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VwSen-102291/15/Ki/Bk

Linz, 30.01.1995

VwSen-102291/15/Ki/Bk Linz, am 30. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Arthur W, vom 24.

August 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 25. Juli 1994, Zl.

VerkR96/13312/1993/ah, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Jänner 1995 durch Verkündung am 30. Jänner 1995, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß von der Verhängung einer Strafe abgesehen und gemäß § 21 Abs.1 VStG eine Ermahnung erteilt wird.

Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis nach der Maßgabe bestätigt, daß der zweite Halbsatz des Schuldspruches wie folgt zu lauten hat: " ..., wobei sie in der Folge als benachrangter Verkehrsteilnehmer auf die Schärdinger Landesstraße einbogen und dadurch einen bevorrangten Pkw-Lenker zu unvermitteltem Bremsen seines Fahrzeuges nötigten." II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 21 Abs.1, 24 und 51 VStG.

Zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 25. Juli 1994, VerkR96/13312/1993/ah, über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt, weil er am 21.11.1993 gegen 16.25 Uhr den Pkw der Marke Fiat mit dem Kennzeichen im Ortschaftsbereich Grub auf der Schardenberger Bezirksstraße in Richtung Kreuzung mit der Schärdinger Landesstraße 506 lenkte, wobei er in der Folge als benachrangter Verkehrsteilnehmer auf die Schärdinger Landesstraße einbog und dadurch einen bevorrangten Pkw-Lenker zum Ausweichen und Abbremsen seines Fahrzeuges zwang. Außerdem wurde er gemäß § 64 zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der Strafe (100 S) verpflichtet.

I.2. Dagegen hat der Berufungswerber mit Schriftsatz vom 24.

August 1994 rechtzeitig Berufung erhoben und bestritten, daß er den Vorrang mißachtet habe und ohne anzuhalten in die Landesstraße 506 eingefahren sei. Er sei sogar zum Anhalten gezwungen gewesen, weil zwei Autos aus Passau kommend, also von rechts, in die Kreuzung eingefahren wären. Er sei, als die Landesstraße wieder frei war, mit dem ersten Gang in die Kreuzung eingefahren, bereits in der Kurvenmitte sei der Anzeiger sehr rasch über die unübersichtliche Kuppe gefahren gekommen und habe stark abgebremst, obwohl sein Fahrzeug sich mittlerweile auf der rechten Fahrbahnseite befunden hätte. Ein Zusammenstoß hätte demnach nicht stattfinden können. Aus dem anschließenden Verhalten des Anzeigers könne man ersehen, daß er einen aggressiven Fahrstil habe.

Gegen das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten werde Einspruch erhoben, da der Sachverständige sich nur auf die Angaben des Anzeigers gestützt habe. Wenn der Anzeiger tatsächlich nur 40 bis 50 km/h gefahren sei, dann hätte er leicht anhalten können.

Es sei eindeutig, daß der Anzeiger zu rasch über die Kuppe gekommen bzw erschrocken sei und abrupt abbremsen mußte. Ein Gasweggeben hätte in dieser Situation vollauf genügt.

Weiters wird vorgebracht, daß das Gendarmerieprotokoll, welches er unterfertigt habe, insofern mangelhaft sei, als er der ganzen Sache zu diesem Zeitpunkt nicht die Bedeutung zugemessen habe, die diese durch die diversen Schutzbehauptungen des Anzeigers nun habe.

Es werde die Einstellung des Verfahrens beantragt.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Jänner 1995. Bei dieser mündlichen Verhandlung wurden der Beschuldigte sowie als Zeugen Frau Paula W, Herr Klaus F und Frau Angela F einvernommen. Weiters wurde an Ort und Stelle ein Lokalaugenschein durchgeführt und Herr Ing. Hubert S als Amtssachverständiger beigezogen. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung ebenfalls teilgenommen.

