Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101933/17/Fra/Ka

Linz, 19.09.1994

VwSen-101933/17/Fra/Ka Linz, am 19. September 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Weiß als Vertreter für Dr. Schieferer), über die Berufung des M, wegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7. April 1994, Zl.VerkR96-723-1994, betreffend Übertretung des § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 (Faktum 2), nach der am 6.

September 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in Höhe von 3.000 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991, iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991; II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis unter Punkt 2. über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 über den Beschuldigten eine Geldstrafe von 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 240 Stunden) verhängt, weil er am 9.2.1994 um 23.00 Uhr den PKW, Kz. , auf der Bundesstraße 3 in St. Georgen/G. in Richtung Ortszentrum gelenkt hat. Obgleich vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, weigerte er sich am 10. Februar 1994 um 4.45 Uhr auf der Zufahrt zum Baumarkt Poschacher im Ortsgebiet von Mauthausen gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Gegen das unter Ziffer I.1. angeführte Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht durch die Vertreter des Beschuldigten, Dr. K und Dr. K, Rechtsanwälte und Verteidiger in Strafsachen in Linz, Harrachstraße 14/I, bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Perg sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der über das entscheidungsgegenständiche Faktum, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer entscheidet (§ 51c VStG).

Beweis wurde erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6. September 1994, an der der Beschuldigte sowie der als Zeuge geladene Meldungsleger, Bez.Insp. R (GP St. Georgen/G.) teilgenommen hat. Die medizinische Amtssachverständige Frau Dr. H erstattete im Zuge dieser Verhandlung ein med. Gutachten (dazu im näheren siehe unten). Die Erstbehörde nahm an dieser Verhandlung entschuldigtermaßen nicht teil, die Vertreter des Beschuldigten teilten mit Schriftsatz vom 27.7.1994 dem O.ö. Verwaltungssenat mit, daß das mit dem Beschuldigten in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache bestehende Vollmachtsverhältnis aufgelöst wurde.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Zur Tatfrage:

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, daß der Beschuldigte den im angefochtenen Spruch angeführten PKW auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt und zur Tatzeit am Tatort trotz vermuteter Alkoholbeeinträchtigung gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hat.

Strittig ist allerdings die Unfall- bzw. Lenkzeit. Der Beschuldigte behauptet diesbezüglich in seiner Berufung, daß die in der Anzeige angeführte Unfallzeit offenbar nur willkürlich angenommen wurde, wobei die tatsächliche Unfallzeit früher war. Ohne den Versuch zu unternehmen, diese Behauptung auch zu belegen, ergeben sich aus der Anzeige des Gendarmeriepostens St. Georgen/G. sowie aufgrund der zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers im Zuge der Berufungsverhandlung keine Anhaltspunkte dafür, daß die Lenkzeit (9.2.1994, 23.00 Uhr) willkürlich angegeben worden wäre. Der Meldungsleger konnte sich zwar bei der Berufungsverhandlung dezidiert nicht mehr daran erinnern, welche Unfallzeit der Berufungswerber ihm gegenüber bei der Amtshandlung konkret angegeben hat und verwies diesbezüglich auf die Angaben in der Anzeige. Dieser Umstand mindert jedoch die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Meldungslegers nicht, zumal es aufgrund der verstrichenen Zeit verständlich ist, daß sich der Meldungsleger im Detail nicht mehr erinnern kann. Bez.Insp. R wirkte bei der Vernehmung durch den O.ö. Verwaltungssenat völlig emotionslos und sehr korrekt, weshalb der O.ö. Verwaltungssenat keine Bedenken hat, sich auf die unter Wahrheitspflicht getätigten Aussagen des Meldungslegers zu stützen. Es wird somit auch die von der Erstbehörde angenommene und im Spruch angeführte Lenkzeit als erwiesen festgestellt.

I.3.2. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt:

Das Verlangen nach Ablegung einer Atemluftprobe durch den Meldungsleger war schon aufgrund des Zugeständnisses des Berufungswerbers, vor Antritt der Fahrt Alkohol konsumiert zu haben (laut Anzeige des Gendarmeriepostens St.

Georgen/G.: zwei halbe Bier; laut Zeugenaussage des Meldungslegers vor dem O.ö. Verwaltungssenat: einige Bier), gerechtfertigt (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 29.

September 1993, Zl.93/02/0112). Die im Zuge der Amtshandlung vorgelegenen Alkoholisierungssymptome sind - siehe oben ohnehin unstrittig.

Der Berufungswerber behauptet jedoch, daß ein Rückschluß auf den Tatzeitraum unmöglich sei, sodaß er auch nicht verpflichtet gewesen sei, den Alkotest durchzuführen. Mit dieser Ansicht ist er jedoch - wie das Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat ergeben hat - nicht im Recht. Vorerst bemerkt jedoch der O.ö. Verwaltungssenat zu dieser Rechtsfrage, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ua VwGH vom 30.4.1992, Zl.92/02/012 und die dort zitierte Vorjudikatur) eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol so lange verlangt werden kann, als noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwartet werden können. Bei einem zeitlichen Abstand zwischen Beendigung des Lenkens und der Verweigerung der Atemluftprobe von jedenfalls bis zu drei Stunden bedarf es für eine solche Annahme keiner besonderen Begründung.

