Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102318/12/Bi/Fb

Linz, 22.12.1994

VwSen-102318/12/Bi/Fb Linz, am 22. Dezember 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Engelbert G, vom 13. Oktober 1994 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 26. September 1994, VU/S/4144/93, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 15. Dezember 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis in beiden Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 11 Abs.1, 11 Abs.2 und 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 11 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 und 2) §§ 11 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) und 2) je 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) und 2) je 12 Stunden verhängt, weil er am 8. September 1993 um 8.20 Uhr in Linz auf der Wiener Straße auf Höhe des Hauses Nr. 194 stadteinwärts den LKW mit Anhänger gelenkt und 1) den Fahrstreifen gewechselt habe, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, und 2) die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung anderen Straßenbenützern, die sich auf den Vorgang einzustellen hatten, nicht angezeigt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 15. Dezember 1994 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers sowie der Zeugen Michaela R, Adil M und Manfred G durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz hat sich entschuldigt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe sehr wohl vor dem Fahrstreifenwechsel links in den Spiegel und auch über die Schulter geschaut und dann zu blinken begonnen. Er habe auf dem linken Fahrstreifen kein Fahrzeug bemerkt, habe aber vorher sehr wohl gesehen, daß hinter ihm auf dem rechten Fahrstreifen der von Michaela R gelenkte PKW und dahinter der von Adil M gelenkte Firmen-LKW der Gebrüder W fuhren. Er sei der Meinung gewesen, beide Fahrzeuge befänden sich noch hinter ihm auf dem rechten Fahrstreifen. Er habe von einem Unfall absolut nichts bemerkt. Beim Fahrstreifenwechsel und bei der Vorbeifahrt am Fahrzeug der Müllabfuhr habe er gleichzeitig auf eventuell sich hinter diesem befindliche Personen geachtet. Er habe mit dem LKW einen Kompressor gezogen (Kennzeichen), der mit einer kompletten Lichtanlage ausgestattet sei, sodaß der von ihm mit Sicherheit eingeschaltete Blinker für einen eventuellen Nachfolgeverkehr erkennbar sein mußte. Ihm sei absolut nichts aufgefallen, daß ihn jemand auf einen Unfall aufmerksam machen habe wollen. Der Abstand zu seinem LKW sei offenbar eingehalten worden, auf die Abstände zwischen den Fahrzeugen hinter ihm habe nicht er zu achten.

Der Rechtsmittelwerber beantragt daher die Aufhebung des Straferkenntnisses in beiden Punkten und Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der sowohl der Rechtsmittelwerber gehört, als auch die oben angeführten Personen zeugenschaftlich einvernommen wurden.

Folgender Sachverhalt wird der Rechtsmittelentscheidung zugrundegelegt:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 8. September 1993 um ca 8.20 Uhr den LKW, mit dem der Kompressor gezogen wurde, auf der Wiener Straße im Bereich der Kreuzung mit der Salzburger Straße stadteinwärts. Unmittelbar nach der unübersichtlichen Rechtskurve beim Haus Wiener Straße Nr. 194 stand auf dem rechten Fahrstreifen ein Fahrzeug der Müllabfuhr. Der Rechtsmittelwerber bremste daraufhin den LKW von ca 45 km/h auf ca 25 km/h ab und beabsichtigte, am Fahrzeug der Müllabfuhr links vorbeizufahren.

Aufgrund des Beweisverfahrens steht für den unabhängigen Verwaltungssenat fest, daß bereits auf der Wiener Straße der von der Zeugin R gelenkte PKW L (Beifahrer war der Zulassungsbesitzer Manfred G) hinter dem vom Rechtsmittelwerber gelenkten LKW fuhr, wobei bei der Betriebsausfahrt der Firma Gebrüder W der vom Zeugen Adil M gelenkte LKW nach rechts in die Wiener Straße einbog und auf dem rechten Fahrstreifen hinter den vorgenannten Fahrzeugen fuhr. Aus der Unfallsituation ergibt sich zweifelsfrei, daß die Zeugin R vor der Kreuzung mit der Salzburger Straße auf den linken Fahrstreifen gewechselt haben mußte, wobei sie laut eigenen Angaben mit einer Geschwindigkeit von ca 30 km/h etwa auf Höhe des Kompressors oder links versetzt hinter diesem unterwegs war.

