Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-560270/11/BMa/HK

Linz, 12.11.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der P D, vertreten durch C D und Dr. W S, Rechtsanwalt in L,  gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 22. Mai 2013, SH20-3235, wegen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23. September 2013 zu Recht erkannt:

 

 

Der angefochtene Bescheid des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 22. Mai 2013, SH20-3235, wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung hingegen abgewiesen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 49 Oö. Mindestsicherungsgesetz - Oö. BMSG, LGBl. Nr. 74/2011 idF LGBl. Nr. 18/2013 iVm § 1 Abs.1 Oö. Mindestsicherungsverordnung – Oö. BMSV, LGBl. Nr. 75/2011 idF LGBl. Nr. 24/2013

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 22. Mai 2013, SO20-3235, wurde P D, geb. X, über den am 13. Juni 2012 gestellten Antrag auf subsidiäre Mindesteinkommen (SMEK) gemäß

§ 16 Oö. ChG aufgrund der Rechtslage, die rückwirkend mit 17. August 2012 in Kraft getreten ist, ab 17. August 2012 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in Form von monatlichen Geldleistungen befristet bis 31. August 2013 zuerkannt, und als eigene Mittel sind der Kindesunterhalt und das Taschengeld FA (H) einzusetzen.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Bw befinde sich aufgrund der im Berechnungsblatt dargestellten Einkommenssituation in einer sozialen Notlage und falle unter die Zielgruppe des § 13 Abs.3a Oö. BMSG. Weiters wird im bekämpften Bescheid ausgeführt, dass über die Weitergewährung der Leistung nur nach Einreichung eines BMS-Antrags samt Einkommensnachweis für den Zeitraum 1.5.2013 – 31.7.2013, eines aktuellen Einkommensnachweises der Eltern der Bw sowie eines Nachweises über den aktuellen Stand von Vermögenswerten (Sparbücher, Bausparer, Versicherungen etc.) entschieden werden könne.

 

1.3. Dagegen wurde fristgerecht von C D, der Mutter und Sachwalterin der P D, Berufung eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, P D lebe mit keinem der beiden Elternteile zusammen, sondern wohne in einer separaten, getrennt begeh- und bewohnbaren Wohneinheit. Die Berechnung des Anspruchs von P D auf Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung habe daher gemäß dem Mindeststandard für alleinstehende Personen zu erfolgen.

Der Antrag auf Zuerkennung der Leistung sei bereits am 10. April 2012 gestellt worden und nicht erst mit Antrag vom 13. Juni 2012. Leistungen seien daher auch vom Tag der Antragstellung beginnend auszuzahlen.

Eine Befristung der Leistung bis 31. August 2013 sei nicht zulässig, weil aufgrund des Schweregrades der Behinderung der Tochter nicht damit zu rechnen sei, dass sich irgendeine Veränderung dahingehend ergeben könnte, dass die Leistung aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht mehr benötigt würde.

Aus der Begründung des Bescheids ergebe sich, dass davon ausgegangen werde, dass die Eltern gemäß § 231 ABGB unterhaltspflichtig seien und daher für die Berechnung der Leistung das Haushaltseinkommen herangezogen werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass keiner der Elternteile leistungsfähig im Sinne des § 231 ABGB sei, weil lediglich ein Familieneinkommen von 1.367 Euro vorhanden sei und von diesem Betrag kein Unterhalt geleistet werden könne. Weiters wurde in der Berufung darauf hingewiesen, dass im Fall einer Heimunterbringung der Tochter die Kosten, die überwiegend von der Sozialhilfebehörde getragen werden müssten, wesentlich höher seien. Mit der Vorgangsweise der belangten Behörde, insbesondere mit der Überschreitung der Entscheidungsfrist von 3 Monaten, sei die Rechtsmittelwerberin nicht einverstanden.

 

Abschließend wurden die Anträge auf Zuerkennung des Mindeststandards für alleinstehende Personen gemäß § 13 Abs.3a Oö. BMSG iVm § 1 Abs.1 Z 4 lit. b Oö.BMSV, auf Berücksichtigung der mangelnden Leistungs- und Unterhaltsfähigkeit der Eltern, auf Aufhebung der Befristung der Leistung und auf Gewährung der Leistung ab Antragstellung, nämlich ab 10. April 2012, gestellt.

