Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523593/6/Sch/KR

Linz, 09.12.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, vertreten durch Mag. X, X vom 30. Oktober 2013, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 22. Oktober 2013, VerkR21-269-2013, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3. Dezember 2013 wegen der Aufforderung, sich zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM, A, B und F innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Frist zur Absolvierung der Untersuchung mit zwei Monaten ab Zustellung der Berufungsentscheidung festgesetzt wird.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Bezirkshauptmann von Perg hat mit Bescheid vom 22. Oktober 2013, Zl. VerkR21-269-2013, den nunmehrigen Berufungswerber aufgefordert, sich zum Nachweis seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM, A, B und F sich innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des Bescheides sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 8 und 24 Abs.4 des Führerscheingesetzes (FSG) genannt.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig durch seine ausgewiesene Vertreterin Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Anlässlich der eingangs genannten Berufungsverhandlung ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt mit dem Berufungswerber eingehend erörtert worden. Dabei hat er folgendes angegeben:

 

„Die anonyme Anzeige kann ich mir nur so erklären, dass jemand schlechte Gedanken gegen mich gehegt hatte. Bezogen auf den Vorfallszeitpunkt laut der Anzeige, nämlich den 6.9.2013, gebe ich an, dass ich davor nicht oder kaum mit dem Auto gefahren war. Meine 3 Söhne befördern mich im Bedarfsfalle. Längere Strecken lege ich ohnehin nicht mehr zurück. Ich fühle mich zwar nicht nicht geeignet, es freut mich aber nicht mehr. Ich bin dreimal Bandscheibenoperiert worden. Nach dem letzten Spitalsaufenthalt im Juni 2013 hat man im Wagner-Jauregg Krankenhaus festgestellt, dass keine Verschlechterung gegenüber dem vorigen Zustand eingetreten ist. Die Operation war im Jahr davor gewesen.

Man kam zu der Ansicht, dass ich auf die Neurochirurgie verlegt werden sollte. Man versuchte, mit konservativen Mitteln das Hinken meines rechten Beines wegzubringen, das ist aber nicht gelungen. Man vermutet eine Polyneuropathie, also ein mehrfaches Nervenleiden. Auch wurde mir gesagt, ich würde an einem Tremor leiden. Auch bei der heutigen Verhandlung ist ein Zittern meiner rechten Hand zu sehen, heute ist es etwas schlechter, da mir über das Wochenende hin die Medikamente ausgegangen sind. Dagegen nehme ich Medikamente, daneben habe ich auch ein Depressionsmittel. Zum Gehen verwende ich zwei Krücken, kurze Strecken kann ich auch mit einer Krücke gehen. Beim Sitzen, auch beim Autofahren, habe ich keine Probleme, ich kann mit dem rechten Bein fest auftreten. Ich kann mit dem rechten Bein also beide Fahrzeugpedale beherrschen. Das linke Bein hat ohnehin nichts, hier gibt es also keine Probleme.

Ich demonstriere heute auch, dass ich mit dem rechten Fuß aus einer sitzenden Position fest aufstampfen kann.

Zu den Angaben in der Anzeige bezüglich gefährlicher Situationen ist zu sagen, dass ich, wie schon gesagt, in der letzten Zeit gar nicht gefahren bin. Außerdem müsste es sich beim Anzeigeleger um eine Person handeln, die mich beobachtet. Ich kann also nur vermuten, dass es sich bei dem Anzeigeleger um eine Person handelt, die mir schaden möchte.

Ich bin weder gefahren in der letzten Zeit, noch ist jemand bei mir im Auto gesessen. Mir ist nicht erklärlich, wie es zu dieser Anzeige kommen konnte.

 

Von der Vertreterin des Berufungswerbers wird ergänzt:

Wenn es wirklich gefährliche Situationen gegeben hätte, wären diese entsprechend durch Zeit- und Ortsangaben zu dokumentieren gewesen.

