Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281511/4/Py/Hu

Linz, 20.12.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Jänner 2013, GZ: Ge96-136-2011, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen auf je 1.200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 55 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Kostenbeitrag des Berufungswerbers zum Verfahren vor der Erstbehörde verringert sich auf 240 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen. Für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 Abs.1 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Jänner 2013, GZ: Ge96-136-2011, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs.1 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 idgF iVm § 55 Abs.4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl.Nr. 340/1994 idgF zu Faktum 1) bzw. § 69 Abs.5 BauV zu Faktum 2) zwei Geldstrafen in Höhe von je 1.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 180 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 300 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz strafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit Sitz in x zu verantworten, dass bei einer am 05.08.2011 vom Arbeitsinspektorat Leoben auf der Baustelle in x, Umbau Villa x, durchgeführten Unfallerhebung folgendes festgestellt wurde:

 

1)

Das im Bereich der westlichen Fassade in Errichtung befindliche, freistehende nicht standsichere Arbeits/Dachfanggerüst, welches als Ausschussgerüst errichtet wurde, wurde am einzurüstenden Objekt nicht sicher, insbesonders nicht zug- und druckfest verankert, obwohl freistehende Gerüste am einzurüstenden Objekt sicher, insbesonders zug- und druckfest zu verankern sind.

 

2)

Für das im Bereich der westlichen Fassade positionierte, in Errichtung befindliche Arbeits/Dachfanggerüst, welches als Ausschussgerüst auf auskragenden Auslegern, von denen 4 Stück eine auskragende Länge von ca. 1,70 m aufwiesen, wurde keine statische Berechnung erstellt, obwohl für Ausschussgerüste, bei welchen die Auskragung der Ausleger mehr als 1,50 m beträgt, eine statische Berechnung gemäß § 56 Abs.3 BauV zu erstellen ist, in der alle, bei der Errichtung und Benützung des Gerüstes möglichen Belastungszustände zu berücksichtigen sind. "

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt im Zug einer am 5. August 2011 auf der Baustelle in x, vom Arbeitsinspektorat Leoben durchgeführten Unfallerhebung festgestellt wurde. Aufgrund dieser Anzeige, der der Anzeige beigelegten Fotos und der Angaben in den Rechtfertigungen des Beschuldigten war von der Behörde mit einem Schuldspruch vorzugehen. Aufgrund der Missachtung der angeführten Arbeitnehmerschutzbestimmungen ereignete sich ein schwerer Arbeitsunfall, bei welchem zwei Arbeitnehmer infolge eines umkippenden/abstürzenden Gerüstes verletzt wurden. Schon allein die Tatsache, dass das Gerüst umstürzte, da die Dübel aus dem Mauerwerk gezogen wurden, zeigt, dass die Verankerung am Objekt nicht sicher war.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als straferschwerend gewertet wurde, dass bereits mehrere, auch einschlägige Verwaltungsvorstrafen aufscheinen. Strafmildernde Umstände wurden nicht gewertet.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung. Darin bringt der Bw zusammengefasst vor, dass das gegenständliche Gerüst ein "in Errichtung" befindliches Schutzgerüst im Sinn des § 59 BauV (welches teilweise als sogenanntes Auslegergerüst im Sinn des § 69 BauV ausgeführt werden sollte) vorgesehen war, für welches die Bauarbeiterschutzverordnung eigene Vorschriften für das Aufstellen (§ 60 BauV) und Benützen von Gerüsten (§ 62 BauV) normiert. Der gegenständlich festgestellte Sachverhalt kann nicht unter das Tatbild des § 55 Abs.4 Bauarbeiterschutzverordnung subsumiert werden, da dieser das bereits errichtete Gerüst im Auge hat (analog VwGH 2008/02/0074) und können daher die von der Behörde angeführten Bestimmungen gegenständlich nicht (für das Aufstellen) herangezogen werden. Des Weiteren sollte die gegenständliche Gerüstkonstruktion der Bauetappe 2 entsprechend der Gerüstkonstruktion der Bauetappe 1 ausgeführt werden, für welche eine statische Berechnung gemäß § 69 Abs.5 BauV durch ZT DI x vorlag, weshalb der gegenständliche Sachverhalt auch nicht unter das Tatbild des § 69 Abs.5 BauV subsumiert werden kann. Der Aufbau der Fertiggerüstkonstruktion bzw. die Sicherung und Verankerung im Sinn des § 60 BauV war zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht abgeschlossen und das Gerüst von x noch nicht zur Benutzung durch die anderen auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer frei gegeben. Entsprechend der einschlägigen Vorschriften des § 60 BauV erfolgte das Aufstellen durch eine geeignete und mit diesen Arbeiten vertraute Person (= x).

