Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102215/16/Bi/Fb

Linz, 29.11.1994

VwSen-102215/16/Bi/Fb Linz, am 29. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Erwin G, vom 26. August 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 12. Juli 1994, VerkR96/11188/1992/Ga, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 erste Alternative VStG, §§ 17 Abs.1 erster Satz iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 17 Abs.1 erster Satz iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 4. August 1992 gegen 12.25 Uhr auf der B122 von Rohr kommend Richtung Kremsmünster fahrend bei der Kreuzung mit der Schlierbacher Landesstraße mit seinem PKW, Kennzeichen andere Straßenbenützer dadurch behindert und gefährdet habe, daß er an einem anderen Fahrzeug vorbeigefahren sei (das entgegenkommende Fahrzeug habe stark abgebremst werden müssen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden). Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Da letztlich bereits aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war, erübrigte sich die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er sei an dem nach einem Unfall im Bereich der Fahrbahnmitte abgestellten PKW deshalb vorbeigefahren, weil er zwar das im Einsatz befindliche Gendarmeriefahrzeug im Herannahen gesehen habe, dieses sich aber so weit weg befunden habe, daß ihm ein gefahrloses Vorbeifahren möglich erschienen sei.

Seiner Einschätzung nach sei, selbst als er mit seinem PKW schon wieder auf seiner rechten Fahrbahn gewesen sei, das Gendarmerieauto immerhin noch 15 m bis 20 m entfernt gewesen. Eine Behinderung oder eine Gefahr sei nie für jemanden gegeben gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, daß sich am 4. August 1992 gegen Mittag bei der Kreuzung B122 - Schlierbacher Landesstraße ein Verkehrsunfall ereignet hat, wobei ein Unfallfahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen (in Richtung Kremsmünster gesehen) direkt im Bereich der Einmündung der Schlierbacher Landesstraße zum Stehen gekommen war. Zum selben Zeitpunkt, als sich der Rechtsmittelwerber aus Richtung Rohr diesem Unfallfahrzeug näherte, fuhr aus der Gegenrichtung das im Einsatz befindliche Gendarmeriefahrzeug mit den Gendarmeriebeamten Insp. W und Insp. H auf die Unfallstelle zu. Laut Aussage beider Gendarmeriebeamter hatten diese in einer Entfernung von ca 60 m von der Unfallstelle die Geschwindigkeit auf 70 km/h reduziert, als der Rechtsmittelwerber auf die Gegenfahrbahn ausscherte und am Unfallfahrzeug vorbeifuhr. Der Lenker des Gendarmeriefahrzeuges Insp. W gab an, er habe das Fahrzeug stark abbremsen müssen, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden. Eine Blockierspur war nicht feststellbar. Im Akt befindet sich eine Lichtbildbeilage, auf der die in Rede stehende Kreuzung aus beiden Fahrtrichtungen gesehen ersichtlich ist.

In seinem Gutachten vom 5. Mai 1994, BauME-010000/1783-1994/Ang/Kl, hat der Amtssachverständige Ing. Angerer nach Durchführung eines Ortsaugenscheines ausgeführt, daß für die aus Richtung Kremsmünster kommenden Meldungsleger die Unfallstelle bereits aus einer Entfernung von ca 100 m einzusehen gewesen sein mußte. Eine Schätzung der Geschwindigkeit, die der Rechtsmittelwerber beim Vorbeifahren am Unfallfahrzeug eingehalten hat, sei aber aufgrund der äußerst ungünstigen Voraussetzungen nicht exakt möglich.

