Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281617/10/Wg

Linz, 09.12.2013

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung der x und des x, beide vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels Land vom 30.9.2013, Gz. Ge96-55-2013 bzw Ge96-55-1-2013, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 2.12.2013, zu Recht erkannt:

I.             Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Die verhängten Geldstrafen werden auf jeweils 1.000 Euro und die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 20 Stunden herabgesetzt. Der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz reduziert sich auf 200 Euro. Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

II.            Für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 24, 51, 51c und 51e Abs. 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

x und die x wenden sich gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 30. September 2013, Ge96-55-2013 (Pkt 1.10.). In diesem Straferkenntnis werden über Antrag des Arbeitsinspektorates x wegen einer am 5. Juni 2013 durchgeführten Baustellenüberprüfung Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) iVm ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verhängt.

1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

1.1. x ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit Sitz in x.

1.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich verhängte mit Erkenntnis vom 26. April 2013, VwSen-281388/41/TK/BRe ,über x im Rechtsmittelverfahren wegen Übertretung der §§ 118 Abs 3 und 130 Abs 5 Z 1 ASchG iVm § 87 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) zwei Geldstrafen idH von jeweils 1.150 Euro und Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 12 Stunden. Der Tatvorwurf bezog sich darauf, dass am 1. August 2011 auf der Baustelle Wohnhaus x  zwei Arbeitnehmer der x, x bei Dachdeckerarbeiten - nämlich Nagel- und Schraubarbeiten auf dem Dach und am Dachsaum-eingesetzt waren, aber nicht dafür gesorgt wurde, dass Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß den §§ 7-10 der Bauarbeiterschutzverordnung  vorhanden waren, obwohl die Dachneigung etwa 10° und die Absturzhöhe etwa 7 m betrug. Als erschwerend wurde eine einschlägige Vorstrafe berücksichtigt. (Erkenntnis des UVS vom 26. April 2013, VwSen-281388/41/TK/BRe).

1.3. Seit der letzten rechtskräftigen Verwaltungsstrafe nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz kontrolliert die x die Baustellen zwei Mal täglich. Eine Kontrolle findet am Vormittag und eine am Nachmittag statt. Meistens kommt x auf die Baustellen. Wenn x nicht selber kommt, übernimmt sein Bruder x die Kontrolle. Im Zuge dieser Kontrollen werden die Mitarbeiter angewiesen, die entsprechenden Schutzmaßnahmen zu treffen. Darüber hinaus finden 1 mal monatlich Schulungsmaßnahmen statt (einleitendes Vorbringen des RA, Tonbandprotokoll Seite 2, Zeugenaussage x TBP Seite 3).

1.4. Am 5. Juni 2013 waren die Arbeitnehmer der x, x, auf der Baustelle x, Altstoffsammelzentrum tätig. x war der Vorarbeiter, x arbeitete unter seinen Anweisungen. x und x waren in der Früh zunächst alleine auf die Baustelle in x gefahren. x kam dann nach.  Entgegen der Erwartungen des x war bauherrenseits kein Gerüst auf der Baustelle eingerichtet worden. Darum wies er die beiden Arbeitnehmer an, sich anzugurten. Er organisierte in weiterer Folge über die Firma die Anbringung eines Netzes. Als x die Baustelle in der Früh wieder verließ, waren x und x angegurtet. Nach der  Kaffeepause vergaßen x und x sich anzugurten. Bei der in der Folge am 5. Juni 2013 durchgeführten Kontrolle des AI x waren die beiden Arbeitnehmer der x, x auf einer Stahlkonstruktion  bei einer Absturzhöhe von ca. 4 m bis 6 m mit Spenglerarbeiten (Montage der Entwässerungsrinne) beschäftigt, wobei keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß den §§ 7 bis 10 Bau V vorhanden waren. Nach der Kontrolle wurden Schutzmaßnahmen in Form von Netzen und Hebebühnen angebracht. Die Arbeiten im Altstoffsammelzentrum dauerten etwa 1 Woche  (Zeugenaussage x TBP Seite 2f, Aussage Bw TBP Seite 6f, Strafantrag des AI x vom 6. Juni 2013).

