Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102233/13/Fra/Ka

Linz, 10.10.1994

VwSen-102233/13/Fra/Ka Linz, am 10. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter:

Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Weiß als Vertreter von Dr. Schieferer) über die Berufung des Rudolf B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 1.8.1994, Zl.

VerkR96-2028-1994-Li, wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr.51/1991, iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 1. August 1994, VerkR96-2028-1994-Li, dem Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 zur Last gelegt und deswegen über ihn gemäß § 99 Abs.1 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 17.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Tage) verhängt, weil er am 4.4.1994 um 5.15 Uhr den PKW, Mitsubishi Colt 1200, Kennzeichen auf der Imolkamer Bezirksstraße (1091) von Wildenau kommend in Richtung Altheim bis Strkm 0,860 gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafe sowie gemäß § 5 Abs.9 StVO 1960 10 S für den Alkotest sowie 1.672,80 S als Barauslagen für die Blutuntersuchung und 405,90 S als Barauslagen für die Blutabnahme vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter des Beschuldigten bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Diese sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer entscheidet (§ 51c VStG). Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil die Parteien ausdrücklich darauf verzichtet haben (§ 51e Abs.3 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Folgendes ist unstrittig: Der Berufungswerber hat zur Tatzeit am Tatort den verfahrensgegenständlichen PKW gelenkt. Der Berufungswerber wurde am Tatort durch Gendarmeriebeamte des Gendarmeriepostens Altheim angehalten.

Um 5.31 Uhr sowie um 5.33 Uhr des Tattages erfolgte eine Feststellung des Alkoholgehaltes der Atemluft am Gendarmerieposten Altheim mittels Alkomat Siemes W05-639-20.

Die erste Messung ergab einen Atemluftalkoholgehalt (AAG) von 0,45 mg/l, die zweite Messung ebenfalls einen AAG von 0, 45 mg/l. Der Berufungswerber verlangte in der Folge eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes. Diese wurde um 6.23 Uhr im Krankenhaus Braunau durchgeführt und ergab zum Untersuchungszeitpunkt einen Wert von 0,83 Promille Blutalkoholgehalt.

Der Berufungswerber kommt zur Auffassung, daß sein Blutalkoholgehalt zur Tatzeit jedenfalls unter der 0,8 Promille Grenze lag (auf die diesbezügliche Stellungnahme vom 11.7.1994 an die Erstbehörde wird in diesem Zusammenhang verwiesen). Die Erstbehörde kommt zum Ergebnis, daß der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt um 5.15 Uhr einen Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber aufgewiesen hat und nahm daher als erwiesen an, daß der Beschuldigte als durch Alkohol beeinträchtigt galt. Sie ging von einem Trinkende am 4.4.1994 um 5.00 Uhr aus, dies deshalb, da dies den eigenen Angaben des Beschuldigten im Zuge des erfolgten Alkotests gegenüber Insp. F vom GP Altheim sowie seinen Angaben im Zuge der am 4.4.1994 durchgeführten Blutabnahme entspricht. Zu der Rechtfertigung des Beschuldigten, daß eine Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt dann nicht möglich sei, wenn die Resorption zur Zeit des Lenkens noch nicht abgeschlossen war, dh, die Abbaukurve noch nicht im linearen Bereich lag, wies die Erstbehörde darauf hin, daß der Beschuldigte laut seinen Erstangaben am 3.4.1994 zu Mittag ein Schnitzel gegessen hat, sodaß der Alkoholkonsum auf völlig leerem Magen über einen längeren Zeitraum (8 Stunden) erfolgt sein müsse. Nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft sei die Resorption in einem solchen Fall bereits nach 10 bis 20 Minuten abgeschlossen und der Alkoholspiegel im Blut habe bereits nach dieser Zeit das Maximum erreicht. Es sei im vorliegenden Fall mit einer zum Tatzeitpunkt um 5.15 Uhr beendeten Resorption auszugehen, sodaß der Beurteilung auch das Ergebnis der Blutuntersuchung zugrundezulegen und eine normale Rückrechnung möglich und zulässig sei. Aufgrund einer solchen Rückrechnung vom Zeitpunkt der Blutabnahme um 6.23 Uhr auf die Tatzeit um 5.15 Uhr bei Berücksichtigung der für den Beschuldigten bestmöglichen Eliminationsrate von 0,1 pro Stunde ergebe sich somit ein Blutalkoholgehalt von 0,94 Promille. Dies werde auch dadurch untermauert, daß der Amtsarzt in seinem Gutachten vom 6.6.1994 unter Berücksichtigung der bestmöglichen Umrechnungsfaktoren für den Beschuldigten bei einem Blutalkoholgehalt von 0,83 Promille um 6.23 Uhr für den Zeitpunkt des Fahrtantrittes um 5.09 Uhr einen Blutalkoholgehalt von 0,95 Promille errechnet habe. Die vom Beschuldigten in seiner Stellungnahme vom 11.7.1994 angestellte Berechnung entbehren vor diesem Hintergrund der verwaltungsstrafrechtlichen Relevanz, da ja im gegenständlichen Fall ein Resorptionsdefizit nicht zu berücksichtigen war.