I.5. Der Berufungswerber hat sich bei seiner Einvernahme im wesentlichen dahingehend gerechtfertigt, daß er an der Haltelinie angehalten habe, dies deswegen, weil er zwei aus Richtung Passau kommenden Fahrzeugen den Vorrang einräumen mußte. Als er sich genau in der Mitte der Kreuzung befunden habe, sei der Anzeiger plötzlich auf der Schärdinger Landesstraße aufgetaucht. Er vermute, daß der Anzeiger mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h aus der Kreuzung (Richtung Passau fahrend) herausgekommen ist. Er sei der Auffassung, daß er (Anzeiger) lediglich deshalb jäh abbremsen mußte, weil er erschrocken sei.

Er könne sich nicht mehr exakt erinnern, wo sich der Anzeiger befand, als er ihn das erste Mal gesehen habe, es müßte gleich nach der Kuppe (ca 75 bis 80 m) gewesen sein.

Der Anzeiger habe sein Fahrzeug ca 40 m vom Kreuzungsmittelpunkt entfernt zum Stillstand gebracht und er habe an diesem Punkt den Anzeiger passiert. Der Anzeiger sei ohne das Fahrzeug verreißen zu müssen auf seiner Fahrspur zum Stehen gekommen.

Nachdem er den Anzeiger wahrgenommen habe, habe er ganz normal reagiert, dh er sei im 1. Gang auf seinem Fahrstreifen Richtung Schärding gefahren.

Die Gattin des Berufungswerbers, Frau Paula Wagner, welche zum Vorfallszeitpunkt als Beifahrerin im Fahrzeug des Beschuldigten mitgefahren ist, bestätigte nach Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht als Zeugin im wesentlichen die Angaben ihres Ehegatten.

Herr Klaus F führte aus, daß er zum Vorfallszeitpunkt auf der Schärdinger Landesstraße Richtung Passau unterwegs gewesen sei. In seinem Fahrzeug hätten sich seine Gattin sowie seine drei Kinder befunden. Er könne sich nicht mehr so genau erinnern, aber er werde damals vor der Kreuzung mit ca 30 bis 50 km/h unterwegs gewesen sein. Er habe das Beschuldigtenfahrzeug ca 80 m vor der Kreuzung bereits rechts kommend von der Schardenberger Bezirksstraße gesehen.

Der Beschuldigte sei zu diesem Zeitpunkt langsam auf die Kreuzung zugefahren, er habe vorerst nicht reagiert, zumal er annehmen konnte, daß er ihm den Vorrang geben werde. Er sei fast gestanden. Der Beschuldigte habe jedoch nicht angehalten, sondern er sei ganz langsam in die Kreuzung eingerollt und er habe daraufhin ca 20 m vor der Kreuzung eine Vollbremsung durchführen müssen. Eine genaue Angabe hiezu könne er jedoch heute nicht mehr machen. Er habe sein Fahrzeug leicht rechts in die Schardenberger Straße lenken müssen und sei direkt im Kreuzungsbereich zum Stehen gekommen. Herr Wagner sei knapp vor ihm noch vorbeigefahren, der Abstand habe keine zwei Meter betragen.

Beim ersten Sichtkontakt habe sich Herr W etwa ca 10 m von der Randlinie des Fahrbahnrandes entfernt auf der Schardenberger Bezirksstraße befunden. Er habe nach dem Vorfall nicht angehalten und sei Richtung Schärding weitergefahren.

Herr W sei gemütlich in die Kreuzung eingefahren, so als ob kein anderes Fahrzeug auf der bevorrangten Straße gewesen wäre. Im Kreuzungsbereich hätte zum Vorfallszeitpunkt kein Gegenverkehr geherrscht.

Herr Wagner sei zum Zeitpunkt der Vorrangverletzung max.

doppelte Schrittgeschwindigkeit gefahren, wobei er seiner Erinnerung nach ganz normal, dh auf der rechten Seite ausgefahren sei. Eine Geschwindigkeit von 90 km/h werde bestritten.

Ob ihm Autos von der Kuppe bis zum Tatort entgegengekommen seien, daran könne er sich nicht mehr erinnern, dies sei für ihn nicht relevant gewesen.

