auch derzeit nicht rechtmäßig in Österreich aufhält.
3.2.2. Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten.
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
4.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs- gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
4.2.1. Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
4.2.2. Hinsichtlich der Strafhöhe ist anzumerken, dass die belangte Behörde ohne Abwägung eine Geldstrafe in der Höhe des Doppelten der Mindeststrafe verhängt hat.
Im gegenständlichen Verfahren liegen jedoch Milderungsgründe vor, die die Erschwerungsgründe deutlich überwiegen.
Der Bw ist verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht absolut unbescholten.
Er hat im bisher geführten Verwaltungsstrafverfahren die ihm zur Last gelegte Tat nie bestritten. Die ihm angelastete Verwaltungsübertretung hat er reumütig eingestanden. Abgesehen von dieser Übertretung ist ihm ein ordentlicher Lebenswandel zu attestieren. Nach Abschluss des Asylverfahrens sah sich der Bw außerstande den gesetzlichen Zustand herzustellen. Ausschlaggebend dafür waren u.a. der labile Gesundheitszustand und das als bedrückend empfundene diskriminierende Umfeld in Tschechien. Eine Ausreise zusammen mit der Familie kam für sie schon aus Gründen der ungesicherten Versorgungs- und Wohnsituation nicht in Frage. Nach Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens hat zumindest sein Vater die ersten Schritte zur Legalisierung seines Aufenthaltes gesetzt. Derzeit versucht dieser als Schlüsselarbeitskraft einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Betrachtet man die gesamten Umstände des vorliegenden Falles kann nur von einem deutlichen Überwiegen der Milderungsgründe ausgegangen werden. Dies auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK, der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshof im Strafverfahren Anwendung zu finden hat.
4.2.3. Die Geld- bzw. die Ersatzarreststrafe war spruchgemäß auf die Höhe der Mindeststrafe herabzusetzen.
Gemäß § 64ff. VStG war der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde anzupassen. Ein Kostenbeitrag für die Verfahrensführung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. war dem Bw nicht aufzuerlegen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Mag. Stierschneider