Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360464/3/WEI/Ba

Linz, 13.12.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Finanzamtes Grieskirchen Wels, gegen den Einstellungsbescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, vom 20. November 2013, Zl. S-9396/12, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: M W vertreten durch Rechtsanwälte Mag. M P und Mag. H Z, W, W) zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens auf der Grundlage des § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 20. November 2013, Zl. S-9396/12, wurde wie folgt abgesprochen:

 

„Bescheid

 

Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit Aufforderung zur Rechtfertigung gegen Sie ein Verwaltungsstrafverfahren wegen der Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs. 1 und 4 GSpG iVm. § 52 Abs. 1 Zi. 1 GSpG am 8.3.2012, in W, R, unter oben angeführtem Aktenzeichen eingeleitet. In diesem Verwaltungsstrafverfahren ergeht von der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Polizeikommissariat Wels daher folgender

 

 

Spruch

 

Das gegen den Beschuldigten mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29.6.2012 eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage: § 45 VStG

 

 

 

Begründung

 

Aufgrund einer Anzeige des Finanzamtes Grieskirchen-Wels vom 23.5.2012 wurde Ihnen von der Bundespolizeidirektion Wels folgende Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs. 1 und 4 GSpG § 52 Abs. 1 Zi. 1 GSpG angelastet:

 

Sie haben, wie am 8.3.2012 zwischen 10.40 Uhr und 16.15 Uhr durch Organe der Finanzpolizei des Finanzamtes Grieskirchen-Wels festgestellt wurde, seit 7.3.2012 in W, R, Lokal „S", als das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen hin berufene Organ der Fa. „C A & I GmbH", zu verantworten, dass sich diese Firma als Unternehmer (§ 2 Abs. 2 Glücksspielgesetz) in dem angeführten Lokal an verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 1 und Abs. 4 Glücksspielgesetz zur Teilnahme vom Inland aus beteiligt und daraus Einnahmen erzielt hat, weil Sie folgendes Glücksspielgerät

 

•   C Sportwetten, Nr. X,

 

im Rahmen ihrer Firma seit zumindest 7.3.2012 bis 8.3.2012 die für die Durchführung von Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen notwendigen Gegenstände gegen Entgelt zur Verfügung gestellt haben um fortgesetzt Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen zu erzielen, wobei die Spieler bei den Wetten auf den Ausgang von virtuellen Hunderennen nach Eingabe von Geld nur einen Einsatz und ein vermutetes Rennergebnis durch Betätigen einer Bildschirmtaste auswählen konnten und den Spielern keine Möglichkeit geboten wurde Einfluss auf das Zustandekommen des virtuellen Rennergebnisses zu nehmen, weshalb die mit den Glücksspielgeräten durchgeführten Spiele als Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 Giücksspielgesetz und Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes zu werten waren.

 

Der konkrete Spielablauf der auf den Geräten verfügbaren Spiele stellt sich so dar, dass bei diesen Geräten die Möglichkeit besteht, Wetten auf den Ausgang von bereits in der Vergangenheit stattgefundenen virtuellen Hunderennen abzuschließen. Dem Kunden werden keinerlei Informationen bezüglich des Rennaustragungsortes oder der Hunde geboten. Die Kunden können lediglich einen Einsatzbetrag und einen oder mehrere vermutete Rennergebnisse auswählen und nach Eingabe von Geld eine Wette darauf abschließen. Danach ist der in kurzen Abständen regelmäßig erfolgende Rennstart und das etwa 30 Sekunden dauernde Rennereignis abzuwarten, wonach der Verlust des Einsatzes oder ein Gewinn feststeht. Die Wettkunden haben keinerlei Einfluss auf das Zustandekommen bestimmter Rennereignisse. Der Ausgang dieses Spiels konnte vom Spieler nicht beeinflusst werden. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit jedenfalls vorwiegend vom Zufall ab.

 

Bei dem gegenständlichen Glücksspielgerät wurde der mögliche Höchstgewinn von der Finanzpolizei nicht festgestellt. Die Gewinnquote für die Feststellung der Relationen zwischen Einzeleinsätzen und dazu in Aussicht gestellten wurde daher ebenfalls nicht festgestellt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Verwaltungsbehörde im Falle einer Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen (vgl ua VwGH 14.12.2011, ZI. 2011/17/0233 unter Hinweis auf VwGH 22.3.1999, ZI. 98/17/0134).

 

Im Hinblick auf die nur sehr kurze Einzelspieldauer (Wettabläufe) - die aufgezeichneten Rennereignisse starten in kurzen Abständen - können ähnlich rasch wie auf Glücksspielgeräten mit Walzenspielen zahlreiche Glücksspiele in Form von "Wetten auf aufgezeichnete Rennergebnisse" innerhalb nur sehr kurzer Zeiträume ablaufen. Mit einer klassischen Situation von Wetten auf künftige sportliche Ereignisse hat dies nichts zu tun. Die aktenkundige Funktionsweise dieser "Wettannahmeterminals" für aufgezeichnete Rennen ist offenkundig darauf angelegt, einen besonderen Anreiz für den gewinnsüchtigen "Wettkunden" zu Serienspielen zu bieten. Der Spieler kann dadurch nicht nur sein Gewinnstreben an sich ausleben, sondern auch bei bereits eingetretenen Verlusten eine gute Chance sehen, diese durch wenige Tipps oder auch nur einen gewonnenen Tipp mit günstiger Quote wieder ganz oder teilweise wettzumachen. Er muss dafür nur eine gewisse Ausdauer mitbringen und eine "glückliche Hand" bei den gesetzten Einsatzhöhen haben. Die Bereitschaft eines Spielers zu Serienspielen wird dabei im Normalfall umso größer sein, je geringer die gespielten Einsätze sind und damit das Verlustrisiko des Einzelspiels ins Gewicht fällt. Auch bei bloß geringen Einsätzen von unter 10 Euro, werden Spieler daher aus Gewinnsucht ihr Glück durch Serienspiele versuchen und ihre Chancen dabei ausreizen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat nun die Zuständigkeiten klar geregelt und ist somit auch entschieden der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (27.2.2013, 2012/17/0342, 15.3.2013, 2012/17/0365) aus dem Grund des Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot gem. Art 4 Abs. 1 7. ZP EMRK entgegengetreten.

 

Mit Erkenntnis vom 13.6.2013, B 42272013-9, legte der VfGH in verfassungskonformer Interpretation des § 52 Abs. 2 GSpG fest, dass hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte es nur darauf ankomme, ob eine Glücksspielveranstaltung mit einem Einsatz von über € 10,- pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens € 10,- oder mehr als € 10,- tatsächlich leistet. Es ergibt sich daraus die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können. Es liegt somit eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit vor, wenn die Möglichkeit besteht, bei einem Gerät Einsätze von über € 10,- zu leisten oder Serienspiel zu veranstalten.

