Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102265/17/Bi/Fb

Linz, 17.01.1995

VwSen-102265/17/Bi/Fb Linz, am 17. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Markus H vom 30. August 1994 gegen die Punkte 2) bis 6) und 8) bis 11) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 29.

Juli 1994, VerkR96-1725-1994-Li, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 12. Jänner 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in den Punkten 2), 3), 4), 8), 9) und 10) Folge gegeben, das Straferkenntnis dahingehend behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Im Punkt 5) wird der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe mit der Maßgabe bestätigt, daß die Fahrtstrecke auf "Strkm 20,428 bis 20,817" abgeändert wird.

In den Punkten 6) und 11) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs mit der Maßgabe bestätigt wird, daß keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorlagen, weshalb die Strafnorm auf § 99 Abs.3a StVO 1960 abgeändert wird.

Die Fahrtstrecken werden im Punkt 6) auf "Strkm 20,817 bis 21,6" und im Punkt 11) auf "Strkm 25,0 bis 27,6" abgeändert. In beiden Punkten wird die Geldstrafe auf jeweils 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf jeweils 18 Stunden herabgesetzt.

II. Der Rechtsmittelwerber hat im Punkt 5) zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz den Betrag von 1.000 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

In den Punkten 6) und 11) ermäßigt sich der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz auf jeweils 100 S und entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag im Rechtsmittelverfahren.

In den Punkten 2), 3), 4), 8), 9) und 10) sind keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 45 Abs.1 Z1 und 3 und 19 VStG, §§ 20 Abs.2, 52a Z10a, 7 Abs.1 und 99 Abs.2 lit.c StVO 1960.

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten unter anderem wegen der Übertretungen gemäß 2), 4), 6), 9) und 11) gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, 3), 5) und 8) wegen der Übertretungen gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.2c StVO 1960 und 10) wegen der Übertretung gemäß §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 Geldstrafen von 2) 700 S, 3) 1.200 S, 4) 500 S, 5) 5.000 S, 6) 1.200 S, 8) 2.000 S, 9) 2.000 S, 10) 1.000 S und 11) 1.200 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 2) und 4) jeweils 12 Stunden, 3), 6), 10) und 11) jeweils 24 Stunden, 8) und 9) jeweils 48 Stunden und 5) 5 Tagen verhängt, weil er am 19. März 1994 gegen 20.45 Uhr den PKW auf der Braunauer Bundesstraße 147 von Mattighofen kommend in Richtung Uttendorf und weiter Richtung Burgkirchen bis Strkm 28,10 (Gemeinde Burgkirchen) gelenkt habe und ....

2) im Ortsgebiet von Schalchen auf Höhe des Strkm 18,8 die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h überschritten habe, 3) von Strkm 19,0 bis 19,4 im Gemeindegebiet Schalchen die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 40 km/h überschritten habe, 4) bei Strkm 19,8 im Gemeindegebiet Schalchen die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 20 km/h überschritten habe, 5) von Strkm 20,4 bis 20,8 im Gemeindegebiet Schalchen im Ortsbereich Furth die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 80 km/h überschritten habe, 6) von Strkm 20,8 bis 21,6 im Gemeindegebiet Schalchen die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 40 km/h überschritten habe, ....

8) von Strkm 22,8 bis 23,0 im Gemeindegebiet Uttendorf die infolge einer Baustelle kurz hintereinander durch Vorschriftszeichen kundgemachten erlaubten Höchstgeschwindigkeiten von zuerst 70 km/h, dann 50 km/h und schließlich 30 km/h überschritten habe, 9) von Strkm 23,0 bis 23,2 im Ortsgebiet Uttendorf die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 50 km/h überschritten habe, 10) bei Strkm 24,3 im Ortsgebiet Uttendorf nicht so weit rechts gefahren sei, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, zumal er die Kurve geschnitten und mit der gesamten Fahrzeugbreite die linke Fahrbahnseite befahren habe, und 11) die von Strkm 25,0 bis 28,1 die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 40 km/h überschritten habe.

