Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401339/6/Gf/Rt

Linz, 22.11.2013

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf aus Anlass der Beschwerde des E, vertreten durch den Migrantenverein X, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht:

 

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 15. November 2013, 8:00 Uhr, bis zum 19. November 2013, 4:50 Uhr, wird als nicht rechtswidrig festgestellt.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Über den am 10. Mai 1979 geborenen Rechtsmittelwerber, einen Staatsangehörigen von S, wurde zunächst mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 14. November 2013, Zl. Sich40-12632, gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 144/2013 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) W am nächsten Tag vollzogen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber bereits im Sommer 2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Hierauf habe er einen Asylantrag gestellt, der am 31. März 2006 vom Unabhängigen Bundesasylsenat rechtskräftig abgewiesen worden sei. In der Folge sei er wegen Suchtmitteldelikten zunächst vom Jugendgerichtshof Wien zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren und sodann vom LG Wien zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden, weshalb auch eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung i.V.m. einem unbefristeten Einreiseverbot erlassen worden sei. Am 20. März 2012 sei er in die Justizanstalt S überstellt, in der Folge jedoch für den 15. November 2013 seine vorzeitige bedingte Haftentlassung verfügt worden.

 

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er nach seiner Enthaftung bei seinem Sohn und deren Mutter an einer näher bezeichneten Adresse in W leben könne, sei ermittelt worden, dass sich die genannten Personen bereits am 30. Juni 2010 von diesem Wohnsitz behördlich abgemeldet hätten und deren gegenwärtiger Aufenthaltsort unbekannt sei.

 

Da sich der Rechtsmittelwerber unberechtigt im Bundesgebiet befinde, er hier weder über beruflichen Anknüpfungspunkte noch über einen Kontakt zu seinem Sohn und deren Mutter verfüge und er zudem absolut rückkehrunwillig sei, erweise sich – insbesondere, weil angesichts der zeitnah bevorstehenden Abschiebung zu befürchten sei, dass er sich ansonsten dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde durch ein Abtauchen in die Anonymität entziehen könnte – die Verhängung der Schubhaft als unbedingt erforderlich. Dem gegenüber könnte die Anordnung eines bloß gelinderen Mittels neben einem Abtauchen in die Anonymität zudem dazu führen, dass der Rechtsmittelwerber wieder seine früheren Kontakte zum Drogenmilieu aufnehme, um seinen illegalen Aufenthalt in Österreich zu verlängern.

 

1.2. In der Folge hat der Beschwerdeführer am 18. November 2013 neuerlichen einen Asyl(folge)antrag gestellt und gegen seine Anhaltung in Schubhaft am selben Tag per Telefax eine Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat erhoben.

 

Darin wird vorgebracht, dass die Fremdenpolizeibehörde die gesetzlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht vorgenommen habe. Da sein Sohn hier in Österreich lebe, hätte die Anordnung gelinderer Mittel – wie insbesondere die Pflicht zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle und/oder zur Unterkunftnahme in einer von der Behörde bestimmten Räumlichkeit – durchaus hingereicht.

 

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner weiteren Anhaltung in Schubhaft beantragt.

 

1.3. Am 19. November 2013 wurde der Beschwerdeführer zum Flughafen Wien-Schwechat verbracht, um von dort aus die Abschiebung in seinen Heimatstaat durchzuführen; zu diesem Zweck wurde auch die Schubhaft gegen 4:50 Uhr formell aufgehoben.

 

In der Folge hat der Rechtsmittelwerber jedoch die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er im Flugzeug lautstark dagegen protestierte, sodass diese abgebrochen und um eine Woche verschoben werden musste.

 

1.4. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. November 2013, Zl. Sich40-12632, wurde über den Beschwerdeführer neuerlich, und zwar gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 und 3 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie seiner Abschiebung, eine Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ W vollzogen.