Frau Angela F führte als Zeugin aus, daß sie das Verkehrsgeschehen ebenfalls beobachtet habe. Das Fahrzeug des Beschuldigten sei ihr aufgefallen, dieses sei ganz langsam auf die Kreuzung zugefahren. Es sei in der Folge ohne anzuhalten genau so langsam Richtung Schärding auf die Schärdinger Landesstraße eingebogen. Sie habe das Fahrzeug des Herrn Wagner bemerkt, als sie aus der Kuppe auf die Kreuzung zugefahren sind. Wann ihr Gatte genau gebremst habe, könne sie nicht mehr sagen. Er habe jedenfalls eine Vollbremsung hinlegen müssen und sein Fahrzeug, nachdem er es etwas rechts lenken mußte, im Bereich der Kreuzung zum Stehen gebracht. Der Abstand zum Fahrzeug des Herrn Wagner sei, nachdem sie zum Stillstand gekommen sind, minimal gewesen. Sie selbst hätte die Reaktion nicht mehr gehabt, es wäre wahrscheinlich unweigerlich zu einem Unfall gekommen.

Ihr Gatte dürfte eine Geschwindigkeit von ca 40 bis 50 km/h eingehalten haben. Sie könne sich vorstellen, daß der Gatte bereits als er den Beschuldigten gesehen hat, die Geschwindigkeit reduziert habe. Ihr Gatte fahre immer sehr vorsichtig, insbesondere, da Kinder im Auto waren.

Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat zur Frage, ob im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt von einer Vorrangverletzung durch den Beschuldigten ausgegangen werden kann oder nicht, nachstehendes Gutachten erstellt:

"Nach den Angaben des Berufungswerbers hat sich dieser etwa auf Kreuzungsmitte befunden und er hat das bevorrangte Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca 70 km/h in einer Entfernung von 75 bis 80 m gesehen. In der Folge gibt der Berufungswerber an, daß das bevorrangte Fahrzeug 40 m vor der Kreuzung gestanden ist. Die Angaben sowohl des Berufungswerbers als auch der Zeugen hinsichtlich der Abbremsung sind gleich und es wurde eine Vollbremsung behauptet. Legt man nun den Angaben aufgrund der Fahrbahnverhältnisse und der Fahrbahnbeschaffenheit (Bitukiesschicht) eine Vollbremsverzögerung von 7,5 m/sec 2 zugrunde, dann errechnet sich, daß bei einer Reaktionszeit von 0,8 sec, einer Bremsschwellzeit von 0,2 sec, der Anhalteweg aus dieser Geschwindigkeit 42 m betragen hätte.

Der Reaktionspunkt wäre daher 42 m vor dem Stillstand des Fahrzeuges gelegen. Unter Hinzurechnung des Abstandes bis zur Kreuzung hätte der bevorrangte Fahrzeuglenker ca 82 m vor der Kreuzung die Erkennungsphase abgeschlossen und die Reaktion eingeleitet haben müssen. Nach den Angaben des bevorrangten Lenkers sei dieser eine Geschwindigkeit von 30 bis 50 km/h gefahren. Er hätte den vorrangverletzenden Fahrzeuglenker bzw den Berufungswerber aus einer Entfernung von 80 m gesehen, wobei sich dieser noch 10 m von der Kreuzung entfernt befunden hat. Der benachrangte Fahrzeuglenker fuhr langsam in die Kreuzung ohne anzuhalten ein.