Der Berufungswerber führt weiters aus:

Im Hinblick auf meine – im Übrigen freiwillig bekannt gegebenen – Depressionen ist zu sagen:

Diese äußern sich in Antriebsschwäche, ich muss mich zwingen, etwas zu machen, vieles freut mich nicht. Die Ärzte haben nichts gesagt, dass ich nicht Autofahren dürfte. Im Gegenteil: Mein Psychiater freute sich, dass ich wieder mit dem Auto fahre, er hat das als Erfolg angesehen.

Auch dagegen nehme ich Medikamente, die helfen allerdings nicht viel. Ich habe also eigentlich zwei Krankheiten, gegen die mir ärztlicherseits nicht geholfen werden kann. Die Medikamente können als Stimmungsaufheller bezeichnet werden. Ich bin der Meinung, dass ich keine führerscheinrechtlich relevante Depression habe, mich freut halt manches nicht.

Ich habe auch keinerlei Probleme, den Überblick im Straßenverkehr zu wahren. Insbesondere bin ich mit dem Kopf soweit beweglich, um entsprechende Blicke nach hinten oder sonst die zur Wahrnehmung des Verkehrs notwendige Übersicht zu behalten.

 

Im Falle der Entziehung der Lenkberechtigung wäre mein Bewegungsradius auf 100 oder 200 m im Umkreis des Hauses beschränkt. Im Übrigen habe ich auch einen Rollator in Verwendung, dieser dient dazu, dass ich weitere Strecken zurücklegen kann.

Ich habe für meine Fahrten einen PKW der Marke Mercedes Benz, X, in Verwendung. Ich weiß nicht mehr genau wann, es dürfte aber heuer oder voriges Jahr gewesen sein, als mir beim Rückwärtseinparken in unsere Garage eine Beschädigung des Fahrzeuges unterlief. Ich hatte die Handbremse zu wenig angezogen gehabt, sodass das Fahrzeug nach hinten rollte und es zu einer Beschädigung rechtsseitig vor der Tür kam. Es kam zu einer Streifung der Mauer und dadurch zu der erwähnten Beschädigung. Abgesehen davon habe ich in letzter Zeit niemanden touchiert, auch ist mir niemand am Fahrzeug angefahren oder ähnliches.“

 

4. In der vom Berufungswerber erwähnten Anzeige, die seitens der Polizeiinspektion Grein erstattet wurde und auf einem anonymen Meldungsleger beruht, heißt es:

 

„Ein anonymer Anzeiger erstattete am 06.09.2013, um 14:00 Uhr auf der ho Dienststelle die Anzeige, dass er beobachtet habe, das X, geb. X, offensichtlich gesundheitliche Probleme beim Lenken seines Kraftfahrzeuges habe und er befürchte, dass es zu einem Unfall kommen könnte, bei dem andere Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen könnten.

 

Es sei dabei in der letzten Zeit immer wieder zu gefährlichen Situationen für andere Verkehrsteilnehmer gekommen und es sei nur Zufall und Glück gewesen, dass kein Unfall passiert sei. X sei eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer. Er ersuche deshalb um Überprüfung der Verkehrszuverlässigkeit des X durch die Behörde.“

 

5. Dem Berufungswerber ist zwar beizupflichten, wenn er darauf hinweist, dass sich der Anzeigenleger im Hinblick auf konkrete Vorfälle, die gegen die gesundheitliche Eignung des Berufungswerbers sprechen würden, nicht auslässt. Es sind also keinerlei konkrete Situationen in der Anzeige geschildert.

Die Erstbehörde hat offenkundig aus diesem Grund auch nicht sogleich einen entsprechenden Aufforderungsbescheid erlassen, wie es nach Kenntnis des Oö. Verwaltungssenates häufig der Fall ist, ohne dem Berufungswerber Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Tatsächlich hat dieser mit Schreiben vom
24. September 2013 zur erwähnten Polizeianzeige Stellung genommen. Dort heißt es unter anderem:

„1.) Mein gesundheitlicher Gesamtzustand kann nur meiner näheren Umgebung bekannt sein, nicht aber einem Außenstehenden. Ich leide an einem „Wirbelsäulen- bedingtem Hinken“ des rechten Beins, das mich eine Gehhilfe in Anspruch nehmen läß. In Ruhestellung habe ich keine Beschwerden, demnach auch beim Autofahren keine Behinderung. Seitens der Ärzte im Spiral wurden mir hinsichtlich des Lenkens v. KFZ auch keine Einschränkung gemacht. Meine vorhandene Depression hat mit der Sachlage ohnehin nichts zu tun, da sie auf das Lenken von KFZ keinen Einfluß haben kann. Weitere gesundheitliche Beschwerden habe ich nicht.

