Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102057/20/Bi/La

Linz, 31.03.1995

VwSen-102057/20/Bi/La Linz, am 31. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 3. Kammer (Vorsitzender: Dr. Johann Fragner, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitzer: Dr.

Wolfgang Weiß) über die Berufung des Herrn Mag. A wiederum vertreten durch Dr. H vom 9. Juni 1994 gegen Punkt 1 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft UrfahrUmgebung vom 19. Mai 1994, VerkR96/2943/1992-Or/Mu, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 iVm 3 Abs.1 VStG, §§ 134 Abs.1 iVm 64 Abs.1 KFG 1967.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat im Punkt 1 des oben angeführten Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 134 Abs.1 iVm 64 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 20.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 480 Stunden verhängt, weil er am 27. Mai 1992 gegen 19.15 Uhr das Motorrad, Marke "Gilera" auf der Eschelberger Bezirksstraße von Rottenegg in Richtung Eschelberg und wieder zurück nach Rottenegg gelenkt habe, ohne die hiefür erforderliche Lenkerberechtigung der Gruppe A zu besitzen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 2.000 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige, aus drei Mitgliedern bestehende 3. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, weil in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, eine mündliche Verhandlung aber nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe im Straferkenntnis festgestellt, daß er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen sei, wobei diese Feststellung tatsächlich unrichtig sei. Das Gutachten von Herrn Primarius Dr. Tahedl sei seinem gesetzlichen Vertreter nicht zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden, sodaß auch eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör vorliege.

Tatsächlich ergebe sich aus verschiedenen anderen medizinischen Gutachten, daß die Erstinstanz nicht von seiner Zurechnungsfähigkeit ausgehen hätte dürfen. Er berufe sich dazu ausdrücklich auf die Einholung des Sachwalterschaftsaktes bzw. der darin erliegenden medizinischen Sachverständigengutachten und ausdrücklich auf die Einholung eines anderen medizinischen Sachverständigengutachtens. Die Erstinstanz habe außerdem seinem gesetzlichen Vertreter gegenüber keine Verfolgungshandlungen gesetzt, sodaß bereits Verjährung eingetreten sei.

Die Erstinstanz hätte bei der Strafbemessung infolge der Unzurechnungsfähigkeit auch angeblich vorliegende Vormerkungen nicht als erschwerend werten dürfen, sodaß die festgesetzten Strafen nicht den gesetzlichen Strafzumessungsgründen entsprächen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, in den Sachwalterschaftsakt beim Bezirksgericht Urfahr-Umgebung sowie in das vom Rechtsmittelwerber vorgelegte Gutachten von Herrn Univ.-Prof. Dr. Klaus Jarosch vom 12. Juni 1989.

Grundlage für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren war ein Vorfall vom 27. Mai 1992 um ca. 19.15 Uhr, bei dem der Rechtsmittelwerber ein Motorrad vom Haus Eschelbergstraße 4 nach Rottenegg und zurück gelenkt hat. Er war bei dieser Fahrt nicht im Besitz einer entsprechenden Lenkerberechtigung.

Aus dem Verfahrensakt der Erstinstanz geht hervor, daß die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Juni 1992 an den Rechtsmittelwerber zu Handen des damaligen Sachwalters, Herrn Wolfgang Pöckl, erging, der mit Schreiben vom 4.

August 1992 der Erstinstanz mitteilte, daß seines Erachtens nach der Rechtsmittelwerber zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung nicht "prozeßfähig" gewesen sei, wozu die Einholung eines medizinischen Gutachtens beantragt wurde.

Im Akt befindet sich eine fachärztliche Stellungnahme vom 6.

Juli 1992, in der Primarius Dr. Adolf Tahedl, Wagner-Jauregg Krankenhaus Linz, die Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers iSd § 3 VStG für den Zeitpunkt der Übertretung bestätigt und dies damit begründet, der Rechtsmittelwerber sei sich über das Verbotene seines Tuns im klaren gewesen und habe seine Unterredung mit ihm selbst mit den Worten beendet: "Schreiben Sie, daß ich zurechnungsfähig war trotz Legierungspsychose." Der Sachwalter des Rechtsmittelwerbers, Herr Wolfgang Pöckl, hat diese fachärztliche Stellungnahme mangels Nachvollziehbarkeit als Entscheidungsgrundlage im Verwaltungsstrafverfahren mit Schreiben vom 4. August 1992 abgelehnt und die Einstellung des Verfahrens wegen Unzurechnungsfähigkeit beantragt.

Auf dieser Grundlage erging das angefochtene Straferkenntnis.

Seitens des unabhängigen Verwaltungssenates wurde die Amtsärztin der Abteilung Sanitätsdienst beim Amt der o.ö.

Landesregierung, Frau Dr. S H, zur Abgabe eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers zum Tatzeitpunkt ersucht, jedoch hat diese nach Durchsicht der Aktenunterlagen und der Krankengeschichte über die stationären Aufenthalte des Rechtsmittelwerbers in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg festgestellt, daß dezidierte Aussagen über die Zurechnungsfähigkeit rückblickend nicht möglich seien. Begründet wurde dies damit, daß derartige Krankheitsbilder, wie sie beim Rechtsmittelwerber vorliegen, die Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigen oder aufheben könnten, dies müsse aber nicht der Fall sein. Eine dezidierte Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt könne nur durch einen entsprechenden Facharzt abgegeben werden.

Weiters wurde in Erfahrung gebracht, daß im Verfahren 2C 609/93 B beim Bezirksgericht Urfahr-Umgebung zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers ein Gutachten vom medizinischen Gerichtssachverständigen Univ.-Prof.

Dr. D K beantragt wurde. Laut Mitteilung des Richters vom 6. März 1995 ist der Rechtsmittelwerber trotz mehrmaliger Vorladung beim Gerichtssachverständigen nicht erschienen, sodaß das beantragte Gutachten nicht erstellt werden konnte. Da dieses Gutachten im Rahmen eines Zivilverfahrens erstellt hätte werden sollen, bei dem der Rechtsmittelwerber hinsichtlich der von ihm behaupteten Zurechnungsunfähigkeit beweispflichtig sei, sei von der Erstattung des Gutachtens Abstand genommen worden.

Aus dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Univ.-Prof.

Dr. K vom 12. Juni 1989 geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber zum damaligen Zeitpunkt bereits seit 10 Jahren an einer rezidivierenden paranoiden Schizophrenie mit Erregungszuständen, Stimmungsschwankungen und kriminellen Handlungen gelitten hat. Laut Gutachten besteht die Schwierigkeit besonders darin, daß der Betreffende noch intelligent genug ist, um Gesetze zu kennen und auch unumwunden zugibt, daß er sich des Strafbaren seiner Handlungen voll bewußt war, andererseits sei er aber durch die Psychose derart psychisch deformiert, daß er sich nicht richtig anpassen könne. Prof. J kommt zum Ergebnis, daß die Diskretionsfähigkeit eingeschränkt, die Dispositionsfähigkeit fallweise aufgehoben ist, und dem Rechtsmittelwerber die ihm damals zur Last gelegten Tathandlungen wegen Geisteskrankheit im Sinn des § 11 StGB nicht zuzurechnen seien, dh. er sei dafür nicht verantwortlich, weil, soweit überhaupt noch eine Einsichtsfähigkeit vorhanden sei, die Handlungsfähigkeit aufgehoben sei.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 3 Abs.1 VStG nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Beurteilungsgrundlagen für den tatsächlichen Zustand des Rechtsmittelwerbers am 5. August 1992 sind außer der fachärztlichen Stellungnahme von Primar Dr. T die gutachtlichen Ausführungen von Univ.-Prof. Dr. J und der Amtsärztin Dr. H.

Die fachärztliche Stellungnahme Primis. T vermag ein Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers nicht zu ersetzen, weil dieser an der Mitwirkung im Rechtsmittelverfahren als nichtamtlicher Sachverständiger im Grunde des § 7 Abs.1 Z5 AVG iVm § 24 VStG ausgeschlossen ist, zumal die fachärztliche Stellungnahme Grundlage für die Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses in erster Instanz war.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß die Einholung eines neuerlichen Sachverständigengut achtens durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - ein solches wäre zur dezidierten Beurteilung des Zustandes des Rechtsmittelwerbers zum Zeitpunkt der Übertretung unbedingt notwendig - im gegenständlichen Fall deshalb nicht zielführend ist, weil auch dazu eine persönliche Kontaktaufnahme des Sachverständigen mit dem Rechtsmittelwerber notwendig wäre. Da der Rechtsmittelwerber bei Herrn Primar Dr. K nicht erschienen ist, ist nicht anzunehmen, daß er an der Erstellung eines anderen Sachverständigengutachtens bei einem anderen Sachverständigen mitwirken würde.

Die Erstellung eines Sachverständigengutachtens allein basierend auf der Krankengeschichte der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg erscheint dem unabhängigen Verwaltungssenat auf der Grundlage der Ausführungen der Amtsärztin Dr.

H nicht geeignet.

Den einzigen Anhaltspunkt für die vom Rechtsmittelwerber behauptete Zurechnungsunfähigkeit bildet damit das Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr. J aus dem Jahr 1989, worin dieser auf Grund der von ihm selbst durchgeführten Untersuchung des Rechtsmittelwerbers zum Ergebnis gelangt, daß dieser für mehrere Vorfälle im Oktober 1988 (Entwendung eines Mofas, Diebstahls eines PKW-Kennzeichens) wegen einer seit Jahren bestehenden Geisteskrankheit als strafrechtlich nicht verantwortlich anzusehen ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf der Grundlage der vorliegenden Verfahrensakte und Sachverständigengutachten unter Abwägung aller bekannten Umstände zu der Auffassung, daß für den Zeitpunkt der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung im Zweifel zugunsten des Beschuldigten angenommen werden muß, daß der Rechtsmittelwerber unzu rechnungsfähig war.

Aus diesen Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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