Dem hält der Beschuldigte im wesentlichen entgegen:

Die Erstbehörde stelle in der Bescheidbegründung im wesentlichen die belastende Momente als den Tatsachen entsprechend fest, die ihn entlastenden Umstände werden als unglaubwürdig bezeichnet und - dies habe er keinesfalls erwartet - das vorliegende medizinische Amtssachverständigengutachten, wenn auch nicht wörtlich, als falsch hingestellt. Die Erstbehörde habe sich mit keinem Wort mit dem wesentlichen Inhalt des Gutachtens Dris.

Bönisch vom 6.6.1994 auseinandergesetzt, in welchem der Amtsarzt ausführt, daß er aus fachmedizinischer Sicht davon ausgeht, daß 1/7 der Alkoholmenge des zuletzt genossenen Viertelliter Bieres resorbiert war, woraus sich ein Blutalkoholgehalt zum Tatzeitpunkt von 0,802 Promille ergebe; dies auf der Basis des um 6.23 Uhr gewonnenen Blutalkoholwertes von 0,83 Promille. Im übrigen setze sich die Erstbehörde über den Inhalt der von ihm zitierten medizinischen Fachgutachten hinweg. Dem Beschuldigten sei es nicht nachvollziehbar, worin die Erstbehörde eine entscheidungswesentliche Ungereimtheit in seinen Angaben sehe. Selbst dann, wenn man das Trinkende mit exakt 5.00 Uhr ansetzen würde, liege nicht der geringste Beweis dafür vor, daß die Resorption um 5.15 Uhr soweit abgeschlossen war, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im rechtlichen Sinne befunden habe. Das Gutachten Dris. Bönisch stelle auf den richtigen Tatzeitpunkt 5.15 Uhr ab. Dieser setze die Resorptionsmenge mit 1/7 des zuletzt genossenen viertel Liter Bieres an, wenn man das Trinkende mit 5.09 Uhr annimmt. Ohne den Gutachter zu befragen, welches Ergebnis diese Berechnung, abgestellt auf das Trinkende 5.00 Uhr, zeitige, werde im Straferkenntnis das aus Fachbüchern teilweise aus dem Zusammenhang gerissene unvollständig zitierte Substrat der Bestrafung zugrundegelegt. Die Erstbehörde habe nicht in schlüssiger Weise begründet, warum seine Behauptung als unwahr feststehe, das Trinkende sei um 5.09 Uhr gelegen. Obwohl die Erstbehörde zu Recht nicht in Zweifel ziehe, daß die von ihm mit dem PKW zurückgelegte Strecke einen Zeitaufwand von maximal 6 Minuten benötige, komme sie zu diesem unrichtigen Ergebnis. Wenn diese Fahrstrecke auch nicht auf 100 m genau angegeben werden könne, so hält der Berufungswerber die Aufnahme dieses Beweises aber schon deshalb nicht unbedingt erforderlich, weil man unter Zuhilfenahme eines Taschenrechners die Richtigkeit dieser Angaben nachvollziehen könne. Bei Einhaltung einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h lege man eine Strecke von 5 km in 5 Minuten und von 6 km in 6 Minuten zurück. Es entspreche sicher den Tatsachen, wenn in der Anzeige angeführt ist, er hätte den erhebenden Gendarmeriebeamten gegenüber das Trinkende mit 5.00 Uhr angegeben. Dieser Umstand sei aber nicht geeignet, die Unrichtigkeit seiner diesbezüglichen Behauptung im Verfahren festzustellen. Wenn er vor der Gendarmerie das Trinkende mit 5.00 Uhr angegeben habe, so handelt es sich hiebei um einen Cirka-Wert. Es entspreche auch der Lebenserfahrung, daß sozusagen gerade Werte angegeben werden. Daß dies im Verfahren von Wichtigkeit sein könne, habe er nicht gewußt.