1.5. Am 2. August 2013 waren die Arbeitnehmer der x x auf der Baustelle x, Zubau einer Halle im landwirtschaftlichen Objekt an der Adresse x. x war Vorarbeiter, x arbeitete unter seinen Anweisungen. x war mit ihnen in der Früh zur Baustelle gefahren. Die Situation war insoweit anders als in x, als in x bauherrenseits kein Verständnis für Schutzmaßnahmen vorhanden war. Der Bauherr wollte sich ursprünglich die Schutzmaßnahmen sparen. So wies x die Arbeitnehmer lediglich an, sich anzugurten. Nach der Kaffeepause vergaßen x und x aber, sich anzugurten. Als Arbeitsinspektor x am 2. August 2013 auf der Baustelle x, eine Baustellenüberprüfung durchführte, waren x auf dem ca. 15° geneigten Dach bei einer Absturzhöhe von ca. 5 m mit Arbeiten auf dem Dach beschäftigt, wobei keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren.  Nach der Baustellenüberprüfung durch das AI wurden in weiterer Folge die erforderlichen Schutzmaßnahmen angefordert. Es wurde ein Netz und ein Gerüst angebracht. Die Baustelle nahm insgesamt etwa 2 Tage in Anspruch. (Zeugenaussage x TBP Seite 2f, Aussage Bw TBP Seite 6f, Strafantrag des AI x vom 5. August 2013).

1.6. x weist ingesamt 3 einschlägige rechtskräftige Vorstrafen auf (Vorbringen Bw bzw Außerstreitstellung TBP Seite 9).

1.7. Das Arbeitsinspektorat Linz hatte den Vorfall vom 5. Juni 2013 bereits mit Eingabe vom 6. Juni 2013, GZ 041-71/1-9/13, bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) zur Anzeige gebracht und wegen Übertretung des § 7 Abs 1 iVm § 7 Abs 2 Z 4 BauV Geldstrafen in der Höhe von 1.000 Euro je Arbeitnehmer (gesamt also 2.000 Euro) beantragt. Die belangte Behörde leitete zu Ge96-55-2013 ein Verwaltungsstrafverfahren ein.

1.8. Das Arbeitsinspektorat x brachte den Vorfall vom 2. August 2013 mit Eingabe vom 5. August 2013, GZ 041-46/1-19/13 Kra, bei der belangten Behörde zur Anzeige und beantragte die Verhängung von Geldstrafen idH von 2.000 Euro je Arbeitnehmer (gesamt also 4.000 Euro). Die belangte Behörde leitete zu Ge96-99-2013 ein Verwaltungsstrafverfahren ein.

1.9. x gab der belangten Behörde mit Stellungnahmen vom 13. September 2013 und vom 24. September 2013 folgende Einkommensverhältnisse bekannt: „monatliches Nettoeinkommen 2.598 Euro, Firmenvermögen: (GmbH), Sorgepflicht: 1 Kind 12 Jahre.“

1.10. Die belangte Behörde erließ schließlich das Straferkenntnis vom 30. September 2013, GZ Ge96-99-2013 bzw Ge96-99-1-2013, und das Straferkenntnis vom 30. September 2013, GZ Ge96-55-2013 bzw Ge96-55-1-2013. Der Spruch des Straferkenntnisses vom 30. September 2013, GZ Ge96-55-2013 bzw. Ge96-55-1-2013 lautet wie folgt:

„A)

1. und 2, (pro Arbeitnehmer eine Tat):

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener x mit Sitz in x und in Ermangelung der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des ArbIG haben Sie folgende Verwaltungsübertretungen dieser GmbH zu verantworten:

Arbeitsinspektoren des Arbeitsinspektorats Linz stellten anläßlich einer Baustellenüberprüfung am 05.06.2013 in x (Altstoffsammelzentrum) dienstlich fest und dokumentierten auch photographisch, dass die GmbH dort als Arbeitgeberin ihre Arbeitnehmer

-       x, geb. x und

-       x, geb. x

auf einer Stahlkonstruktion (Balkenkonstruktion) bei einer Absturzhöhe von - je nach Untergrund -4,00 bis 6,00 m mit Spenglerarbeiten (Montage der Entwässerungsrinne) beschäftigte. Auf diesem im Sinne der BauV 'sonstigen Arbeitsplatz' unterließ es die GmbH, trotz der dort gegebenen Absturzgefahr bei Ausführung dieser Tätigkeiten Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen. Gemäß BauV liegt Absturzgefahr an solchen Arbeitsplätzen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor.