 

Auch der VwGH geht von seiner bisherigen Judikatur ab und führt in seinem Erkenntnis vom 23.7.2013,Zl 2012/17/0249 aus:

„......Diesen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob eines der auf den konkreten - jeweils gesondert zu beurteilenden - Glücksspielgeräten installierten Spielprogramme Spiele mit einem Einsatz von über EUR 10,- ermöglichte, das heißt, welcher mögliche Höch-steinsatz an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielautomaten jeweils geleistet werden konnte (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden konnten). Derartige Feststellungen wären erforderlich gewesen, um ausgehend von der dargestellten Rechtslage beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG besteht."

 

Mit Schreiben vom 3.10.2013 erteilte die Landespolizeidirektion Oberösterreich -Polizeikommissariat Wels der zuständigen Abgabenbehörde den Auftrag, bei dem angeführten Gerät den maximal möglichen Einsatz für die nicht vom Testspiel umfassten installierten Spiele zu ermitteln bzw. festzustellen, ob mit den Geräten Serienspiele veranlasst werden können.

 

Diesem Auftrag ist die Finanzpolizei nicht nachgekommen.

 

Es wurden somit keine Feststellungen getroffen, ob eines der auf den konkreten Glücksspielgeräten installierten Spielprogramme Spiele mit einem Einsatz von über € 10,- ermöglichte.

 

Da sämtliche Glücksspielgeräte mit einer Starttaste, die in gewinnsüchtiger Absicht zu Serienspielen verleitet, ausgestattet waren, und außerdem eine äußerst günstige Relation zwischen Einsatz und den in Aussicht gestellten Gewinn bestand, war vor dem Hintergrund der Serienspieljudikatur des OGH dieser Sachverhalt unter den Tatbestand des § 168 StGB zu subsumieren, wobei zumindest von einem strafbaren Versuch auszugehen war.

 

Mit 1.3.2013 (BGBl I Nr. 33/2013) trat die Bestimmung des § 22 VStG neu in Kraft. Demnach ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Durch diese generelle ausdrückliche Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit wurde ein Vorrang des konkurrierenden Gerichtsdeliktes manifestiert. Es kann somit keine strafbare Verwaltungsübertretung vorliegen.

 

Eine weitere Verfolgung des Beschuldigten ist daher wegen Verletzung des Art. 4 7. ZP EMRK nicht mehr zulässig.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 die Berufung samt dem Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

 

2.1. Gegen den der Abgabenbehörde per E-Mail übersendeten Einstellungsbescheid vom 20. November 2013 wendet sich die rechtzeitige Amtsberufung vom 29. November 2013.

 

Darin wird zunächst in rechtlicher Hinsicht behauptet, dass § 52 Abs 1 Z 1 4. Tatbild GSpG (= unternehmerische Beteiligung an der Veranstaltung verbotener Ausspielungen) nicht eine nach § 168 StGB gerichtlich strafbare Tat darstellen würde. Schon aus diesem Grund wären weder weitere Ermittlungen zu führen, noch Tastenfunktionen zu beurteilen und Gewinn-Verlust-Relationen vorzunehmen gewesen. Außerdem habe die belangte Behörde den genauen Einstellungsgrund nach den Ziffern des § 45 VStG nicht angeführt.

 

Die Begründung entspräche aber auch nicht den Tatsachen. Der bloß in der Judikatur geprägte Begriff „Serienspiele“ könne im Zusammenhang mit in regelmäßigen Abständen von mindestens einer Minute stattfindenden Renndarstellungen zweifelsfrei nicht zutreffen.

 

Mit dem der zuständigen Abgabenbehörde erteilten Auftrag habe die belangte Behörde offenkundig verkannt, dass der Finanzpolizei nach Abschluss einer Kontrolle nach dem GSpG - also nach dem Verlassen des kontrollierten Lokals  - keinerlei Berechtigung mehr zukomme, weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit Verfahren nach dem GSpG zu durchführen. Die belangte Behörde hätte lediglich versucht, die ihr zustehenden Aufgaben an die rechtlich unzuständige Finanzpolizei zu delegieren.

 

Die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung weder Tatsachen noch Hinweise zugrunde gelegt, aus denen schlüssig die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung nachvollzogen hätte werden können. Die Schlussfolgerung aus der Neufassung des § 22 VStG treffe schlicht nicht zu.

 

Im Ergebnis strebt die Amtsberufung die ersatzlose Behebung des Einstellungsbescheides an.

 

 

2.2. Vorweg einige Bemerkungen zur Berufung der Abgabenbehörde:

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats ist der Amtsberufung zwar in verfahrensrechtlicher Hinsicht beizupflichten, dass die Feststellungen der belangten Behörde unzureichend sind, um eine Verfahrenseinstellung schlüssig zu begründen. Deshalb werden unter Punkt 3 in dieser Entscheidung auch eingehende Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht an Stelle der oberflächlichen Darstellung der Erstbehörde getroffen.

 

Soweit allerdings die Abgabenbehörde in der Amtsberufung betont, für den Erhebungsauftrag der belangten Behörde nach Abschluss einer Kontrolle nicht zuständig zu sein, ist dies nur die halbe Wahrheit. Offenbar verkennt sie selbst den Unterschied zwischen Behördenfunktion und den Aufgaben der Finanzpolizei. Richtig ist dabei nur, dass die Verwaltungsstrafbehörde dem Finanzamt als Abgabenbehörde keinen Auftrag erteilen kann. Anders verhält es sich hinsichtlich der Organe der Abgabenbehörde, denen gemäß § 50 Abs 2 GSpG – neben ihrer Überwachungsaufgabe bei Kontrollen „aus eigenem Antrieb“ nach § 50 Abs 3 GSpG - auch die Aufgabe zur Mitwirkung am Verwaltungsstrafverfahren zukommt. Diese Organe der Abgabenbehörde, gemeint sind offensichtlich die Organe der KIAB bzw nunmehr der Finanzpolizei, sind demnach Hilfsorgane der zuständigen Behörde.

 

Gemäß § 50 Abs 2 GSpG idF BGBl I Nr. 112/2012 können sich nämlich die im § 50 Abs 1 GSpG für Strafverfahren und Betriebsschließungen als zuständig genannten Bezirksverwaltungsbehörden und die für bestimmte Gemeinden zuständige Landespolizeidirektion (arg.: „Diese Behörden“) der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen. Nach dem § 50 Abs 2 Satz 2 GSpG zählen zu diesen Organen der öffentlichen Aufsicht jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.

 

Obwohl einzelne Organe der Finanzpolizei in der Praxis mit Approbationsbefugnis ausgestattet sind und die Abgabenbehörde als Amtspartei gemäß § 50 Abs 5 GSpG im Verwaltungsverfahren auch vertreten können, ändert dies nichts daran, dass nach dem Glücksspielgesetz die Organe der Finanzpolizei grundsätzlich als Hilfsorgane der zuständigen Behörden wie die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu fungieren und Erhebungsaufträgen bzw Fachweisungen dieser Behörden – ungeachtet ihrer organisatorischen Eingliederung in der Abgabenbehörde - nachzukommen haben. Diese gesetzliche Pflicht zur Mitwirkung kann durch innerorganisatorische Vorschriften der Finanzverwaltung weder aufgehoben noch abgeändert werden.