 

Begründend wurde in Ergänzung zum vorangeführten Schubhaftbescheid vom 14. November 2013 darauf hingewiesen, dass ihm kein faktischer Abschiebeschutz i.S.d. § 12a Abs. 4 AsylG zuerkannt worden sei. Auf Grund jener Umstände, durch die er seine Abschiebung faktisch verhindert habe, sei – sollten anstelle der Schubhaft bloß gelindere Mittel angeordnet werden – die Gefahr für ein Untertauchen des Beschwerdeführers und somit ein akuter Sicherungsbedarf evident.

 

1.5. Am 19. bzw. 20. November 2013 hat die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Ergänzend wird darin insbesondere ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber am 16. November im Anschluss an die Mitteilung, dass er in seinen Heimatstaat abgeschoben werden wird, in einen Hungerstreik getreten sei. Das von Suriname ausgestellte Heimreisezertifikat sei noch bis zum 4. Dezember 2013 gültig.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl. Sich40-12632; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche, oben unter 1.1. bis 1.5. dargestellte Sachverhalt klären ließ und dieser zwischen den Verfahrensparteien zudem auch in keiner Weise strittig ist – insbesondere wurde mit der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde nicht in Abrede gestellt, dass der Sohn des Beschwerdeführers und dessen Mutter seit längerer Zeit nicht mehr an der vom Rechtsmittelwerber bekannt gegebenen Adresse in W aufhältig sind –, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Im vorliegenden Fall wird der Rechtsmittelwerber auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.

 

2.3. Dieser hatte gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Fremdenpolizeibehörde bei Vorliegen der in § 76 FPG genannten Gründe – insbesondere eines entsprechenden Sicherungsbedarfes – gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft auch in dieser Weise erreicht werden kann. Voraussetzung für die Anordnung eines gelinderen Mittels ist nach § 77 Abs. 2 FPG weiters, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, wenn diese nicht bereits ohnehin von Amts wegen erfolgt ist. Als gelindere Mittel kommen gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden (Z. 2) und/oder eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen (Z. 3) in Betracht.

 

Nach § 76 Abs. 1 FPG kann ein Fremder u.a. dann in Schubhaft angehalten werden, wenn dies notwendig ist, um seine Abschiebung zu sichern.

 

3.2. Davon ausgehend, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt sind (vgl. den Schubhaftbescheid der belangten Behörde vom 14. November 2013, Zl. Sich40-12632), ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall formal zwei unterschiedliche Perioden der Schubhaftverhängung zu unterscheiden sind, nämlich zum einen jene vom 14. November 2013 bis zu der aus dem Grund erfolgten (wenngleich bloß kurzzeitigen) Entlassung des Beschwerdeführers am 19. November 2013 gegen 4:50 Uhr, um dessen Abschiebung faktisch durchführen zu können, und zum anderen jene Schubhaftanordnung, die nach dem Abbruch der geplanten Abschiebung mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Februar 2013, Zl. Sich40-12632, angeordnet wurde (und die noch bis dato andauert).

 

Die vorliegende Beschwerde richtet sich sohin – weil diese bereits am 18. November 2013 eingebracht wurde und dem Rechtsmittelwerber zu diesem Zeitpunkt seine nachmalige Entlassung aus der Schubhaft am 19. November 2013 um 4:50 Uhr naturgemäß noch gar nicht bekannt sein konnte – naturgemäß nur gegen die mit Bescheid vom 14. November 2013 verhängte, ab dem 15. November 2013 im unmittelbaren Anschluss an seine Entlassung aus der gerichtlichen Haft vollzogene und am 19. November 2013 um 4:50 Uhr wieder beendete Schubhaft.

 

3.3. In seinem Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, hat sich der Verwaltungsgerichtshof jüngst eingehend mit Frage des Verhältnisses zwischen Schubhaftverhängung und der Anordnung von gelinderen Mitteln auseinandergesetzt.