Die unter Punkt 2) bis 6) und 8) bis 11) aufgezeigten Übertretungen habe er unter besonders gefährlichen Verhältnissen gesetzt, da die Sichtverhältnisse durch starken Regen schlecht gewesen seien, die Fahrbahn naß gewesen sei, und seine Konzentrationsfähigkeit infolge der genossenen Alkoholmenge herabgesetzt gewesen sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 1.480 S auferlegt.

2. Der Rechtsmittelwerber hat zunächst gegen die Punkte 2) bis 11) Berufung erhoben, im Rahmen der mündlichen Verhandlung aber die (im übrigen nicht begründete) Berufung gegen Punkt 7) des Straferkenntnisses zurückgezogen, sodaß die Punkte 1) und 7) des Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen sind.

Die Berufung wurde seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt und eine Stellungnahme zur Qualifikation der Begehung der Übertretungen "unter be sonders gefährlichen Verhältnissen" abgegeben.

Da im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 12. Jänner 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines ausgewiesenen Vertreters Rechtsanwalt Dr. Johann P, der Zeugen BI Rudolf A und Insp. Reinhold R, sowie des technischen Amtssachverständigen Ing. Stefan H durchgeführt. Die Erstinstanz hat keinen Vertreter entsandt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe die unter den Punkten 2) bis 6) und 8) bis 11) geahndeten Übertretungen pauschal als "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen angenommen, obwohl eine solche Globalbetrachtung unzulässig sei, weil die konkreten Tatumstände bei jeder Verwaltungsübertretung einzeln beleuchtet werden müßten. Die in Rede stehenden Übertretungen seien aber nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen worden und hätten daher unter die Strafnorm des § 99 Abs.3a StVO subsumiert werden müssen. Die B147 sei im gegenständlichen Bereich mehr als 6 m breit und in seiner Fahrtrichtung sei ein Fahrstreifen in der Breite von zumindest 3 m zur Verfügung gestanden. Bei einer Fahrzeugbreite von 1,68 m verbleibe so viel Platz, daß auch bei Einhaltung einer höheren Geschwindigkeit ein sicheres Lenken des Fahrzeuges zB ohne Beeinträchtigung des Gegenverkehrs möglich sei. Dazu werde die Durchführung eines Ortsaugenscheins beantragt.

Unabdingbare Voraussetzung für eine taugliche Feststellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen im Nachfahren sei nicht nur, daß die Nachfahrt in gleichgleibendem Abstand erfolgt, was nicht einmal behauptet werde - im übrigen sei Unterstützung durch eine Sektorenstreife angefordert worden, die ihn schließlich bei Strkm 28,1 angehalten habe -, sondern es sei auch erforderlich, daß die Verfolgungsstrecke dem fünffachen Tachowert entsprechen müsse, demnach also bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h 500 m betragen müsse.

Dazu werde auf konkrete Gutachten des Amtssachverständigen verwiesen, wobei auch diesbezüglich ein Ortsaugenschein sowie eine Fahrprobe beantragt würden.

Die einzelnen ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitungen seien distanzmäßig beziffert, woraus sich alleine schon die Unmöglichkeit einer tauglichen Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ergebe, weil diese nicht einmal über die erforderliche Distanz festgestellt werden konnte. Er beantrage daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens in den Punkten 2) bis 6) und 8) bis 11) des Straferkenntnisses.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber und sein ausgewiesener Vertreter gehört, die beiden Zeugen einvernommen und auf dieser und der Grundlage des durchgeführten Ortsaugenscheines ein technisches Sachverständigengutachten durch den Amtssachverständigen zur Frage der technischen Möglichkeit und Nachvollziehbarkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitungen im Nachfahren erstellt wurde.

Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am Samstag, dem 19. März 1994, gegen 20.45 Uhr den PKW, BMW 323i, zugelassen auf seine Mutter, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (die um 21.34 Uhr durchgeführte Alkomatuntersuchung ergab einen niedrigsten Wert von 0,60 mg/l Atemluftalkoholgehalt, was einem Blutalkoholgehalt umgerechnet auf die Lenkzeit von ca 1,3 %o entsprechen dürfte) auf der B147 aus Mattighofen kommend über die Ortsgebiete Schalchen, Furth und Uttendorf Richtung Burgkirchen. Er fiel dabei den beiden Gendarmeriebeamten BI A und Insp. R auf, die im Ortsgebiet Mattighofen neben der B147 im Dienstkraftfahrzeug postiert waren. Aufgrund der offensichtlich überhöhten Geschwindigkeit verfolgten die beiden Zeugen - BI A lenkte das Gendarmeriefahrzeug, einen Ford Sierra mit 120 PS, der mit laufendem Motor neben der B147 gestanden war - den PKW des Rechtsmittelwerbers. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte nicht mehr genau geklärt werden, wo der Rechtsmittelwerber letztendlich eingeholt wurde und ab welchem Straßenkilometer ein Nachfahren in annähernd gleichbleibendem Abstand anzunehmen war.