Dieser Begründungspflicht ist die Erstbehörde nicht nachgekommen, weshalb der O.ö. Verwaltungssenat nunmehr dieser Pflicht wie folgt entspricht:

Aufgrund des bei der Berufungsverhandlung erstatteten medizinischen Gutachtens ist davon auszugehen, daß eine Rückrechnung auch über 6 Stunden noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwarten läßt. Das Gutachten lautet wie folgt:

"Die Alkoholverteilung zwischen Blut und Luft erfolgt in einem bestimmten Verhältnis, wobei sich basierend auf dem Henry Daltonschen Gesetz ein Gleichgewicht zwischen Lungenblutalkoholkonzentration und der AlveolarluftAlkoholkonzentration ausbildet. Das Alkoholverteilungsverhältnis Luft zu Blut beträgt etwa 1:2100 (Umrechnungsfaktor 2,1). Diese durch Umrechnung unter Berücksichtigung bestimmter Verteilungsverhältnisse aus der Atemalkoholkonzentration bestimmte Blutalkoholkonzentration wird als indirekt ermittelte Blutalkoholkonzentration bezeichnet. Die Rückrechnung eines ermittelten Atemalkoholgehaltes auf die Alkoholkonzentration zu einem früheren Zeitpunkt (Rückrechnung) erfolgt über diese indirekt ermittelte Blutalkoholkonzentration unter Hinzurechnen der stündlichen Abbaurate. Eine direkte Rückrechnung der Atemalkoholkonzentration mittels einer Formel oder eines Faktors wurde in mehreren Studien bereits diskutiert, ist aber in Fachkreisen bisher nicht anerkannt.

Aufgrund der bisherigen med. Erfahrung ist ausgehend von einem gemessenen Atemalkoholwert die Rückrechnung auf die Tatzeit-Alkoholkonzentration nur über die indirekt ermittelte Blutalkoholkonzentration möglich, wobei ein Wert hinzugerechnet werden muß, der dem Abbau (= Elimination = stündliche Abbaurate) entspricht. Dieser Alkoholabbau erfolgt linear, dh geradlinig und konzentrationsunabhängig mit einer stündlichen Abbaurate (der sogenannte Beta-60-Wert) von 0,1 bis 0,2 Promille. Aufgrund dieser Besonderheit der linearen Abbaucharakteristik (es wird stündlich die gleiche konstante Menge Alkohol abgebaut) sind Rückrechnungen grundsätzlich auch über längere Zeiträume, (auch über etwa 6 Stunden) möglich. Aus fachlicher Sicht ist eine Rückrechnung nur dann problematisch und daher unzulässig, wenn der festgestellte Wert unter 0,2 bis 0,3 Promille liegt. Es ist nämlich gemäß allgemeiner Auffassung in der Endphase der Alkoholausscheidung die Linearität der Blutalkoholausscheidungsgeraden nicht mehr gegeben, dh, man weiß nicht genau, was bei derartig geringen Blutalkoholkonzentrationen stündlich tatsächlich ausgeschieden wird und somit kann eine seriöse Rückrechnung erst ab 0,3 Promille durchgeführt werden." Dieses Gutachten ist schlüssig - wurde auch vom Berufungswerber in keiner Weise bemängelt - und wird daher dieser Entscheidung zugrundegelegt.

Nicht von Relevanz ist im gegenständlichen Zusammmenhang, ob die Alkomatmessung auf den Blutalkoholgehalt umgerechnet lediglich eine Konzentration von 0,3 Promille erbracht hätte, denn beim gegenständlichen Tatbestand ist nicht zu beurteilen, ob der Beschuldigte tatsächlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand das gegenständliche Kraftfahrzeug gelenkt hat; dies würde im Zusammenhang mit der Beurteilung des Tatbestandes des § 5 Abs.1 StVO 1960 relevant sein. Dieser Tatbestand wird jedoch dem Beschuldigten nicht zur Last gelegt. Auszugehen ist lediglich davon, daß auch über sechs Stunden eine Rückrechnung grundsätzlich möglich ist und daher ein verwertbares Ergebnis bringen kann. Hätte der Beschuldigte der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomat zugestimmt und hätte das Meßergebnis auf den Blutalkoholgehalt umgerechnet unter Berücksichtigung des vom Beschuldigten behaupteten, jedoch auch von diesem zu belegen gewesenen Nachtrunkes) nicht über 0,3 Promille BAG erbracht, so wäre ihm unter diesen Prämissen eine Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 wohl nicht zur Last zu legen gewesen. Dem Beschuldigten wurde jedoch eine Übertretung des § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 zur Last gelegt, die er aufgrund der oben geschilderten Sach- und Rechtslage zweifelsfrei zu verantworten hat.

I.3.3. Zur Straffrage:

Vorerst ist festzustellen, daß den sogenannten Alkoholdelikten im Straßenverkehr ein hoher Unrechtsgehalt anhaftet, da diese geeignet sind, die durch die Strafdrohung geschützten Interessen der Verkehrssicherheit und körperlichen Integrität anderer Verkehrsteilnehmer gravierend zu beeinträchtigen. Zum Verschulden ist festzustellen, daß aufgrund der zahlreichen Vormerkungen des Beschuldigten mildernde Umstände nicht anerkannt werden können. Solche sind auch im Verwaltungsstrafverfahren nicht hervorgekommen. Als erschwerend ist eine einschlägige Vormerkung zu werten. Wenn daher eine Strafe verhängt wurde, welche sich noch im Bereich des unteren Drittels des gesetzlichen Strafrahmens bewegt, so kann unter den vorhin genannten Kriterien trotz der tristen sozialen und wirtschaftlichen Situation des Beschuldigten (keine Sorgepflichten, kein Vermögen, kein Einkommen) eine Überschreitung des Ermessensspielraumes bei der Strafbemessung nicht konstatiert werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention ist eine Herabsetzung der verhängten Strafe nicht vertretbar.

Der Beschuldigte wird auf die Möglichkeit hingewiesen, bei der Erstbehörde einen Antrag auf Bezahlung der Strafe in Raten bzw um Aufschub dieser einzubringen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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