 

In dieser Entscheidung geht der VwGH nach Darstellung der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur, nach Würdigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 2012, G 140/11, und nach Auseinandersetzung mit der Argumentation des Oö. Verwaltungssenates im Erkenntnis vom 6. Dezember 2012, Zl. VwSen-401240, zusammengefasst nunmehr davon aus, dass

 

  • die Verhängung von Schubhaft ein Sicherungsbedürfnis, d.h. die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, dass sich der Fremde der Abschiebung insbesondere durch Untertauchen zu entziehen oder diese zu erschweren versuchen wird; Indizien hierfür sind insbesondere fehlende familiäre, soziale und/oder berufliche Anknüpfungspunkte; neben diesem Integrationsaspekt ist auch das bisherige Verhalten des Fremden zu berücksichtigen;

 

  • sich aus den Garantien des Art. 1 und 2 PersFrBVG ergibt, dass die Schubhaft – als ultima-ratio-Maßnahme – nur bei Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit verhängt werden darf; dies gilt für sämtliche im FPG angeführten Schubhafttatbestände; im Übrigen besteht jedoch zwischen § 76 Abs. 2a FPG einerseits und § 76 Abs. 2 FPG andererseits insofern ein struktureller Unterschied, als zum einen die Notwendigkeit einer Schubhaftverhängung in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG umso mehr auf der Hand liegt, je weiter fortgeschritten das Asyl- und Abschiebungsverfahren bereits ist; und zum anderen besteht hier das sonst der Behörde eingeräumte Ermessen, gelindere Mittel selbst dann anzuordnen, wenn ein sogar die Schubhaft rechtfertigendes Sicherungsbedürfnis vorliegen würde, nicht; daraus folgt insgesamt, dass weder nach § 76 Abs. 2 FPG noch nach § 76 Abs. 2a FPG eine Schubhaft verhängt werden darf, wenn das zu sichernde Ziel mangels entsprechenden Sicherungsbedarfes auch durch gelindere Mittel erreicht werden kann;

 

  • im Fall einer Schubhaftbeschwerde die Frage, ob die Zielerreichung auch durch die Anordnung gelinderer Mittel möglich ist, vom Unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen in seine Prüfung einzubeziehen ist; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG, der (davon ausgehend, dass die UVS-Entscheidung einen "neuen Titelbescheid" bildet) vom UVS eigenständig und unabhängig von der bisherigen Anhaltung des Fremden zu prüfen ist; insoweit kommt dem UVS – ausgenommen in Fällen des § 76 Abs. 2a FPG und abgesehen von der Festlegung eines konkreten gelinderen Mittels – dasselbe Ermessen wie der Fremdenpolizeibehörde zu; und

 

  • im finalen Stadium des Asyl- und Abschiebungsverfahrens in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG im Schubhaftbescheid der Fremdenpolizeibehörde nicht einzelne oder gar alle gelinderen Mittel geprüft werden müssen oder jeweils begründet werden müsste, warum diese jeweils nicht hinreichen; vielmehr reicht dort auch die Darstellung eines Sicherungsbedürfnisses unter Hinweis auf weniger ausgeprägte Vereitelungs- und Erschwerungsabsichten hin; denn je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel und (wie insbesondere bei Vorliegen familiärer Bindungen, einer Krankheit, eines festen Wohnsitzes, von beruflicher Bindungen oder vom Fremden selbst konkret ins Treffen geführter gelinderer Mittel) vice versa; insgesamt muss sich aus der Begründung aber jedenfalls ergeben, dass nach einer Abwägung zwischen der Intensität des Sicherungsbedarfes und den entgegenstehenden privaten Interessen die Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

 

3.4. Diese scheinbar einen absoluten Vorrang gelinderer Mittel gegenüber der Anordnung von Schubhaft prävalierenden Feststellungen werden in jedoch in concreto maßgeblich dadurch relativiert, dass – wie etwa die Entscheidungen vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0019, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0054, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0090, vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0124, vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0125, und vom 17. Oktober 2013, Zl. 2013/21/0041, zeigen – im Ergebnis bislang (sieht man von dem Ablehnungsbeschluss vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0025, ab) kaum Fallkonstellationen anerkannt wurden, in denen vom VwGH tatsächlich eine Schubhaftverhängung deshalb als rechtswidrig angesehen wurde, weil stattdessen die Anordnung gelinderer Mittel geboten gewesen wäre.