 

Der Berufung angeschlossen ist ein Brief des Landeshauptmanns Dr. Josef Pühringer vom 17. April 2012, aus dem hervorgeht, dass er den Brief der C D vom 10. April 2012 betreffend Mindestsicherung für die Tochter P D erhalten habe, und ein Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung vom 11. Juni 2012, SO300001/1288-2012-Pan, in dem bezugnehmend auf die Anfrage an den Landeshauptmann Stellung genommen wurde.

 

Die an die Abteilung Soziales gerichtete Berufung wurde zunächst mit Schreiben vom 5. Juni 2013 vom Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, Abteilung Soziales, an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit Schreiben vom 5. Juni 2013 weitergeleitet und per Mail dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 10. Juni 2013 übermittelt.

 

1.4. Mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 18. Juni 2013 wurde C D unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht gemäß § 30 Oö. BMSG und auf das Gutachten aus sozialarbeiterischer Sicht vom 12. September 2012, das im Akt VwSen-600131-2013 betreffend einen Devolutionsantrag des J D einliegt, aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben und das allfällige zusätzliche Einkommen z.B. aus Mieteinnahmen und allfällige Zahlungen an die Tochter bekanntzugeben.

C D wurde auch eingeladen, zum behaupteten Datum der Einbringung des Antrags auf bedarfsorientierte Mindestsicherung am 10. April 2012 Stellung zu nehmen.

 

Mit Schreiben vom 25.7.2013 wurde zu einzelnen Textpassagen des Gutachtens aus sozialarbeiterischer Sicht von 12. September 2012 Stellung genommen und eingeräumt, dass es keine Mieteinkünfte gebe. Die Ehegatten würden nur einen hypothetischen und nur rechnerisch gedachten Mietvorschuss der Tochter zur Verfügung stellen, der jedoch nicht einbringlich sei.

Weiters wurden monatliche Gesamtkosten in Höhe von 2.113,41 Euro als „Kostenaufstellung der Familie D“ in Bezug auf die Tochter P aufgelistet. In dieser Auflistung sind unter anderem die Rechnungsposten „Tanken“, „Versicherungen (Haus, Auto)“ und „Zeitung“ ersichtlich.

 

Diese Auflistung weicht von jener ab, die in einem undatierten Schreiben an Herrn S (gemeint offensichtlich von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) vorgelegt wurde und von diesem mit Mail vom 15. Mai 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat weitergeleitet wurde (einliegend in Akt

VwSen-600131 – 2013). Aufgelistet wurde dort z.B. eine „Rückzahlung Auto inklusiv Erhaltung“ in Höhe von 437 Euro. Der in dieser Auflistung verzeichnete „Gesamtbedarf  der Aufwendungen im Monat“ für P D wird dort mit 1.358 Euro angegeben.

In der Berufung hingegen wird ein durchschnittlicher monatlicher Kostenaufwand von 880,50 Euro für die Tochter P D angeführt.

 

Hinsichtlich des monatlichen Aufwandes für P D wurden damit drei unterschiedliche Beträge, die um ca. den zweieinhalbfachen Betrag divergieren, angegeben.

 

2.1. Mit Mail vom 10. Juni 2013 hat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Berufung samt Anhängen vorgelegt. Gemäß §§ 49 und 27 Oö. BMSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, der gemäß § 67a AVG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Einsichtnahme in die aufgrund von Devolutionsanträgen vorgelegten Akte der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land SH20-3.235-2013/Fe betreffend J D und SH20-3235 betreffend C D.

 

Am 23. September 2013 hat der Oö. Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, um der Bw bzw. ihrer Mutter als Vertreterin die Möglichkeit zu geben, die Sachverständigen zum Gutachten vom 12. September 2012, SO376682/3-2012/Ste, das der bekämpften Entscheidung  zugrunde gelegt wurde, wonach von einer Haushaltsgemeinschaft auszugehen sei, zu befragen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

 

C D hat mit Schreiben an den Landeshauptmann von Oberösterreich vom 10. April 2012, an den sie sich als Mitglied der Landesregierung gewandt hat, einen Antrag auf Mindestsicherung in Vertretung ihrer Tochter P D gestellt.

