Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102316/14/Bi/Fb

Linz, 26.04.1995

VwSen-102316/14/Bi/Fb Linz, am 26. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Johann H, vom 4. Oktober 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30. August 1994, VerkR96-11160-1994, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 11. April 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Schuldspruch im Punkt 1) mit der Maßgabe bestätigt wird, daß die Überholgeschwindigkeit ca 80 km/h betragen hat.

Die Geldstrafe wird auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt.

Im Punkt 2) wird der Berufung zur Gänze Folge gegeben und das Verfahren eingestellt.

II. Der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich im Punkt 1) auf 100 S; weitere Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 45 Abs.1 Z1 und 19 VStG, §§ 20 Abs.2, 52a Z10a und 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 und 2) §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 3.000 S und 2) 2.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 120 und 2) 96 Stunden verhängt, weil er am 18. April 1994 um 21.25 Uhr den PKW auf der Tanzboden Bezirksstraße von Richtung Ottnang/Hausruck in Richtung Eberschwang gelenkt und im Ortsgebiet Englfing den PKW mit mindestens 100 km/h überholt habe.

1) Habe er dadurch die für das Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h überschritten.

2) Sei er im Bereich der folgenden 70 km/h und 50 km/h-Beschränkungen ebenfalls mit 100 km/h gefahren.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 550 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 11. April 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, des Meldungslegers BI Josef S sowie des technischen Sachverständigen Ing. Stefan H durch geführt.

3. Der Rechtsmittelwerber bringt vor, er habe bereits in der schriftlichen Rechtfertigung vom 21. August 1994 geltend gemacht, daß er die ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen bestreite. Die Geschwindigkeitsangaben des Meldungslegers seien insofern unrichtig, als ein Überholvorgang beginnend mit 100 km/h und beschleunigend auf 120 km/h im Bereich des Elektrohauses Seiringer seines Erachtens nach unmöglich sei, weil die Straße bergauf führe und eine Kurve beschreibe. Außerdem sei bei einer solchen Geschwindigkeit der Überholweg nicht ausreichend, um ein gefahrloses Einordnen unter Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände zu gewährleisten. Ein knappes Auffahren oder Schneiden habe aber nicht stattgefunden, da dies wohl angezeigt worden wäre. Ein Überholvorgang beginnend mit 50 km/h und auf ca 70 km/h beschleunigend sei denkbar, insbesondere wenn man von der Geschwindigkeit des Meldungslegers von 40 km/h ausgehe. Eine Geschwindigkeit von 120 km/h im Bereich der darauffolgenden Beschränkungen sei er nicht gefahren.

Fraglich sei, wie der Meldungsleger die Übertretungen festgestellt haben solle, wobei diesem nur unter erheblicher Überschreitung der von ihm selbst gefahrenen Geschwindigkeit möglich gewesen wäre, ihm zu folgen.

Er ersuche um Nachsicht für die möglicherweise beim Überholvorgang begangene Geschwindigkeitsüberschreitung von ca 10 bis 20 km/h, wobei er weiters darauf hinweise, daß er in den letzten sieben Jahren ca 500.000 km unfallfrei und ohne nennenswerte Strafen zurückgelegt habe.

Er beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von 18.000 S, sei sorgepflichtig für vier Kinder (9.040 S) und besitze weder Vermögen noch ein Kraftfahrzeug.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber gehört, der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen, ein Ortsaugenschein im angegebenen Bereich der Tanzboden Bezirksstraße durchgeführt und auf dieser Grundlage ein Gutachten durch den technischen Amtssachverständigen Ing. Hamminger erstellt wurde.

4.1. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 18. April 1994 um 21.25 Uhr den PKW auf der Tanzboden Bezirksstraße aus Richtung Ottnang kommend in Richtung Eberschwang. Im Ortsgebiet von Englfing fuhr zum selben Zeitpunkt der Meldungsleger mit seinem Privat-PKW in Richtung Eberschwang, wobei der Rechtsmittelwerber im Bereich der Zufahrt zum Elektrogeschäft Seiringer zum Überholen ansetzte und den Überholvorgang im Bereich des Beginns der 70 km/h-Beschränkung beendete.

Der Meldungsleger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung zeugenschaftlich vernommen angegeben, er könne sich erinnern, daß er sein Fahrzeug, einen Audi 80, den er nicht mehr besitze, interessehalber mit dem Radargerät überprüft habe, wobei sich eine 10%ige Tachoabweichung bei beinahe jeder gefahrenen Geschwindigkeit ergeben habe. Der Tachometer habe um etwa 10 % mehr angezeigt, als er tatsächlich gefahren sei. Er sei damals, soweit er sich erinnern könne, ca 50 km/h gefahren und habe nicht versucht, dem ihn überholenden PKW nachzufahren, weil dies bei 70 PS nicht möglich gewesen wäre. Er habe die Geschwindigkeit des überholenden PKW auf 100 km/h geschätzt, und zwar aufgrund des raschen Abschlußes des Überholmanövers. Er habe bei der 70 km/h-Beschränkung auf 70 km/h beschleunigt.