 

3.5. Davon ausgehend kann die Anhaltung in Schubhaft vom 15. November 2013 bis zum 19. Dezember 2013 um 4:50 Uhr auch im Hinblick auf den vom Rechtsmittelwerber i.S.d. § 83 Abs. 4 zweiter Satz FPG geltend gemachten Beschwerdepunkt nicht als rechtswidrig erscheinen.

 

Wenn er nämlich schon im Zuge seiner Befragung angegeben hat, während seiner Anhaltung in gerichtlicher Strafhaft zumindest in Briefkontakt mit seinem 2007 geborenen Sohn und deren Mutter gestanden zu sein, rechtfertigte der von ihm unbestritten gebliebene Umstand, dass ihm in dieser Zeit beide Personen keinen Besuch abgestattet haben und sie sich seit dem Jahr 2010 de facto nicht mehr an der dem Beschwerdeführer zuletzt bekannten Adresse in W aufhalten, sondern deren Aufenthaltsort gegenwärtig vielmehr auch von der belangten Behörde nicht ermittelt werden konnte, jedenfalls die Annahme, dass er im Falle einer Entlassung nicht bei ihnen Unterkunft hätte nehmen können. Angesichts derartiger Rahmenbedingungen konnte daher weder von einer engen familiären Bindung noch von einem gravierenden Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben i.S.d. Art. 8 EMRK die Rede sein.

 

Selbst wenn man daher sein Vorbringen dahin, dass zumindest ein Briefkontakt bestanden habe, als zutreffend unterstellt, weist der Rechtsmittelwerber insgesamt besehen offensichtlich keine derart intensiven sozialen Bindungen zu Familienangehörigen, Arbeitskollegen oder anderen ihm in Österreich nahe stehenden Personen auf, die es mit gutem Grund hätten erwarten lassen, dass er sich ständig bei diesen aufhält und damit auch tatsächlich der Fremdenpolizeibehörde dort im Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung zur Verfügung steht.

 

Vielmehr konnte die belangte Behörde aus dem Fehlen einer sozialen Einbindung und einer ordnungsgemäßen Unterkunft, aus der Rückkehrunwilligkeit in seinen Heimatstaat und aus der Gefahr eines neuerlichen Abgleitens in das Drogenmilieu in berechtigter Weise davon ausgehen, dass im Wissen um die bevorstehenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis bestand, dem mit der bloßen Anordnung gelinderer Mittel – wie etwa der Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle und zur Unterkunftnahme in einer von der Behörde bestimmten Räumlichkeit – nicht zweckbezogen-adäquat Rechnung zu tragen war.

 

3.6. Davon ausgehend war daher die gegenständliche Beschwerde gemäß § 83 Abs. 4 FPG abzuweisen und festzustellen, dass die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding vom 15. November 2013, 8:00 Uhr, bis zum 19. November 2013, 4:50 Uhr, nicht rechtswidrig war.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer dazu zu verpflich-ten, dem Bund nach § 79a Abs. 1 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

Hinweis

 

1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin noch keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde dieser Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab dessen Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

VwSen-401339/6/Gf/Rt vom 22. November 2013

 

Art.1 PersFrBVG;

Art.2 PersFrBVG;

§ 76 Abs.1 FPG;

§ 77 FPG;

§ 83 FPG

 

Erkenntnis

 

In seinem Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, hat sich der VwGH eingehend mit Frage des Verhältnisses zwischen Schubhaftverhängung und der Anordnung von gelinderen Mitteln auseinandergesetzt, wobei zusammengefasst nunmehr davon ausgeht, dass

die Verhängung von Schubhaft ein Sicherungsbedürfnis, d.h. die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, dass sich der Fremde der Abschiebung insbesondere durch Untertauchen zu entziehen oder diese zu erschweren versuchen wird; Indizien hierfür sind insbesondere fehlende familiäre, soziale und/oder berufliche Anknüpfungspunkte; neben diesem Integrationsaspekt ist auch das bisherige Verhalten des Fremden zu berücksichtigen;