BI Auinger hat schlüssig und nachvollziehbar das Nachfahrmanöver so geschildert, daß er sich auf den PKW konzentrierte, weil er beabsichtigte, diesen einzuholen und zu überholen, jedoch sei solches nie möglich gewesen. Bei der gesamten Nachfahrt sei das Blaulicht verwendet worden, allerdings sei beiden Beamten klar gewesen, daß sie den Rechtsmittelwerber aufgrund der baulichen Gegebenheiten und seiner extremen Geschwindigkeit nicht überholen können würden, sodaß die Sektorenstreife aus Mauerkirchen um die Anhaltung ersucht wurde.

Der verwendete Dienstkraftwagen werde regelmäßig mit der Laserpistole überprüft, bei der sich immer noch eine Tachoabweichung von annähernd 10 % bestätigt habe. Er habe beim Verfassen der Anzeige von der jeweils angezeigten Tachogeschwindigkeit 10 % abgezogen und diesen Wert den jeweiligen Geschwindigkeitsangaben in der Anzeige zugrundegelegt. Er habe sich bei der Nachfahrt naturgemäß auf diese konzentriert, sein Kollege habe während der Fahrt Notizen gemacht, und dann sei zur Verfassung der Anzeige noch einmal die Fahrstrecke abgefahren und die Kilometrierung festgestellt worden.

Die Mißachtung der Rechtsfahrordnung bei km 24,3 der B147 sei deshalb angezeigt worden, weil diese Übertretung markant gewesen sei, zumal sich der PKW zur Gänze auf der linken Fahrbahnseite befunden hatte. Im übrigen habe der Rechtsmittelwerber mehrmals die Rechtsfahrordnung nicht eingehalten.

Der Anhalteort, km 28,1 der B147, sei aus einiger Entfernung bereits einzusehen, wobei er den Eindruck gehabt habe, die Anhaltung sei unmittelbar zuvor erfolgt, da der PKW noch auf der Bundesstraße gestanden sei. Er habe dann die Amtshandlung durchgeführt, wobei es dabei mehr um den Alkotest gegangen sei. Bei der Nachfahrt hätten sich außer den beiden Fahrzeugen bei der Eisenbahnkreuzung noch sicher Fahrzeuge im Gegenverkehr befunden. Seiner Erinnerung nach sei die Fahrtstrecke aufgrund des Regens rutschig gewesen, wobei er beim Einfahren in die Kurve in Mauerkirchen selbst einmal quergestanden sei, weil die Kurve zu schnell angefahren wurde.

Der Zeuge Insp. Rachbauer gab an, er habe sich als Beifahrer während der Nachfahrt verschiedene Notizen zu den einzelnen Übertretungen gemacht, wobei die Strecke anschließend nochmals abgefahren und die Kilometrierungen festgestellt worden seien. Er habe bei der Nachfahrt den Tachowert notiert, habe aber die Anzeige nicht selbst verfaßt. Der Standort des Dienstkraftfahrzeuges habe sich bei der Boutique Dominik in Mattighofen befunden, und sie hätten den PKW bei der Nachfahrt - mit Ausnahme einer Hausecke - nie aus den Augen verloren. Eine Nachfahrt in annähernd gleichbleibendem Abstand sei sicher ab dem Bereich der 60-km/h-Beschränkung nach dem Ortsgebiet Schalchen erfolgt.