 

Die rechtliche Behauptung der Amtsberufung, dass die unternehmerische Beteiligung an der Veranstaltung verbotener Ausspielungen nicht eine nach dem § 168 StGB gerichtlich strafbare Tat darstellt, verkennt nicht nur diesen Straftatbestand in Verbindung mit möglichen weiteren Ausdehnungen durch die Beteiligungsregelung des § 12 StGB, sondern auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Juni 2013, Zl. B 422/2013, in dem der Verwaltungstatbestand des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG ohne Einschränkung als subsidiär im Verhältnis zum § 168 StGB betrachtet wurde (vgl weiter unter Punkt 4.5.).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde sowie durch Auswertung von Erhebungsergebnissen aus anderen Berufungsverfahren zu artgleichen Geräten. Aus der Aktenlage in Verbindung mit den gewonnenen amtlichen Erfahrungen des Oö. Verwaltungssenats ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

3.1. Nach der aktenkundigen Anzeige der Abgabenbehörde vom 23. Mai 2012, Zl. 054/73075/54/2012, über eine Kontrolle am 8. März 2012 um 10:40 Uhr in einem Lokal in W, R (Lokalbetreiber F GmbH), wurde ein Wettterminal mit der Seriennummer X betriebsbereit vorgefunden, mit dem Wetten auf den Ausgang von aufgezeichneten Hunderennen abgeschlossen werden konnten.

 

Laut Anzeige sei die C A & I GmbH mit Sitz in G, als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw fungiert, die Eigentümerin des Wettterminals und die Veranstalterin der angebotenen Hunderennen die C (M) Ltd. an der Adresse B, M.

 

In einem Antrag auf Ausfolgung vom 12. April 2012 wird dies bestätigt. Die C A & I GmbH teilt darin mit, Eigentümerin des im Lokal „R“ in W, R, beschlagnahmten Internetterminals der Marke Tipomat Y-Line mit der Seriennummer X zu sein, und nennt die C (M) Ltd. als Veranstalterin sämtlicher auf diesem Terminal angebotenen Sportwetten. Die Beschlagnahme des Gerätes sei zu Unrecht erfolgt, weil es sich um einen Internetterminal und nicht um ein Glücksspielgerät handle. Mit dem Internetzugang könne man wie mit jedem anderen Computer surfen und von der C (M) Ltd. angebotene Wetten abschließen.

 

Die Anzeige wirft dem Bw als Geschäftsführer und vertretungsbefugtem Organ iSd § 9 Abs 1 VStG vor, dass er es iSd § 52 Abs 1 Z 4 4. Tatbild GSpG zu verantworten habe, dass die C A & I GmbH sich als Unternehmer an veranstalteten Glücksspielen (Ausspielungen am Standort) dadurch beteiligt habe, dass sie die für die Durchführung notwendigen Gegenstände (gemeint Wettterminal) gegen Entgelt zur Verfügung gestellt und dadurch selbständig und nachhaltig eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen entfaltet habe.

 

Beim Wettannahmegerät handle es sich nicht um eine Wette aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, weil kein echtes in der Zukunft liegendes, sondern ein rein virtuelles Hunderennen gegeben sei, bei dem das Ergebnis der Auswahl eines Zufallgenerators aus aufgezeichneten Rennen folge.

 

3.2. Der Spielablauf stellt sich generalisierend wie folgt dar:

 

Bei dem gegenständlichen Gerät konnten "Wetten" auf den Ausgang von bereits in der Vergangenheit stattgefundenen virtuellen Hunderennen abgeschlossen werden.

 

Nach Eingabe von Geld für das Spielguthaben, Auswahl des gewünschten Spieleinsatzes und nach Festlegen eines vermuteten Rennergebnisses konnte die "Wette" durch Betätigung einer entsprechenden virtuellen Bildschirmtaste abgeschlossen werden. Über Wunsch wurde ein Wettschein ausgedruckt. Die aufgezeichneten, bereits in der Vergangenheit stattgefundenen, allenfalls nur mit einer fortlaufenden Nummerierung gekennzeichneten Rennen wurden am Bildschirm dargestellt. Nach dem Zieleinlauf wurden die ersten Drei in Zeitlupe oder mit Standbild noch einmal kurz gezeigt. Der Kunde konnte nur aufgrund von Vermutungen eine Nummer oder Farbe wählen, durch welche jeder Hund gekennzeichnet war. Auf diese Weise konnte eine "Wette" auf den Sieger oder eine Kombinationswette auf den ersten und zweiten, allenfalls auch noch auf den dritten durch das Ziel laufenden Hund abgeschlossen werden. Jedem möglichen Einlaufergebnis war eine bestimmte Quote zugeordnet, welche am Gerätebildschirm in einem Quotenblatt dargestellt war. Der in Aussicht gestellte Gewinn errechnete sich durch Multiplikation des gewählten Einsatzbetrags mit der dem erwarteten Rennverlauf entsprechenden Quote.

 

Beim gegenständlichen Gerät stellten die Organe der Finanzpolizei laut Anzeige der Abgabenbehörde aus nicht nachvollziehbaren Gründen - entgegen der sonst üblichen Praxis von diesen Erhebungsorganen bei Probespielen - keine möglichen Gewinn-Quoten und auch keinen Maximaleinsatz mit dazu in Aussicht gestelltem Höchstgewinn fest, obwohl diese Punkte im Vordruck einer Tabelle des Anzeigedokuments sogar ausdrücklich vorgesehen sind. Es wurde nur der Mindesteinsatz von 1 Euro und ein dazu in Aussicht gestellter Höchstgewinn von 42,10 Euro (was einer entsprechenden Quote entspricht) in der Anzeige angeführt. Außerdem wurde auch entgegen der sonst üblichen Praxis kein ordnungsgemäß ausgefülltes Dokumentationsformular GSp26c für Wettannahmegeräte und kein Aktenvermerk von Organen der Finanzpolizei über die durchgeführte Kontrolle der Anzeige angeschlossen.

 

Aus der Fotobeilage (3 Bilder) vom gegenständlichen Wettannahmegerät ist ersichtlich, dass es um „Power Races“ und um ein Angebot von C (mit kreisrundem Logo) geht. Auf den beiden ausgedruckten Wettscheinen vom 8. März 2012 über „PowerDogs“ Wetten wird - wie auch am Bildschirm auf dem Bild 03 erkennbar ist – zunächst die Rennnummer, dann die Wettart mit „Exacta“ und danach mögliche Tips (nach dem Quotenplan) und schließlich die dazugehörige Quote angegeben. In diesem Zusammenhang scheint der um 11:00 Uhr ausgedruckte Wettschein Nr. 60653-021.681.343 für eine einzige Wette „Exakta 3 – 6“ - neben der schon in der Anzeige genannten Quote von 42,10 für 1 Euro Einsatz - unter dem Strich für einen Gesamteinsatz von 11 Euro einen möglichen Maximalgewinn von 463,10 Euro (= 11 x 42,10) auszuweisen, womit bereits eine Einsatzleistung über 10 Euro für eine Wette als zumindest möglich erkennbar ist.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in anderen Berufungsverfahren zu den Einsatzmöglichkeiten am Wettterminal der Marke Tipomat Y-Line der Firma C entscheidungswesentliche Umstände wie folgt erhoben:

