Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102511/14/Ki/Shn

Linz, 06.04.1995

VwSen-102511/14/Ki/Shn Linz, am 6. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Franz W, vom 3. Jänner 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 16. Dezember 1994, Zl.VerkR96-1717-1993-Win-Kne, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4. April 1995 zu Recht erkannt:

I: Hinsichtlich Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Berufung stattgegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Der Berufung gegen die Höhe der Strafe hinsichtlich Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses wird dahingehend stattgegeben, daß die Geldstrafe auf 1.200 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt werden.

II: Hinsichtlich Faktum 1 entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Hinsichtlich Faktum 2 wird der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde auf 120 S herabgesetzt; diesbezüglich ist kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: §§ 64 Abs.1 und 2, 65 und 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 16. Dezember 1994, VerkR96-1717-1993-Win-Kne, dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe 1) am 04.06.1993 um ca 09.40 Uhr den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen auf der R Bundesstraße Nr.127 von Rohrbach, , kommend in Richtung gelenkt und bei Strkm 55,400 im Gemeindegebiet von S in einer unübersichtlichen Kurve und Bergkuppe ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt.

2) Habe er weiters zu der unter Ziffer 1 angeführten Zeit den PKW im Ortsgebiet von S mit einer Geschwindigkeit von 84 km/h gelenkt.

Er habe dadurch 1) § 16 Abs.2 lit.b und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) § 20 Abs.2 und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verletzt und es wurden über den Berufungswerber hinsichtlich Punkt 1) eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) bzw hinsichtlich Punkt 2) eine Geldstrafe von 1.300 S (Ersatzfreiheitsstrafe 78 Stunden) verhängt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens von insgesamt 230 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 3. Jänner 1995 Berufung mit dem Antrag, den Straftatbestand 1) ersatzlos zu beheben und die wegen der 2) Übertretung verhängte Geldstrafe deutlich herabzusetzen.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, verbunden mit einem Lokalaugenschein, am 4. April 1995 Beweis erhoben. Bei dieser Berufungsverhandlung wurden der Berufungswerber sowie als Zeugen Frau Helmtraut W, GI Günther F und RI Johannes P einvernommen. Weiters haben an der Verhandlung der Rechtsvertreter des Berufungswerbers sowie als straßenverkehrstechnischer Amtssachverständiger Ing.

Christian M teilgenommen. Seitens der belangten Behörde ist zur Verhandlung kein Vertreter erschienen.

I.5. Der Berufungswerber hat bei seiner Einvernahme im wesentlichen ausgesagt, daß das Gendarmeriedienstfahrzeug den verfahrensgegenständlichen Bahnübergang mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h passiert hat. Das Gendarmeriedienstfahrzeug sei in der Folge noch langsamer gefahren und dann etwas Richtung Steinbruch W eingebogen. Er habe das Überholmanöver bei km 55,290 begonnen und dieses bei km 55,340 abgeschlossen gehabt. Er habe den Bahnübergang etwa 9 bis 10 m hinter dem Gendarmeriedienstfahrzeug passiert und betrug seine ursprüngliche Geschwindigkeit natürlich ebenfalls lediglich 20 km/h. Sein Fahrzeug (Opel Senator, 204 PS, 3,6 l) beschleunige innerhalb weniger Sekunden auf 100 km/h, sodaß ein Überholen problemlos möglich war. Nachdem er das Überholmanöver fast abgeschlossen hatte, habe der Lenker des Dienstfahrzeuges plötzlich beschleunigt.

Frau W führte nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht als Zeugin aus, daß sie sich zwar nicht mehr erinnern könne, wo das Überholmanöver tatsächlich stattgefunden habe, sie fühle sich aber immer sicher im Fahrzeug ihres Gatten und dieser würde nie vor unübersichtlichen Kuppen überholen. Es sei ihr auch zum Vorfallszeitpunkt das Verhalten ihres Ehegatten nicht riskant vorgekommen.