Er habe die Geschwindigkeit so festgestellt, daß er nach Kontrollblicken auf den Tacho und den vor ihnen fahrenden PKW bei annähernd gleichbleibendem Nachfahrabstand den Tachowert notiert habe. Die Nachfahrt sei einwandfrei möglich gewesen. Die Fahrtstrecke sei eine breite Bundesstraße, erst im Gemeindegebiet Uttendorf befänden sich einige starke Kurven. Es habe mit Sicherheit geregnet. Die Anhaltung durch die Kollegen der Sektorenstreife habe er nicht selbst gesehen, allerdings hätte er den Eindruck gehabt, diese sei unmittelbar zuvor erfolgt. Die Amtshandlung habe dann sein Kollege geführt; die Kollegen von Mauerkirchen hätten nur über Ersuchen die Anhaltung durchgeführt.

Im Rahmen des Ortsaugenscheines wurde festgestellt, daß sich die 60-km/h-Beschränkung im Gemeindegebiet Schalchen zwischen km 20,4 und 20,8 in einem Bereich befindet, in dem die Bundesstraße eine Gesamtbreite von 6 m aufweist, wobei sich auf der rechten Seite ein Gasthaus befindet, dessen Zufahrt in der Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers gesehen hinter dem Haus liegt. Nach den Feststellungen des Amtssachverständigen beträgt die Sichtweite von Strkm 20,4 in Fahrtrichtung des Beschuldigten 500 m.

Bei km 24,3 beschreibt die B147 im Ortsgebiet von Uttendorf eine rechtwinkelige T-Kurve, wobei rechts die (gegenüber der B147 abgewertete) Sonnleitner Bezirksstraße einmündet. Bei einer Erkennungsentfernung von 30 m im Verlauf der rechtwinkeligen Linkskurve ist im Verlauf der aufgrund der links befindlichen Hausecke unübersichtlichen Vorrangstraße rechts ein Verkehrsspiegel angebracht.

Der Anhalteort, eine Kreuzung bei km 28,1 der B147, ist in Fahrtrichtung des Beschuldigten auf der B147 bereits aus einer Entfernung von 450 m erkennbar. Laut Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten sind diese dem Rechtsmittelwerber im Ortsgebiet Uttendorf ziemlich nahe gekommen, wobei der Rechtsmittelwerber ab dem Citroen-Händler derart beschleunigt habe, daß sie sich gewundert hätten, daß man hier so eine Geschwindigkeit überhaupt fahren könne. Laut Tacho des Gendarmeriefahrzeuges ist dabei unter Berücksichtigung des Tachoabzuges mit Sicherheit eine Geschwindigkeit von 140 km/h gefahren worden, wobei sich aber der Nachfahrabstand aufgrund der Beschleunigung des PKW des Rechtsmittelwerbers kontinuierlich vergrößert habe.

Nach den Ausführungen des Amtssachverständigen ist davon auszugehen, daß, wenn der Rechtsmittelwerber bei der Kreuzung bei km 28,1 angehalten wurde, wobei die Anhaltung beim ersten Ansichtigwerden der Kreuzung beim Herannahen durch die beiden Gendarmeriebeamten offensichtlich unmittelbar zuvor erfolgt sein mußte, die Fahrtstrecke, auf der der Rechtsmittelwerber eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten haben konnte, um jedenfalls 450 m (das ist die Strecke von der letzten unübersichtlichen Kurve aus Richtung Uttendorf bis zur Kreuzung) verringert werden muß, weil auszuschließen ist, daß der Rechtsmittelwerber bei km 28,1 noch die überhöhte Geschwindigkeit eingehalten hat. Die Nachfahrstrecke reduziert sich somit im Punkt 11) auf 2.650 m.

Der Sachverständige hat weiters festgestellt, daß in den Punkten 2), 3), 4), 7), 8) und 9) eine zu geringe Fahrtstrecke anzunehmen ist, zumal wegen der Vor- und Nacheilung des Geschwindigkeitsmessers diese Strecke das Fünffache der Geschwindigkeit in km/h betragen muß.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zu den Punkten 2), 3) und 4):

Das Beweisverfahren hat ergeben, daß beide Gendarmeriebeamte sich nicht mehr daran erinnern konnten, von km 18,8 bis 19,8 eine einer technischen Überprüfung standhaltende Nachfahrt in annähernd gleichbleibendem Abstand durchgeführt zu haben.