Dadurch wurden folgende Verwaltungsvorschriften verletzt: 1. und 2. jeweils:

§ 9 Abs. 1, Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (VW) in der gegebenen Fassung, in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Einleitung/Wiederholungsqualifikation; und Z1 sowie § 118 Abs. 3; des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes ASchG, BGBl. Nr. 450/1994/in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2013 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und 2 2 4 sowie §§ 8, 9 und 10 der Bauarbeiterschutzverordnung. - BauV, BGBl. Nr. 340/1994 in der Fassung BGBl. II Nr.
33/2012.
          Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie in beiden Punkten bzw. betreffend jeden der beiden Arbeitnehmer folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von 2.000 Euro; falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden; gemäß § 16 VStG in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Einleitung ASchG

SUM: Euro 4.000,- Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

400,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe.Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 4.400,- Euro.

B)

Die x haftet für die im Spruchpunkt A) verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zu ungeteilter Hand.

 

Rechtsgrundlage: § 9 Abs. 7 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr, 5271991 (VW) in der geltenden Fassung.“

 

Die Behörde argumentierte in beiden Straferkenntnissen, dass in der Firma kein taugliches Kontrollsystem existiere, ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer x wiederholt bei ungeschützter Bautätigkeit angetroffen worden sei. Die wiederholten einschlägigen Bestrafungen, seien über die Anwendung des erhöhten Strafrahmen hinaus sehr erschwerend zu werten, ebenso der Umstand, dass x wiederholt ungeschützt eingesetzt werde - und auch, dass 2 Arbeitnehmer betroffen gewesen wären. Das faktische Geständnis sei leicht mildernd berücksichtigt worden. Sonstige Milderungs-oder Erschwerungsgründe seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Es ergebe sich ein hoher Verschuldensgrad, wenn nicht gar die Gleichgültigkeit gegenüber den gesetzlichen Regelungen. Die Einkommens-und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten seien zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der plausiblen Angaben sei nicht zu befürchten, die verhängte Strafe (auch nicht im Zusammenhang mit den bisher verhängten Strafen) beeinträchtige sein wirtschaftliches Fortkommen unbillig. Es hätten spezialpräventive Bedürfnisse aufgrund der erwähnten Umstände einfließen müssen. Offenbar seien die bisherigen Strafen und auch die betont ausführlich gehaltenen Ausführungen der Behörde in den Straferkenntnissen nicht geeignet gewesen, den Berufungswerber von weiteren Übertretungen abzuhalten. Generalpräventive Überlegungen seien ebenfalls heranzuziehen gewesen, zumal es in diesem Berufszweig immer wieder zu schlimmen, vermeidbaren Unfällen komme. Im Ergebnis sei die verhängte gegenständliche Strafe zu verhängen gewesen.

1.11. Dagegen richten sich die Berufungen vom 16. Oktober 2013. x und die x stellen darin den Antrag, die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft vom 30. September 2013 ersatzlos aufzuheben und die Strafverfahren einzustellen; jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen; in eventu wegen Geringfügigkeit des Verschuldens sowie der Folgen vom Ausspruch einer Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen.

1.12. Die belangte Behörde legte die Verfahrensakte dem UVS zur Entscheidung vor. Die Berufung gegen das Straferkenntnis Ge96-55-2013 wurde zu Zl VwSen-281617-2013 und die Berufung gegen das Straferkenntnis Ge96-99-2013 zu Zl VwSen-281599-2013 protokolliert.

1.13. Der UVS verband die beiden Verfahren zur gemeinsamen Berufungsverhandlung am 2. Dezember 2013. Zur mündlichen Verhandlung erschienen x, x sowie Vertreter der belangten Behörde und der Arbeitsinspektorate x und x. In der mündlichen Verhandlung wurden Beweis erhoben durch die einvernehmliche Verlesung der Verfahrensakte der belangten Behörde und des UVS. Der Bw wurde als Beschuldigter einvernommen. x wurde als Zeuge einvernommen. Nachdem die Verfahrensparteien auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet hatten, verfügte der Verhandlungsleiter den Schluss der Beweisaufnahme.