Über Befragen gab der Zeuge an, daß der benachrangte Lenker etwa doppelte Schrittgeschwindigkeit gefahren ist. Zum Zurücklegen der Wegstrecke bis zur Kreuzung hätte demnach der benachrangte Lenker eine Zeit von 5 sec benötigt und der bevorrangte Lenker hätte sich bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h auf ca 40 m genähert. Wenn er in der Folge reagiert hätte und eine Vollbremsung eingeleitet hätte, dann hätte der Anhalteweg bei einer Vollbremsverzögerung von 7,5 m/sec 2 einer Reaktionszeit von 0,8 sec und einer Bremsschwellzeit von 0,2 sec 12 m betragen und er wäre daher 27 m vor der Kreuzung zum Stillstand gekommen. Aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h ergibt sich, daß sich der bevorrangte Lenker während der Annäherungszeit dem benachrangten um 69 m der Kreuzung genähert hätte und daher nur mehr 11 m von dieser entfernt gewesen wäre als er zu reagieren begann, wobei es innerhalb der Reaktionszeit, in der das Fahrzeug bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h 11 m zurücklegt, zur Kollision gekommen wäre. Weitere Angaben machte der bevorrangte Lenker noch in der Richtung, daß er etwa 2 m vor dem benachrangten Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist. Dies deckt sich aber mit einer weiteren Angabe nicht, da er weiters anführte, daß der Berufungswerber seinen rechten Fahrbahnstreifen zum Einbiegen in die bevorrangte Straße benützte. Der Kreuzungstrichter weist eine Breite von 24 m auf und es ist eine Teilung in Ein- und Ausfahrtsspur vorgenommen, sodaß in der Mitte etwa 12 m für beide Richtungen vorhanden sind. In der Natur gab der als Zeuge vernommene bevorrangte Lenker an, daß sein Fahrzeug etwa 2 m nach Ende des Kreuzungstrichters gestanden ist und dies würde wiederum bedeuten, daß er 10 m vor dem benachrangten Fahrzeug zum Stillstand kam. Geht man von den Angaben des Berufungswerbers aus, dann hätte er den bevorrangten Lenker mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h auf eine Entfernung von 80 m bemerkt. Unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von 0,8 sec würde der Reaktionsweg 15,5 m betragen, sodaß eine Restbremsstrecke von 64,5 m zur Verfügung gestanden wäre. Innerhalb dieser Strecke hätte der bevorrangte Lenker sein Fahrzeug mit knapp drei Meter/sec 2 (2,9 rechnerischer Wert) abbremsen müssen, um vor dem benachrangten Fahrzeug zum Stillstand zu kommen. Dazu hätte er eine Zeit von 6,4 sec benötigt und während dieser Zeit wäre das Fahrzeug des benachrangten Lenkers aus dem Kreuzungsbereich gewesen.

Aufgrund der vorliegenden Aussagen und Berechnungen kann abschließend gutachtlich gesagt werden, daß wenn der bevorrangte Lenker seine Geschwindigkeit an sich bei Querung des benachrangten Fahrzeuges geringfügig vermindert hätte, wobei er dies durch leichtes Betätigen der Betriebsbremse erreicht hätte und außerdem nur über einen Zeitraum von 3,5 sec, wäre durch das Einfahren des benachrangten Lenkers auch bei einer Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h ein Unfall vermieden worden." Ergänzend hat er ausgeführt, daß es richtig sei, daß der Berufungswerber den Anzeiger ca 20 m vorher sehen hätte müssen bzw daß der Anzeiger die Bremse betätigen mußte.

I.6. In freier Beweiswürdigung hat der O.ö. Verwaltungssenat unter Zugrundelegung des bei der mündlichen Berufungsverhandlung hervorgekommenen Beweisergebnisses hinsichtlich des Sachverhaltes wie folgt erwogen:

Die Angaben des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen basieren auf den Aussagen des Berufungswerbers einerseits bzw der Zeugen andererseits.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß naturgemäß die Angaben über Vorgänge, welche im Zuge eines Verkehrsgeschehens wahrgenommen werden, nicht exakte Positionsangaben zu jeder Phase des Geschehens enthalten können. So mag es auch zutreffen, daß aufgrund der diversen Angaben ein zu beurteilendes Geschehen rein wissenschaftlich betrachtet unmöglich sein kann. Im jeweiligen konkreten Falle hat jedoch zur Beurteilung des Geschehens neben rein wissenschaftlichen Fakten auch das von Zeugen tatsächlich wahrgenommene Geschehen miteinzufließen.

Rekonstruiert man nun an Hand der Verfahrensunterlagen das Geschehen zum Tatzeitpunkt, so ist den Belastungszeugen bei objektiver Betrachtung keine falsche Darstellung des Sachverhaltes im Hinblick auf das Verhalten des Berufungswerbers zum Vorfallszeitpunkt zu unterstellen, wobei auch zu berücksichtigen ist, daß diese über die rechtlichen Konsequenzen einer falschen Zeugenaussage belehrt wurden.

