Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102145/11/Weg/Ri

Linz, 19.11.1994

VwSen-102145/11/Weg/Ri Linz, am 19. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des Ernst F vom 22. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. Mai 1994, VerkR96/21198/1992, nach der am 12. September 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Hinsichtlich der Verwirklichung der Tatbilder iSd § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und § 4 Abs.5 StVO 1960 wird die Berufung abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Eventualantrag auf Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz wird gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.2 AVG zurückgewiesen.

III. Der Antrag auf die Anwendung der Rechtswohltat iSd § 21 VStG wird abgewiesen.

IV. Dem Eventualantrag auf Herabsetzung der Strafe wird mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Geldstrafen unverändert bleiben, die Ersatzfreiheitsstrafen jedoch zum Faktum 1 auf 52 Stunden und zum Faktum 2 auf 48 Stunden reduziert werden.

V. Der Berufungswerber hat den von der Erstbehörde vorgeschriebenen Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 250 S zu entrichten.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm. § 24, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 umd 2.) § 4 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 1.500 S und 2.) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 60 Stunden und 2.) 48 Stunden verhängt, weil dieser am 30. November 1992 gegen 8.10 Uhr den Kleinbus auf der Hausruck Bundesstraße 143 aus Richtung Vöcklabruck kommend in Richtung Ungenach gelenkt hat, wobei er auf Höhe des Gasthauses "Höcknerkeller", Kilometer 50,1, einen vor ihm fahrenden Schwertransporter überholen wollte und dabei den ebenfalls überholenden PKW übersehen hat, wodurch es zu einem seitlichen Zusammenstoß kam und die Fahrzeuge beschädigt wurden. Trotzdem sein Verhalten mit dem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang stand, hat er es unterlassen, 1.) das Fahrzeug sofort anzuhalten und 2.) ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl er Namen und Anschrift dem Geschädigten nicht nachgewiesen hat.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von insgesamt 250 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dieses Straferkenntnis wurde nach durchgeführtem ordentlichen Verfahren auf Grund der Anzeige des Unfallgegners, der auch zeugenschaftlich vernommen wurde, sowie auf Grund eines straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigengutachtens, wonach der Beschuldigte hätte erkennen müssen, daß es zu einem Unfall gekommen war oder ihm zumindest die Möglichkeit eines Unfalles zu Bewußtsein gekommen sein mußte, erlassen.

3. Der Berufungswerber wendet im wesentlichen ein, daß die Spruchkonkretisierung in Ansehung der Tatzeit 8.10 Uhr unzutreffend sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sich allenfalls der Unfall ereignet, keinesfalls hätte der Berufungswerber jedoch zu diesem Zeitpunkt die ihm im Spruch zur Last gelegten Delikte verwirklicht. Im übrigen habe der Berufungswerber sich in einem Tatbildirrtum befunden, der dadurch gegeben gewesen sei, daß er von diesem Unfall nichts wußte und denselben auch nicht bemerkt habe. Es liege in Anbetracht des Umstandes, daß am Beschuldigtenfahrzeug mit großen Buchstaben der Firmenwortlaut seines Arbeitgebers angebracht gewesen sei, kein Grund zur Annahme vor, daß sich der Berufungswerber "ungesehen" entfernen habe wollen.

Auf Grund des diesbezüglich gestellten Antrages wurde eine Berufungsverhandlung anberaumt und am 12. September 1994 durchgeführt.

4. Zu dieser Berufungsverhandlung erschien der Unfallgegner Hans-Peter Mittermayer, der als Zeuge vernommen wurde, sowie der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige Ing.

I vom Amt der o.ö. Landesregierung.

Der Zeuge M führte im wesentlichen aus, daß er anläßlich der gegenständlichen Fahrt als insgesamt drittes Fahrzeug hinter einem LKW nachfuhr und auf eine günstige Überholmöglichkeit gewartet habe. Hinter diesem LKW fuhren noch ein Kastenwagen und in der Folge ein weiterer PKW.