1.13.1. Der Vertreter des AI Linz erstattete folgendes Schlussvorbringen: „Im Strafantrag vom 6.6.2013 wurden 1.000,-- Euro je Arbeitnehmer an Strafhöhe beantragt. Wir wussten dabei nicht, ob es Vorstrafen gibt. Wir bleiben bei den beantragten Strafhöhen, sodass aus unserer Sicht die im bekämpften Straferkenntnis vom 30.9.2013, Ge96-55-2013, verhängten Strafen jedenfalls auf die von uns beantragten Strafhöhen herabzusetzen sind. Im Übrigen wird auf den Strafantrag verwiesen.“

 

1.13.2. Der Vertreter des AI Wels erstattete folgendes Schlussvorbringen: „Ausdrücklich festzuhalten ist, dass wir nicht das Fehlen von persönlicher Schutzausrüstung angezeigt haben, sondern das Fehlen von entsprechenden Schutzeinrichtungen gem. der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV). Im Übrigen wird auf den Strafantrag verwiesen. Als erschwerend ist aus unserer Sicht aber jedenfalls zu werten, dass der Arbeitgeber aus terminlichen Druck auf das Anbringen von Schutzvorrichtungen verzichtet hat.“

 

1.13.3. Der Vertreter der belangten Behörde erstattete folgendes Schlussvorbringen: „Auf die bekämpften Straferkenntnisse wird verwiesen, insbesondere auf den Umstand, dass x schon einmal bei einer Baustelle betreten wurde, wobei die einschlägigen Vorschriften der BauV nicht eingehalten wurden. Auf das im Akt befindliche UVS-Erkenntnis wird verwiesen. Das belegt, dass das Kontrollsystem nicht funktioniert. Die wirtschaftlichen Aspekte sind der Hauptgrund, dass es Arbeitnehmerschutzvorschriften gibt. Die Abweisung der Berufungen wird beantragt.“

 

1.13.4. Der rechtsanwaltliche Vertreter  erstattete für x und die x folgendes Schlussvorbringen: „Ein Fehlverhalten des x kann keinesfalls einen Erschwerungsgrund darstellen, zumal der Bw nicht die Verantwortung für fremdes Fehlverhalten übernehmen kann. Die Firma x hat sehr wohl ein funktionierendes Kontrollsystem. Die Firma x kontrolliert täglich zweimal sämtliche Baustellen. Am Vormittag erfolgt eine Einweisung der Mitarbeiter an den Baustellen. Am Nachmittag findet jeweils täglich noch eine stichprobenartige Kontrolle statt. Zudem findet einmal monatlich eine Sicherheitsunterweisung bzw. Sicherheitsschulung statt. Ein lückenloses Kontrollsystem kann nicht darin bestehen, dass der Arbeitgeber jede Baustelle persönlich auszuführen hat. Ebenso wenig ist es möglich, auf jeder Baustelle die Mitarbeiter persönlich und ständig durchgehend persönlich zu kontrollieren. Ein lückenloses Kontrollsystem liegt jedenfalls dann vor, wenn täglich zweimal kontrolliert wird, wie es bei den ggst. zwei Bauvorhaben auch tatsächlich der Fall gewesen ist. Beim Bauvorhaben in x lag keinesfalls ein terminlicher Grund vor, keine Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Vielmehr gab der Bauherr bewusst die Weisung, an die Baufirma x keine Gerüstung aufzustellen, um damit Kosten zu sparen. Nur aus diesem Grund wurden zunächst die Sicherheitsmaßnahmen dergestalt vorgenommen, als die Mitarbeiter lediglich angewiesen wurden, persönliche Schutzausrüstung anzulegen. Durch diese Schutzausrüstung und Anseilung sind die Vorschriften der BauV sehr wohl eingehalten worden. Hinsichtlich des Bauvorhabens in x erfolgte ebenso am Morgen die Anweisung, an die Mitarbeiter die Schutzvorrichtungen anzulegen. Flankierend dazu wurde eine Verwendung von Netzen und die Verwendung einer Hebebühne organisiert und im Laufe des 5. Juni 2013 organisiert und aufgestellt. Vor Einrichtung dieser Schutzmaßnahmen in Form von Netzen und Hebebühnen waren die angewiesenen Maßnahmen, nämlich das Anlegen von Schutzgurten, eine taugliche Maßnahme. Die Höhe der verhängten Strafen wird ausdrücklich bekämpft. Bereits das tägliche zweimalige Kontrollsystem sowie die tägliche Einweisung des Arbeitgebers, die Schutzvorschriften einzuhalten, rechtfertigt eine entsprechende Herabsetzung der Strafen. Dies trotz Vorliegens von drei rechtskräftigen Vorstrafen. Wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, hat die ausgesprochene Vorstrafe sehr wohl dazu gedient, dass die Fa. x nunmehr täglich die Baustellen kontrolliert und somit nunmehr auch ein lückenloses Kontrollsystem umgesetzt wird und gewährleistet ist. Dem Mitarbeiter x wurde bereits die Auflösung des Arbeitsverhältnisses angedroht, sollte dieser künftig Weisungen der Arbeitgeberseite missachten.“

 

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu Pkt 1.7. bis 1.13. beschränken sich auf eine Wiedergabe des Verfahrensablaufes und des Parteivorbringens.