 

Die belangte Behörde sei auf die Stellungnahmen des Berufungswerbers mit keinem Wort eingegangen und habe ihrer Begründungspflicht nicht genüge getan. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Bestimmung des § 55 Abs.4 sowie § 69 Abs.5 BauV auch für den Aufbau von Gerüsten einschlägig sind, fehlen die notwendigen Feststellungen zur Verankerung des Gerüstes, zur Beurteilung, ob die Verankerung ausreichend tragfähig war/ist sowie zur relevanten Auskragung des Auslegers. Wie der Berufungswerber bereits dargelegt hat, geht das Arbeitsinspektorat Leoben davon aus, dass zur Verankerung Dübel Typ Fischer Kunststoffdübel SX verwendet wurden, wobei jedoch den beigelegten Auszügen entnommen werden kann, dass die vermeintlich verwendeten nach Art und Form mit jenen (tatsächlich verwendeten) Dübeln auf der Baustelle nicht ident sind. Die Feststellung, welche Dübel konkret verwendet wurden und ob die (vorgesehene) Verankerung ausreichend tragfähig war/ist, ist allerdings maßgeblich für die weitere rechtliche Beurteilung, da diese bei ordnungsgemäßer Menge und Anordnung für die Montage ausreichend gewesen wäre. Die Ursache für den Unfall sei nicht die Wahl der Dübel, sondern die durch Herrn x eigenständig gewählte, nicht ausreichende Anzahl der Verankerungen.

 

Die Gerüstkonstruktion der Bauetappe 2 habe der vom Arbeitsinspektorat Leoben bereits geprüften und vom Ziviltechniker DI x (im Sinn des § 69 Abs.5 BauV) statisch geprüften Gerüstkonstruktion der Bauetappe 1 entsprochen. Unbeschadet dessen war eine statische Berechnung auch deshalb nicht erforderlich, weil die relevante Auskragung im Sinn des § 69 Abs.5 BauV von 1,5 m bei der Bauetappe 2 nicht überschritten wurde. Dem Schutzzweck dieser Norm entsprechend kommt es nämlich dabei nicht auf die Länge der auskragenden Balken (hier: 1,70 m), sondern auf die Länge, bis zu der die auskragenden Balken tatsächlich belastet werden, an. Da im gegenständlichen Fall die relevante Auskragung der Ausleger 1,5 m nicht überschritten hat, geht auch der diesbezügliche Tatvorwurf ins Leere.

 

Im Zusammenhang mit der subjektiven Vorwerfbarkeit der erhobenen Tatvorwürfe habe es die belangte Behörde gänzlich verabsäumt, auf das Vorbringen in der Rechtfertigung des Bw einzugehen, wonach von einem ausreichenden und tauglichen Kontrollsystem im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden kann. Insbesondere werden sämtliche Mitarbeiter von der x laufend und regelmäßig in allen sicherheitstechnischen und arbeitnehmerschutzspezifischen Vorschriften geschult und unterwiesen sowie gibt es verpflichtende besondere Anweisungen sowie dementsprechende Kontrollen zum Aufstellen und Abbau von Gerüsten. Vor diesem Hintergrund konnte der Berufungswerber unter Ausschluss der subjektiven Vorwerfbarkeit darauf vertrauen, dass die maßgeblichen Vorschriften der BauV eingehalten werden.