Nachdem die vor ihm fahrenden Fahrzeuge, also der Kastenwagen und der PKW, keine Anstalten zum Überholen des LKWs gemacht hätten und vor allem keinen Blinker gesetzt hätten, habe er seinen Blinker gesetzt und mit dem Überholmanöver begonnen. Der LKW-Zug fuhr ca. mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h bis 60 km/h, er selbst habe beim Überholen ca. auf 80 km/h beschleunigt. Er habe sich schon auf Höhe des Kastenwagens befunden und zwar auf dem linken Fahrstreifen, als plötzlich auch der Kastenwagen den linken Fahrstreifen aufsuchen wollte, offenbar, um ebenfalls zu überholen. Der Zeuge habe daraufhin seinen PKW abgebremst und noch weiter nach links gelenkt, es sei jedoch trotzdem zu einer Kollision mit diesem Kastenwagen gekommen. Es sei dabei zu Beschädigungen auf der rechten Seite seines PKWs und zu Beschädigungen auf der linken Breitseite dieses Kastenwagens gekommen. Durch das Ausweichmanöver sei der Zeuge auch mit einem Begrenzungspfahl kollidiert, wodurch auch die linke Seite seines PKWs beschädigt worden sei. Es sei am Zeugenfahrzeug der rechte vordere Kotflügel und zwar zurückreichend bis zur Tür eingedrückt worden. Bei der Berührung sei ein deutlich hörbares knirschendes Geräusch zu vernehmen gewesen. Als Folge der Kollision habe der Zeuge auch ein deutliches "Schütteln oder Durchrütteln" seines Fahrzeuges bemerken können. Nach dieser Kollision habe sich schließlich der Kastenwagen vor ihm befunden, habe die Geschwindigkeit kurz verlangsamt und habe der Lenker dieses Kastenwagens in den linken Außenspiegel geblickt. In der Folge habe der Lenker dieses Kastenwagens (Beschuldigter) wieder beschleunigt und habe den LKW-Zug überholt. Der Zeuge habe erwartet, daß der Lenker dieses Kastenwagens nach Beendigung des Überholmanövers wieder an die Unfallstelle zurückkehrt. Der Zeuge selbst sei noch ca. 100 m weiter gefahren und habe an einer Stelle, an der er gut wahrnehmbar gewesen sei, auf den Kastenwagenlenker gewartet. Nach einer vergeblichen Wartezeit von ca. 5 bis 10 Minuten sei er in der Folge zum Gendarmerieposten Vöcklabruck gefahren und habe dort die Anzeige erstattet.

Anläßlich dieser Anzeige habe er die Ziffernkombination des Kennzeichens nicht mehr in Erinnerung gehabt. In weiterer Folge sei dann der Zeuge in Richtung Ried gefahren und sei zufälligerweise vor Ampflwang dem selben Kastenwagen mit der selben Firmenaufschrift wieder begegnet und sei bei dieser Begegnung dann auch das Kennzeichen zweifelsfrei abzulesen gewesen. Er habe dann in der Folge telefonisch seine Anzeige ergänzt.

Es bestand für die Berufungsbehörde angesichts der detaillierten und plastischen Schilderung des Verkehrsunfalles kein Grund, am Wahrheitsgehalt zu zweifeln.

Insbesondere ist als erwiesen anzunehmen, daß durch diese Kollision seitens des Zeugen eine deutliche Stoßbewegung wahrzunehmen war und auch ein deutlich knirschendes Anstoßgeräusch zu vernehmen war.

Auf Grund der von der Erstbehörde gepflogenen Erhebungen steht auch mit ausreichender Sicherheit fest, daß es sich bei dem vom Zeugen geschilderten Kastenwagen um jenes Kraftfahrzeug gehandelt hat, welches der Beschuldigte gelenkt hat. Auch hinsichtlich der Unfallzeit (30. November 1992 gegen 8.10 Uhr) war von den Erhebungen der Erstbehörde auszugehen, zumal nicht bestritten wurde, daß sich der Unfall um diese Zeit zugetragen hat.

Anläßlich der mündlichen Verhandlung wurde der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige ersucht, eine gutächtliche Äußerung zu folgendem Beweisthema abzugeben:

"Sind dem Beschuldigten objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen oder hätten diese bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles, insbesondere die Beschädigung eines anderen PKWs zu erkennen vermocht hätte?" Dabei wurde dem Sachverständigen vorgegeben, von den Schilderungen des Zeugen M und von dem im Akt aufliegenden Unfallbericht, der im weiteren nicht bestritten wurde, auszugehen. Desweiteren sollte der Sachverständige die von ihm selbstätig durchgeführten Erhebungen betreffend die Unfallschäden am Fahrzeug des Beschuldigten verwerten.

Der Sachverständige führt aus, daß derartige Streifkollisionen grundsätzlich sowohl akustisch, als auch als Stoßreaktion wahrnehmbar sind. Im gegenständlichen Fall habe es sich um eine relativ starke Streifkollision gehandelt, was sich aus dem Schadensbild ergebe. Es entstehe dabei ein schleifendes - rumpelndes Anstoßgeräusch. Nachdem der Beschuldigte jedoch das von ihm wahrgenommene Geräusch auf das Umfallen und Verrutschen von Gegenständen (wie z.B.

