Linz, 19.12.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. X, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Juli 2013, AZ: Sich40-11636, mit dem ein Antrag des Berufungswerbers auf Aufhebung eines auf die Dauer von 30 Monaten befristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Oktober 2011, GZ: Sich40-11636, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 63 Abs. 1 und 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.
Der Berufung des Bw gegen diesen Bescheid vom 8. November 2011 wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 22. März 2012, GZ: VwSen730547/4/BP/Wu, mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der angefochtene Bescheid bestätigt.
Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. November 2012, Zl. 2012/21/0154-10, abgelehnt.
1.2. Der Antrag des Bw vom 2. Juli 2013 auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Juli 2013, GZ: Sich40-11636, gemäß § 69 Abs.2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:
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2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig durch seine rechtsfreundliche Vertreterin Berufung mit Telefax vom 12. August 2013.
Vorerst werden die Anträge gestellt, die Berufungsbehörde möge:
- den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der beantragten Aufhebung des Aufenthaltsverbotes stattgegeben werde, in eventu
- den gegenständlichen Bescheid beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen, sowie
- eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen.
Seine Berufung begründet der Bw wie folgt:
3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 12. August 2013 zur Entscheidungsfindung vor.
3.1. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 9 Abs. 7 FPG abgesehen werden, zumal der Fremde derzeit im Ausland aufhältig ist, der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststeht und die Akten erkennen lassen, dass eine allfällige weiterführende Erörterung für den Sachverhalt ergebnisneutral wäre.
Im Hinblick auf den ausdrücklichen Antrag der rechtsfreundlichen Vertretung wurde dennoch eine öffentliche Verhandlung anberaumt und die Parteien für den 13. Dezember 2013 geladen.
Da die ÖB Sarajewo dem Bw die Wiedereinreise in das Bundesgebiet verweigert hat, ersuchte die Rechtsvertreterin um Abberaumung der öffentlichen Verhandlung. Dem Ersuchen wurde stattgegeben.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.3., 2. und 3.1. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
4.1. Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 114/2013 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
4.2. Im vorliegenden Fall wies die belangte Behörde einen Antrag des Bw auf Aufhebung des am 22. März 2012 gegen ihn erlassenen auf 30 Monate befristeten Aufenthaltsverbotes ab.
Unbestritten ist, dass der Bw vor der Erlassung der Maßnahme über einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügte, in dem er - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt – seit dem Jahr 1999 (seit seinem 11. Lebensjahr) rechtmäßig aufhältig war.
Aus der Überschrift des 5. Abschnittes vor § 68 FPG "Gemeinsame Verfahrensbestimmungen für Ausweisungen und Aufenthaltsverbote" wird deutlich, dass ein Aufenthaltsverbot, sei es auf § 63, sei es auf § 67 FPG gestützt, hinsichtlich der Aufhebung einer Überprüfung nach § 69 Abs. 2 FPG zuzuführen sind. Somit hat die belangte Behörde zu Recht diese Gesetzesgrundlage herangezogen.
4.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.
Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.
Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vergl. VwGH vom 24.2.2009, 2008/22/0587 und vom 10.11.2009, 2008/22/0848).
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat sich somit mit der Frage auseinanderzusetzten, ob im konkreten Fall ein relevanter Eingriff im Sinne des § 61 FPG vorliegt und – gegebenenfalls – ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes weiterhin dringend geboten ist. Bejahendenfalls ist ferner zu erörtern, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben. Diese Interessen sind daran anschließend gegeneinander abzuwiegen.
4.3.2. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG keinesfalls dazu geeignet sein kann, Umstände, die bei der Erlassung des ursprünglichen Aufenthaltsverbotes gewürdigt wurden und durch die Rechtskraft der Entscheidung gedeckt sind, neu oder anders zu beurteilen, da dies in Hinblick auf § 68 Abs. 1 AVG unzulässig wäre. Umstände, die bei Beurteilung im Rahmen der Verhängung der Maßnahme unverändert bestanden, unterliegen daher nicht den Überprüfungsmöglichkeiten im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens. Weiters kann bei Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbots die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden.
4.4. Im vorliegenden Fall ist zunächst auf die Begründung des Aufenthaltsverbotsbescheides, die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose und die Darstellung der gerichtlichen Verurteilungen hinzuweisen.
Das Verhalten des Bw hat fraglos von evidenter krimineller Energie gezeugt. Er hat in einem hohen Umfang und über fünf Jahre hinweg Missbrauch mit Suchtgiften betrieben. Der Profit, den er aus dem Handel mit Kokain ziehen wollte, zeigt im Grunde eine menschenverachtende Einstellung und lässt erkennen, dass ihm die Gesundheit Dritter nicht berührt. Entscheidungsrelevant für ihn ist, dass ihm die Handlung zum Vorteil gereicht. Neben den Verstößen gegen das SMG trat auch die Gewaltbereitschaft zu Tage, die in mehreren Verurteilungen mündete.