Abgesehen davon, daß eine Nachfahrt schon begrifflich nur auf einer Strecke und nicht auf einem Punkt ("auf Höhe des Strkm ....") erfolgen kann, war daher unter Berücksichtigung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes der Berufung diesbezüglich Folge zu geben.

Zu Punkt 5):

Laut Ausführungen des Amtssachverständigen ist die Nachfahrt auf der angegebenen Strecke in technischer Hinsicht nachvollziehbar und bestehen diesbezüglich keine Zweifel an der Durchführbarkeit einer verläßlichen Geschwindigkeitsfeststellung durch Nachfahren. Aufgrund der länger eingehaltenen Geschwindigkeit von 140 km/h (siehe auch Punkt 6)) ist daher - im übrigen unbestritten - davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, wobei der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung vertritt, daß diese Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20.

Februar 1991, 90/02/0198, ausgesprochen, daß für die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse iSd § 99 Abs.2 lit.c StVO bei einer Geschwindigkeitsübertretung noch ein weiteres, die besondere Gefährlichkeit betreffendes Sachverhaltselement hinzutreten müsse, etwa beeinträchtigte Sichtverhältnisse, ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen, der Verlauf und die Straßenbreite, die körperliche und geistige Verfassung des Lenkers sowie die Beschaffenheit des Fahrzeuges und in Verbindung mit diesen Umständen auch das absolute Ausmaß der eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit.

Im gegenständlichen Fall hat die Erstinstanz die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse damit begründet, daß die Sichtverhältnisse durch den starken Regen schlecht gewesen seien, die Fahrbahn naß gewesen sei und die Konzentrationsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers infolge des genossenen Alkohols herabgesetzt gewesen sei. Dem ist von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates noch hinzuzufügen, daß der 19. März 1994 ein Samstag war und der Rechtsmittelwerber nicht ausschließen konnte, daß ein Fahrzeug von der für ihn nicht einsehbaren Einfahrt zum Gasthausparkplatz in die B147 einbiegen oder sonst Fußgänger unterwegs sein könnten. Bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h im Gegensatz zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h wäre ihm eine Reaktion auf etwaige andere Verkehrsteilnehmer bzw Fußgänger in keiner Weise mehr möglich gewesen, abgesehen davon, daß bei einem anzunehmenden Blutalkoholgehalt von 1,3 %o eine deutliche Reduktion der Reaktionsfähigkeit anzunehmen ist.

Aufgrund der nassen Fahrbahn war laut Sachverständigen gutachten mit einer Bremsverzögerung von 5 m/sec 2 zu rechnen, sodaß bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h der Bremsweg vom Sachverständigen mit 152 m errechnet wurde.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß aufgrund der geänderten Strafnorm § 99 Abs.2 lit.c StVO anzuwenden ist, der einen Strafrahmen von 500 S bis 30.000 S Geldstrafe bzw 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vorsieht.

Die von der Erstinstanz verhängte Strafe entspricht vor allem dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, wobei die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse von der Erstinstanz geschätzt und mangels Widerspruch auch der Rechtsmittelentscheidung zugrundegelegt werden (10.000 S netto monatlich als Zeitsoldat beim Bundesheer, kein Vermögen, keine Sorgepflichten). Mildernd war, daß der Rechtsmittelwerber die Übertretung vor Vollendung des 21.

Lebensjahres begangen hat (§ 34 Z1 StGB); dem steht aber der wesentliche Erschwerungsgrund des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung gegenüber. Der Rechtsmittelwerber ist nicht unbescholten, weist aber auch keine einschlägigen Vormerkungen im Hinblick auf Geschwindigkeitsüberschreitungen auf.

Eine Herabsetzung der verhängten Strafe war im Hinblick auf vor allem spezial- und generalpräventive Überlegungen nicht gerechtfertigt.

Die Spruchänderung hinsichtlich der Kilometerangaben erfolgte im Hinblick auf den örtlichen Geltungsbereich der Verordnung des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 18.

Oktober 1991, VerkR-100301/Sch, gemäß den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG.

