Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301299/2/Gf/Rt

Linz, 18.12.2013

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung der I gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. März 2013, Zl. 4/2012, wegen mehrerer Übertretungen des Tierschutzgesetzes zu Recht:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

 

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. März 2013, Zl. 4/2012, wurden über die Beschwerdeführerin zwei Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 13 Stunden) und zwei Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 75 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 7 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag insgesamt 45 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 495 Euro) verhängt, weil sie es zu vertreten habe, dass am 9. Oktober 2012 für die in ihrer Wohnung gehaltenen Tiere (7 Hunde und 8 Katzen) lediglich 50 m2 an dauernd benutzbarer Fläche und nur 4 Katzentoiletten zur Verfügung gestanden seien, die Wohnung hochgradig verschmutzt gewesen sei und in dieser weder Katzengras noch ein gleichwertiger Ersatz habe vorgefunden werden können. Dadurch habe sie 1.) eine Übertretung des § 2, 2.) des Pkt. 2 Abs. 6 zweiter Satz der Anl. 1, 3.) des Pkt. 1.5. Abs. 3 Z. 3  und des Pkt. 2 Abs. 6 erster Satz der Anl. 1 sowie 4.) des Pkt. 2 Abs. 8 der Anl. 1 der 2. Tierhaltungsverordnung, BGBl.Nr. II 486/2004 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 57/2012 (im Folgenden: 2.TierHV), begangen, weshalb sie jeweils nach § 38 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 118/2004, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 80/2010 (im Folgenden: TierSchG), zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der der Rechtsmittelwerberin angelastete Sachverhalt auf Grund entsprechender Feststellungen des Amtstierarztes der Stadt Linz als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; ihre Einkommens‑, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.000 Euro; keine Sorgepflichten; kein Vermögen).

 

1.2. Gegen dieses ihr am 25. November 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 7. Dezember 2012 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass ihre Wohnung in Wahrheit ohnehin 88m2 groß sei und sich in dieser 6 ausgewachsene Tiere, im Übrigen jedoch nur Welpen befunden hätten darin hätten. Außerdem werde gesetzlich nicht für jede Katze eine eigenständige, sondern lediglich eine ausreichende Anzahl von Toiletten gefordert. Weiters treffe es nicht zu, dass ihre Wohnung zum Kontrollzeitraum verschmutzt gewesen sei; dass sich ein Aufenthaltsraum für Tiere nicht zu jeder Sekunde in einem makellosen Zustand befinden könne, liege hingegen in der Natur der Sache. Schließlich stimme es zwar, dass kein Katzengras vorhanden gewesen sei; allerdings habe die Rechtsmittelwerberin ein adäquates Futterergänzungsmittel verwendet.

 

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 4/2012; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 38 Abs. 3 TierSchG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 3.750 Euro zu bestrafen, der gegen auf das Tierschutzgesetz gegründete Rechtsakte – hier: die auf Grund § 24 Abs. 1 Z. 1 und 2 TierSchG sowie auf Grund § 25 Abs. 3 TierSchG ergangene 2.TierHV – verstößt.

 

Nach § 2 Abs. 1 2.TierHV ist es verboten, u.a. Hunde und Katzen derart zu halten, dass diese dadurch hinsichtlich ihrer artspezifisch unterschiedlich vorhandenen Fähigkeiten der Anpassung überfordert werden, wobei bei der Ausgestaltung des Raumsystems insbesondere jeweils der Mindestraumbedarf jedes gehaltenen Tieres zu beachten ist (vgl. § 2 Abs. 4 2.TierHV).

 

Gemäß Pkt. 2 Abs. 6 zweiter Satz der Anl. 1 zur 2. TierHV muss Katzen eine ausreichende Anzahl von Katzentoiletten zur Verfügung gestellt werden, die entsprechend sauber zu halten sind.

 

Nach Pkt. 1.5. Abs. 3 Z. 3 der Anl. 1 zur 2. TierHV ist ein Hundehalter dazu verpflichtet, den Aufenthaltsbereich des Hundes sauber und ungezieferfrei zu halten; auch Räume, in denen Katzen gehalten werden, sind gemäß Pkt. 2 Abs. 6 erster Satz zur 2. TierHV sauber zu halten.