Nun sei es aber so, daß er im Verfahren nach Überprüfung der Fahrstrecke und der Fahrzeit genaue Angaben zum Trinkende machen konnte und diese Angaben auf trittfeste Prämissen gestützt werden können, nämlich auf die Tatsache, daß er vor dem Austrinken des letzten Bieres schon bezahlt habe, zum wenige Meter vor der Haustür stehenden PKW nur Sekunden und für die Fahrt zwischen 5 und 6 Minuten benötigt habe. Die Erstbehörde habe kein einziges Argument, das Trinkende 5.09 Uhr in Frage zu stellen. Offenkundig aus Ortskenntnis habe die Erstbehörde die diesbezüglichen Zeit- und Wegangaben auch zu Recht nicht bezweifelt. Es stimme, daß er die letzte richtige Mahlzeit am Vortag zu sich genommen habe, nämlich ein Wiener Schnitzel. Daß sein Magen in der Früh aber völlig leer gewesen sei, sei nicht richtig, weil er zum Bier Chips, Snips und bis zum Fahrtantritt Soletti geknabbert habe. Es sei daher nicht richtig, daß der von ihm zuletzt genossene Alkohol binnen zehn Minuten zur Gänze resorbiert gewesen ist. Diese Feststellung widerspreche dem vorliegenden Gutachten vom 6.6.1994.

Hiezu führt der unabhängige Verwaltungssenat aus:

Nicht in Zweifel gezogen werden die Ausführungen des Berufungswerbers dahingehend, daß von dem Gasthaus, wo er weggefahren ist, bis zum Anhalteort bei Einhaltung einer Durchschnittsgeschwindigkeit eine Fahrzeit von ca. 6 Minuten benötigt wird. Was das Trinkende anlangt, so kann der unabhängige Verwaltungssenat eine Unschlüssigkeit in der Beweiswürdigung der Erstbehörde nicht erkennen, wenn sie ausführt, daß Angaben gegenüber der Polizei oder der Gendarmerie unmittelbar nach der Tat eher der Wahrheit entsprechen, als spätere Behauptungen im Verwaltungsstrafverfahren und sie deshalb als Trinkende 5.00 Uhr annahm, weil der Beschuldigte dies vor der Gendarmerie anläßlich der Amtshandlung angegeben hat. Da es jedoch auch nicht unschlüssig ist - wie der Berufungswerber vorbringt daß es der Lebenserfahrung entspreche, hinsichtlich des Trinkendes einen Cirka-Wert anzugeben, ersuchte der O.ö.

Verwaltungssenat im Rahmen des von ihm durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Amtssachverständige Frau Dr. Hasenöhrl im zu erstattenden Gutachten alternativ das Trinkende mit 5.00 Uhr und mit 5.09 Uhr anzunehmen. Weiters wurde die Amtssachverständige ersucht, im zu erstellenden Gutachten alternativ zu berücksichtigen, ob der Beschuldigte nur ausschließlich Bier konsumiert oder zu diesem Bier auch Chips und Soletti geknabbert hat.