 

Im h. Berufungserkenntnis VwSen-360060/10/AL/Ba vom 6. August 2013 (vgl in ON 2 die zu VwSen-360096 als ON 11 vorgelegte Kopie) wurde festgestellt, dass in diesem Verfahren bei einem gleichartigen Gerät (Wettterminal) der Marke Tipomat Y-Line die finanzpolizeilichen Ermittlungen aus Anlass der durchgeführten Probespiele höchstmögliche Gewinn-Quoten von 106,40 und 128,10 ergaben. Die in diesem Verfahren aktenkundig gewordene Gerätebuchhaltung eines baugleichen Geräts der Marke Tipomat Y-Line (vgl dazu in ON 2 die Stellungnahme des Bw vom 19.12.2012 mit Beilage „Gerätebuchhaltung“ = ON 22 zu VwSen-360096) weist nicht nur Einzeleinsätze von über 10 Euro je Einzelspiel (etwa 11, 15 und 30 Euro je Einzelspiel) aus; vielmehr geht aus ihr auch klar und eindeutig hervor, dass an diesem Gerät in bemerkenswert kurzen zeitlichen Abständen (oft innerhalb weniger als einer Minute!!) Spieleinsätze tatsächlich geleistet wurden.

 

Im Berufungsverfahren VwSen-360096 wurde mit der Eingabe ON 9 (vgl ggst. in  ON 2) eine Gerätebuchhaltung für ein artgleiches Wettannahmegerät Tipomat Y-Line vorgelegt, aus der ein geleisteter Einzeleinsatz von 18 Euro am 28. Februar 2012 hervorgeht.

 

Der Rechtsvertreter des Bw hat zu VwSen-360096 glaubhaft dargelegt (vgl Eingaben ON 11 und 19; im ggst Akt einliegend zu ON 2), dass alle Wettterminals der Marke Tipomat Y-Line baugleich sind und über dieselben Einsatzmöglichkeiten verfügen. In der Eingabe vom 15. November 2013 (ON 19 zu 360096) wurde plausibel erläutert, dass sämtliche Wettmöglichkeiten im Wege des Internets zentralseitig von C (M) Ltd. angeboten werden und nie eine Einsatzbeschränkung auf 10 Euro vorgesehen war. Eine solche Beschränkung bei einzelnen Geräten wäre angesichts der vielen hundert in Betrieb stehenden Terminals technisch nicht machbar und auch wirtschaftlich unvernünftig.

 

In der vorgelegten Eidesstättigen Erklärung vom 11. November 2013 des T B, Vertriebsleiter der die C A & I GmbH, wird versichert, dass an sämtlichen Standorten von Wettterminals der Marke „Tipomat“, in welcher Version auch immer, die gleichen Wetten zu gleichen Konditionen und mit denselben Einsatzmöglichkeiten angeboten werden und dass es nie eine Beschränkung von Wetteinsätzen auf 10 Euro gab. Es seien immer Wetteinsätze weit darüber bis zu einigen hundert Euro möglich gewesen. Das gelte sowohl für klassische Sportwetten als auch für Wetten auf aufgezeichnete Hunde- und Pferderennen.

 

Untermauert werden diese glaubhaften Angaben des T B durch weitere mit der Eingabe ON 19 zu VwSen-360096 vorgelegte Beweismittel betreffend die Einsatzmöglichkeiten über 10 Euro beim Internetterminal Tipomat Y-Line (vgl Kopien aus VwSen-360096 in ON 2). Dem GSp26c-Dokumentationsformular zu einem Wettterminal „Tipomat Y-Line II“ aus einer Kontrolle vom 9.5.2012 in einem Salzburger Lokal sind Eintragungen der Organe der Finanzpolizei zu entnehmen, wonach 20 Euro am Wettterminal eingesetzt wurden und vermutlich ein Höchsteinsatz von 500 Euro möglich gewesen wäre.

 

So ging es auch im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. September 2013, Zl. B 635/2013, um ein Glücksspielgerät Tipomat Y-Line mit Wetten auf virtuelle Hunderennen („Power Races“) und einem Mindesteinsatz von 1 Euro, bei dem ein fixer Höchsteinsatz zwar nicht festgestellt wurde, die Organe des Finanzamtes aber ein Testspiel mit dem festgestellten Spieleinsatz von 27 Euro durchführten.

 

Weiters wird in den vorgelegten vier Berufungsbescheiden des UVS Vorarlberg je vom 1. Oktober 2013, Zlen. UVS-1-797/E9-2013, UVS-1-798/E9-2013, UVS-1-804/E9-2013, UVS-1-805/E9-2013, betreffend Abweisung von Amtsberufungen des Finanzamtes Landeck Reutte Landeck im Fall von gleichartigen Geräten jeweils festgestellt, dass sich aus der Anzeige des Finanzamtes eine Einsatzmöglichkeit über 10 Euro ergibt. Im Rahmen von Testspielen seien bei einer sog. „Exacta Wette“ Einsätze von 12 Euro tatsächlich geleistet worden, was im Erhebungsdokument GSp26c der Finanzpolizei angeführt wurde.

 

Unter Bezugnahme auf den aktenkundigen Wettschein betreffend einen Einsatz von 11 Euro für eine „Exakta Wette“ (vgl oben unter Punkt 3.2.) und die zahlreichen aktenkundigen Beweisurkunden samt den Gerätebuchhaltungen betreffend ausgewiesene Einsätze über 10 Euro an gleichartigen Geräten, sieht es der Oö. Verwaltungssenat als erwiesen an, dass auch am verfahrensgegenständlichen Wettterminal Tipomat Y-Line mit sog. „Exakta Wetten“ Einsätze von über 10 Euro pro Wette zumindest möglich waren.

 

3.4. Wie sich auch aus dem h. Erkenntnis vom 6. August 2013, Zl. VwSen.360060/10/AL/Ba, ergibt, hatten die Wettkunden beim Wettterminal Tipomat Y-Line keinerlei Einfluss auf das Zustandekommen bestimmter Spielergebnisse. Sie konnten nur einen Einsatz wählen und eine Wette auf Sieg oder allenfalls auf Platzierungen abschließen. Danach war der in kurzen Abständen regelmäßig erfolgende Rennstart und das etwa 30 Sekunden dauernde Rennereignis abzuwarten, wonach der Verlust des Einsatzes oder ein Gewinn feststand. Der Ausgang dieses Spiels konnte vom Spieler somit nicht beeinflusst werden. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit vom Zufall ab.

 

Aufgrund der bestätigten Baugleichheit aller Wettterminals der Marke Tipomat Y-Line gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zur Annahme, dass somit auch an dem verfahrensgegenständlichen Gerät die Möglichkeit zu Serienspielen iSd OGH-Judikatur bestanden hat.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, "wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt".

 

Nach § 168 Abs 1 StGB ist derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der "ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, [...] es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird".