 

Nach Pkt. 2 Abs. 8 der Anl. 1 zur 2. TierHV muss Wohnungskatzen entweder Katzengras oder ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung gestellt werden.

3.2. Insgesamt besehen wurde der Rechtsmittelwerberin im gegenständlichen Fall vorgeworfen, das Delikt des § 38 Abs. 3 TierSchG begangen zu haben; dies allerdings in der besonderen Form, dass ihr vier unterschiedliche Tathandlungen – nämlich: Unterschreitung des Mindestraumbedarfes, Unterschreitung der Mindestanzahl an Katzentoiletten, Verschmutzung der Wohnung und Nichtvorhandensein von Katzengras – angelastet wurden und hierfür jeweils eine gesonderte Strafe verhängt wurde.

Normsystematisch betrachtet ist § 38 Abs. 3 TierSchG jedoch derart strukturiert, dass das rechtlich verpönte Verhalten darin besteht, die einer auf Grund des TierSchG ergangene Verordnung nicht beachtet zu haben. Normzweck ist daher nicht primär die Bestrafung der Übertretung einer spezifischen Anordnung des Folgerechtsaktes selbst – wie z.B. einer konkreten Bestimmung der 2.TierHV –, sondern vielmehr die Sicherstellung, dass der auf dem Gesetz basierende Akt der Verwaltung – also der von einer anderen Staatsgewalt gesetzt Rechtsakt – respektiert wird. Das Ziel der Strafbestimmung des § 38 Abs. 3 TierSchG liegt mithin darin, im Normadressaten das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass den auf Grund des TierSchG ergangenen Folgerechtsakten eine dem Gesetz adäquate rechtliche Verbindlichkeit zukommt, sodass das strafrechtliche Unwerturteil dieses Deliktstatbestandes im Ergebnis eben – und auch ausschließlich – darin liegt, dem Sekundärrechtsakt nicht die rechtlich gebotene Beachtung geschenkt zu haben.

3.2.1. Vor einem derartigen Hintergrund ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Oö. Verwaltungssenat zuletzt in mehreren Erkenntnissen mit näherer Begründung ausgesprochen hat (vgl. VwSen-240966 vom 15. November 2013, VwSen-301297 vom 25. November 2013, VwSen-240965 vom 28. November 2013 und VwSen-301298 vom 4. Dezember 2013), dass die Bestimmung des § 22 Abs. 2 VStG unter Berücksichtigung der neueren Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes in „rein verwaltungsinternen“ Kumulationsfällen nunmehr völkerrechts- und verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass mehrfache behördliche Verfolgungen und/oder Bestrafungen wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens (nur) solange nicht gegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK verstoßen, als

1. noch keine rechtskräftige Erledigung vorliegt,

2. diese in ein und demselben Verfahren erledigt werden und

3. soweit sie einen einheitlichen, nicht mehr weiter zergliederbaren Sach-verhalt betreffen und

4. sich die in Betracht kommenden Deliktstatbestände nicht essentiell überlagern, nämlich derart, dass durch die Heranziehung eines bestimmten Deliktstypus der Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens bereits vollständig erschöpft ist, sodass kein weiteres Strafbedürfnis mehr gegeben ist;

letzterer Aspekt wird in der Praxis umso eher zutreffen, als den in Betracht kommenden Deliktstatbeständen jeweils dasselbe Schutzgut zu Grunde liegt.

Davon ausgehend, dass die materiell-gesetzlichen Deliktstatbestände jeweils schon erhebliche Zeit vor der dargestellten EGMR- und VfGH-Rechtsprechung normiert wurden, ist sohin insofern ein neuer, gleichsam „permanent-verfassungsbezogener“ Denkansatz bzw. Zugang geboten, als diese (Einzel‑)Tatbestände im konkreten Anwendungsfall stets im Lichte dieser Judikatur hinterfragt werden müssen. 

3.2.2. Vor diesem Hintergrund ist daher im gegenständlichen Fall insbesondere zu untersuchen, ob sich die auf ein und denselben Sachverhalt – nämlich nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses: tierschutzbehördliche Überprüfung am 9. Oktober 2012 in der Wohnung der Beschwerdeführerin – beziehenden Bestrafungen einen einheitlichen, nicht mehr weiter zergliederbaren Lebensvorgang betreffen und sich die Deliktstatbestände nicht essentiell überlagern.