Zu den Punkten 6) und 11):

Auch diesbezüglich besteht seitens des unabhängigen Verwal tungssenates kein Zweifel daran, daß die Nachfahrt in annähernd gleichbleibendem Abstand auf den angegebenen Straßenstrecken erfolgt ist, allerdings mit der Einschränkung, daß im Punkt 6) der 60-km/h-Bereich erst bei km 20,817 endet und daher der Beginn der auf Freilandstraßen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h entsprechend versetzt ist und im Punkt 11) die Nachfahrtstrecke nicht bis km 28,1 (Ort der Anhaltung) reicht, sondern "nur" bis km 27,6.

Auch hinsichtlich der Feststellung der im Spruch angeführten, vom Rechtsmittelwerber gefahrenen Geschwindigkeiten besteht kein Zweifel, da laut Aussage des Meldungslegers in der Anzeige vom festgestellten Tachowert 10 % als Tachoabweichung abgezogen wurde.

Auf dieser Grundlage gelangt der unabängige Verwaltungssenat auch hinsichtlich dieser beiden Punkte - ebenfalls unbestritten - zur Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber die ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, wobei jedoch nicht anzunehmen ist, daß beide Übertretungen unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurden. Sowohl nach dem Ende der 60-km/h-Beschränkung im Ortsgebiet Furth als auch nach dem Ende des Ortsgebietes Uttendorf befindet sich eine Freilandstraße in Form einer insgesamt 6 m breiten, gänzlich unverbauten Bundesstraße, die zwar infolge des Regens naß gewesen sein muß, jedoch nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates keine zusätzlichen Gefahrenmomente aufgewiesen hat. Nach Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten herrschte wenig bis geringes Verkehrsaufkommen, und auch eine Nichteinhaltung der Rechtsfahrordnung auf dieser Strecke wurde dem Rechtsmittelwerber nicht vorgeworfen. Außer einem nie auszuschließenden Wild wechsel und unter Berücksichtigung der geistigen und körperlichen Verfassung des alkoholisierten Rechtsmittelwerbers bestand grundsätzlich "nur" die Möglichkeit eines Unfalles mit erheblicher Eigenschädigung, jedoch befinden sich im Verlauf dieser Strecke keine nennenswerten Ausfahrten, Fußgängerübergänge, Kreuzungen oder dergleichen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. Februar 1990, 89/18/0173, ausgesprochen, daß auch eine extreme Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet auf einer mehrspurigen übersichtlichen Straße keine "besonders gefährlichen Verhältnisse" begründen, wenn sich weder Fußgänger noch Kraftfahrzeuge auf der Fahrbahn befinden und die Straßen- bzw Sichtverhältnisse "normal" sind. Eine abstrakte Gefährdung reicht nicht aus.

Dem Rechtsmittelwerber wurde eine Überschreitung der auf Freilandstraßen erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h ohne Mißachtung der Rechtsfahrordnung vorgeworfen. Die Straßenverhältnisse waren mit Ausnahme des Regens "normal", andere Verkehrsteilnehmer weder anwesend noch aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zu erwarten. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates begründeten diese Umstände auch unter Berücksichtigung der Alkoholbeeinträchtigung des Rechtsmittelwerbers lediglich eine abstrakte Gefährdung; nach der allgemeinen Lebenserfahrung war aus dieser Situation heraus der Eintritt eines besonders umfangreichen, schweren und zunächst gar nicht überblickbaren Schadens (vgl VwGH vom 23. Oktober 1985, 85/11/0052) nicht zu erwarten.

Aus diesem Grund war die Strafnorm von § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 auf § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 abzuändern.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß unter Zugrundelegung des geänderten Strafrahmens (§ 99 Abs.3a StVO sieht Geldstrafen bis 10.000 S, Ersatzfreiheitsstrafen bis zwei Wochen vor) eine geringfügige Herabsetzung der verhängten Strafen gerechtfertigt war, wobei die nunmehr verhängten Strafen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der jeweiligen Übertretung als auch den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers entsprechen (siehe oben). Mildernd war auch diesbezüglich, daß der Rechtsmittelwerber das 21.

Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, erschwerend war auch hier das Ausmaß der Überschreitung um immerhin jeweils 40 km/h.