 

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Lichte des verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungs- und -verfolgungsver­botes gemäß Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (ZPzEMRK) von einer stillschweigenden Subsidiarität der allenfalls anzuwendenden glücksspielgesetzlichen Verwaltungsstrafbestimmung gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB auszugehen (vgl VwGH 8.9.2009, Zl. 2009/17/0181; VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134; VfSlg 15.199/1998). Daraus folgt, dass eine Bestrafung nach der Verwaltungsstrafbestimmung dann zu unterbleiben hat, wenn sich der Täter nach dem § 168 StGB strafbar gemacht hat. Auch der Wegfall der Strafbarkeit nach dem primär heranzuziehenden Tatbestand infolge Eintritt eines Strafaufhebungsgrundes könne nicht die Anwendbarkeit des subsidiären Straftatbestandes (neu) begründen, handelt es sich bei dieser Form der Konkurrenz doch um die Verdrängung des subsidiären Tatbestandes durch den vorrangig anzuwendenden (so VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134).

 

Ob eine Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, ist grundsätzlich als Vorfrage iSd § 38 AVG zu beurteilen, wobei die Behörde im Zweifelsfall die Verfahrensvorschrift des § 30 Abs 2 VStG zu beachten hat (vgl. VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134; VwGH vom 22.8.2012, Zl. 2012/17/0156 unter Hinweis auf VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233). Dabei ist die Behörde an einen strafgerichtlichen Einstellungsbeschluss nicht gebunden, sondern hat iSd ständigen Rechtsprechung des VwGH selbst zu beurteilen, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag (vgl etwa VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233 unter Hinweis auf VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134).

 

4.3. Mit der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl I Nr. 54/2010, wurde in § 52 Abs 2 GSpG eine ausdrückliche Zuständigkeitsklausel zur Abgrenzung zwischen verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit eingefügt. Danach handelt es sich dann, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über 10 Euro pro Spiel geleistet werden, schon ex lege nicht mehr um "geringe Beträge" iSd § 168 Abs 1 StGB, sodass insoweit "eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz [GSpG] hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück[tritt]".

 

Mit Erkenntnis vom 22. August 2012, Zl. 2012/17/0156, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu festgehalten, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden nach den für die Spiele geleisteten Einsätzen zu erfolgen habe, da § 52 Abs 2 GSpG auf die Leistung eines Einsatzes von mehr als 10 Euro in einem einzelnen Spiel abstelle. Eine Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand ergebe sich daher nur für die Veranstaltung von Spielen, bei denen der Einsatz 10 Euro übersteigt.

 

In diesem Erkenntnis äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings bloß zu einer der beiden Voraussetzungen des Straflosigkeitsmerkmals der 2. Variante im letzten Gliedsatz des § 168 Abs 1 StGB ("oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge"). Da die Wendung "geringe Beträge" lediglich eine der beiden kumulativen Voraussetzungen für die in § 168 Abs 1 letzter Teilsatz StGB normierte Straffreiheit bildet, ist auch von einer gerichtlichen Strafbarkeit hinsichtlich jener Glücksspiele auszugehen, bei denen die Einsätze pro Einzelspiel zwar unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen, die aber nicht "bloß zum Zeitvertreib" gespielt werden. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, welcher sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, angeschlossen hatte, etwa dann der Fall, wenn der Spielveranstalter vorsätzlich Serienspiele veranlasst oder zu solchen Gelegenheit bietet (vgl OGH 3.10.2002, 12 Os 49/02; OGH 2.7.1992, 15 Os 21/92; OGH 22.8.1991, 15 Os 27/91). Da somit eine Strafbarkeit gemäß § 168 StGB auch dann gegeben sein kann, wenn zwar Einsätze von unter 10 Euro pro Einzelspiel geleistet werden, es sich aber um Serienspiele iSd OGH-Judikatur handelt, ist in diesen Fällen hinsichtlich des Verhältnisses zu den Verwaltungsstraftatbeständen des GSpG nicht auf § 52 Abs 2 GSpG, sondern auf die eingangs zitierte Judikatur zurückzugreifen, der zufolge eine allenfalls anzuwendende glücksspielgesetzliche Verwaltungsstrafbestimmung hinter den gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB stillschweigend zurücktritt.

 

Auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer vertritt in seinem Beitrag: "Das Verbot der Doppelbestrafung im Glücksspielrecht", ecolex 2013, Seiten 80 ff, die Auffassung, dass mit dem § 52 Abs 2 GSpG nur das Merkmal "geringe Beträge" im § 168 Abs 1 StGB präzisiert wurde. Nach Analyse der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg 15.199/1998 und VfSlg 18.833/2009) betreffend Vermeidung eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot durch verfassungskonforme Interpretation hält Mayer dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. August 2012 mit Recht kritisch entgegen (vgl ecolex 2013, 81 f):

 

"Wenn der VwGH im Erk v 22.8.2012 (FN 5: VwGH 22.8.2012, 2012/17/0156) nunmehr die Subsidiarität nur insoweit gelten lassen will, als es ausschließlich um Einsätze von mehr als Euro 10,- geht, so verkennt er die verfassungsrechtliche Bedeutung des Doppelbestrafungsverbots und das Erk des VfGH VfSlg 15.199. Folgt man dem VwGH, so hätte § 52 Abs 2 GSpG eine Doppelbestrafung dort ermöglicht, wo sie nach früherer Rechtslage nicht möglich war; dies lediglich deshalb, weil § 52 Abs 2 GSpG nunmehr den Begriff des 'geringen Betrages' des § 168 Abs 1 StGB definiert. Diese Auffassung ist unzutreffend; sie kann sich weder auf den Gesetzestext noch auf die Gesetzesmaterialien stützen. Die ErläutRV (FN 6: 658 BlgNR 14. GP 8) zur GSpG-Nov 2008 (FN 7: BGBl I 2010/54) zeigen deutlich, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, der Rsp des VfGH Rechnung zu tragen und eine subsidiäre Kompetenz der Verwaltungsstrafbehörde zu normieren.

Die vom VwGH im Erk 22.8.2012 (FN 8: VwGH 22.8.2012, 2012/17/0156) gewählte Auslegung des § 52 Abs. 2 GSpG unterstellt dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt, indem sie nicht nur diese Bestimmung verkennt, sondern auch die Reichweite des verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungsverbots gem Art 4 Abs 1 7. ZP. Die vom VwGH in diesem Erk vertretene Rechtsansicht macht es im Ergebnis ausschließlich vom Verhalten eines von ihm nicht beeinflussbaren Dritten abhängig, ob ein Veranstalter nur vom Gericht oder zusätzlich auch von der Verwaltungsbehörde bestraft wird; eine solche Auslegung scheint auch unsachlich und damit gleichheitswidrig.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass die im Erk VwGH 22. 8. 2012 vertretene Auffassung in Konflikt mit der Rsp des OGH im Falle von Serienspielen gerät; in diesen Fällen nimmt der OGH auch bei geringen Einsätzen eine Strafbarkeit gem § 168 StGB an (FN 9: Vgl OGH 14.12.1982, 9 Os 137/82; 22.8.1991, 15 Os 27/91; 3.10.2002, 12 Os 49/02 EvBl 2003/22)."