3.2.3. Wenn der Rechtsmittelwerberin zur Last gelegt wird, den Mindestraumbedarf und die Mindestanzahl an Katzentoiletten unterschritten, ihre Wohnung nicht in einem sauberen Zustand gehalten sowie Katzengras nicht vorrätig gehalten zu haben, so liegt insoweit kein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, der nicht mehr weiter sinnvoll zergliederbar wäre; vielmehr geht es um vier unterschiedliche Vorgangsweisen, die zueinander nicht derart in Beziehung stehen, dass sie bei durchschnittlicher Betrachtung der Praxis einer Wohnungshaltung von Hunden und Katzen einen untrennbaren Zusammenhang bilden, ist es doch beispielsweise augenfällig, dass trotz Unterschreitung des Mindestraumbedarfes eine ausreichende Anzahl von Katzentoiletten vorhanden sein kann, etc.

Insoweit bestehen daher keine Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes.

3.2.4. Dem gegenüber stellt jedoch die Strafbestimmung des § 38 Abs. 3 TierSchG in Verbindung mit der 2.TierHV – wie oben unter 3.2. gezeigt – auf ein einheitliches und damit jeweils auf dasselbe Schutzgut ab.

Dies bringt der Gesetzgeber schon durch die in § 38 Abs. 3 TierSchG enthaltene Wendung „Wer ..... gegen §§ ..... 11 bis 32 ..... oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt“ in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Z. 1 und 2 TierSchG („Mindestanforderungen für die in § 13 Abs. 2 genannten Haltungsbedingungen“) zum Ausdruck: Offenkundig dient die 2.TierHV, soweit dies für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist, in ihrer Gesamtheit jeweils dem (Primär-)Zweck, zu erreichen, dass den auf dem TierSchG basierenden Folgerechtsakten eine dem Gesetz adäquate Verbindlichkeit zukommt, sodass das strafrechtliche Unwerturteil dieses Deliktstatbestandes im Ergebnis eben – und quasi ausschließlich – darin liegt, dem Sekundärrechtsakt nicht die rechtlich gebotene Beachtung geschenkt zu haben.

Von der konkreten terminologischen und systematischen Ausgestaltung des § 38 Abs. 3 TierSchG ausgehend bedeutet dies, dass dann, wenn sachverhaltsbezogen bereits eine Bestrafung wegen einer in der 2.TierHV normierten Festlegung erfolgen kann, ein weitergehendes, mit diesem Rechtsschutzgut im Zusammenhang stehendes Strafbedürfnis, d.h. eine weitere Bestrafung wegen einer in der 2.TierHV getroffenen spezifischen Anordnung, nicht mehr gegeben ist.

Im Ergebnis verletzt daher die mehrfache Bestrafung der Rechtsmittelwerberin wegen einer Übertretung des § 38 Abs. 3 TierSchG diese in ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Schutz vor einer unzulässigen Doppelbestrafung gemäß Art. 4 des 7.ZPMRK; vielmehr hätte die belangte Behörde lediglich eine einheitliche Strafe aussprechen – und im Zuge der Bemessung der Strafhöhe die additive Begehungsweise als erschwerend berücksichtigen – dürfen.

3.3. Daher war das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG aufzuheben, sodass davon ausgehend grundsätzlich die Erstbehörde aus eigenem zu beurteilen hätte, ob und in welchem Umfang das Strafverfahren fortzuführen ist.

Weil aber zwischenzeitlich auch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist – wobei die Gründe für die überlange Verfahrensdauer objektiv nicht nachvollziehbar sind –, war das Verwaltungsstrafverfahren aber zusätzlich auch nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

 

Hinweis

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin noch keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde dieser Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab dessen Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

 

 

 

VwSen-301299/2/Gf/Rt vom 18. Dezember 2013

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

Art. 4 7.ZPMRK;

§ 38 Abs. 3 TierSchG;

§ 2 2.TierHV;

Anl. 1 Pkt. 2 Abs. 6 2.TierHV;

Anl. 1 Pkt. 1.5. Abs. 3 Z. 3 2. TierHV;

Anl. 1 Pkt. 2 Abs. 6 2.TierHV;

Anl. 1 Pkt. 2 Abs. 8 2. TierHV

 

* Insgesamt besehen wurde der Rechtsmittelwerberin im gegenständlichen Fall vorgeworfen, das Delikt des § 38 Abs. 3 TierSchG begangen zu haben; dies allerdings in der besonderen Form, dass ihr vier unterschiedliche Tathandlungen – nämlich: Unterschreitung des Mindestraumbedarfes, Unterschreitung der Mindestanzahl an Katzentoiletten, Verschmutzung der Wohnung und Nichtvorhandensein von Katzengras – angelastet wurden und hierfür jeweils eine gesonderte Strafe verhängt wurde.