Der aufgrund des Aktes erstellte Befund sowie das Gutachen Dris. Hasenöhrl lautet wie folgt:

"Als Beurteilungsgrundlage werden im gegenständlichen Fall ausschließlich die aktenkundigen Aufzeichnungen herangezogen: Es wurden insgesamt von Herrn Baier 3 Halbe Weizenbier (laut aktenkundigem Etikett handelt es sich um die Marke "Edelweiss Hefetrüb" mit einem Alkoholgehalt von 5,5 Vol.%) konsumiert, wobei laut Erhebungsbogen die letzte Halbe Bier zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens getrunken wurde - bzw. laut do. Schreiben bis möglicherweise 5.09 Uhr, zur Nahrungsaufnahme ist im Erhebungsbogen lediglich zu Mittag ein Wiener Schnitzel angegeben (dementsprechend wäre der Alkoholgenuß im fraglichen Zeitraum auf leerem Magen erfolgt) - laut do. Schreiben wurden möglicherweise zum Bier Chips und Soletti geknabbert (somit wäre von einem wenig gefüllten Magen zum Zeitpunkt des Alkoholgenusses auszugehen); das Körpergewicht zur Tatzeit ist im Gendarmeriebericht mit 80 kg angegeben; die Alkomatuntersuchung wurde um 5.31 Uhr bzw. 5.33 Uhr des 4.

April 1994 durchgeführt mit dem Ergebnis, 0,45 mg/l Atemalkoholgehalt; auf Verlangen des Herrn Baier wurde im Anschluß daran im Krankenhaus Braunau zur Bestimmung des Blutalkoholgehaltes eine Blutabnahme durchgeführt, laut Gendarmeriebericht erfolgte diese um 6.23 Uhr des 4. April 1994, laut chemischem Befund der BBSUA Linz ergaben die Bestimmungen einen Mittelwert von 0,83 Promille Blutalkoholgehalt; BEURTEILUNG:

Eingangs ist festzuhalten, daß es für die gegenständliche Berechnung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration vernachlässigbar ist, ob das Trinkende um 5.00 Uhr des 4.

April 1994 oder um 5.09 Uhr des 4. April 1994 anzusetzen ist. Auch die Nahrungsaufnahme ist in diesem speziellen Fall für die Berechnung nicht maßgeblich, ob der Magen des Herrn Baier im fraglichen Zeitraum nun gänzlich leer war oder mit Chips und Soletti mäßig gefüllt war, kann in einer schematisierten Berechnung nicht berücksichtigt werden. Fest steht, daß die alkoholischen Getränke jedenfalls nicht im Zuge einer voluminösen Mahlzeit - diese würde sich auf den Verlauf der Blutalkoholkurve ausprägen - konsumiert wurden.

Aus medizinischer Sicht muß hervorgehoben werden, daß die Alkoholverteilung im menschlichen Organismus nach komplizierten biologischen Vorgängen abläuft, welche durch eine schematisierte Berechnung nur annähernd wiedergegeben werden kann. Erwiesen ist, daß während der Resorptionsphase - diese schwankt je nach Trinktempo, Nahrungsaufnahme etc.

zwischen 15 min. und 1 Std. - die Blutalkoholkurve nicht streng linear verläuft, die Linearität ist erst nach abgeschlossener Resorptionsphase in der Eliminationsphase (Ausscheidungsphase) gegeben, wobei linear bedeutet, daß konzentrationsunabhängig stündlich immer die gleiche Alkoholmenge abgebaut wird. Dieser Abbauwert beträgt im durchschnittlichen Fall 0,15 %o stündlich, laut Fachliteratur besteht eine Schwankungsbreite zwischen minimal 0,1 %o und maximal 0,2 %o stündlich. Die im folgenden ausgeführte Berechnung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration (5.00 Uhr hzw. 5.09 Uhr des 4. April 1994) - ausgehend vom Meßwert 0,83 %o um 6.23 Uhr des 4. April 1994 - erfolgt in zwei Varianten, wobei in Variante 1 mit durchschnittlichen bzw. wahrscheinlichen Werten gerechnet wird und in Variante 2 nach dem Zugunstenprinzip ausschließlich die für Herrn Baier günstigsten Werte für die Rückrechnung herangezogen werden.

So wird im gegenständlichen Fall in Variante 1 eine stündliche wahrscheinliche Abbaurate von 0,15 %o berücksichtigt, in Variante 2 hingegen wird eine minimale Eliminationsrate von 0,1 %o zugrundegelegt. Herr Baier hat die letzte Halbe Bier zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr bzw.