sich aus den Garantien des Art. 1 und 2 PersFrBVG ergibt, dass die Schubhaft – als ultima-ratio-Maßnahme – nur bei Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit verhängt werden darf; dies gilt für sämtliche im FPG angeführten Schubhafttatbestände; im Übrigen besteht jedoch zwischen § 76 Abs. 2a FPG einerseits und § 76 Abs. 2 FPG andererseits insofern ein struktureller Unterschied, als zum einen die Notwendigkeit einer Schubhaftverhängung in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG umso mehr auf der Hand liegt, je weiter fortgeschritten das Asyl- und Abschiebungsverfahren bereits ist; und zum anderen besteht hier das sonst der Behörde eingeräumte Ermessen, gelindere Mittel selbst dann anzuordnen, wenn ein sogar die Schubhaft rechtfertigendes Sicherungsbedürfnis vorliegen würde, nicht; daraus folgt insgesamt, dass weder nach § 76 Abs. 2 FPG noch nach § 76 Abs. 2a FPG eine Schubhaft verhängt werden darf, wenn das zu sichernde Ziel mangels entsprechenden Sicherungsbedarfes auch durch gelindere Mittel erreicht werden kann;

im Fall einer Schubhaftbeschwerde die Frage, ob die Zielerreichung auch durch die Anordnung gelinderer Mittel möglich ist, vom Unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen in seine Prüfung einzubeziehen ist; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG, der (davon ausgehend, dass die UVS-Entscheidung einen "neuen Titelbescheid" bildet) vom UVS eigenständig und unabhängig von der bisherigen Anhaltung des Fremden zu prüfen ist; insoweit kommt dem UVS – ausgenommen in Fällen des § 76 Abs. 2a FPG und abgesehen von der Festlegung eines konkreten gelinderen Mittels – dasselbe Ermessen wie der Fremdenpolizeibehörde zu; und

im finalen Stadium des Asyl- und Abschiebungsverfahrens in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG im Schubhaftbescheid der Fremdenpolizeibehörde nicht einzelne oder gar alle gelinderen Mittel geprüft werden müssen oder jeweils begründet werden müsste, warum diese jeweils nicht hinreichen; vielmehr reicht dort auch die Darstellung eines Sicherungsbedürfnisses unter Hinweis auf weniger ausgeprägte Vereitelungs- und Erschwerungsabsichten hin; denn je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel und (wie insbesondere bei Vorliegen familiärer Bindungen, einer Krankheit, eines festen Wohnsitzes, von beruflicher Bindungen oder vom Fremden selbst konkret ins Treffen geführter gelinderer Mittel) vice versa; insgesamt muss sich aus der Begründung aber jedenfalls ergeben, dass nach einer Abwägung zwischen der Intensität des Sicherungsbedarfes und den entgegenstehenden privaten Interessen die Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

Diese scheinbar einen absoluten Vorrang gelinderer Mittel gegenüber der Anordnung von Schubhaft prävalierenden Feststellungen werden in jedoch in concreto maßgeblich dadurch relativiert, dass – wie etwa die Entscheidungen vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0019, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0054, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0090, vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0124, und vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0125, zeigen – im Ergebnis bislang (sieht man von dem Ablehnungsbeschluss vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0025, ab) kaum Fallkonstellationen anerkannt wurden, in denen vom VwGH tatsächlich eine Schubhaftverhängung deshalb als rechtswidrig angesehen wurde, weil stattdessen die Anordnung gelinderer Mittel geboten gewesen wäre. Davon ausgehend kann daher auch die Anhaltung des Bf. in Schubhaft vom 15. November 2013 bis zum 19. Dezember 2013 im Hinblick auf den von ihm i.S.d. § 83 Abs. 4 zweiter Satz FPG geltend gemachten Beschwerdepunkt (Möglichkeit der Unterkunftnahme in der Wohnung der Mutter seines 2007 geborenen Sohnes) nicht als rechtswidrig erscheinen.

 

Beschlagwortung:

 

Schubhaft; gelindere Mittel; bloß scheinbarer Vorrang