Der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegende Verkehrsunfall ergab sich insofern, als der Rechtsmittelwerber im Bereich des Hauses Wiener Straße 194 auf den linken Fahrstreifen wechselte, um am abgestellten Fahrzeug der Müllabfuhr vorbeizufahren. Laut Angaben der Zeugin R kam der Fahrstreifenwechsel des Rechtsmittelwerbers für sie plötzlich und überraschend, wobei es ihr gelang, einen Zusammenstoß mit dem LKW (der Kompressor befand sich noch auf dem rechten Fahrstreifen) durch eine starke Bremsung zu verhindern. Unmittelbar darauf fuhr der offensichtlich gerade einen Wechsel vom rechten auf den linken Fahrstreifen beabsichtigende Zeuge M mit dem Firmen-LKW im Bereich des rechten hinteren Kotflügels auf den PKW R auf, wobei der Zeuge M angab, auch in seinem Fall wäre sich eine Bremsung ausgegangen, jedoch sei der LKW durch das Gewicht der Ladung etwas nach vorne gedrückt worden. Der PKW wurde im Bereich des rechten hinteren Kotflügels und an den Beleuchtungseinrichtungen (Blinker, Standlicht, Bremslicht) leicht eingedrückt, am LKW M entstand kein Schaden.

Der Zulassungsbesitzer des, PKW Manfred Gerhart, der von sich aus zur mündlichen Verhandlung erschienen ist und zeugenschaftlich vernommen wurde, schilderte den Vorfall so, daß die Zeugin R den PKW schon einige Zeit links versetzt hinter dem LKW des Rechtsmittelwerbers auf dem linken stadteinwärts führenden Fahrstreifen der Wiener Straße lenkte. Der Spurwechsel sei für ihn gänzlich überraschend erfolgt, wobei er nicht mehr sagen könne, ob er einen Blinker gesehen habe. Die Zeugin R habe das Fahrzeug sofort zum Stillstand gebracht, worauf der LKW der Gebrüder W, von dem er den Eindruck hatte, daß dieser gerade im Begriff war, den Fahrstreifen nach links zu wechseln, mit dem PKW leicht kollidierte. Ihn habe vor allem geärgert, daß der Lenker des vor ihnen befindlichen LKW weitergefahren sei, obwohl sie versucht hätten, ihn auf den Vorfall aufmerksam zu machen. Er habe sich das Kennzeichen des Kompressors gemerkt, sodaß die Ausforschung des Rechtsmittelwerbers überhaupt erst möglich wurde.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 11 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Die gedankliche Rekonstruktion des Fahrstreifenwechsels im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat zweifelsfrei ergeben, daß im Bereich der Wiener Straße vor der Unfallstelle der Rechtsmittelwerber und die Zeugin R eine ähnliche Geschwindigkeit eingehalten haben, wobei die Zeugin R sich versetzt links hinter dem Kompressor befunden haben muß. Kurz vor der Straßenstelle, an dem der Fahrstreifenwechsel durchgeführt wurde, beschreibt die Wiener Straße eine unübersichtliche Rechtskurve, darauf folgt ein kurzes gerades und übersichtliches Straßenstück, das anschließend in eine Linkskurve übergeht, bei der die Schienen der Straßenbahn von rechts nach links die Fahrbahn queren. Der Fahrstreifenwechsel ereignete sich unmittelbar am Ende der unübersichtlichen Rechtskurve, wobei das Fahrzeug der Müllabfuhr im Bereich des geraden Straßenstückes auf dem rechten Fahrstreifen stand.

Der Rechtsmittelwerber hat bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens und auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe sich sehr wohl durch einen Blick in den Rückspiegel und über die Schulter vor dem beabsichtigten Fahrstreifenwechsel davon überzeugt, daß dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, zumal ihm sowohl der hinter ihm fahrende PKW als auch der hinter diesem fahrende Firmen-LKW bekannt gewesen seien. Er habe auf dem linken Fahrstreifen niemanden wahrgenommen und, weil dieser frei gewesen sei, den Fahrstreifenwechsel durchgeführt.