In weiterer Folge habe er, als er über die Kuppe hinaufgekommen sei, beim Konsum in Holzleithen die Rücklichter des PKW gesehen und aufgrund der Entfernung der Rücklichter die Geschwindigkeit mit 120 km/h geschätzt. Zu dieser Zeit sei sonst niemand unterwegs gewesen und es bestehe keine Einsichtsmöglichkeit auf den obigen Straßenabschnitt, bevor man auf die Kuppe komme. Hätte ihn der Angezeigte beim Wiedereinordnen nach dem Überholmanöver geschnitten, hätte er dies mit Sicherheit in die Anzeige hineingeschrieben.

Der technische Sachverständige hat nach Besichtigung und Ausmessung der Überholstrecke ausgeführt, daß der Überholweg von Strkm 5,861 (Auffahrt zum Elektrogeschäft) bis km 5,736 (Beginn der 70 km/h-Beschränkung) reichte und damit eine Länge von 125 m hatte. Da der Meldungsleger ein korrektes Ausscheren und Wiedereinordnen bestätigt hat, gelangt der technische Sachverständige unter Zugrundelegung einer Fahrzeuglänge von jeweils 5 m bei korrekten Sicherheitsabständen zu einem reduzierten Überholweg von 46 m. Er führt weiters aus, daß bei einer Geschwindigkeitsdifferenz von 30 km/h (8,3 m/sec) ein Zeitbedarf von 5,54 sec für den Überholvorgang entsteht. Ein 80 km/h schnell fahrendes Fahrzeug legt in dieser Zeit eine Strecke von 123 m zurück, was in diesem Fall zugleich den Überholweg zwischen den angegebenen Kilometern betrage.

Zum Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung im Bereich der darauffolgenden Geschwindigkeitsbeschränkungen gelangt der Sachverständige zu der Auffassung, daß eine Geschwindigkeitsüberhöhung nur durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand nachvollzogen werden könne. Durch den Beschleuni gungsvorgang des Beschuldigtenfahrzeuges und durch den Straßenverlauf, der keine ständige Beobachtung durch den Meldungsleger erlaubte (Kurven, Bauobjekte, Kuppen), seien die Voraussetzungen für eine Geschwindigkeitsfeststellung mittels Nachfahren nicht erfüllt.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Hinsichtlich Punkt 1) des Straferkenntnisses hat das durchgeführte Beweisverfahren zweifelsfrei ergeben, daß der Rechtsmittelwerber den Überholvorgang mit ca 80 km/h durchgeführt hat, was einer Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h entspricht. Er hat zugestanden, eine Geschwindigkeit von 70 km/h eingehalten zu haben, sodaß der vom Sachverständigen auf der Grundlage des Beweisverfahrens errechnete Geschwindigkeitswert nachvollziehbar ist.

Auf dieser Grundlage gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber den ihm nunmehr in modifizierter Weise zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängte Strafe aus mehreren Gründen als überhöht anzusehen ist. Zum einen war eine Herabsetzung der Strafe aufgrund der um 20 km/h geringeren Geschwindigkeitsüberschreitung gerechtfertigt, zum anderen hat der Rechtsmittelwerber die Übertretung bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens im wesentlichen zugestanden. Im übrigen ist die von der Erstinstanz als erschwerend gewertete Vormerkung mittlerweile getilgt, sodaß von der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers auszugehen ist, die ebenfalls einen wesentlichen Milderungsgrund darstellt. Erschwerend war im gegenständlichen Fall nichts zu berücksichtigen.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, als auch ist sie den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers angemessen (siehe oben). Die verhängte Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis 10.000 S, Ersatzfreiheitsstrafen bis zwei Wochen vor) und soll den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der Geschwindigkeitsbestimmungen anhalten.

Hinsichtlich Punkt 2) des Straferkenntnisses gelangt der unabhängige Verwaltungssenat auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens zu der Auffassung, daß eine zweifelsfreie Feststellung der dem Rechtsmittelwerber vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung aufgrund der örtlichen Gegebenheiten auszuschließen ist, wobei der unabhängige Verwaltungssenat auch insbesondere daran Zweifel hegt, ob eine Geschwindigkeitsschätzung allein aufgrund der in einiger Entfernung sichtbaren Rücklichter überhaupt möglich ist. Auch das Argument des Rechtsmittelwerbers, es müsse sich dabei nicht zwingend um die Rücklichter des von ihm gelenkten PKW gehandelt haben, ist nicht von der Hand zu weisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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