5.09 Uhr konsumiert, die Tatzeit ist mit 5.15 Uhr des 4.

April 1994 angesetzt. Zwischen Trinkende und Tatzeit sind somit höchstens 15 min. vergangen und es war somit zum Deliktszeitpunkt die Resorptionsphase noch nicht mit Sicherheit abgeschlossen. Fest steht jedoch, daß von diesem zuletzt konsumierten Bier ein bestimmter Anteil bereits resorbiert war, dieser resorbierte Anteil muß dem nicht-resorbierten Anteil gegenüber gestellt werden, dh es muß bei der Berechnung der nicht-resorbierte Anteil des zuletzt genossenen Biers vom Rückrechnungswert in Abzug gebracht werden. Im Hinblick darauf, daß Herr Baier das letzte Bier eher gemächlich innerhalb von einer Stunde zwischen 4.00 Uhr bzw 5.00 Uhr (5.09 Uhr) konsumiert hat, waren zum Tatzeitpunkt um 5.15 Uhr wahrscheinlich bereits 2/3 des letztgenossenen Biers resorbiert und es wird daher in Variante 1 ein nicht-resorbierter Anteil von 1/3 vom Rückrechnungswert in Abzug gebracht. In Variante 2 wird vom allergünstigsten Fall ausgegangen, nämlich daß Herr Baier zur Deliktszeit vom letzten Bier erst 1/3 resorbiert hat und bei der Berechnung somit 2/3 (nicht-resorbierter Anteil) vom Rückrechnungswert in Abzug gebracht werden.

Variante 1 (wahrscheinliche Tatzeit-Blutalkoholkonzentration):

Die Ermittlung der Blutalkoholkonzentration aus der Trinkmenge - im gegenständlichen Fall eines Halben Liters Weizenbier der Marke "Edelweiss Hefetrüb" - erfolgt bekannterweise nach der Widmarkformel Alkoholgehalt in g BAG in %o = --------------------kg Körpergewicht x Reduktionsfaktor 0,7; Das gegenständliche Bier hat einen Alkoholgehalt von 5,5 Vol.%, was 4,4 g/100 ml entspricht (Vol.% x spezifisches Gewicht 0,8 = Gewichtsprozent = g/100 ml); ein Halber Liter Bier enthält somit 22 g Alkohol; 22 g Alkohol ------------ = 0,39 %o; 80 kg x 0,7 -------Bezogen auf das reduzierte Körpergewicht des Herrn B ruft somit ein Halber Liter Bier der gegenständlichen Marke einen Blutalkoholgehalt von 0,39 %o hervor; im gegenständlichen Fall wurde um 6.23 Uhr ein Blutalkoholgehalt von 0,83 %o als Mittelwert gemessen, die Tatzeit um 5.15 Uhr war somit eine Stunde früher; zu den 0,83 %o werden somit 0,15 %o (wahrscheinliche Elimination) hinzugerechnet, sodaß sich eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 0,98 %o errechnen läßt, es muß jedoch von diesen errechneten 0,98 %o der nicht-resorbierte Anteil des Biers (1/3 von 0,39 %o = 0,13 %o) in Abzug gebracht werden und es errechnet sich somit zur Tatzeit ein wahrscheinlicher Blutalkoholgehalt von 0,85 %o! Variante 2:

Hier wird zu den 0,83 %o BAG 0,1 %o (minimale Elimination) hinzugerechnet und es errechnet sich eine Tatzeit-BAK von O,93 %o; unter Berücksichtigung eines nichtresorbierten Anteils von 2/3 (im günstigsten Falle; 2/3 von 0,39 %o = 0,26 %o) läßt sich eine minimale Blutalkoholkonzentration von 0,67 %o zur Tatzeit ermitteln.

ZUSAMMENFASSUNG:

Es läßt sich eine wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 0,85 %o und eine minimale Blutalkoholkonzentration von 0,67 %o ermitteln." Das vorhin dargestellte Gutachten wurde sowohl der Erstbehörde als auch dem Beschuldigtenvertreter in Wahrung des Parteiengehörs mit der Einladung zu einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

Die Erstbehörde hat hiezu keinerlei Stellungnahme abgegeben.

