Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101822/2/Fra/Ka

Linz, 09.05.1994

VwSen-101822/2/Fra/Ka Linz, am 9. Mai 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L P gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 26. Jänner 1994, VerkR96/4729/1993/Ah, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 11 Abs.2 StVO 1960, 2.) § 99 Abs.1 KFG 1967, 3.) § 11 Abs.2 StVO 1960, 4.) § 11 Abs.2 StVO 1960 und 5.) § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 Strafen verhängt, weil er am 9. März 1993 gegen 2.23 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen vom öffentlichen Parkplatz des Gasthauses in "S T" in S vorerst auf der Bubenberger Bezirksstraße in Richtung Zentrum S. W lenkte, wobei er 1.) vor dem Einbiegen von der Bubenberger Bezirksstraße nach links in den sogenannten Bäckersteig Richtung Ortsgebiet St. Willibald die Fahrtrichtungsänderung nicht durch Blinker anzeigte, sodaß sich andere Verkehrsteilnehmer auf diesen Vorgang nicht einstellen konnten, 2.) habe er in der Folge bei der Fahrt auf dem Bäckersteig auf Höhe des Hauses St. Willibald Nr trotz Dunkelheit die gesamte Beleuchtung am Fahrzeug ausgeschaltet und so die Fahrt fortgesetzt, wodurch anderen Straßenbenützern das Fahrzeug nicht erkennbar gemacht wurde, 3.) habe er in der Folge bei der Kreuzung Bäckersteig-Eferdinger Bundesstraße 129 beim Einbiegen nach links Richtung Enzenkirchen und 4.) beim Einbiegen von der Eferdinger Bundesstraße nach links in die sogenannte Schulstraße (auf Höhe Gasthaus Wasner) jeweils die Fahrtrichtungsänderung nicht angezeigt, sodaß sich andere Verkehrsteilnehmer auf diesen Vorgang nicht einstellen konnten, 5.) konnten in der weiteren Folge im Zuge der Amtshandlung unmittelbar hinter dem Gasthaus Oin S W an ihm starker Alkoholgeruch aus der Atemluft und eine lallende Aussprache festgestellt werden, wobei er jedoch in der Zeit zwischen 2.40 Uhr und 2.45 Uhr des 9.

März 1993 die von einem besonders geschulten und von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verlangte Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigerte.

Die Erstbehörde hat ferner gemäß § 64 VStG einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen hat der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht bei der Erstbehörde berufen. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor. Dieser entscheidet, weil hinsichtlich der einzelnen Fakten jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, durch eines seiner Mitglieder (§ 51c VStG). Da sich bereits aus der Aktenlage eindeutige Anhaltspunkte für die spruchgemäße Entscheidung ergeben, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Beschuldigte bestreitet den in Rede stehenden PKW gelenkt zu haben. Wenngleich sich aus der Aktenlage beinahe erdrückende Anhaltspunkte für die Lenkereigenschaft des Beschuldigten ergeben, ist aus den nachfolgenden Erwägungen davon auszugehen, daß eine für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderliche Beweisführung, daß der Beschuldigte zur Tatzeit am Tatort den in Rede stehenden PKW gelenkt hat, nicht möglich ist:

Die Erstbehörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zutreffend dargetan, daß im Sinne des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel alles als Beweismittel gilt, was nach logischen Grundsätzen Beweis zu liefern, dh die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist. Ein Indizienbeweis ist daher zulässig. Ein im Sinne dieses Grundsatzes als wesentlich anzusehendes Beweismittel sind naturgemäß auf den gegenständlichen Fall bezogen die Wahrnehmungen der Meldungsleger, welche in der von ihnen verfaßten Anzeige dokumentiert sind, sowie die erste Rechtfertigung des Beschuldigten, welcher aufgrund der Lebenserfahrung grundsätzlich ein hoher Wahrheitsgehalt zuzumessen ist. Die Meldungsleger haben keine Wahrnehmungen in bezug auf den Lenker des in Rede stehenden PKW's gemacht.

Voraussetzung für das Entstehen der Verpflichtung, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, ist einerseits das Lenken oder Inbetriebnehmen eines Fahrzeuges oder der Versuch dazu und andererseits die Vermutung, daß dies in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand geschehen ist. Die Tatsache eines Lenkens eines Fahrzeuges muß von einem Straßenaufsichtsorgan nicht selbst wahrgenommen worden sein.

