Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102032/3/Sch/Rd

Linz, 11.10.1994

VwSen-102032/3/Sch/Rd Linz, am 11. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des M, vom 7. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 19. Mai 1994, VerkR96/6605/1993/Bi/Hu, wegen einer Übertretung des Eisenbahngesetzes 1957 nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 27. September 1994 und Verkündung am 11. Oktober 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

Im übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, daß der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wie folgt ergänzt wird:

"... gestattet ist und Sie nicht im Besitze einer solchen Erlaubnis gewesen sind." II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 21 Abs.1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Straferkenntnis vom 19. Mai 1994, VerkR96/6605/1993/Bi/Hu, über Herrn M, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 43 Abs.1 iVm § 54 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 29. Oktober 1993 gegen 9.15 Uhr Eisenbahnanlagen der Pyhrnbahn, Bahnkilometer 65,618 im Gemeindegebiet von St. Pankraz, betreten habe, obwohl das Betreten von Eisenbahnanlagen, mit Ausnahme der hiefür bestimmten Stellen, nur mit einer vom Eisenbahnunternehmen ausgestellten Erlaubniskarte gestattet sei.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 100 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Beru fungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Der am 27. September 1994 in Verbindung mit der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung durchgeführte Lokalaugenschein hat zweifelsfrei ergeben, daß sich an der Eisenbahnbrücke keine erkennbare bauliche Beschaffenheit dahingehend findet, welche auf eine Benützung für die Allgemeinheit, wobei überhaupt nur Fußgänger in Betracht kommen könnten, hindeutet. Befinden sich Personen auf der Brücke, müssen diese sich beim Vorbeifahren eines Zuges hart am Brückengeländer aufhalten, um nicht gefährdet zu werden.

Zwischen Geländer und Seitenwand eines Zuges verbleibt etwa ein Meter Freiraum. In Höhe des Brückenlagers verläuft vom Gleiskörper schräg zum Brückengeländer ein ca. 15 x 15 cm hoher Schacht - vermutlich Kabelschacht - welcher am Brückengeländer in Richtung des gegenüberliegenden Brückenkopfes geführt ist. Auch der Bahndamm läßt einen Fußweg nicht erkennen.

Das Betreten der Eisenbahnanlage durch den Berufungswerber erfolgte im Zusammenhang mit einer Demonstration der Umweltschutzorganisation "Greenpeace".

Der Veranstaltungszweck diente dem Hinweis auf die globale Problematik der CO2 - Emissionen, wobei dies in entsprechend medienwirksamer Weise zum Ausdruck kommen sollte. Dem Berufungswerber war somit darin zu folgen, daß diese Veranstaltung von grundrechtlich geschützten Motiven getragen war.

Dafür wurde offenbar die Eisenbahnbrücke lediglich als Hilfsmittel "Transparentträger" zur mediengerechten visuellen Übermittlung einer politischen Botschaft verwendet.

Das abgeführte Beweisverfahren, insbesonders die öffentliche mündliche Berufungsverhandlung, hat keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ergeben, daß allenfalls ein Irrtum in der Anzeigelegung betreffend die namentliche Erfassung der Beteiligten unterlaufen sein könnte. Die zeugenschaftlich einvernommenen beiden Gendarmeriebeamten, die den Gendarmerieeinsatz geleitet bzw. daran teilgenommen haben, konnten in diesem Zusammenhang glaubwürdige und schlüssige Angaben machen, an denen zu zweifeln für die Berufungsbehörde nicht der geringste Hinweis gegeben ist. Aufgrund dieser Aussagen steht auch fest, daß es durch den zur Anzeige gelangten Vorfall weder zu einer Gefährdung von Personen noch zu einer Behinderung des Eisenbahnverkehrs gekommen ist.

Nach § 43 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 ist das Betreten von Eisenbahnanlagen, mit Ausnahme der hiefür bestimmten Stellen, nur mit einer vom Eisenbahnunternehmen ausgestellten Erlaubniskarte gestattet. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung ist gemäß § 54 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen.

§ 5 Abs.1 VStG besagt, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit (bloß) fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Hier kann schon begrifflich von einer bloß fahrlässigen Begehung nicht ausgegangen werden, sodaß sich gemäß Abs.2 leg.cit. noch die Frage der entschuldigenden Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift stellt. Abgesehen davon, daß ein derartiges Vorbringen nicht erhoben wurde, entschuldigt die Unkenntnis einer Vorschrift nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Angesichts der großangelegten und professionell durchgeführten Veranstaltung, war davon auszugehen, daß die Übertretung des Eisenbahngesetzes 1957 durch sämtliche Teilnehmer (und somit auch den Berufungswerber) zumindest in Kauf genommen wurde. Jedermann muß jedenfalls naheliegend erscheinen, daß man sich angesichts einer derartigen Veranstaltung zumindest mit dem Eisenbahnunternehmen in Verbindung setzt und sich damit auch über allfällige rechtliche Vorschriften informiert. Dies ist hier offenbar weder durch die Organisatoren noch die sonstigen Teilnehmer geschehen.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind, von der Verhängung einer Strafe absehen. Sie kann unter diesen Voraussetzungen den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach h.

Ansicht liegen im gegenständlichen Fall beide Voraussetzungen vor. Es ist somit mit einer Ermahnung vorzugehen (VwGH 16.3.1987, 87/10/0024, sowie VwGH 28.10.1980, 263 u.

264/80). Das Verschulden wird insbesondere deshalb als geringfügig erachtet, weil das tatbestandsmäßige Verhalten in der Ausübung eines Grundrechtes (Artikel 10 MRK) geschehen ist. Die Veranstaltung einer Demonstration rechtfertigt wohl nicht die Verletzung anderer Rechtsvorschriften, erfordert aber, dies im Rahmen der Verschuldensprüfung zu berücksichtigen. Eine Bestrafung nach dem Eisenbahngesetz 1957 stellt andererseits keine unzulässige Beschränkung des Versammlungs- oder Demonstrationsrechtes dar (VfGH 1.3.1983, B57/80). Das Vorgehen mit einer Ermahnung erschien angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhaltes - die Begehung dieser Verwaltungsübertretung erfolgte aus achtenswerten Gründen - als das angemessenste Mittel. Einerseits wird damit nicht übersehen, daß Kundgebungen zu einem globalen Thema oftmals der Einbindung des Mediums Fernsehen bedürfen, damit diese überhaupt ihre Wirkung erzielen, also daher einer entsprechenden "Aufmachung". Andererseits dürfen dadurch nicht gesetzliche Vorschriften mißachtet werden. Dem in diesem Zusammenhang deutlich werdenden unlösbaren Interessenswiderstreit wird in dieser Entscheidung ausgewogen Rechnung getragen.

Die Korrektur des Spruches war zur Erfassung sämtlicher Tatbestandselemente notwendig. Aus dem Spruch des Straferkenntnisses läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, daß der Berufungswerber nicht im Besitz einer Erlaubniskarte gewesen ist. Aus der Anzeige, welche dem Berufungswerbervertreter im Zuge des Rechtshilfeersuchens vom 17. Dezember 1993 zur Kenntnis gelangt ist, ergibt sich jedoch eine dem § 44a VStG gerechtwerdende Verfolgungshandlung.

Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden. Unter Bedachtnahme auf den zusätzlichen Milderungsgrund der gänzlichen Unbescholtenheit konnte daher mit einer bloßen Ermahnung das Auslangen gefunden werden. Diese scheint geeignet, den Berufungswerber auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam zu machen und ihn dadurch von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n

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