Andererseits ist aber auch festzustellen, daß der Berufungswerber bzw dessen Gattin einen äußerst soliden Eindruck machten. Obwohl es dem Berufungswerber als Beschuldigten freisteht, sich in jeder Richtung zu verteidigen, hatte die erkennende Behörde den Eindruck, daß es ihm sehr daran gelegen ist, den tatsächlichen Sachverhalt festzustellen, wobei naturgemäß ein gewisser Grad an Subjektivität in die Beurteilung der Aussagen miteinzubeziehen sein wird.

Berücksichtigt man nun auch die allgemeine Lebenserfahrung, so ist im konkreten Fall trotz der Tatsache, daß sich im Fahrzeug des Anzeigers dessen Kinder befunden haben, kein konkreter Anhaltspunkt dafür gegeben, daß er als bevorrangter Straßenbenützer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit (60 km/h) unterschritten hätte. Die Angaben der Zeugen, sie wären zum konkreten Zeitpunkt lediglich mit einer Geschwindigkeit von ca 30 bis 50 km/h gefahren, dürften unter diesen Umständen doch eher auf subjektiven Empfindungen beruhen. Vielmehr ist zur Frage der vom Anzeiger gefahrenen Geschwindigkeit den Angaben des Berufungswerbers, welchem im Hinblick auf seine langjährige Praxis als Personenkraftwagenlenker eine entsprechende Schätzung der Geschwindigkeit eines sich im Querverkehr befindlichen Fahrzeuges ohne weiters zugetraut werden kann, Glauben zu schenken, wonach Herr Furtner mit etwa 70 km/h unterwegs gewesen ist. Die Straßenverhältnisse am Vorfallsort lassen eine solche Geschwindigkeit keineswegs als unmöglich erscheinen.

In seinem Gutachten hat nun der Amtssachverständige zwar dargelegt, daß bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h dann, wenn der bevorrangte Lenker seine Geschwindigkeit nur geringfügig durch leichtes Betätigen der Betriebsbremse geringfügig vermindert hätte, ein Unfall vermieden worden wäre. Diesen Angaben liegt jedoch zugrunde, daß der Anzeiger sofort ab dem Zeitpunkt des Erkennens des Querverkehrs, ds im vorliegenden Falle 80 m, den Verzögerungsvorgang (inkl.

Reaktionszeit) eingeleitet hätte.

Den Angaben des Anzeigers zufolge hat sich jedoch der Berufungswerber sehr langsam der Kreuzung genähert und es konnte der Anzeiger daher grundsätzlich vorerst gemäß dem Vertrauensgrundsatz (§ 3 StVO 1960) davon ausgehen, daß der sich im Nachrang befindliche Fahrzeuglenker sein Fahrzeug zum Stillstand bringen werde. Erst als er erkennen mußte, daß das sich im Querverkehr befindliche Fahrzeug nicht angehalten werde, war der Anzeiger dann gezwungen, sein Fahrzeug abzubremsen, wobei naturgemäß eine Kollision durch bloßes leichtes Betätigen der Betriebsbremse nicht mehr erreicht worden wäre. Diese Folgerung ist aus den schlüssigen und nicht mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen in Widerspruch stehenden Berechnungen des Amtssachverständigen in klarer Weise abzuleiten.

Zusammenfassend ist daher als erwiesen anzunehmen, daß der Berufungswerber trotz Querverkehr von der Schardenberger Landesstraße nach links in die Schärdinger Bezirksstraße eingebogen ist und er dabei den Anzeiger zum Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt hat.

I.7. Unter Zugrundelegung des sich aus dem vorliegenden Beweisergebnis resultierenden Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich rechtlich erwogen:

Ist vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" angebracht, so haben gemäß § 19 Abs.4 StVO 1960 sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang.

Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) darf gemäß § 19 Abs.7 leg.cit. durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß aus der Sicht des Berufungswerbers auf der Schardenberger Bezirksstraße vor der Kreuzung mit der Schärdinger Landesstraße das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" angebracht ist und er somit den Anzeiger durch sein Einbiegen weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken seines Fahrzeuges nötigen durfte.