Dieser Antrag wurde vom Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, Abteilung Soziales, weil die Beeinträchtigung der P D aktenkundig war, als Informationsersuchen zur Beantragung eines subsidiären Mindesteinkommens (SMEK) gewertet und ihr entsprechend Rechtsbelehrung erteilt. Aufgrund eines am 13. Juni 2012 gestellten Antrags auf Gewährung des subsidiären Mindesteinkommens nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz wurde ein Gutachten gemäß § 22 Abs.3 Oö. ChG aus sozialarbeiterischer Sicht am 12. September 2012, SO-376682/3-2012/Ste, erstellt.

 

 Dabei wurde folgender Befund und nachstehendes Gutachten erstellt:

Am 12.09.2012 wurde von der Abteilung Soziales, Mag. (FH) E S und Herrn Mag. F P ein Hausbesuch bei der Familie D in A durchgeführt.

Bei Frau P D wurden die Diagnosen „Mikocephalie, schwere geistige Behinderung, Z.n. cerebralen Krampfanfällen, rechtsbetonte spastische Diparese“ festgestellt. Aufgrund ihrer Beeinträchtigungen bezieht sie ein Pflegegeld der Stufe 6 und erhöhte Familienbeihilfe. Der ständige Betreuungs- und Pflegeaufwand der Pflegestufe 6 umfasst über 180 Stunden im Monat. Sie spricht nicht bzw. nur einzelne Wörter und ist aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung auf einen Handrollstuhl angewiesen.

 

Die Kundin lebt gemeinsam mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt. Weitere zusätzliche pflegebedürftige Angehörige zu betreuen, gibt es im Haushalt D nicht. Die Wohnform gestaltet sich so, dass ein Einfamilienwohnhaus vorhanden ist. Aufgrund der Notwendigkeit der Nützung eines Rollstuhles für Frau D wurde beim Hauseingang eine Rampe errichtet. Zusätzlich gibt es einen eigenen Hauseingang, der von der Familie benutzt wird.

 

Im Erdgeschoß bewohnt und nutzt die Kundin ihr eigenes Zimmer und eigenes Bad. Die Wohnküche und Wohnzimmer im Erdgeschoß wird von ihr und den Eltern gemeinsam genutzt. Eine Treppe führt ins Obergeschoß. In diesem Obergeschoß bewohnen und benutzen die Eltern ein Schlafzimmer und Bad. Von der Wohnküche aus, erreicht man den Garten und den Swimmingpool.

Innerhalb der Wohnung im Erdgeschoß kann sich Frau D mit dem Handrollstuhl großteils alleine fortbewegen. Sie benötigt jedoch beinahe vollkommene Unterstützung, Anleitung und Durchführung durch die Eltern z.B. bei der Körperpflege (Badewannenlift vorhanden), Herbeischaffen von Lebensmitteln, Zubereiten von Mahlzeiten, Begleitung bei Arztbesuchen und Krankenhauswege, Kleidung wechseln, Transfer von Rollstuhl zu Bett etc. Da sie Windeln trägt, benötigt sie auch hier Unterstützung. Medikamente benötige sie laut Aussage der Eltern aktuell keine. Epileptische Anfälle wurden schon seit längerer Zeit (einige Jahre) nicht mehr beobachtet. Zeitlich und örtlich ist sie nicht orientiert. Der Umgang mit Geld ist ihr nicht möglich. Sie wird als friedlich und ausgeglichen beschrieben, Tendenzen zu aggressiven Verhalten werden nicht genannt.

Seit 16.09.2002 nimmt die Kundin von Montag - Freitag die Fähigkeitsorientierte Aktivität im Institut H im wöchentlichen Stundenausmaß von 42 Stunden in Anspruch. Hier liegt ein Betreuungsschlüssel von 1:2 vor.

Ihre Eltern sind derzeit nicht berufstätig. Die Mutter ist Hausfrau und der Vater seit Jänner 2012 arbeitslos.

Wunsch der Eltern sei es, dass ihre Tochter P solange wie möglich im häuslichen Umfeld wohnen bleiben kann. Frau D ist durch ihre Mutter besachwaltet.

.......

Frau P D verfügt über ein Wohn-Schlafzimmer in einem Zubau zum Elternhaus. Dieser Bereich ist über eine Rampe durch einen separaten Eingang erreichbar und über einen Zugang mit dem gemeinsamen Wohnbereich (Küche/Wohnzimmer) verbunden. Im Erdgeschoss befindet sich auch ein Badezimmer das für die hygienische Betreuung der Klientin durchgeführt wird. Der von der Klientin genutzte Wohnbereich ist im elterlichen Haushalt integriert und kann nicht als eigener Haushalt gewertet werden.