 

In seiner jüngsten Grundsatzentscheidung vom 13. Juni 2013, Zl. B 422/2013, tritt der Verfassungsgerichtshof der beginnend mit dem Erkenntnis vom 22. August 2012, Zl. 2012/17/0156, geänderten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich entgegen und führt zur Abgrenzung der verwaltungsrechtlichen von der gerichtlichen Strafbarkeit im Glücksspielrecht (Hervorhebungen nicht im Original) unter Punkt III. (RN 26 ff) Folgendes aus:

 

" [...]

Ungeachtet der Formulierung des § 52 Abs. 2 GSpG (iVm dem Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG) kann diesem nicht der (verfassungswidrige) Inhalt unterstellt werden, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB nach den vom jeweiligen Spieler tatsächlich geleisteten Einsätzen (höchstens oder über € 10,-) abhängt. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfasst nämlich das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG. Die Strafbarkeit knüpft somit nicht - wie dies aus der Textierung des § 52 Abs. 2 GSpG missverstanden werden könnte - an das Verhalten des konkreten Spielers - also daran, ob dieser im Einzelfall einen Einsatz von höchstens oder unter € 10,- an einem Glücksspielautomaten tatsächlich leistet - an, sondern stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen ermöglicht ('wer ... veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht ...' - § 52 Abs. 1Z 1 GSpG). Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 (Z 1) GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit - bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung (vgl. VfSlg. 15.199/1998 mwN) - darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht, der bzw. das Einsätze von höchstens € 10,- oder mehr als €10,- ermöglicht. Würde auf die tatsächlichen Einsätze des jeweiligen Spielers abgestellt (wie dies der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtsprechung [Anm: VwGH vom 22.08.2012, 2012/17/0156, VwGH vom 27.02.2013, 2012/17/0342 und VwGH vom 15.03.2013, 2012/17/0365] und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid tun), würde eine Tat, also ein Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person (nämlich des in § 52 Abs. 1 [Z 1] GSpG und § 168 StGB umschriebenen Täterkreises), in mehrere strafbare Handlungen zerlegt, obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente ('essential elements') aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst. Das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen, bei denen Einsätze bis zu € 10,- pro Spiel geleistet werden können, erschöpft sich vollständig in dem gemäß § 168 Abs. 1 StGB strafbaren Verhalten in Bezug auf (Automaten)Glücksspiele bzw. die darauf installierten Spielprogramme mit Einsätzen über € 10,-.

 

Bei einer verfassungskonformen Interpretation des § 52 Abs. 2 (iVm § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte darf es somit nur darauf ankommen, ob eine 'Glücksspielveranstaltung' (also das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen mit Spielautomaten über einen bestimmten Zeitraum) mit einem Einsatz von über € 10,- pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens € 10,- oder mehr als € 10,- tatsächlich leistet. Dabei umfasst das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen jeweils nur einen konkreten Spielautomaten und nicht mehrere Spielautomaten (gemeinsam).

 

3.4. Die belangte Behörde hat somit dem § 52 Abs. 2 (iVm § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht auf den maximal möglichen Einsatz der vom Beschwerdeführer betriebenen Glücksspielautomaten, sondern auf den jeweils von Spielern geleisteten Einsatz pro Spiel abstellte. Da der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen Ausspielungen mit zwei Glücksspielautomaten, welche einen Höchsteinsatz von € 10,50 pro Spiel ermöglichten, veranstaltete und deswegen auch in erster Instanz strafgerichtlich gemäß § 168 StGB verurteilt wurde, scheidet eine doppelte Bestrafung wegen ein und derselben Tat nach § 52 Abs. 1 Z 1 (iVm § 52 Abs. 2) GSpG aus.

 

3.5. Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungs-regelung des § 52 Abs. 2 GSpG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde - auch nach Maßgabe der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 B-VG bzw. Art. 2 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG - stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG besteht."

 

Dieser Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hat sich nunmehr auch der Verwaltungsgerichtshof – in ausdrücklicher Abkehr von seiner zuvor zitierten Rechtsansicht – angeschlossen (VwGH 23.7.2013, Zl. 2012/17/0249).

 

4.4. Zudem ist gemäß § 22 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idF BGBl I Nr. 33/2013, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

 

Mit dem am 1. März 2013 in Kraft getretenen § 22 VStG idF BGBl I Nr. 33/2013, der mangels anderslautender Übergangsbestimmung auch für den vorliegenden Fall maßgeblich ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr eine generell subsidiäre verwaltungsbehördliche Strafbarkeit normiert werden und eine Tat "als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar sein, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet" (vgl Erl RV BGBl I Nr. 33/2013, 2009 BlgNR 24. GP, Seite 20 "Zu Z 4 (§ 22 samt Überschrift)".

 

Aus dem § 22 Abs 2 VStG idF BGBl I Nr. 33/2013 ergibt sich nunmehr, dass sowohl Taten, die zueinander in Realkonkurrenz stehen ("Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen") als auch Taten, die zueinander in echter Idealkonkurrenz stehen ("oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen"), entweder von einer oder von mehreren Verwaltungsbehörden nebeneinander zu bestrafen sind.

 

Auf Grund der in der Neufassung des § 22 Abs 1 VStG generell vorgesehenen ausdrücklichen Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber Gerichtsdelikten ist konsequenter Weise die in der alten Fassung des § 22 Abs 2 VStG noch enthaltene Bestimmung, nach der auch beim Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit von einem Gericht zu ahndenden strafbaren Handlungen die Strafen nebeneinander zu verhängen waren, entfallen.

 

Offenbar im Interesse der Rechtssicherheit zwecks zuverlässiger Vermeidung einer verfassungsrechtlichen Konfliktlage soll eine Tat ganz allgemein nur mehr dann als Verwaltungsübertretung strafbar sein, wenn sie nicht auch – wenn auch nur teilweise - den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Auf diese Weise können auch schwierige Auslegungsfragen im Zusammenhang mit einer bisher nur stillschweigend anzunehmenden Subsidiarität (vgl etwa "same essential elements" - Doktrin des VfGH) vermieden und die Verwaltungsbehörden entlastet werden.

 

Im richtungweisenden Erkenntnis vom 11. Mai 1998, Zl. 98/10/0040 (= VwSlg 14.890 A/1998) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Auswertung von Vorjudikatur für eine ausdrückliche Subsidiaritätsklausel betreffend eine Tat, die den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, ausgesprochen, dass es nicht erforderlich sei, dass das verdrängende und das verdrängte Delikt die gleiche Angriffsrichtung haben und dass die Subsidiarität auch dann greife, wenn der Gerichtstatbestand nicht allein durch die verwaltungsstrafrechtlich relevanten Elemente des Verhaltens, sondern erst durch Hinzutreten weiterer Sachverhaltselemente erfüllt werde.