Das Ergebnis des Beweisverfahrens läßt den Schluß zu, daß die Zeugin R, die angegeben hat, mit einer Geschwindigkeit von ca 30 km/h unterwegs gewesen zu sein, durch das Abbremsmanöver des Rechtsmittelwerbers (dieser verlangsamte laut eigenen Angaben seine Geschwindigkeit von 45 km/h angesichts des Müllfahrzeuges auf ca 25 km/h) diesen so weit eingeholt hat, daß sie von ihrer vorherigen Position links hinter dem Kompressor etwa auf die Höhe des LKW gelangte.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist durchaus nachvollziehbar, daß der Rechtsmittelwerber aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, nämlich der unübersichtlichen Rechtskurve, im Rückspiegel den PKW der Rechtsmittelwerberin auf dem linken Fahrstreifen nicht sehen konnte. Ein Anhaltspunkt dafür, daß er sich, so wie ihm im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen wird, in keiner Weise davon überzeugte, daß der beabsichtigte Fahrstreifenwechsel ohne Behinderung oder Gefährdung anderer Straßenbenützer möglich sein würde, war im Beweisverfahren nicht zu finden.

Aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 11 Abs.1 StVO 1960 ergibt sich nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates zwar, daß ein Fahrzeuglenker den beabsichtigten Fahrstreifenwechsel erst durchführen darf, nachdem er sich von der Gefahrlosigkeit überzeugt hat; daraus abzuleiten, daß ein Fahrzeuglenker noch während des Fahrstreifenwechsels auf eventuell sich ändernde Situationen hinter seinem Fahrzeug zu achten und gegebenenfalls den Fahrstreifenwechsel abzubrechen hätte, hält der unabhängige Verwaltungssenat schon deshalb für verfehlt, weil es einem Fahrzeuglenker schon situationsgemäß im allgemeinen unmöglich ist, gleichzeitig auf die sich vor seinem Fahrzeug ergebende Verkehrslage zu achten und gleichzeitig den Verkehr hinter sich zu beobachten.

Wenn daher der Rechtsmittelwerber eingewendet hat, er habe, nachdem er zu dem Schluß gelangt sei, daß sich links von ihm kein Fahrzeug befand, den Fahrstreifenwechsel durchgeführt und dabei gleichzeitig darauf geachtet, daß im Bereich des Fahrzeuges der Müllabfuhr, an dem er links vorbeifuhr, keine Personen auf die Fahrbahn treten bzw keine Tür geöffnet würde, so ist dem weder nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens noch in rechtlicher Hinsicht daraus ein Vorwurf zu machen.

Die Angaben der Zeugin R, der rechts vor ihr fahrende LKW sei plötzlich auf den linken Fahrstreifen gekommen, und das alles sei für sie so schnell gegangen, daß sie nur mehr darauf geachtet habe, rechtzeitig zu reagieren, zumal sich ihr Kind auf dem Rücksitz des PKW befunden habe, lassen den Schluß zu, daß auch für diese der Grund für den Fahrstreifenwechsel, nämlich das rechts abgestellte Fahrzeug der Müllabfuhr, nicht einsehbar war, sodaß die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers von der mangelnden Erkennbarkeit des PKW im Rückspiegel bzw beim Blick über die linke Schulter für den unabhängigen Verwaltungssenat durchaus nachvollziehbar ist. Aus diesen Überlegungen war im Zweifel zugunsten des Rechtsmittelwerbers spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 11 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.

Der Rechtsmittelwerber hat ausgeführt, der angehängte Kompressor verfüge über eine komplette Lichtanlage, sodaß der von ihm mit Sicherheit eingeschaltete linke Blinker sowohl auf dem LKW als auch auf dem Kompressor für den Nachfolgeverkehr erkennbar sein hätte müssen. Er habe vor Fahrtantritt die Funktionstüchtigkeit der Blinker überprüft.

Es könne durchaus sein, daß er - zumal auch er vom abgestellten Fahrzeug der Müllabfuhr auf den rechten Fahrstreifen unmittelbar nach der unübersichtlichen Kurve überrascht war - den beabsichtigten Fahrstreifenwechsel nach links etwas zu kurz angezeigt habe.

Die Zeugen R, M und Gerhart haben übereinstimmend angegeben, es könne durchaus sein, daß am LKW bzw am Kompressor der Blinker eingeschaltet gewesen sei; sie könnten sich daran nicht erinnern, es aber auch nicht ausschließen.

Der Tatvorwurf des Rechtsmittelwerbers laut Spruch des Straferkenntnisses lautet nicht darauf, daß dieser den beabsichtigten Fahrstreifenwechsel nach links nicht rechtzeitig angezeigt hätte, sondern er lautet darauf, daß dieser den Vorgang nicht angezeigt hätte. Für die Verwirklichung dieses Tatbestandes ergab das Ergebnis des Beweisverfahrens keinerlei Anhaltspunkte, sodaß auch diesbezüglich im Zweifel für den Rechtsmittelwerber spruchgemäß zu entscheiden war.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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