 

* Normsystematisch betrachtet ist § 38 Abs. 3 TierSchG jedoch derart strukturiert, dass das rechtlich verpönte Verhalten darin besteht, die einer auf Grund des TierSchG ergangene Verordnung nicht beachtet zu haben. Normzweck ist daher nicht primär die Bestrafung der Übertretung einer spezifischen Anordnung des Folgerechtsaktes selbst – wie z.B. einer konkreten Bestimmung der 2.TierHV –, sondern vielmehr die Sicherstellung, dass der auf dem Gesetz basierende Akt der Verwaltung – also der von einer anderen Staatsgewalt gesetzt Rechtsakt – respektiert wird. Das Ziel der Strafbestimmung des § 38 Abs. 3 TierSchG liegt mithin darin, im Normadressaten das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass den auf Grund des TierSchG ergangenen Folgerechtsakten eine dem Gesetz adäquate rechtliche Verbindlichkeit zukommt, sodass das strafrechtliche Unwerturteil dieses Deliktstatbestandes im Ergebnis eben – und auch ausschließlich – darin liegt, dem Sekundärrechtsakt nicht die rechtlich gebotene Beachtung geschenkt zu haben.

 

* Vor einem derartigen Hintergrund ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Oö. Verwaltungssenat zuletzt in mehreren Erkenntnissen mit näherer Begründung ausgesprochen hat (vgl. VwSen-240966 vom 15. November 2013, VwSen-301297 vom 25. November 2013, VwSen-240965 vom 28. November 2013 und VwSen-301298 vom 4. Dezember 2013), dass die Bestimmung des § 22 Abs. 2 VStG unter Berücksichtigung der neueren Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes in „rein verwaltungsinternen“ Kumulationsfällen nunmehr völkerrechts- und verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass mehrfache behördliche Verfolgungen und/oder Bestrafungen wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens (nur) solange nicht gegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK verstoßen, als

1. noch keine rechtskräftige Erledigung vorliegt,

2. diese in ein und demselben Verfahren erledigt werden und

3. soweit sie einen einheitlichen, nicht mehr weiter zergliederbaren Sachverhalt betreffen und

4. sich die in Betracht kommenden Deliktstatbestände nicht essentiell überlagern, nämlich derart, dass durch die Heranziehung eines bestimmten Deliktstypus der Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens bereits vollständig erschöpft ist, sodass kein weiteres Strafbedürfnis mehr gegeben ist;

letzterer Aspekt wird in der Praxis umso eher zutreffen, als den in Betracht kommenden Deliktstatbeständen jeweils dasselbe Schutzgut zu Grunde liegt.

 

* Von der konkreten terminologischen und systematischen Ausgestaltung des § 38 Abs. 3 TierSchG ausgehend bedeutet dies, dass dann, wenn sachverhaltsbezogen bereits eine Bestrafung wegen einer in der 2.TierHV normierten Festlegung erfolgen kann, ein weitergehendes, mit diesem Rechtsschutzgut im Zusammenhang stehendes Strafbedürfnis, d.h. eine weitere Bestrafung wegen einer in der 2. TierHV getroffenen spezifischen Anordnung, nicht mehr gegeben ist. Im Ergebnis verletzt daher die mehrfache Bestrafung der Rechtsmittelwerberin wegen einer Übertretung des § 38 Abs. 3 TierSchG diese in ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Schutz vor einer unzulässigen Doppelbestrafung gemäß Art. 4 des 7.ZPMRK; vielmehr hätte die belangte Behörde lediglich eine einheitliche Strafe aussprechen – und im Zuge der Bemessung der Strafhöhe die additive Begehungsweise als erschwerend berücksichtigen – dürfen.

 

 

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