 

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass die zunächst vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 15.199/1998 und anschließend auch vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH 22.03.1999, Zl. 98/17/0134) angenommene verfassungskonforme Interpretation im Wege der stillschweigenden Subsidiarität der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes gegenüber dem § 168 StGB nunmehr ex lege durch die generelle ausdrückliche Subsidiarität nach dem § 22 Abs 1 VStG idF BGBl I Nr. 33/2013 nicht nur abgesichert wurde, sondern der (bedingungslose) Vorrang des konkurrierenden Gerichtsdelikts im Sinne von VwSlg 14.890 A/1998 nunmehr durch ausdrückliche gesetzliche Subsidiarität angeordnet worden ist. Dies bedeutet weiter im Ergebnis, dass bei Glücksspielen (verbotenen Ausspielungen) mit Einsätzen über 10 Euro, mögen sie auch mit solchen darunter einhergehen, sowie bei Glücksspielen, die nicht bloß zum Zeitvertreib (Serienspiele) gespielt werden, jedenfalls eine die Verwaltungsdelikte ausschließende gerichtliche Strafbarkeit anzunehmen ist.

 

Die ausdrückliche Subsidiarität setzt nur voraus, dass eine Tat (auch) den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Es ist gleichgültig, ob es dabei zu einer tatsächlichen Bestrafung des Täters durch ein Gericht kommt (vgl. Hauer/Keplinger, SPG-Kommentar4, 2011, Anm. 3 zu § 85 SPG mwN). Die Subsidiaritätsklausel verlangt dies nicht, sondern stellt ausschließlich auf die selbstständige Beurteilung durch die Verwaltungsstrafbehörde ab. Selbst wenn die gerichtliche Bestrafung mangels Zurechnungsfähigkeit, fehlenden Vorsatzes, Verjährung, Einstellung oder sogar aufgrund einer Arbeitsüberlastung des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft nicht erfolgt, liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor (vgl. so ausdrücklich Hauer/Keplinger, SPG-Kommentar4, 2011, Anm. 3 zu § 85 SPG mwN).

 

Außerdem hat der Verfassungsgerichtshof in der zitierten jüngsten Entscheidung zur bisher bloß stillschweigenden Subsidiarität – bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation – für die Abgrenzung von verwaltungsrechtlicher und gerichtlicher Strafbarkeit im Glücksspielrecht darauf abgestellt, ob an einem Glücksspielgerät Höchsteinsätze von über 10 Euro möglich sind bzw ob auch Serienspiele veranlasst werden können und bereits für diese Möglichkeiten, die auch die Versuchsstrafbarkeit einschließen, eine gerichtliche Strafbarkeit nach § 168 StGB angenommen.

 

Nichts Anderes kann insofern auch für die von § 22 Abs 1 VStG angeordnete ausdrückliche Subsidiarität gelten!

 

4.5. Die strafrechtliche Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat ergibt Folgendes:

 

4.5.1. Vorweg ist festzuhalten, dass am 5. November 2012 in einer LeiterInnenbesprechung bei der Oberstaatsanwaltschaft Linz die grundsätzliche Anwendbarkeit der Serienspieljudikatur des OGH ausdrücklich bestätigt wurde.

 

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2013, Zl. B 422/2013 abschließend festhält, kommt es bei verfassungskonformer Interpretation der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs. 2 GSpG allein darauf an, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glückspielgerät geleistet werden kann bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können. Sobald daher die bloße Möglichkeit von Höchsteinsätzen bei einem Spielgerät von über 10 Euro oder die Möglichkeit der Abhaltung von Serienspielen im Sinne der OGH-Judikatur besteht, liegt daher nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB vor.

 

Wie im vorliegenden Fall für den Oö. Verwaltungssenat aus den Tatsachenfeststellungen im Punkt 3., insbesondere den im Einzelnen dargestellten Beweisurkunden (vgl Punkt 3.3.) klar hervorgeht, ist bei den Spielen auf dem in Rede stehenden Wettterminal Tipomat Y-Line mit den Hunderennen „Power Races“ ein Einzeleinsatz von mehr als 10 Euro möglich gewesen und wie an gleichartigen Geräten höchstwahrscheinlich auch tatsächlich geleistet worden. Aus den zum Akt genommenen Gerätebuchhaltungen betreffend gleichartige Glücksspielgeräte ist ersichtlich, dass an den Geräten der Marke Tipomat Y-Line Serienspiele in Form von bemerkenswert rasch ablaufenden Einzelspielen veranlasst werden können (vgl oben unter Punkt 3.3 und 3.4.).

 

Schon die eindeutig belegten Einsatzmöglichkeiten auf dem gegenständlichen Wettterminal bzw Hunderenngerät von mehr als zehn Euro führen – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der diesbezüglich eindeutigen aktuellen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – zur gerichtlichen Strafbarkeit des vorliegenden Sachverhaltes. Darüber hinaus konnte aufgrund der Baugleichheit aller Geräte der Marke Tipomat Y-Line davon ausgegangen werden, dass auch am gegenständlichen Gerät eine außergewöhnlich günstige, zu Serienspielen verleitende Relation zwischen Einsatz und möglichem Gewinn in Höhe eines Vielfachen entsprechend den jeweils gebotenen Quoten bestand. Im Hinblick auf die nur sehr kurze Einzelspieldauer (Wettabläufe) – die aufgezeichneten Rennereignisse starten in kurzen Abständen (Minutentakt!) und dauern nur etwa 30 Sekunden – können ähnlich rasch wie auf Glücksspielgeräten mit Walzenspielen zahlreiche Glücksspiele in Form von "Wetten auf aufgezeichnete Rennergebnisse" innerhalb nur sehr kurzer Zeiträume ablaufen. Mit einer klassischen Situation von Wetten auf künftige sportliche Ereignisse hat dies nichts zu tun. Die Funktionsweise des in Rede stehenden Hunderenn-Gerätes für aufgezeichnete Rennen ist offenkundig darauf angelegt, einen besonderen Anreiz für den gewinnsüchtigen "Wettkunden" zu Serienspielen zu bieten. Der Spieler kann dadurch nicht nur sein Gewinnstreben an sich ausleben, sondern auch bei bereits eingetretenen Verlusten eine gute Chance sehen, diese durch wenige Tipps oder auch nur einen gewonnenen Tipp mit günstiger Quote wieder ganz oder teilweise wettzumachen. Er muss dafür nur eine gewisse Ausdauer mitbringen und eine "glückliche Hand" bei den gesetzten Einsatzhöhen haben. Die Bereitschaft eines Spielers zu Serienspielen wird dabei im Normalfall umso größer sein, je geringer die gespielten Einsätze sind und damit das Verlustrisiko des Einzelspiels ins Gewicht fällt. Insbesondere wenn es bloß um geringe Einsätze unter 10 Euro geht, werden Spieler daher aus Gewinnsucht bei den in Rede stehenden Geräten ihr Glück durch Serienspiele versuchen und ihre Chancen dabei ausreizen.

 

4.5.2. Auf Grund der durch die beschriebene Funktionsweise des in Rede stehenden Hunderenngerätes gegebenen Umstände werden nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates erwerbsmäßig nicht nur Spieleinsätze von über 10 Euro pro Einzelspiel ermöglicht, sondern können auch Serienspiele des "Wettkunden" veranlasst werden und ist – auch iSd oa Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes sowie dem folgend auch der jüngsten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes – die oben zitierte Serienspieljudikatur des Obersten Gerichtshofes weiterhin anzuwenden.