 

Zusammenfassung: Unter Heranziehung der vorgelegten ärztlichen Befunde, der beim durchgeführten Hausbesuch gewonnenen Eindrücke und vorliegenden ärztlichen Diagnosen wird aus fachlicher Sicht festgestellt, dass Frau P D nicht in der Lage ist und auch nicht in der Lage sein wird, sich bei Wegfall von Betreuungspersonen alleine und selbständig zu versorgen.

.....“

 

Die Wohnung der P D besteht aus einem ca. 30 m² großen Zimmer, dem ein Sanitärbereich, der behindertengerecht adaptiert wurde, angeschlossen ist. Sie wird über einen eigenen Vorraum und eine behindertengerechte Rampe bei der Eingangstür erreicht. Die Wohneinheit der P D ist mit einer Verbindungstür zur Wohneinheit ihrer Eltern verbunden. Unmittelbar nach der Verbindungstür gelangt man in eine Küche, die aus einem Küchenblock und einem Essbereich besteht. P D besucht die Heimstätte H von Montag bis Donnerstag von 08:00 Uhr bis 15:30 Uhr und Freitag von 08:00 bis 12:30 Uhr. Das Essen der P D wird von ihrer Mutter C D zubereitet und ihr in ihre  Wohneinheit gebracht und dort eingenommen.

Einkäufe werden gemeinsam von den Eltern für sich und P D getätigt, auch die Wäsche wird von der Mutter gewaschen. P D wird von ihrer Mutter betreut, weil sie schwer behindert und in der Pflegestufe 6 eingestuft ist. Sie ist auch geistig so weit eingeschränkt, dass sie keine eigenen Haushaltsentscheidungen treffen kann. Aufgrund eines Unfalls war J D ab 17. September 2012 bis 18. September 2013 arbeitsunfähig und hat mit Ausnahme des Zeitraums 18.3.2013 bis 17.4.2013 einen Tagessatz brutto in Höhe von 44,10 Euro bezogen. Nicht festgestellt werden kann das Einkommen von 18.3. bis 17.4.2013. Ab dem 19. September 2013 bis 6. Jänner 2014 wird J D einen Tagessatz von 45,07 Euro aus dem Leistungstitel „Arbeitslosengeld“ beziehen.

 

Am 21. Februar 2012 wurde von P D und J D ein Kaufvertrag mit Auto E über den Kauf eines KIA Sportage in Höhe von 21.790 Euro geschlossen. Dieses Auto wurde am 6. März 2012 auf P D zugelassen.

 

Nicht festgestellt werden können die Vermögenssituation der Familie D (abgesehen vom Vorhandensein eines Einfamilienhauses mit Anbau, der für die Bw adaptiert wurde, und eines neuwertigen PKW) und die Kontobewegungen auf ihrem Konto.

 

Das Schreiben der C D an den Landeshauptmann von vom 10. April 2012 in seiner Eigenschaft als Mitglied der Landesregierung wird daher als Antragseinbringung nach dem Mindestsicherungsgesetz gewertet.

 

 

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich dieser Sachverhalt aus den von der Vertreterin der Bw vorgelegten Unterlagen, aus deren Aussage bei der mündlichen Verhandlung am 23. September 2013 sowie aus den vorgelegten Aktenstücken der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu SH20-3235 betreffend P D ergibt.

Weil keine Kontoauszüge, sondern nur jeweils ein Kontoumsatzdetail betreffend die Auszahlung des Krankengelds für J D für die Monate April und Juni bis September 2013 - entgegen der Bekanntgabe in der mündlichen Verhandlung (Seite 4 des Tonbandprotokolls vom 23. September 2013)- vorgelegt wurde, konnte die Vermögens – und Einkommenssituation der Familie D nicht festgestellt werden.