Der Vertreter des Beschuldigten hat zu dem oben angeführten Gutachten im wesentlichen ausgeführt, daß seiner Ansicht nach die Berechnungsvariante 2 heranzuziehen sei, weil es fachmedizinisch nicht völlig gesichert erscheine, daß eine Rückrechnung in einem Falle Platz greifen könne, in welchem die Resorption noch nicht völlig abgeschlossen ist; im vorliegenden Verfahren war die Resorption erst zu ein Drittel bis zu zwei Drittel fortgeschritten. Es gebe Mediziner, welche in einem solchen Fall eine Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt für unzulässig halten, wobei er nochmals auf das seiner Berufung beigelegte Gutachten vom 1.8.1991, San-222535/1-1991/Kab, verweise. Darin werde explizit ausgeführt, daß dann, wenn zur Lenkzeit die Resorptionsphase noch nicht abgeschlossen ist (diese noch nicht im linearen Schenkel der Alkoholabbaukurve liege) eine Rückrechnung nicht möglich ist. Selbst dann, wenn man jedoch eine Rückrechnung als zulässig erachte, stoße man auf die nächste Schwierigkeit, nämlich auf die nicht konkret zu beantwortende Frage, wieviel der zuletzt genossenen Menge Alkohols tatsächlich bereits resorbiert war. Im gegenständlichen Verfahren liegen die von den medizinischen Sachverständigen angenommenen Werte zwischen 1/7 und 2/3.

Dr. Bönisch führe in seinem Gutachten vom 6.6.1994 aus, daß von einem bereits resorbierten Teil in einem Ausmaß von 1/7, dies aber in der letzten halben Stunde vor Fahrtantritt genossenen 1/4 Liter Bier auszugehen ist. Rechne man diesen Wert auf einen halben Liter Bier hoch, um bei beiden medizinischen Sachverständigengutachten dieselbe Basis zu bekommen, so erhalte man 2/7, ds etwa 28,6 %; dieser Wert liege immer noch unter dem kleineren Wert im Gutachten, welches im Verwaltungsstrafverfahren zweiter Instanz eingeholt wurde. Aus der Zusammenschau dieser beiden Gutachten werde man daher den Schluß ziehen müssen, das 2/3 bis 71,4 % des zuletzt genossenen halben Liter Bieres zum Tatzeitpunkt noch nicht resorbiert waren, woraus sich eine minimale Blutalkoholkonzentration von 0,65 % zur Tatzeit ermitteln lasse.

Der O.ö. Verwaltungssenat hält zusammenfassend fest:

Das Gutachten von Dris. Hasenöhrl ist schlüssig und wurde auch von den Parteien in keiner Weise bezweifelt. Der unabhängige Verwaltungssenat folgt der Rechtsansicht des Berufungswerbers dahingehend, daß gegenständlich die Berechnungsvariante 2 des Sachverständigengutachtens heranzuziehen, dh von der für den Beschuldigten günstigen Eliminationsrate von 1,0 %o pro Stunde auszugehen ist. Es ist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen der Amtssachverständigen Dris. Hasenöhrl zu verweisen, wonach aus medizinischer Sicht die Alkoholverteilung im menschlichen Organismus nach komplizierten biologischen Vorgängen abläuft, welche durch eine schematisierte Berechnung nur annähernd wiedergegeben werden könne. Es ist durchaus möglich, daß der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt tatsächlich einen Blutalkoholgehalt von über 0,8 %o aufgewiesen hat, doch kann dies mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit aufgrund der oben genannten Darlegungen nicht erwiesen werden. Legt man eine minimale Elimination von 0,1 %o unter Berücksichtigung eines nicht resorbierten Anteils von 2/3 zugrunde, ist von einer Blutalkoholkonzentration des Beschuldigten von 0,67 %o zur Tatzeit auszugehen. Bereits aus diesem Grunde erübrigt es sich, auf die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Rückrechnung sowie auf das sogenannte Anflutungsphänomen, von welchen offenbar nicht einmal die Erstbehörde ausgegangen ist - einzugehen, denn die letzte Halbe Bier wurde ja nicht sturztrunkartig konsumiert.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Bei diesem Ergebnis hat der Berufungswerber weder Kosten zum Strafverfahren im Sinne des § 64 VStG noch Untersuchungskosten gemäß § 5 Abs.9 StVO 1960 zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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