 

Im gegebenen Zusammenhang liegt durch die eindeutig belegte Möglichkeit, mit dem gegenständlichen Gerät um Höchsteinsätze von mehr als 10 Euro pro Einzelspiel zu spielen sowie darüber hinaus auch Serienspiele zu veranlassen, zumindest der strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB iVm § 15 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor, da allein schon das unternehmerische Zugänglichmachen ebenso wie das Aufstellen bzw. Zur-Verfügung-Stellen von Glücksspielgeräten eine Versuchshandlung iSd § 15 Abs 2 StGB hinsichtlich des Tatbildes der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (vgl dazu § 168 Abs 1 StGB 2. Tatbildvariante) und überhaupt das vorsätzliche Verschaffen einer Spielgelegenheit – etwa durch den "Spielautomatenaufsteller" oder einen "die Gewinnabgeltung besorgenden Gastwirt" (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 168 Rz 14 uHa Rainer, SbgK § 168 Rz 12) – auf derartig beschaffenen Glücksspielgeräten schon vor dem ersten Spielgeschehen den strafbaren Versuch der Veranstaltung von Glücksspielen im Sinne der 1. Tatbildvariante des § 168 Abs 1 StGB darstellt (vgl allgemein zu den Begehungsweisen Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 Rz 14 ff, die etwa die Förderung einer Glücksspielzusammenkunft schon "durch Beistellung entsprechender Räume oder Spielutensilien, durch Werbung oder durch sonstige Dienstleistungen" bejahen, und Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 §168 Rz 9 ff). Allein der Umstand des Zur-Verfügung-Stellens derartiger Geräte durch den Geräteeigentümer stellt bei entsprechendem Tatvorsatz somit jedenfalls schon den strafbaren Versuch der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (§ 168 Abs 1 2. Tatbildvariante) sowie allenfalls auch die strafbare Beteiligung am Versuch der Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 168 Abs 1 1. Tatbildvariante) dar.

 

Mit anderen Worten: Bereits durch die Beistellung, betriebsbereite Aufstellung und öffentliche Zugänglichmachung des in Rede stehenden Hunderenngerätes wird der strafbare Versuchsbereich der Tatbilder des § 168 Abs 1 StGB als Ausführungshandlung oder zumindest ausführungsnahe Handlung in Bezug auf die Veranstaltung und die Förderung der Abhaltung von gerichtlich strafbaren Glücksspielen bzw. Serienglücksspielen beschritten.

 

Eine der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechende – im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG nur theoretisch denkbare – zusätzliche Anlastung einzelner Glücksspiele mit Einsätzen unter 10 Euro würde einen einheitlichen Lebenssachverhalt in mehrere strafbare Handlungen zerlegen, obwohl sie dieselben wesentlichen Elemente aufweisen. Dies führte aber zufolge der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013, Zl. B 422/2013, zu einer im Grunde der Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestands verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelgleisigkeit, weshalb insofern eine Zergliederung des maßgeblichen Sachverhalts nach Einzelspielen bis 10 Euro und über 10 Euro für die Lösung der Frage der Identität der Tat von vornherein zwingend ausscheidet.

 

4.5.3. Darüber hinaus ist nach den gegebenen Umständen zu erkennen, dass der Bw im Sinne des § 5 Abs 1 2. Halbsatz StGB die Verwirklichung des Tatbildes ernstlich für möglich gehalten und sich damit auch abgefunden hat:

 

Schon die Tatsache, dass auf dem in Rede stehenden Hunderenngerät Spieleinsätze pro Einzelspiel von über 10 Euro möglich sind, und die einzelnen "Rennabläufe" auch nur etwa 30 Sekunden dauern, zeigt ganz offensichtlich, dass solche Ausspielungen sowohl vom Veranstalter als auch vom Lokalbetreiber und Inhaber ebenso wie von sonstigen unternehmerisch Beteiligten (etwa dem beteiligten Geräteeigentümer) in gewinnbringender Absicht beigestellt, betrieben bzw. veranstaltet werden. Dies indiziert mindestens den erforderlichen dolus eventualis in Bezug auf die beiden Tatbilder des § 168 Abs 1 StGB. So ist im Regelfall davon auszugehen, dass Veranstalter und/oder Lokalbetreiber ebenso wie sonstige unternehmerisch Beteiligte (etwa der beteiligte Geräteeigentümer) es für möglich halten und sich auch damit abfinden, dass mit der Verschaffung einer Spielgelegenheit bzw. der Zugänglichmachung von entgeltlichen Glücksspielen auf entsprechend ausgestatteten Geräten ebenso wie schon mit der erwerbsmäßigen Beistellung solcher Geräte auf unrechtmäßige (monopolwidrige) Art und Weise Geld verdient wird. Dementsprechend gehen auch Kirchbacher/Presslauer im Wiener Kommentar zum StGB (vgl dieselben in WK² § 168 Rz 13) unter Hinweis auf eine "realistische Sicht" davon aus, dass wohl "jedem Automatenbetreiber, der keine Vorkehrung gegen 'Serienspiele' trifft, ein entsprechender dolus eventualis unterstellt werden" müsse. Beim Einsatz von Glücksspielgeräten wie dem vorliegenden und den dabei in Aussicht gestellten attraktiven Gewinnquoten werden aber sogar nicht nur keine Vorkehrungen gegen Serienspiele (oder generell Glücksspiele iSd § 168 StGB) getroffen, sondern solche Serienspiele bzw. gerichtlich strafbaren Glücksspiele mit Spieleinsätzen von über 10 Euro geradezu provoziert.

 

4.6. Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ist nach der selbstständigen Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat grundsätzlich dem Tatbestand des Glücksspiels nach § 168 StGB zu unterstellen und zumindest iVm § 15 Abs 2 StGB gerichtlich strafbar.

 

In Hinblick auf die im vorliegenden Fall grundsätzlich gegebene gerichtliche Strafbarkeit des angelasteten Sachverhalts kann auf Grund des § 52 Abs 2 GSpG in Verbindung mit der nunmehr durch § 22 Abs 1 VStG idF BGBl I Nr. 33/2013 ausdrücklich geregelten generellen Subsidiarität, aber auch in Verbindung mit der vormals von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts judizierten stillschweigenden Subsidiarität der glücksspielrechtlichen Verwaltungsstraf-bestimmungen und der aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (siehe VfGH 13.6.2013, Zl. B 422/2013, sowie die diesbezügliche Folgejudikatur [ua. VfGH 26.6.2013, Zl. B 63/2013]) keine strafbare Verwaltungsübertretung vorliegen.

 

 

5. Im Ergebnis ist daher die vorgeworfene Tat als Verwaltungsübertretung nicht strafbar, weil sie den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die belangte Behörde hat demnach im Ergebnis zu Recht die Einstellung verfügt, die auf der Grundlage des § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung vorzunehmen war.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

Dr.  W e i ß

 

 

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