Bohrmaschinenkoffer) zurückführte, und möglicherweise derartige Geräusche in der Frequenzstruktur und im Schallpegel einem Anstoßgeräusch ähnlich seien, könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, daß der Beschuldigte schon auf Grund dieses von ihm vernommenen Geräusches zwingend auf die Möglichkeit einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug hätte schließen müssen. Der Sachverständige führt also aus, daß der Beschuldigte im Zweifelsfall die Streifkollision nicht akustisch bemerken konnte.

Hinsichtlich der zweiten Wahrnehmungsmöglichkeit, nämlich der Reaktion des Anstoßes, verhalte es sich jedoch so, daß es zu spürbaren seitlichen Stößen an beiden Fahrzeugen gekommen sein muß. Diese Stöße müßten auch im Fahrzeug des Beschuldigten deutlich wahrnehmbar gewesen sein, weshalb er auch bei gehöriger Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles hätte schließen müssen bzw. ihm Umstände zu Bewußtsein kommen hätten müssen, daß es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei, zumal zusätzlich eine deutlich akustische Wahrnehmung gemacht wurde.

Der Sachverständige führt dazu auch aus, daß zwar möglicherweise die Rüttelbewegung am Fahrzeug des Beschuldigten nicht so ausgeprägt gewesen sei, wie am Fahrzeug des Zeugen, jedoch trotzdem noch so deutlich gewesen sei, daß der Beschuldigte den Anstoß hätte wahrnehmen müssen. Das vom Beschuldigten gelenkte Kraftfahrzeug habe auf der linken Seite, etwa ab Fahrzeugmitte bis zum Fahrzeugende, teilweise starke Eindellungen und Abschürfungen aufgewiesen, wobei die markantesten Eindellungen sich im hinteren Bereich des linken Türblattes der Schiebetür und im hinteren Bereich der linken Seitenwand befunden hätten. Die Schäden am Fahrzeug des Beschuldigten und am Fahrzeug des Zeugen seien korrespondierend.

Selbst nach mehreren vom Rechtsvertreter des Beschuldigten gestellten Zwischen- und Zusatzfragen blieb der Sachverständige dabei, daß der Beschuldigte den gegenständichen Verkehrsunfall mit Sicherheit hätte bemerken müssen.

An den Ausführungen des technischen Amtssachverständigen, die auf Grund des gestellten Beweisthemas abgegeben wurden, besteht für die Berufungsbehörde kein Anlaß zu zweifeln. Das Gutachten ist in jeder Phase schlüssig. Der Gutachter ist hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit dieses Unfalles zum selben Schluß gekommen, wie der seitens der Erstbehörde beigezogene Amtssachverständige.

Es steht sohin für die Berufungsbehörde fest, daß der Beschuldigte den gegenständlichen Verkehrsunfall entweder ohnehin bemerkt hat oder zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen.

Es steht desweiteren fest und wurde dies auch nicht bestritten, daß der Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten hat und in der weiteren Folge auch die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub (nämlich überhaupt nicht) vom Verkehrsunfall verständigt hat. Eine Ausweisleistung zwischen den Fahrzeuglenkern fand nicht statt.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Hinsichtlich der Anführung der verletzten gesetzlichen Normen, nämlich § 4 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 sowie § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich die Verpflichtungen aus § 4 StVO 1960 nicht nur, wenn der Betroffene um einen Verkehrsunfall weiß, sondern auch, wenn einem Beschuldigten objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte.

Nachdem als erwiesen angenommen wurde, daß der Verkehrsunfall zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerkt werden müssen, war iSd erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Schuldspruch zu bestätigen, wobei sich diese Bestätigung in Ansehung der diesbezüglichen Judikatur des VwGH auch auf die Tatzeit (8.10 Uhr) bezieht.

Hinsichtlich der Höhe der Geldstrafe wird ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe mußte angesichts der durch den Gesetzgeber vorgegebenen Relation zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe auf das spruchgemäße Ausmaß reduziert werden, was zur Folge hat, daß keine Berufungskosten vorzuschreiben waren.

6. Der Antrag um Zurückverweisung zur neuerlichen mündlichen Verhandlung mußte zurückgewiesen werden, weil gemäß § 24 VStG die im § 66 Abs.2 AVG vorgesehene Möglichkeit der Zurückverweisung ausdrücklich ausgeschlossen ist.

7. Ein geringfügiges Verschulden kann seitens der Berufungsbehörde im Verhalten des Berufungswerbers nicht erblickt werden. Von geringfügigen Folgen einer Verwaltungsübertretung kann ebenfalls nicht gesprochen werden, zumal es dem Unfallgeschädigten nur mit Mühe gelang, den Beschuldigten letztlich zur Anzeige zu bringen. Die Voraussetzungen zur Zuerkennung der Rechtswohltat iSd § 21 VStG liegen somit nicht vor.

8. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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