Besonders ist bei einer Gefahrenprognose hervorzuheben, dass der Bw in vollem Bewusstsein und vorsätzlich Verstöße gegen das SMG setzte und Dritte über einen Zeitraum von mehreren Jahren schädigte.
Das Berufungsvorbringen, das sich mit den Verurteilungen des Bw und der daraus ableitbaren Gefährlichkeitsprognose auseinandersetzt, ist nicht geeignet, eine geänderte Sichtweise darzulegen. Wie bereits oben ausgeführt, sind Umstände, die bei der Erlassung des ursprünglichen Aufenthaltsverbotes gewürdigt wurden und durch die Rechtskraft der Entscheidung gedeckt sind keinesfalls neu oder anders zu beurteilen (§ 68 Abs. 1 AVG). Im Zuge des Aufenthaltsverbotsverfahrens wurden die angesprochenen Aspekte vom Unabhängigen Verwaltungssenat bereits umfassend gewürdigt und haben diese zur deutlichen Reduzierung der Aufenthaltsverbotsdauer geführt.
Dass der Berufungswerber mittlerweile „clean" ist und sich der Zeitraum des Wohlverhaltens um ca. eineinhalb Jahre verlängert hat, steht laut Aktenlage außer Zweifel. Dieses Verhalten wird vom Bw auch einzufordern sein, um ihm im Falle des Ablaufs des Aufenthaltsverbotes bzw. bei Wegfall jener Gründe, die zur Erlassung geführt haben, eine Wiedereinreise bzw. ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu ermöglichen. Im Hinblick auf die kriminelle Energie des Bw im Bereich der Suchtgiftkriminalität stellt das Wohlverhalten im vorliegenden Beobachtungszeitraum für sich alleine noch keinen maßgelblichen Umstand dar.
Wie im Aufenthaltsverbotsbescheid eindeutig zum Ausdruck kommt, bedarf es eines ausgedehnten Beobachtungszeitraumes, um vom Wegfall der kriminellen Energie, die über einen fünfjährigen Zeitraum eine unbestrittene Verfestigung erfuhr, sprechen zu können.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass - auch wenn dem Bw ein gewisses Maß an Reue zugebilligt wird - zum Entscheidungszeitpunkt noch keinesfalls das Maß an Nachhaltigkeit des Gesinnungswandels gegeben ist, das ein Abweichen von der ursprünglichen Gefährdungsannahme erlauben würde.
In diesem Sinn ist also abschließend festzustellen, dass die ursprüngliche Prognoseentscheidung, wonach im Fall des Bw ein besonders hohes, gegenwärtiges und nachhaltiges Gefährdungspotential vorliegt, weiterhin aufrechterhalten werden muss.
4.5. Insofern der Bw - im Rahmen der Interessensabwägung nach nunmehr § 61 FPG - auf das familiäre Umfeld in Österreich abstellt, war die Feststellung, dass der Bw in Österreich langjährig aufhältig war, schon im ursprünglichen Verfahren bekannt und erlaubt daher keine neuerliche Abwägung im Sinne des § 61 FPG.
Die angesprochenen familiären Verhältnisse, der Aufenthalt der gesamten Kernfamilie des Bw in Österreich und die Bindung zur Familie wurden im ursprünglichen Verfahren abschließend gewürdigt.
Die Umstände, dass der Berufungswerber nur durch die Geldübersendungen seiner Familie aus Österreich überleben kann und die Mutter psychisch unter der Trennungssituation leidet, führen nicht zu einer von der belangten Behörde abweichenden Beurteilung.
Angesichts der bedeutsamen Straffälligkeit des Bw und seiner sich daraus ergebenden erheblichen Gefährlichkeit, die das öffentliche Interesse am gegenständlichen Aufenthaltsverbot rechtfertigen, haben der Bw und seine Angehörigen - der ständigen Judikatur des VwGH folgend - eine anfällige Trennung in Kauf zu nehmen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0084); ebenso allfällige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Heimatstaat.
Weitere Umstände, die als Neuerungsgründe im Sinne des § 69 Abs. 2 FPG iVm. § 61 FPG zu berücksichtigen wären, sind nicht bekannt, ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage und wurden vom Bw nicht vorgebracht.
4.6. Im Ergebnis bedeutet dies, dass keine Änderung der maßgeblichen Umstände im Sinne des § 69 Abs. 2 FPG vorliegt, weshalb der Antrag - von der belangten Behörde völlig zu Recht - als unbegründet abgewiesen wurde.
4.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
H I N W E I S
1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.
Mag. Stierschneider