Die Aussagen der C D in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2013 haben ergeben, dass dem Brief an den Landeshauptmann vom 10. April 2012 ein Wille auf Einbringung eines Antrags auf Mindestsicherung zugrunde gelegen ist.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. BMSG ist Aufgabe bedarfsorientierter Mindest­sicherung die Ermöglichung und Sicherung eines menschenwürdigen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinne des § 4 von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen und bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Gemäß § 7 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bereitschaft der hilfsbedürftigen Person voraus, in angemessener ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtlos wäre. Als Beitrag der hilfsbedürftigen Person im Sinne des Abs. 1 gelten insbesondere der Einsatz der eigenen Mittel, der Einsatz der Arbeitskraft, die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, sowie die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragener Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. BMSG hat die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung unter Berücksichtigung

1.           des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfsbedürftigen Person sowie

2.           tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter zu erfolgen.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Oö. BMSG haben Hilfsbedürftige ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und sich um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist auf die persönliche und familiäre Situation der hilfesuchenden Person sowie auf die Eigenart und Ursache der sozialen Notlage Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß § 13 Abs. 1 Oö. BMSG erfolgt die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandards), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

 

Gemäß § 13 Abs. 3a Oö. BMSG sind gesonderte Mindeststandards für volljährige Personen festzusetzen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, die als Kind Unterhalt beziehen oder beziehen könnten und nicht unter § 11 Abs. 3 Z 5 fallen.

 

3.3.2. Gemäß Art. IV Abs.2 des Oö. Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 74/2011 idF LGBl. Nr. 18/2013, gelten noch nicht rechtskräftig entschiedene Anträge auf eine Leistung nach § 16 Abs.1 Oö. ChG als Anträge gemäß § 28 Oö. BMSG auf eine Leistung nach § 13 Oö. BMSG. Damit ist aber auch § 13 Abs.3a BMSG erfasst, der gesonderte Mindeststandards für volljährige Personen festsetzt, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, die als Kind Unterhalt beziehen oder beziehen könnten und nicht unter § 11 Abs.3 Z5 fallen.

 

Obwohl gemäß Art. IV  Abs.1 des LGBl. Nr. 18/2013 rückwirkend mit 17. August 2012 in Kraft getreten ist und damit § 13 Abs.3a erst mit diesem Datum dem Rechtsbestand angehört, ist auch für die Antragstellung vor dem 17.8.2013 die Bestimmungen des Oö. BMSG anzuwenden, ist doch Art. IV Abs.2 die speziellere Regelung zu Art IV Abs.1. Überdies ist es ständige Judikatur des VwGH, dass auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts zu entscheiden ist.

 

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, beginnt der maßgebliche Zeitraum zur Beurteilung eines Anspruchs auf Mindestsicherung damit aber mit 10. April 2012.

 

Diesbezüglich ist dem Berufungsvorbringen zu folgen.

 

Aufgrund der festgestellten Lebenssituation ist davon auszugehen, dass P D in Haushaltsgemeinschaft mit ihren Eltern C und J D lebt.

Bei dieser Beurteilung sind neben dem Personenstand und dem Alter der im Haushalt befindlichen Personen die persönlichen Lebensumstände besonders zu berücksichtigen.

In seinem Erkenntnis zum niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz vom 23. Oktober 2012, 2012/10/0020, das auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, führt der VwGH dazu aus, dass ein „gemeinsamer Haushalt“ vorliegt, wenn das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt. Es kommt darauf an, dass zumindest in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht (vgl. das zum burgenländischen Sozialhilfegesetz ergangene Erkenntnis des VwGH vom 22. Dezember 2003, Zl. 2003/10/0216, wonach die in diesem Gesetz enthaltene Wendung „im gemeinsamen Haushalt lebt“ dahin zu verstehen ist, dass der Hilfesuchende mit anderen Personen gemeinsam lebt und wirtschaftet). Eine solche gemeinsame Wirtschaftsführung in Teilbereichen wäre etwa dann gegeben, wenn auch Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind, wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine, mitbenützt werden. Weist ein Bereich einer Wohneinheit also etwa keine eigenen Einrichtungen zum Kochen, zur Körperreinigung und zum Waschen der Wäsche auf, so wird das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des NÖMSG anzunehmen sein, wenn der Hilfesuchende nicht nachweist, diese Bedürfnisse außerhalb der Wohneinheit zu befriedigen.

In seiner Entscheidung vom 12. August 2010, 2008/10/0159, die auch auf den gegenständlichen Fall übertragen werden kann, hält der VwGH zum Kärntner MSG 2007 fest, dass dieses Gesetz nicht darauf abstellt, aus welchen Gründen ein Hilfebedürftiger in Haushaltsgemeinschaft lebt. Der Umstand, dass der Hilfebedürftige mit seinem Vater in Haushaltsgemeinschaft lebt, weil das wegen seiner Behinderung notwendig ist, kann daher nichts an der Qualifikation des Hilfebedürftigen als in Haushaltsgemeinschaft lebende Person ändern.