2.2. Die Feststellungen zu Pkt 1.1. bis 1.6. ergeben sich unstrittig aus den angeführten Beweismitteln. Im Strafantrag des AI Wels vom 5. August 2013 wird die Absturzhöhe mit ca 5 Meter angegeben. Dafür, dass die Absturzhöhe wie im bekämpften Straferkenntnis festgestellt ca 7 m betragen hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Diese – vom Strafantrag abweichende - Feststellung wird im bekämpften Straferkenntnis nicht weiter begründet. Der UVS legt den Feststellungen (Pkt 1.5.) die unbestrittenen Ausführungen im Strafantrag zugrunde.

2.3. Strittig war lediglich, ob die Kontrollmaßnahmen (v.a. Pkt 1.3.) ausreichen, um ein fehlendes Verschulden glaubhaft zu machen. Wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu erörtern ist, reichen die Kontrollmaßnahmen der x dafür nicht aus.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das gegenständliche Erkenntnis bezieht sich auf das Straferkenntnis Ge96-55-2013. Über das Straferkenntnis Ge96-99-2013 wird mit gesondertem Erkenntnis entschieden.

3.2. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften ergeben sich aus folgenden Bestimmungen:

§ 118 Abs 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) lautet:

(3) Die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV), gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

§ 130 Abs 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) lautet:

(5) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in

        1. den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder

        2. die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält.

 

§ 7 Abs 1 und 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) lautet:

(1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

(2) Absturzgefahr liegt vor:

     1. bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschoßdecken, wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen,

     2. an Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen an oder über Gewässern oder anderen Stoffen, wenn die Gefahr des Versinkens besteht,

     3. an Wandöffnungen, an Stiegenläufen und -podesten sowie an Standflächen zur Bedienung oder Wartung von stationären Maschinen bei mehr als 1,00 m Absturzhöhe,

     4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

3.3. Die im bekämpften Straferkenntnis Ge96-55-2013 (Pkt 1.10.) angelasteten Verwaltungsübertretungen sind in objektiver Hinsicht nachgewiesen (Pkt 1.4.). Es waren keine Schutzvorkehrungen vorhanden.

3.4. Gem. § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

3.4.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Bw nach § 5 Abs. 1 obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177 UVA).

 

3.4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Das entsprechende Kontrollsystem hat aber auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. VwGH vom 24.5.2013, GZ 2012/02/0072). Vor diesem Hintergrund reicht das vorhandene Kontrollsystem nicht aus, um ein fehlendes Verschulden glaubhaft zu machen. Es ist gem § 5 Abs 1 VStG von leichter Fahrlässigkeit auszugehen. 

 

3.5. Grundlage für die Bemessung der Strafe sind gemäß § 19 Abs 1 VStG die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies gemäß § 19 Abs 2 VStG die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

3.5.1. Die erste einschlägige Vorstrafe zieht die Anwendung des erhöhten Strafrahmens (333 bis 16.659 Euro) nach sich. Die weiteren 2 rechtskräftigen Vorstrafen waren als erschwerend zu werten. Strafmildernd war kein Umstand. Die vom Bw geschilderten Einkommensverhältnisse (Pkt 1.9.) und das Verschulden waren der Strafbemessung zugrunde zu legen.

 

3.5.2. Es bestand kein Anlass, die vom AI Linz beantragten Strafhöhen (Pkt 1.13.1.) zu überschreiten. Die verhängten Strafen waren daher auf das nunmehr festgelegte Ausmaß herabzusetzen.

 

3.5.3. Eine Ermahnung (§ 45 Abs 1 Z 4 VStG) kam nicht in Betracht, zumal die Verwaltungsübertretungen nicht vom typischen Unrechtsgehalt in einer besonderen Weise abwichen.

 

Im Ergebnis reduzierte sich auch der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren. Für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu entrichten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

Mag. Weigl

Beachte:

 

Revision wurde als unzulässig zurückgewiesen.

 

VwGH vom 31. Jänner 2014, Zl.: Ro 2014/02/0019-3

 

 

 

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