 

Darüber hinaus sei die Behörde mit keinem Wort auf die Rechtfertigung dahingehend eingegangen, dass jedenfalls ein nur geringfügiges Verschulden vorliegt und somit die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG vorliegen. Der Berufungswerber hat das interne Kontrollsystem äußerst umfangreich und aufwendig konstruiert, weshalb es auch aus general- und spezialpräventiven Überlegungen keiner hohen Strafe bedarf, um den Berufungswerber künftig von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten, weshalb die Behebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, in eventu unter Anwendung des § 21 VStG der Ausspruch einer Ermahnung, in eventu eine Bestrafung in Höhe der Mindeststrafe beantragt wird.

 

3. Mit Schreiben vom 11. Februar 2013 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Da in der Berufung eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung  gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG entfallen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 5. August 2011 errichteten Arbeiter der Firma x (in der Folge: Firma x) an der westlichen Hausfassade beim Bauvorhaben "Umbau Villa x" in x, mittels Fertiggerüstkonstruktion ein freistehend nicht standsicher aufgestelltes Standgerüst für die anstehenden Dachstuhl- und Deckenarbeiten, das als Ausschussgerüst errichtet wurde. Am Gerüst befanden sich die Arbeitnehmer x und x der Firma x, am Gebäude zwei weitere Arbeitnehmer der Firma x als Helfer. Die an zwei Punkten hergestellte Gerüstverankerung am Objekt erfolgte mittels Schraubhaken in zuvor mit einem Hilti-Bohrhammer angefertigte Löcher in Form von Dübeln Typ Fischer SX 16, in Verbindung mit Schraubösen. Laut Herstellerangaben sind diese zur Befestigung von Bildern, Bewegungsmeldern, Lampen, Sockelleisten, Elektroschaltern, kleinen Wandregalen, Handtuchhaltern, leichten Spiegelschränken, Briefkästen, Blumenampeln und Gardinenschienen geeignet und sind die Bohrlöcher bei Loch- und Hohlkammersteinen, wie im vorliegenden Fall, im Drehgang herzustellen. Das Gerüst wies keine zug- bzw. druckfeste Verankerung am einzurüstenden Objekt auf.

 

Als Herr x bei der Errichtung des letzten Gerüstrahmens mit dem Bohren eines Mauerlochs beschäftigt war, kippte das Gerüst und stürzte um, wodurch Herr x sowie Herr x schwer verletzt wurden.

 

Vier der auskragenden Ausleger im Bereich des Gerüstes wiesen eine auskragende Länge von 1,70 m auf. Eine von einer fachkundigen Person erstellte statische Berechnung, in der alle bei der Errichtung und bei der Benützung des Gerüstes möglichen Belastungszustände berücksichtigt sind, wurde dafür nicht erstellt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere der gegenständlichen Anzeige des Arbeitsinspektorates Leoben vom 16. September 2011 einschließlich der angefügten Fotoaufnahmen, der Aussage des verunfallten Arbeitnehmers x auf der Polizeiinspektion Bad Aussee am 13. Oktober 2011 sowie den der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates Leoben angeschlossenen Auszug aus dem Produktlinienkatalog der x betreffend die Dübel SX.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragenen Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortlich Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Seitens des Bw wird nicht bestritten, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x für die Einhaltung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes verantwortlich ist.

 

5.2.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. 450/1994 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl.I.Nr. 147/2006 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Gemäß § 55 Abs.4 Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 1994/340 idgF müssen Standgerüste freistehend standsicher aufgestellt oder an dem einzurüstenden Objekt sicher, insbesondere zug- und druckfest, verankert sein. Der waagrechte und lotrechte Abstand der Verankerungen ist nach den statischen Erfordernissen festzulegen, insbesondere ist bei Verkleidung der Gerüste durch Netze, Planen oder Schutzwände die erhöhte Beanspruchung durch Wind zu berücksichtigen. Die Verankerungen sind in der Nähe der Gerüstknotenpunkte anzubringen. Es dürfen nur der Bauart des Gerüstes und der Art des eingerüsteten Objekts entsprechende und ausreichend tragfähige Verankerungen verwendet werden.

 

Gemäß § 56 Abs.3 BauV muss für Gerüste und Gerüstbauteile, die von der Regelausführung oder vom statischen Nachweis nach Abs.1 abweichend errichtet werden, von einer fachkundigen Person eine statische Berechnung erstellt werden, in der alle bei der Errichtung und bei der Benützung der Gerüste möglichen Belastungszustände berücksichtigt sind.