 

Diese Überlegungen sind auch auf das Oö. Mindestsicherungsgesetz anzuwenden, wonach ebenfalls auf in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen, ohne Differenzierung aus welchen Gründen diese Haushaltsgemeinschaft zustande gekommen ist oder besteht, abgestellt wird.

 

Weil Lebensmittel gemeinsam für P D und die Ehegatten D eingekauft werden, Essen in der Küche der Ehegatten auch für P D zubereitet wird und die Wäsche gemeinsam gewaschen wird, ist von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen, die einen wirtschaftlichen Vorteil für jede der in dieser Gemeinschaft lebende Person hervorbringt.

Darüber hinaus ist es P D unmöglich, aufgrund ihrer Behinderung eigenständig Entscheidungen zur Haushaltsführung zu treffen, sodass diese Entscheidungen auch von ihrer Mutter, die sie ständig betreut und zu deren Wohneinheit eine Verbindungstür besteht, getroffen werden.

 

Dem Vorbringen der Berufung, für P D sei der Mindeststandard für alleinstehende Personen zugrunde zu legen, ist daher nicht zu folgen.

 

Die belangte Behörde hat damit zu Recht einen Mindeststandard für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, für J und C D gemäß § 1 Abs.1 Z3 Oö. BMSV in Höhe von 611 Euro und für P D gemäß § 1 Abs.1 Z4 lit.b in Höhe von 199,50 Euro, der Berechnung zugrunde gelegt.

Dem gegenüber steht das familiäre Gesamteinkommen unter Einrechnung des Taschengelds FA in Höhe von 1.368, 85 Euro, sodass die belangte Behörde einen Monatsanspruch von 52,65 Euro zugesprochen hat.

Dabei hat die belangte Behörde jedoch unberücksichtigt gelassen, dass gemäß

§ 8 Oö. BMSG die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfsbedürftigen Person sowie der tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter zu erfolgen hat.

In diesem Zusammenhang ist auf die Nichtvorlage der vollständigen Kontoauszüge hinzuweisen, ebenso wenig wurde Auskunft über das vorhandene verwertbare Vermögen gegeben, mit Ausnahme der Anführung eines im Jahre 2012 von J D und P D erworbenen KFZ, das auf P D zugelassen wurde.

Nicht nachvollziehbar ist der Gebrauch dieses KFZ durch die schwer behinderte P D, sodass davon auszugehen ist, dass es sich hiebei um ein verwertbares Vermögen der hilfsbedürftigen Person handelt.

 

Die belangte Behörde ist schon nach der Aktenlage zu Unrecht von dem Vorliegen einer Notlage der P D i.S.d. § 1 Oö. BMSG ausgegangen. Eine weitere Klärung der finanziellen Situation konnte unterbleiben, weil der monatliche Betrag von 52,65 Euro jedenfalls zu Unrecht zugesprochen wurde, dieser hätte erst nach Verwertung des angeführten KFZ und abschließender Klärung der Vermögenssituation gewährt werden dürfen.

 

Der bekämpfte Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass eine neuerliche Antragstellung möglich ist, sofern sich die Lebensumstände und Vermögensverhältnisse ändern.

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann

 

 

VwSen-560270/11/BMa/HK vom 12. November 2013

 

Erkenntnis

 

§ 8 OöBMSG

 

Weil Lebensmittel gemeinsam für die Bw und ihre Eltern eingekauft werden, Essen in der Küche der Eltern auch für die Bw zubereitet und die Wäsche gemeinsam gewaschen wird, ist von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen, die einen wirtschaftlichen Vorteil für jede der in dieser Gemeinschaft lebende Person hervorbringt.

Darüber hinaus ist es der Bw unmöglich, aufgrund ihrer Behinderung eigenständig Entscheidungen zur Haushaltsführung zu treffen, sodass diese Entscheidungen auch von ihrer Mutter, die sie ständig betreut und zu deren Wohneinheit eine Verbindungstür besteht, getroffen werden.

Dem Vorbringen der Berufung, für die Bw sei der Mindeststandard für alleinstehende Personen zugrunde zu legen, ist daher nicht zu folgen.

 

Beschlagwortung:

 

Mindestsicherung; gemeinsame Haushaltsführung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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