Wenn auch, jedenfalls nach der Rechtsprechung des OGH (vgl.

etwa 6.10.1981, ZVR 1982/243) eine Verletzung des § 19 Abs.7 nicht vorliegt, wenn der Vorrangberechtigte nur eine geringfügige Ermäßigung seiner Geschwindigkeit vornehmen muß, so ist im vorliegenden Falle doch davon auszugehen, daß durch eine geringfügige Reduzierung der Geschwindigkeit eine Kollision nicht mehr vermieden worden wäre. Wie bereits unter Punkt 1.6. dargelegt wurde, war zur Kollisionsvermeidung zumindest eine mittlere Betriebsbremsung erforderlich. Eine solche Bremsung sieht auch der OGH (vgl. 24.3.1981, ZVR 1981/274) als Nötigung zum unvermittelten Bremsen iSd § 19 Abs.7 StVO 1960 an.

Entsprechend dem oben dargelegten Beweisverfahren nimmt daher die erkennende Behörde die dem Berufungswerber vorgeworfene Verwaltungsübertretung als erwiesen an.

Zum Verschulden ist festzustellen, daß hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung ein fahrlässiges Verhalten genügt. Subjektive Gründe, welche ein Verschulden des Berufungswerbers an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift dem Grunde nach ausschließen würden, wurden nicht behauptet und sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Der Berufungswerber hat daher die vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch zu vertreten.

Die vorgenommene Spruchkorrektur war zur Konkretisierung des Strafvorwurfes erforderlich. Sie war zulässig, da diese Umstände dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen wurden und auch eine allfällige Doppelbestrafung auszuschließen ist.

I.8. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Bestimmung des § 21 Abs.1 VStG die Behörde nicht zu Ermessensausübung ermächtigt (vgl. etwa VwGH 26.5.1986, 86/08/0042 ua).

Diese Bestimmung ist somit als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen der entsprechenden Kriterien von der Strafe abzusehen bzw mit einer Ermahnung vorzugehen. Für die Annahme, daß der Behörde in Fällen, in denen die tatbestandsbezogenen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG erfüllt sind, eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Strafausspruch und dem Absehen von der Strafe offenstehe, bleibt bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung kein Raum (vgl. VwGH 28.10.1980, 283, 264/80).

Dazu ist zunächst festzustellen, daß, wie die belangte Behörde völlig zu Recht ausgeführt hat, die gegenständliche Verwaltungsübertretung allgemein zu den schwerwiegendsten Verstößen straßenpolizeilicher Vorschriften zählt.

Dementsprechend ist die Verhängung einer Geldstrafe im Ausmaß von nur 10 % der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe (bis zu 10.000 S) grundsätzlich durchaus nicht unangemessen.

Im vorliegenden Falle ist jedoch davon auszugehen, daß die Schuld des Berufungswerbers als äußerst gering anzusehen ist.

Er vermittelte im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung den Eindruck eines überaus soliden und sorgfältigen Menschen, von dem zu erwarten ist, daß er normalerweise sich den rechtlichen Anordnungen bedingungslos unterwirft. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, der Anzeiger hat offensichtlich die erlaubte Höchstgeschwindigkeit geringfügig überschritten bzw etwas zu spät reagiert, wollte der Berufungswerber noch vor dem Querverkehr die Kreuzung passieren. Offenbar ist es ihm bei diesem Vorgang nicht gelungen, das Verhalten des sich im Querverkehr befindlichen Fahrzeuglenkers entsprechend abzuschätzen. Das strafbare Verhalten des Berufungswerbers kommt aufgrund dieser Umstände nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenates beinahe einer "entschuldbaren Fehlleistung" gleich und ist so sein Verschulden jedenfalls als geringfügig iSd zitierten Gesetzesbestimmung anzusehen.

Nachdem es letztlich auch zu keinem Unfall gekommen ist, hat die Tat auch keine bedeutenden Folgen nach sich gezogen.

Aufgrund der dargelegten Überlegungen vertritt der O.ö.

Verwaltungssenat die Ansicht, daß im vorliegenden konkreten Falle generalpräventive Überlegungen hintanzustellen sind und daher mit einer bloßen Ermahnung das Auslangen gefunden werden kann. Diese Bestrafung scheint geeignet den Berufungswerber in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam zu machen und ihn dadurch von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten.

II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Kisch

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