Unabhängig von den zweifelsohne im wesentlichen schlüssigen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ist folgender - rechtlich gravierender Umstand zu bedenken:

Der Beschuldigte hat von vornherein, und zwar schon bei der Amtshandlung dem Gendarmeriebeamten angegeben, daß nicht er, sondern seine Großmutter den in Rede stehenden PKW auf der geschilderten Wegstrecke gelenkt hat. Der Gendarmeriebeamte, Bez.Insp. S, konnte den Lenker des Fahrzeuges nicht identifizieren. Daß aus den Wahrnehmungen des Meldungslegers nicht einmal die Vermutung der Lenkereigenschaft des Beschuldigten schlüssig abzuleiten ist, ergibt sich aus folgenden Ausführungen in der Anzeige vom 11.3.1993, GZ.P-117/93/Spr, auf Seite 3, wo ua ausgeführt ist: "Zusatz für Verwaltungsstrafverfahren: Sollte sich im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens herausstellen, daß einer der Burschen den Kombi gelenkt hat". Daß mit der Wortfolge "einer der Burschen" auch der Beschuldigte gemeint ist, ergibt sich zweifelsfrei aus dem zweiten Absatz auf Seite 3 der gegenständlichen Anzeige. Ein weiterer eindeutiger Hinweis dafür, daß dem Meldungsleger die Annahme der Vermutung der Lenkereigenschaft des Beschuldigten nicht unterstellt werden kann, ergibt sich aus der Seite 4 der zitierten Anzeige, wo unter der Rubrik "Angaben des Verdächtigen", angeführt ist: "Entfallen, da die Großmutter nicht anwesend war".

Aufgabe der Gendarmerieorgane ist es ua, festgestellte Sachverhalte der Bezirksverwaltungsbehörde zur verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung mitzuteilen. Da hinsichtlich des Tatbestandes des § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 auch - wie oben ausgeführt - die Vermutung des Lenkens für dessen Erfüllung ausreichend ist, müssen naturgemäß Ausführungen des Meldungslegers hinsichtlich dieser Vermutung ausreichen, diese Ausführungen müssen jedoch vorhanden sein. Wie oben ausgeführt, ergibt sich jedoch aus der Anzeige, daß sich der Beschuldigte von vornherein damit verantwortet hat, daß nicht er, sondern seine Großmutter das Fahrzeug gelenkt habe. Die Diktion der Anzeige ist auch eindeutig dahingehend, daß der Meldungsleger die Großmutter des Beschuldigten als Lenker "verdächtigte" .

Eine nachträgliche Rekonstruierung der Lenkereigenschaft durch die Behörde muß schon aus dem Grunde scheitern, weil im Nachhinein - wie die Erstbehörde andeutet - Absprachen nicht ausgeschlossen sind. Im gegenständlichen Falle bleibt unerfindlich, weshalb die Meldungsleger nicht sofort den Beschuldigten des gegenständlichen Strafverfahrens bei der Amtshandlung gefragt hatten, wo sich denn seine Großmutter befindet und weshalb nicht sofort eine Befragung der Großmutter versucht wurde, wo doch der Verdacht der Übertretungen nach der StVO 1960 (§ 11 Abs.2 StVO 1960) und des KFG (§ 99 Abs.1) vorgelegen ist. Nur eine sofortige diesbezügliche Befragung der Großmutter hätte eine - im Hinblick auf den Lenker des Fahrzeuges - eindeutige Indizien- bzw Beweislage ergeben können. Eine nachfolgende Beweiswürdigung muß diesen Umstand einbeziehen. Denn es liegt wohl klar auf der Hand, daß, wenn die Gendarmeriebeamten bei sofortiger Befragung der Großmutter des Beschuldigten, ohne daß dieser die Möglichkeit einer Absprache mit ihr gehabt hätte und des Zugestehens der Lenkereigenschaft durch diese, gegen den Berufungswerber weder eine Anzeige noch ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden wäre. Hätte andererseits die Großmutter des Beschuldigten die Lenkereigenschaft verneint, so hätte sich - im Hinblick auf die sodann nicht glaubwürdige Erstverantwortung des Beschuldigten - die Indizien- und Beweislage anders dargestellt. Da somit der entscheidende im Hinblick auf die Erstverantwortung des Beschuldigten naheliegende und logische Schritt der Gendarmeriebeamten in bezug auf die Aufklärung des ihnen rechtlich relevanten als Verdacht von Verwaltungsübertretungen vorliegenden Sachverhaltes, nämlich die sofortige Befragung des Beschuldigten, wo sich denn die angebliche Lenkerin befindet und sodann die ohne Absprachemöglichkeit mit dem Beschuldigten durchzuführende Befragung der Großmutter nicht getätigt wurde, ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen eine lückenlose Indizienkette stützende schlüssige Beweisführung gegen den Beschuldigten im Hinblick auf seine Lenkereigenschaft nicht möglich, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Dem Akt ist zu entnehmen, daß hinsichtlich der Übertretungen nach § 11 Abs. 2 StVO 1960 und nach § 99 Abs.1 KFG 1967 eine Aufforderung zur Rechtfertigung an die Großmutter des Berufungswerbers gerichtet wurde, und somit eine rechtzeitige taugliche Verfolgungshandlung vorliegt. Es ist daher aus der Sicht des O.ö. Verwaltungssenates kein Grund gegeben, welcher die Fortführung des Verfahrens die gegenständlichen Fakten betreffend Frau A Beschuldigte hindert.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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