Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101781/12/Fra/Ka

Linz, 17.05.1994

VwSen-101781/12/Fra/Ka Linz, am 17.Mai 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des W vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 25. Jänner 1994, VerkR96/3771/1993-Stei/Mu, betreffend Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960, nach der am 30. März 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 25. Jänner 1994, VerkR96/3771/1993-Stei/Mu, über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 29.

Juni 1993 um 6.50 Uhr den PKW, Kennzeichen auf der Mauthausener-Straße von Steyregg in Richtung Linz gelenkt und dabei auf der Höhe der Firma überholt habe, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werde können.

Die Erstbehörde hat ferner gemäß § 64 VStG einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der Strafe vorgeschrieben.

I.2. Die Erstbehörde nimmt die dem Beschuldigten zur Last gelegte Übertretung durch die Anzeige des Herrn Bernhard K, als erwiesen an. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird ausgeführt, daß der Anzeiger zeugenschaftlich einvernommen seine am Wachzimmer D gemachten Angaben bestätigt. Er führte detailliert aus, daß er zur Tatzeit bei einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h bis 90 km/h einen Abstand zum Vorderfahrzeug von ca. 20 m eingehalten hätte. Dabei hätte er beobachten können, wie der Beschuldigte zum Überholen ansetzte, obwohl sich aus der Gegenrichtung ein Fahrzeug näherte. Da er sah, daß es sich nicht mehr ausgehen würde, hätte er abgebremst, um das Abschließen des Überholmanövers und ein Einordnen zu ermöglichen. Da der Beschuldigte anscheinend selbst gemerkt hätte, daß es sich nicht mehr ausgehen werde, hätte er seinerseits auch abgebremst, wodurch der Beschuldigte und der Zeuge nebeneinander zum Fahren kamen, als der Gegenverkehr vorbeifuhr. Aus der Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.c ergebe sich klar, daß der Überholende darauf zu achten hat, daß der nach dem Einordnen dem Hintermann verbleibende Abstand der Bestimmung des § 18 Abs.1 StVO 1960 enstspreche. Bei einem "Loch" innerhalb der Kolonne von ca. 20 m und dies bei einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h bis 90 km/h könne sicherlich nicht von einem dieser Bestimmung entsprechenden Abstand gesprochen werden. Erfahrungsgemäß trete beim Kolonnenfahren auch eine stete Änderung der Abstände zwischen den einzelnen Fahrzeugen auf, sodaß auch aus diesem Grund keine sichere Einordnungsmöglichkeit erkennbar war, noch dazu, wo der Beschuldigte bereits zu Beginn des Überholmanövers den herannahenden Gegenverkehr wahrnahm.

I.3. In der fristgerecht gegen das oa Straferkenntnis durch die ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung wird ausgeführt, daß die Erstbehörde den Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt und die unrichtige Darstellung durch den Zeugen K wiedergegeben habe. Richtig sei lediglich, daß der Beschuldigte zur Tatzeit den in Rede stehenden PKW auf der Mauthausener-Straße von Steyregg in Richtung Linz gelenkt hat. Unrichtig sei die Feststellung, daß der Beschuldigte vor dem Überholvorgang nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen können würde. Der Beschuldigte habe in seiner Stellungnahme bereits dargelegt, daß der Zeuge K mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h unterwegs war. Bei der ursprünglichen Einvernahme habe der Zeuge K angegeben, er sei mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h gefahren. Bei der zweiten Einvernahme schwächte der Zeuge dahingend ab, daß er nur 80 km/h bis 90 km/h gefahren sei. Dies sei ein Indiz dafür, daß die ursprüngliche Geschwindigkeitsangabe nicht gestimmt habe. Der Zeuge K könne auch den Abstand, den sein PKW zu dem vorausfahrenden LKW hatte, nicht konkret angeben.