 

2.) „Es sei in letzter Zeit immer wieder zu gefährlichen Situationen gekommen.“

Das ist unmöglich, denn ich bin „in letzter Zeit“, ca. seit 5 Wochen mit meinem Wagen überhaupt nicht mehr gefahren. Ich war ohnehin immer ein Wenigfahrer und nötige Besorgungen ect. erledigt zumeist mein Sohn.

 

3.) „Es sei nur Zufall oder Glück gewesen, daß nichts passiert ist“

Da ich nicht unterwgs war, kann es zu solch gefährlichen Situationen nicht gekommen sein. Ich kann mich auch für frühere erinnerbare Zeiten nicht auf solches besinnen. 50 Jahre bin ich bereits mit dem Auto unterwegs; ohne Unfall und wesentliche Strafe. Es ist ja denkunmöglich, daß ich laufend beim Autofahren von jemand Bestimmten überwacht worden wäre, der müßte ja hellsehen, wann ich mit dem Wagen unterwegs bin.“

 

Diese Schilderungen des Berufungswerbers selbst im Verein mit dem Inhalt der Anzeige ließen bei der Behörde die für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides gemäß § 24 Abs.4 FSG ausreichenden Bedenken im Hinblick auf den möglichen Mangel der gesundheitlichen Eignung des Genannten entstehen.

Für die Berufungsbehörde, die durch das unterfertigte Mitglied des Oö. Verwaltungssenates am Verhandlungstag vom Berufungswerber einen direkten Eindruck erlangen konnte, wurden dadurch diese schon nach der Aktenlage bestehenden Bedenken noch verstärkt. Der Berufungswerber ist  in seinen Fortbewegungsmöglichkeiten zweifellos stark beeinträchtigt, ist er doch grundsätzlich zum Gehen auf einen Rollator bzw. zwei Krücken angewiesen. Nur relativ kurze Strecken sind für ihn unter Verwendung bloß einer Krücke zurücklegbar. Bei einer derartig eingeschränkten Beweglichkeit in Form des wenig belastbaren rechten Beines kann nicht davon die Rede sein, dass gesundheitliche Bedenken völlig aus der Luft gegriffen wären. Bekanntermaßen kommt es beim Autofahren auf die Beweglichkeit und Kraft des rechten Beines sehr an, sind doch damit zwei Pedale in einem unter Umständen sehr schnell erforderlichen Wechsel zu bedienen, wenn es um ein sofort einzuleitendes Bremsmanöver geht.

 

6. Ein Aufforderungsbescheid ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) vonseiten der Behörde nach wie vor begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (VwGH 16.4.2009, 2009/11/0020 uva.).

 

Der sich nach dem abgeführten Berufungsverfahren ergebende Sachverhalt rechtfertige derartige Bedenken und damit die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung, zumal ein amtsärztlichen Gutachten über den Gesundheitszustand des Berufungswerbers ohne eine Untersuchung zweifelsfrei nicht erstellt werden könnte. Die Notwendigkeit der Untersuchung bedeutet, wie in der obigen Judikatur deutlich zum Ausdruck kommt, noch nicht, dass auch die gesundheitliche Eignung an sich nicht mehr gegeben wäre. Um diese Frage letztlich zu beantworten, bedarf es eben dieser Untersuchung und der anschließenden amtsärztlichen Gutachtenserstellung.

Die für die Absolvierung der Untersuchung festgesetzte Frist von zwei Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses wird für zumutbar und ausreichend erachtet.

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S E

 

1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

S c h ö n