Die beiden Gendarmeriebeamten konnten sich zwar an den Vorfall noch erinnern, sie waren aber nicht mehr in der Lage anzugeben, wo exakt das Überholmanöver des Berufungswerbers begonnen bzw geendet hat. Sie haben diesbezüglich lediglich auf die Angaben im Verfahrensakt verweisen können.

Der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, daß nach Maßgabe der Angaben des Berufungswerbers im vorliegenden Falle ein Überholvorgang unter Beachtung der normativen Voraussetzungen gemäß StVO möglich gewesen wäre, da die erforderliche Überholsicht ohne Behinderung des Gegenverkehrs kleiner ist (279 m) als die vorhandene Überholsichtweite (300 m).

I.6. In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die Angaben des Berufungswerbers im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Überholvorgang durchaus schlüssig sind. Darüber hinaus vermittelte der Berufungswerber bei der mündlichen Verhandlung den Eindruck, daß es ihm wohl daran gelegen ist, an einer ordnungsgemäßen Klärung des vorliegenden Sachverhaltes mitzuwirken. Diese Auffassung wird bekräftigt durch die Aussage der als Zeugin einvernommenen Gattin des Berufungswerbers, welche den gegenständlichen Überholvorgang in keiner Weise negativ in Erinnerung hatte. Andererseits konnten sich die beiden Gendarmeriebeamten bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht mehr erinnern, wo konkret der Überholvorgang stattgefunden hat. Im Hinblick auf die gebotene Unmittelbarkeit des Berufungsverfahrens (§ 51i VStG) können jedoch die im Verfahrensakt aufliegenden Unterlagen im vorliegenden Falle nicht zur Entscheidungsfindung herangezogen werden.

Das Gutachten des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen ist schlüssig und steht nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen. Es bestehen daher keine Bedenken, dieses Gutachten der Entscheidung zugrundezulegen.

I.7. Nach Würdigung der erhobenen Beweise hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht oder auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen nicht überholen.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist.

Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, so hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Wie bereits unter Punkt I.6. dargelegt wurde, konnte der unabhängige Verwaltungssenat mangels brauchbarer Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten, welche die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zur Anzeige gebracht haben, von der Berechtigung des Tatvorwurfes nicht überzeugt werden. Nach dem oben erwähnten Grundsatz "in dubio pro reo" sind daher der Entscheidungsfindung die im konkreten Falle als glaubwürdig befundenen Angaben des Berufungswerbers zugrundezulegen und hat diesbezüglich das Gutachten des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen ergeben, daß die erforderliche Überholsicht im vorliegenden Falle noch gegeben war. Es ist daher festzustellen, daß nicht hinreichend nachgewiesen werden kann, daß der Berufungswerber die vorgeworfene Verwaltungsübertretung (Faktum 1) tatsächlich begangen hat. Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat kann somit nicht erwiesen werden, es war daher diesbezüglich der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 AVG).

I.8. Was die Strafhöhe bezüglich Faktum 2 (Berufung nur gegen das Strafausmaß) anbelangt, so ist gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung, durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht offensichtlich hervor, daß die belangte Behörde mildernd lediglich das abgegebene Geständnis gewertet hat. Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen sind jedoch keine relevanten Verwaltungsstrafvormerkungen zu ersehen, weshalb auch dieser Umstand als mildernd zu bewerten ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt daher die Auffassung, daß eine Herabsetzung der Geld- bzw Ersatzfeiheitsstrafe im Hinblick auf diesen Milderungsgrund geboten ist.

Die nunmehr festgelegte Strafe (12 % des gesetzlich vorgegebenen Strafrahmens bis zu 10.000 S) stellt bei den unbestritten angenommenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen ein Mindestmaß dar, um den Beschuldigten künftighin vor weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten und es ist diese Strafe auch aus generalpräventiven Gründen notwendig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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