Der Sachverständige hat weiters dargelegt, daß unter der Voraussetzung, daß das Gendarmeriefahrzeug sich in einer Entfernung von 60 m vor der Unfallstelle dieser mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h näherte, und weiters unter Berücksichtigung einer zumindest anzunehmenden Reaktionszeit von 0,8 sec sowie einer Bremsschwellzeit von 0,2 sec, eine mittlere Bremsverzögerung von 4,6 m/sec 2 erforderlich gewesen wäre, um das Fahrzeug vor der Unfallstelle überhaupt noch anhalten zu können. Daraus ergebe sich, daß zum Anhalten vor der Unfallstelle ohne Einfluß jeglicher sonstiger Verkehrsteilnehmer eine stärkere Betriebsbremsung erforderlich gewesen wäre.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 17 Abs.1 erster Satz StVO 1960 das Vorbeifahren nur gestattet ist, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden.

Die Erstinstanz hat den Schuldspruch damit begründet, es liege kein Grund vor, den beiden Gendarmeriebeamten, denen die willkürliche amtsmißbräuchliche Bestrafung entgegenkommender Kraftfahrzeuglenker nicht unterstellt werden dürfe, keinen Glauben zu schenken. Die Erstinstanz hat offensichtlich das Abbremsen des mit Blaulicht herannahenden Gendarmeriefahrzeuges als Indiz für die vorgeworfene Be hinderung und Gefährdung gewertet.

Bezieht man das technische Sachverständigengutachten in die Bewertung des Verhaltens des Rechtsmittelwerbers mit ein, so ergibt sich daraus zweifelsfrei, daß ein Abbremsen des Gendarmeriefahrzeuges vor der Unfallstelle in Form einer stärkeren Betriebsbremsung auch erforderlich gewesen wäre, wenn der Rechtsmittelwerber nicht am Unfallfahrzeug vorbeigefahren wäre.

Abgesehen davon, daß die Verwendung des Blaulichtes und damit der Charakter des Gendarmeriefahrzeuges als Einsatzfahrzeug auf den gegenständlichen Tatvorwurf nicht anzuwenden ist (die spezielle Bestimmung hiefür wäre § 26 Abs.5 StVO 1960 gewesen, bei dem es auf eine Behinderung oder Gefährdung nicht ankommt, hinsichtlich dessen aber keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde), vermag der unabhängige Verwaltungssenat wohl nachzuvollziehen, daß ein im Einsatz befindliches und schon daher eine höhere Geschwindigkeit einhaltendes Gendarmeriefahrzeug bei Erreichen des Einsatzortes stärker abgebremst werden muß, jedoch sind die beiden Gendarmeriebeamten im Ergebnis der Darstellung des Rechtsmittelwerbers, bei seiner Rückkehr auf die rechte Fahrbahnseite sei das Gendarmeriefahrzeug immer noch 15 m bis 20 m von ihm entfernt gewesen, nicht entgegengetreten, sodaß keine konkrete Aussage über das tatsächliche Vorliegen einer Behinderung oder einer Gefahr getroffen werden kann.

In diesem Zusammenhang ist die Schilderung des Zeugen Insp.

H, der Rechtsmittelwerber habe auf dem unübersichtlichen Kreuzungsbereich nicht bis zum sich nähernden Gendarmeriefahrzeug gesehen und daher einen "Überholvorgang" in regelrechtem "Blindflug" vollzogen, schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sich aus der Lichtbildbeilage in Verbindung mit der Unfallskizze, aus der der genaue Standort des Unfall-PKW zu entnehmen ist, unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen, der beim Ortsaugenschein eine Einsichtsmöglichkeit aus der Gegenrichtung (und daher wohl auch für die Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers) von ca 100 m festgestellt hat, zweifelsfrei ergibt, daß der Rechtsmittelwerber beim Vorbeifahren am Unfallfahrzeug ausreichende Sicht gehabt haben muß.

Da für den unabhängigen Verwaltungssenat aber nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit abzuklären ist, ob und inwieweit das Abbremsen des Gendarmeriefahrzeuges (nur) auf die Notwendigkeit, an der Unfallstelle zum Stillstand zu kommen, oder (auch) auf das Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers zurückzuführen ist, war im Zweifel spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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