In der zweiten Einvernahme nennt er den Abstand mit "vielleicht" 20 m. Weiters sei von der Erstbehörde nicht berücksichtigt worden, daß an der Stelle, an der überholt wurde, eine Kurve vorgelagert sei. In dieser Kurve fuhr der dem Zeugenfahrzeug voranfahrende LKW langsamer und begann nach der Kurve zu beschleunigen. Dadurch habe sich der Abstand, der ursprünglich ca. 30 m betragen hatte, vergrößert. Aufgrund der langsamem Geschwindigkeit des Zeugenfahrzeuges entschloß sich der Beschuldigte zum Überholen. Obwohl der Zeuge angebe, das Überholen durch den Beschuldigten sofort bemerkt zu haben, begann nun der Zeuge K sein Fahrzeug in schikanöser Weise immer mehr zu beschleunigen, sodaß für den Beschuldigten letztendlich ein Einordnen tatsächlich nicht mehr möglich gewesen war.

Aufgrund der anschließenden körperlichen Auseinandersetzung seien die Ausführungen des Zeugen K nicht mehr glaubwürdig. Er habe auch die Einholung eines KFZ-Sachverständigengutachtens darüber, ob ein ursprünglicher Abstand von ca. 30 m unter Berücksichtigung der von ihm angegebenen Geschwindigkeiten der vor ihm fahrenden Fahrzeuge genügend Platz geboten habe, um sein Fahrzeug nach dem Überholmanöver wieder einzuordnen, gestellt. Da die Erstbehörde diesem Beweisantrag nicht nachgekommen ist, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

Der Berufungswerber stellt sohin den Antrag, das angefochtene Straferkenntnis allenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Aufnahme der von ihm beantragten Beweise aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

I.4. Die Erstbehörde sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, durch eines seiner Mitglieder entscheidet (§ 51c VStG).

Beweis wurde aufgenommen durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. März 1994 sowie durch Einholung eines KFZ-technischen Gutachtens, welches ebenfalls im Zuge dieser Verhandlung erstellt wurde.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Als wesentliches Ergebnis der Beweisaufnahme ist festzuhalten, daß der dem Beschuldigten zur Last gelegte Überholvorgang nicht an der von der Erstbehörde angenommenen Strecke durchgeführt wurde. Der Rechtsmittelwerber gibt die Stelle des Überholbeginnes "auf Höhe der Firma N etwa bei Strkm. 3,715" an. Zwischen dieser Straßenstelle und der Zufahrt zur Firma L (= von der Erstbehörde angenommene Tatörtlichkeit) ergibt sich eine Entfernung von 515 m.

Entsprechend den Aussagen des Zeugen K begann der Überholvorgang auf Höhe des Strkm. 2,820. Hinsichtlich dieser Stelle ergibt sich eine Entfernung zur Zufahrt der Firma L3,200 von 380 m.

In rechtlicher Hinsicht ist zu diesem Umstand auszuführen:

Gemäß § 44a VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß ua die Identität der Tat (zB nach dem Ort) unverwechselbar feststeht. Wenngleich als Tatort für Delikte, die nur der Lenker eines in Fahrt befindlichen Fahrzeuges während der Fahrt begehen kann, begrifflich niemals ein bestimmter Punkt, sondern eine bestimmte Fahrtstrecke in Betracht kommt, wird dem § 44a Z1 VStG auch dann nicht entsprochen, wenn der Tatort unrichtig bezeichnet wird (vgl. ua. VwGH 30.4.1982, 81/02/0019). Wie oben erwähnt ist die dem Berufungswerber im Zusammenhang mit dem ihm zur Last gelegten Tatbestand stehende Tatörtlichkeit jedenfalls unrichtig und ist daher - weil die Verfolgungsverjährungsfrist bereits abgelaufen ist und während dieser Frist eine taugliche Verfolgungshandlung nicht gesetzt wurde, - einer Richtigstellung nicht mehr zugänglich, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Ergänzend wird noch angemerkt, daß bei der Berufungsverhandlung sowohl der Zeuge als auch der Rechtsmittelwerber angab, daß die Einordnungslücke bei einer angegebenen Geschwindigkeit von 70 km/h bzw. 90 km/h ca.

30 m bis 32,5 m betrug. Ungeachtet der jeweiligen Entfernung zum Tatort ist festzustellen, daß bei einem Einordnen in eine derartige Lücke bei einer angegebenen Geschwindigkeit sowohl von 70 km/h als auch von 90 km/h der mindesterforderliche Sicherheitsabstand unterschritten wird.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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