 

Gemäß § 69 Abs.5 BauV ist bei einer Auskragung der Ausleger von mehr als 1,5 m eine statische Berechnung gemäß § 56 Abs.3 zu erstellen.

 

5.2.2. In seiner Berufung wendet der Bw ein, das gegenständliche Gerüst sei zum Unfallzeitpunkt erst in Errichtung gewesen und für Arbeiten (noch) nicht freigegeben gewesen, weshalb auch eine Bestrafung wegen § 55 Abs.3 ausscheidet. Jedoch ist schon aus der Systematik der gegenständlichen Bestimmung, die im 7. Abschnitt der Bauarbeiterschutzverordnung schon nach dem Wortlaut die allgemeinen Anforderungen an Gerüste festlegt, erkennbar, dass es sich dabei um Arbeitnehmerinnenschutzvorschriften handelt, die in jeder (Bau)Phase der Arbeiten zu berücksichtigen sind. Ergänzend dazu enthält § 60 BauV für den Errichtungs- bzw. Abbauvorgang zusätzliche Anforderungen, um die bei diesen Arbeiten typischerweise zusätzlich auftretenden Gefahren für die Sicherheit der ArbeitnehmerInnen hintanzuhalten. Eine zug- und druckfeste Verankerung eines (auch in Errichtung befindlichen) Gerüsts ist daher als allgemeine Anforderung fortlaufend sicher zu stellen. Nur dadurch ist gewährleistet, dass ein dem jeweiligen Ausführungsfortschritt entsprechender Schutz der Arbeitnehmerinnen vorliegt. Als allgemeine Anforderungen waren die in § 55 Abs.3 BauV aufgestellten Voraussetzungen daher auch im Fall der Aufbauphase des Gerüstes zu beachten.

 

Wie seitens des Arbeitsinspektorates in der Stellungnahme vom 17. November 2011 schlüssig dargelegt wurde, wies das gegenständliche Gerüst keine sichere, insbesondere keine zug- und druckfeste Verankerung am einzurüstenden Objekt auf. Der Bw selbst gesteht in seiner Berufung zu, dass das Gerüst keine ausreichende Anzahl an Verankerungen aufwies. Zudem ist aus dem vom Bw in seiner Stellungnahme vom 12. Dezember 2011 vorgelegte Bild, mit dem die verwendete Verankerung dokumentiert wurde, zweifelsfrei die vom Arbeitsinspektor in seiner Stellungnahme vom 17. November 2011 angeführte Produktbezeichnung der verwendeten Dübel erkennbar. Aus den dazu vorgelegten Herstellerangaben geht hervor, dass dieses Produkt nur für eine mäßige Druckbelastung - angeführt sind etwa kleine Wandregale, leichte Spiegelschränke, Briefkästen - geeignet war. Zudem wurde nach Angaben des Arbeitnehmers die Bohrung mit einem Hilti-Bohrhammer hergestellt, wogegen laut Produktlinienkatalog eine Bohrung im Drehgang erforderlich wäre. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ist daher schlüssig und nachvollziehbar, dass die auf der Baustelle verwendete Verankerung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach und nicht zug- und druckfest ausgeführt war.

Der objektive Sachverhalt der in Faktum 1) zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.

 

5.2.3. Hinsichtlich des Nichtvorliegens einer statischen Berechnung für das gegenständliche Gerüst ist zunächst darauf hinzuweisen, dass seitens des Bw nicht bestritten wurde, dass die Kraglänge der auskragenden Ausleger im gegenständlichen Fall mehr als 1,5 m, nämlich rund 1,7 m, aufwiesen. Für diesen Fall legt § 69 Abs.5 die Erstellung einer statischen Berechnung vor der erstmaligen Aufstellung fest. Die vom Bw vorgelegte Gerüstüberprüfung vom 24. März 2011 für die erste Bauetappe stellt keinen statischen Nachweis im Sinn des § 56 Abs.3 BauV für das gegenständliche Gerüst dar. Zudem widerspricht die Rechtsansicht, es komme nicht auf die Länge der Auskragung, sondern auf die Länge der tatsächlichen Belastung an, schon dem Wortlaut des § 69 Abs.5 BauV. Da somit am 5. August 2011 eine statische Berechnung iSd § 56 Abs.3 BauV  nicht vorlag, ist der objektive Tatbestand der zu Faktum 2 dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ebenfalls als erfüllt zu werten.

