Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-222683/7/Bm/CG/TK

Linz, 19.11.2013

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 05.04.2013, Ge96-87-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach der GewO 1994 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 13.11.2013 zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  1. Der Berufungswerber hat keine Kostenbeiträge zum Verwaltungsstrafverfahren zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF;

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.           Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 05.04.2013, Ge96-87-2012, wurden über den Berufungswerber (Bw) zwei Geldstrafen in der Höhe von je 200 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z 1 iVm § 339 Abs.1 GewO 1994 und § 366 Abs.1 Z 2 iVm § 74 Abs.2 Z 1, 2, 4 GewO 1994 verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„1. Sie haben zumindest am 7.6.2012, gegen 16:45 Uhr in zwei Räumen im Wohntrakt des Objekts x, x mindestens 150 Stück PKW-Altreifen (manche noch auf Felgen) und einzelne Felgen zu Handelszwecken erworben und dort zum Verkauf zwischengelagert. Das Erwerben, Lagern und Verkaufen haben Sie auf eigene Rechnung und Gefahr, über einen längeren Zeitraum und mit der Absicht, aus dieser Tätigkeit Einnahmen zu erwirtschaften, ausgeübt. Eine Gewerbeanmeldung für das "Handelsgewerbe" haben Sie nicht erstattet.

 

2. Sie haben zumindest am 7.6.2012, gegen 16:45 Uhr in den von Herrn x, geboren x, unentgeltlich zur Verfügung gestellten unter 1. näher beschriebenen Räumen ein Zwischenlager für Altreifen, Altreifen bzw. Altfelgen betrieben. Dieses Lager diente dauerhaft der Ausübung der unter 1. beschriebenen Tätigkeit. Aufgrund seiner Betriebsweise und Ausstattung war es zumindest abstrakt geeignet,

- das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden oder der Kunden oder das Eigentum bzw. sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden (Brandgefahr von Reifen) (§ 74 Absatz 2 Ziffer 1 Gewerbeordnung 1994);

- die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch und Staub zu belästigen (durch das Be- und Entladen der Reifen, Räder und Felgen) (§ 74 Absatz 2 Ziffer 2 Gewerbeordnung 1994);

- die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen zu und von der Anlage wesentlich zu beeinträchtigen (Fahrzeuge und insbesondere LKWs zum An- und Abtransport der Reifen, Räder und Felgen müssen verkehren und be- und entladen werden) (§ 74 Absatz 2 Ziffer 4 Gewerbeordnung).

Eine entsprechende Betriebsanlagenbewilligung besteht für (das) Lager jedoch nicht.“

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist Berufung erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, ein Afrikaner, Herr x, habe in Österreich einen Platz gesucht, wo er alte Reifen bzw. Schrottreifen lagern könne. Im Zuge einer Amtshandlung, die nicht den Bw betroffen habe, sei die Polizei zum Gebäude x, x, gekommen und habe dabei die Reifen vorgefunden. Die Polizei habe daraufhin den Eigentümer des Gebäudes, Herrn x, angerufen. Dieser habe der Polizei Namen und Telefonnummer des Bw gegeben. Auf Befragen der Polizei, wem die Reifen gehören würden, sei auf Herrn x hingewiesen worden. Von der Polizei wurde aufgetragen, die Reifen innerhalb von zwei Wochen zu entfernen. Der Bw habe Herrn x angerufen und darüber informiert. Dieser habe dann auch die Reifen entfernt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung dem Oö. Verwaltungssenat als zuständige Berufungsbehörde samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt zu Ge96-87-2012 und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.11.2013, zu welcher der Bw erschienen ist und gehört wurde.

 

Bei der Einvernahme wurde vom Bw das Berufungsvorbringen wiederholt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die im Objekt x, x, vorgefundenen Reifen von Herrn x gesammelt und von ihm auch dort gelagert worden seien. Der Bw habe Herrn x lediglich unentgeltlich die Lagermöglichkeit im Objekt x, x, verschafft.

Laut ZMR ist ein Herrn x in Österreich nicht polizeilich gemeldet; laut Bw ist Herr x in x aufhältig.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 1 Abs.2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.

 

Nach § 339 Abs.1 GewO 1994 hat jemand, der ein Gewerbe ausüben will, die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.

 

Nach § 74 Abs.1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

 

Gemäß § 366 Abs.1 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer

1.   ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderlich Gewerbeberechtigung erlangt zu haben sowie

2.   eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

 

Nach § 45 Abs.1 Z.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

5.2. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs.1 Z.1 GewO 1994 enthält das Tatbestandselement, dass jemand „ein Gewerbe ausübt“. Zur Verwirklichung des genannten Tatbestandes genügt es nicht, dass eine Tätigkeit ausgeübt wird, die dem Tätigkeitsbereich eines Gewerbes vorbehalten ist, sondern müssen zudem auch die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 1 Abs.2 GewO 1994 vorliegen (vgl. VwGH 15.09.1999, 99/04/0110).

So gehört zur Qualifikation einer Tätigkeit als gewerbsmäßig neben den Merkmalen Regelmäßigkeit und Selbständigkeit auch das subjektive Element der Gewinnerzielungsabsicht.

 

Der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs.1 Z.2 GewO 1994 bezieht sich auf das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung.

Die Annahme einer gewerblichen Betriebsanlage setzt wiederum die Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit in Bezug auf die örtlich gebundene Einrichtung voraus; andernfalls liegt eine gewerbliche Betriebsanlage nicht vor.

 

Vorliegend konnte im durchgeführten Beweisverfahren nicht erwiesen werden, dass der Bw im angeführten Tatzeitraum eine (Handels)tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt hat.

Im gesamten Verfahren hat sich der Bw damit verantwortet, dass sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Lagerung der PKW-Altreifen durch seinen Bekannten, Herrn x, vorgenommen wurden. Dieses Vorbringen konnte nicht entkräftet werden, zumal Herr x in Österreich nicht aufhältig und polizeilich gemeldet ist und damit eine Überprüfung der sachverhaltsbezogenen Einwendungen des Bw nicht möglich ist.

Nicht völlig unrealistisch erscheint, dass der Bw selbst im Standort x, x, die Altreifen zum Zwecke des Wiederverkaufes gelagert hat, allerdings sind im gesamten Verfahren keine konkreten Beweisergebnisse hervorgekommen, die die im angefochtenen Straferkenntnis enthaltenen Tatvorwürfe mit einer für das Strafverfahren an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachweisen lassen; insbesondere liegen keine Ansatzpunkte für die Annahme vor, der Bw habe in Ertragsabsicht gehandelt.

 

Nach dem Grundsatz in dubio pro reo ist daher das Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages.

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier