Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102125/2/Bi/Fb

Linz, 09.08.1994

VwSen-102125/2/Bi/Fb Linz, am 9. August 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des K H, vom 29. Juni 1994 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 20. Juni 1994, VerkR96-159/1994, in Angelegenheit einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, die Geldstrafe auf 150 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 Stunden herabgesetzt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind weder für das erstinstanzliche noch für das Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem oben bezeichneten "Straferkenntnis" dem Einspruch des Beschuldigten gegen das Ausmaß der mit der Strafverfügung vom 8. April 1993, VerkR96-159/1994, festgesetzten Geldstrafe von 400 S sowie der Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden keine Folge gegeben und die festgesetzte Strafe bestätigt sowie dem Beschuldigten einen Verfahrenskostenbeitrag von 40 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und eine Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Inhalt des Straferkenntnisses vom 20. Juni 1994 entspreche nicht den Tatsachen. Sein Einspruch vom 25. April 1994 habe sich einzig und allein gegen die Höhe der Geldstrafe gerichtet. Der Gesetzgeber habe das Existenzminimum mit monatlich 7.500 S für eine Person festgesetzt. Er beziehe eine Pension von 7.800 S und habe auch für einen Sohn zu sorgen, sodaß der Wegfall von 400 S bei der Haushaltsführung zu viel sei. Daher sei es völlig gleichgültig, wie hoch die Behörde die Geldstrafe ansetze, sie könne sie nicht bekommen, sondern nur den Bestraften einsperren. Abgesehen vom Verfahrensaufwand würde eine Vorführung zum Strafantritt nach Wels mit zwei Gendarmeriebeamten und Dienstwagen 2.700 S kosten, während er nur einen Strafnachlaß von 250 S beantragt habe.

Er sei seit 1948 Kraftfahrer und eine Gefährdung im Straßenverkehr sei nicht gegeben, wenn ein PKW statt mit 60 mit 79 km/h unterwegs sei. Eine Gefährdung hänge von einer ganzen Reihe von Kriterien ab, die im gegenständlichen Fall nicht in Betracht kämen und auch nicht vorgelegen hätten. Er sei aus Gründen der Erwerbsunfähigkeit in Pension gegangen und aus gesundheitlichen Gründen auf seinen PKW angewiesen. Im übrigen ergeht sich der Rechtsmittelwerber in politischen Überlegungen und beantragt eine Herabsetzung der Geldstrafe auf 150 S.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und folgendes erwogen:

Der Rechtsmittelwerber wurde zur Anzeige gebracht, weil er als Lenker des PKW GM-129 P am 22. Oktober 1993 um 11.18 Uhr in Linz auf der A7, bei km 5,8, Auffahrt Muldenstraße, Richtungsfahrbahn Nord, entgegen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h eine solche von 79 km/h eingehalten hat.

In den Rechtsmitteln vom 3. Jänner bzw 25. April 1994 hat der Rechtsmittelwerber auf seine finanzielle Situation hingewiesen und überdies ausgeführt, sein PKW habe sich im Kolonnenverkehr befunden und es sei ihm nicht möglich gewesen, diesen um 20 km/h plötzlich abzubremsen, weil vorne und hinten keine Sicherheitsabstände vorhanden gewesen seien.

Zunächst ist von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates darauf hinzuweisen, daß die im Bereich der Auffahrt Muldenstraße verordnete und durch entsprechende Verkehrszeichen einwandfrei erkennbar kundgemachte Geschwindigkeits beschränkung auf 60 km/h den Zweck hat, den von der Auffahrt Muldenstraße kommenden Kraftfahrzeuglenkern zu ermöglichen, die A7 "zu überqueren", um auf die links befindliche Ausfahrt Richtung Waldeggstraße zu gelangen, wodurch diesen ein komplizierter und zeitintensiver Umweg erspart werden soll. Hält sich der auf der A7 befindliche Verkehr an die 60-km/h-Beschränkung, ist dem von der Auffahrt Muldenstraße kommenden Lenker der erforderliche dreimalige Fahrstreifenwechsel möglich.

Hält sich der auf der A7 befindliche Verkehr - wie der Rechtsmittelwerber - nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung, ist ein solcher Fahrstreifenwechsel nur erschwert oder gar nicht möglich. Aus diesem Grund wurde vor der Abfahrt Muldenstraße ein stationäres Radargerät aufgestellt, wodurch gewährleistet ist, daß die auf der A7 befindlichen Kraftfahrzeuglenker die Geschwindigkeitsbeschränkung einhalten. Seit dieses Radargerät dort aufgestellt ist, hat sich die Anzahl der Verkehrsunfälle im Bereich der Auffahrt Muldenstraße stark verringert.

Abgesehen davon, daß der Rechtsmittelwerber für den vor seinem Fahrzeug zum Vordermann eingehaltenen Sicherheitsabstand selbstverständlich eigenverantwortlich ist und es einem Verkehrsteilnehmer grundsätzlich nicht zusteht, Geschwindigkeitsbeschränkungen als sinnlos oder sinnvoll einzustufen, sollen die obigen Darlegungen dazu beitragen, den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genaueren Beachtung dieser Geschwindigkeitsbeschränkung anzuhalten.

Zur Strafhöhe ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG festgesetzte Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung entspricht, wobei weiters berücksichtigt wurde, daß der Rechtsmittelwerber keine einschlägige Vormerkung aufweist, ansonsten aber keine Umstände als mildernd oder erschwerend zu berücksichtigen sind.

Die nunmehrige Herabsetzung der verhängten Strafe beruht allein auf den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers, wobei aber zu betonen ist, daß es einem Kraftfahrzeuglenker, der am Existenzminimum lebt, keineswegs zusteht, daraus für sich in Anspruch zu nehmen, die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung nicht einhalten zu müssen.

Die nunmehr festgesetzte Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis 10.000 S, Ersatzfreiheitsstrafen bis zwei Wochen vor) und ist aus general-, vor allem aber spezialpräventiven Überlegungen gerechtfertigt.

zu II.:

Die Erstinstanz hat den angefochtenen Bescheid als "Straferkenntnis" bezeichnet und dementsprechende Verfahrenskosten vorgeschrieben, obwohl nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ein Straferkenntnis im Sinne der Bestimmungen des § 44a VStG im Hinblick auf den fehlenden Schuldspruch nicht ergehen hätte dürfen.

Da § 64 Abs.1 VStG den Ausspruch über einen Verfahrenskostenersatz ausdrücklich an das Vorliegen eines Straferkenntnisses geknüpft hat und mit dem fehlenden Schuldspruch der Charakter der Entscheidung als Straferkenntnis verlorengeht, ist die seitens der Erstinstanz ausgesprochene Verfahrenskostenbeteiligung des Rechtsmittelwerbers unzulässig.

Da der Berufung Folge gegeben wurde, entfällt für das Rechtsmittelverfahren jeglicher Kostenersatz.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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