Zu den Punkten 8) und 9):

Im Punkt 8) hat der Amtssachverständige aufgrund der zu kurzen Fahrtstrecke von nur insgesamt 200 m eine Nachvollziehbarkeit der Nachfahrt in annähernd gleichbleibendem Abstand aus technischer Sicht ausgeschlossen, wobei im Rahmen des Ortsaugenscheins festgestellt wurde, daß es sich bei diesen 200 m im wesentlichen um die damalige Baustelle im Bereich einer Brücke handelt.

Abgesehen davon ergibt sich aus der Verordnung des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 28. Februar 1994, VerkR10-21-1994/BR, nicht, wo genau die entsprechenden Vorschriftszeichen aufgestellt waren.

Auch im Punkt 9) ist die Nachfahrtstrecke aus technischer Sicht zu kurz, um den Tatvorwurf diesbezüglich nachvollziehen zu können.

Aus diesem Grund war in beiden Fällen mit der Einstellung des Verfahrens im Zweifel für den Beschuldigten vorzugehen.

Zu Punkt 10):

Aufgrund des durchgeführten Ortsaugenscheines bei km 24,3 der B147 im Ortsgebiet Uttendorf gelangt der unabhängige Verwaltungssenat aufgrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens zu der Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber im dortigen Bereich sehr wohl die Kurve nach links dem Verlauf der Vorrangstraße folgend auf dem linken Fahrstreifen durchfahren hat, wobei es sich dabei um eine infolge der dort befindlichen Hausecke gänzlich unübersichtliche Kurve handelt. Der rechts im Kreuzungsbereich angebrachte Verkehrsspiegel wäre zwar geeignet, den Lichtstrahl der Scheinwerfer eines von links kommenden Fahrzeuges rechtzeitig erkennbar zu machen, er ist aber nicht geeignet, im dortigen Bereich eventuell die Fahrbahn überquerende Fußgänger ersichtlich zu machen. Da von rechts die Sonnleitner Bezirksstraße in die B147 einmündet, und diese Kreuzung immerhin im Ortsgebiet liegt, konnte nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates der Rechtsmittelwerber nicht von vornherein ausschließen, daß sich Verkehrsteilnehmer - die allerdings gegenüber den Vorrangstraßenbenützern wartepflichtig sind und insbesondere Fußgänger - es war Samstag, 20.45 Uhr - in diesem Kreuzungsbereich befanden.

Der Kreuzungsbereich ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates jedenfalls bei Dunkelheit und Regen unübersichtlich, woran auch der nach links gerichtete Verkehrsspiegel nichts wesentliches ändert. Daraus folgt aber, daß für den Rechtsmittelwerber nicht die grundsätzliche Rechtsfahrordnung des § 7 Abs.1 StVO 1960 galt, sondern vielmehr das spezielle Gebot gemäß § 7 Abs.2 leg.cit., am rechten Fahrbahnrand zu fahren, weil es im dortigen Kreuzungsbereich die Verkehrssicherheit erfordert.

Auch wenn der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung vertritt, daß ein Durchfahren dieser Kurve mit der gesamten Fahrzeugbreite auf der linken Fahrbahnseite sehr wohl nur unter besonders gefährlichen Verhältnissen erfolgen konnte, wurde dem Rechtsmittelwerber ein dem Tatbestand des § 7 Abs.2 StVO 1960 entsprechender Tatvorwurf innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht gemacht, sodaß gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen war.

Grundsätzlich ist von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens samt Ortsaugenschein zu betonen, daß das Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers, der laut eigenen Angaben mehrere Kraftfahrzeuge besitzt, auch wenn sie nicht auf ihn selbst zugelassen sind, genügend Anhaltspunkte liefert, um dessen charakterliche Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges in Zweifel zu ziehen. Der Rechtsmittelwerber war zwar während der gesamten mündlichen Verhandlung anwesend, aber offensichtlich nicht imstande, sich zu den einzelnen Übertretungen grundsätzlich zu äußern, wobei auch Zweifel dahingehend bestehen, ob ihm die Tragweite dieses Verfahrens überhaupt bewußt war. Der unabhängige Verwaltungssenat sieht sich daher veranlaßt, den Rechtsmittelwerber eindringlich aufzufordern, seine Einstellung zum Straßenverkehr, insbesondere nach Alkoholgenuß, grundlegend zu überdenken.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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