Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253574/4/Py/Hu

Linz, 20.12.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung der Frau x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 14. Oktober 2013, GZ: SV96-26-2011, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG),  zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 14. Oktober 2013, GZ: SV96-26-2011, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs.1 Z1 iVm § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl.Nr. 189/1955 idF BGBl.I.Nr. 62/2010 eine  Geldstrafe in Höhe von 1.460 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 146 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben, wie durch Organe des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr im Zuge einer Arbeitnehmerkontrolle bei Abbrucharbeiten auf der Baustelle in x, am 03.08.2011 um 10:30 Uhr festgestellt wurde, als Dienstgeberin die tschechischen Staatsangehörigen x, geb. x und x, geb. x, als Bauarbeiter in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt. Sie haben die vorgenannten nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten (vollversicherten) Dienstnehmer, bei denen keine Ausnahme von der Meldepflicht gemäß § 5 ASVG gegeben war und das Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG gelegen ist, vor Arbeitsantritt nicht bei der Oö. Gebietskrankenkasse in Linz, Gruberstraße 77 als zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet."

 

In der Begründung bringt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass keinerlei Beweise vorgelegt wurden, dass die im gegenständlichen Fall involvierten tschechischen Staatsbürger selbstständige Unternehmer waren. Dieser Behauptung widerspricht auch die Tatsache, dass die im Spruch genannten tschechischen Staatsbürger von der Bw im Zeitraum vom 11. Mai 2011 bis 24. Mai 2011 und vom 7. Juni 2011 bis 8. August 2011 als geringfügig Beschäftigte zur Sozialversicherung angemeldet wurden. Durch die Ermittlungen der Finanzpolizei ist es als erwiesen anzusehen, dass diese Arbeitnehmer aufgrund der tatsächlich erfolgten Bezahlung als vollversicherungspflichtige Dienstnehmer beschäftigt wurden.

 

Abschließend legt die belangte Behörde ihre für die Strafbemessung maßgeblichen Gründe dar.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bw mündlich erhobene Berufung vom 31. Oktober 2013, die von der belangten Behörde mit Schreiben vom 31. Oktober 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt wurde.

 

3. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung gegeben. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid zu beheben ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF sind in der Kranken-. Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.1a ASVG kann der Dienstgeber die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-      mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-      bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

5.2. Der den Delikttatbestand erfüllende Sachverhalt muss im Sinn des § 44a VStG und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit umschrieben werden. Der Bestimmung des § 44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene (unverwechselbare) Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit, aber auch für die Umschreibung von – nach dem Tatbestand der übertretenen Rechtsvorschriften maßgeblichen – Umständen genügt. Diese Rechtschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs.2 VStG vorliegt oder nicht (VwGH vom 26.6.2003, Zl. 2002/09/0005).

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Der Verfolgungshandlung muss entnommen werden können, wegen welcher Tat sich die Verfolgung der Behörde gegen die beschuldigte Person richtet. Die gegenständliche Anzeige des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr stellt jedoch keine Verfolgungshandlung der Behörde im Sinn des § 31 Abs.1 VStG dar, sondern wurde der Bw die Verwaltungsübertretung erstmals mit Aufforderung zur Rechtfertigung zur Last gelegt.

 

Während in der Anzeige des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom 8. September 2011 hinsichtlich der beiden im Spruch angeführten Dienstnehmer ausdrücklich entsprechende Beschäftigungszeiträume angeführt sind, und der Tatvorwurf erhoben wird, dass es sich bei der Meldung als geringfügig Beschäftigte um eine Falschmeldung handelt, weist weder die an die Bw gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Oktober 2011, noch das nunmehrige Straferkenntnis einen derartigen Tatvorwurf auf. Vielmehr wurde von der belangten Behörde der Bw innerhalb der Verfolgungsverjährung als Tatzeitraum lediglich der 3. August 2011 zur Last gelegt. Für diesen Tag lag eine Anmeldung zur Sozialversicherung als geringfügig Beschäftigte vor. Eine Ausdehnung des von der belangten Behörde vorgeworfenen Tatzeitraumes um der Bw den zur Anzeige gebrachten Sachverhalt, nämlich einer Falschmeldung zur Sozialversicherung zur Last zu legen, ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat nach Ablauf der im § 31 Abs.2 VStG iVm § 28 Abs.2 AuslBG festgelegten Frist von einem Jahr jedoch nicht möglich. Der gegenständliche Bescheid war daher bereits aus diesem Grund zu beheben.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass im gegenständlichen Bescheid über die Bw eine Gesamtstrafe verhängt wurde. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH vom 16. März 2011, Zl. 2009/08/0056-8) beeinträchtigt eine Verletzung der Meldepflicht auch Rechtsgüter, die dem einzelnen Dienstnehmer zuzuordnen sind und kann daher – da kein Verstoß gegen das selbe Rechtsgut vorliegt – nicht gemeinsam mit anderen unterlassenen Anmeldungen weiterer Dienstnehmer als einheitliches (fortgesetztes) Delikt angesehen werden. Die belangte Behörde hätte daher die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers einer gesonderten Bestrafung unterziehen müssen. Im Hinblick auf die in der Anzeige enthaltenen unterschiedlichen Tatzeiträume wäre es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot verwehrt, die verhängte Gesamtstrafe durch bloßes Halbieren der verhängten Gesamtstrafe für jeden Dienstnehmer einzeln neu festzusetzen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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