 

6. Der Bw bringt vor, dass ihn an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, da sämtliche Mitarbeiter der Firma x laufend und regelmäßig in allen sicherheitstechnischen und arbeitnehmerschutzspezifischen Vorschriften geschult und unterwiesen werden und es verpflichtende besondere Anweisungen sowie dementsprechende Kontrollen zum Aufstellen und Abbau von Gerüsten gibt.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Auch die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen stellen Ungehorsamsdelikte dar. Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Eine solche Glaubhaftmachung bedarf der Dartuung, dass der Beschuldigte trotz Entfaltung zumutbarer Maßnahmen nicht die Möglichkeit hatte, die angelastete Verwaltungsübertretung hintan zu halten (VwGH vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0135). Das Vorbringen des Bw ist jedoch nicht geeignet darzutun, dass er bei der gegenständlichen Baustelle durch die Einrichtung geeigneter organisatorischer Maßnahmen und Kontrollen die Einhaltung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes in ausreichendem Ausmaß sichergestellt hat. Er bringt vor, dass die Arbeitnehmer geschult und unterwiesen wurden und verpflichtende besondere Anweisungen sowie dementsprechende Kontrollen zum Aufstellen und Abbau von Gerüsten vorlagen. Wie dieses vom Bw angeführte, allgemein gehaltene Kontrollsystem im gegenständlichen Fall funktionieren hätte sollen, wurde vom Bw jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt. Welche Maßnahmen vorgesehen waren, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh. sicher zu stellen, dass auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilte Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung der einschlägigen Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden, ist der Bw schuldig geblieben. Insbesondere hat das Kontrollsystem auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen einschlägige Vorschriften Platz zu greifen (vgl. VwGH vom 23.7.2004, 2004/02/002). Das Berufungsvorbringen, Herr x habe eigenmächtig zu wenige Verankerungspunkte für das Gerüst gewählt, vermag den Bw daher ebenfalls nicht zu entlasten.  Insgesamt konnte der Bw daher nicht schlüssig darlegen, welche konkreten Anordnungen für die Aufstellung des gegenständlichen Gerüstes an die Arbeitnehmer ergingen und wie die Einhaltung dieser Anweisungen effizient kontrolliert wurde. Die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen sind dem Bw daher auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

7. Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Seitens der belangten Behörde wurden im gegenständlichen Fall zwei Geldstrafen in Höhe von je 1.500 Euro verhängt. Im Hinblick auf die bereits vorliegenden einschlägigen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutz­gesetz und dem Umstand, dass durch den Einsturz des Gerüstes zwei Arbeitnehmer schwer verletzt wurden, erscheint die Verhängung von deutlich über der Mindeststrafe gelegenen Geldstrafen als angemessen und gerechtfertigt. Lediglich die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens kommt dem Bw als Milderungsgrund zugute. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates zweieinhalb Jahre vergangen, sodass von keiner iSd Art.6 Abs.1 EMRK zu qualifizierenden noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer auszugehen war. Dieser Umstand war daher als Milderungsgrund im Sinn des § 24 Abs.2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten und konnten daher die verhängten Strafen entsprechend reduziert werden.

 

Ein Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe ist jedoch nicht festzustellen, weshalb ein Vorgehen nach § 20 VStG ebenso wie die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG ausscheidet, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen. Das tatbildmäßige Verhalten des Bw blieb nicht erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb und ging die Tat insbesondere auch nicht mit unbedeutenden Folgen einher.

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheint daher die nunmehr verhängte Strafhöhe angemessen und geeignet, um dem Bw die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens eindringlich vor Augen zu führen und ihn künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten.

 

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

8. Die Kostenentscheidung ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

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