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VwSen-102521/3/Gu/Atz

Linz, 09.02.1995

VwSen-102521/3/Gu/Atz Linz, am 9. Februar 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Ewald LANGEDER sowie durch den Berichter Dr. Hans GUSCHLBAUER und den Beisitzer Dr. Hermann BLEIER über die Berufung des R. F., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G. W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.12.1994, Zl. VerkR-96/11967/1993/Hä, wegen dreier Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 hinsichtlich des Faktums 3 zu Recht:

Der Ausspruch zu Faktum 3 des angefochtenen Straferkenntnisses wird behoben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlagen:

§ 51e Abs.1 VStG, § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960, § 45 Abs.1 Z1 VStG.

Der Rechtsmittelwerber hat gemäß § 66 Abs.1 VStG keinerlei Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, den PKW, Kennzeichen ..., am 25.6.1993 um 5.40 Uhr in Linz in Fahrtrichtung stadteinwärts auf der Waldeggstraße gelenkt zu haben, wobei er 1. nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden zunächst der Hausnummer ..

als ursächlich unfallsbeteiligter Fahrzeuglenker nicht sofort angehalten habe und 2) auch nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt habe und ferner 3) sich in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und entgegen der, von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan, an ihn gerichteten Aufforderung am 25.6.1993 um 13.12 Uhr, Wiener Straße 36, 4061 Pasching, die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert habe.

Wegen Verletzung 1. des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 2. des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 3. des § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 wurden über den Rechtsmittelwerber Geldstrafen von 1. 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) 2. 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) 3. 11.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) verhängt und der Rechtsmittelwerber zur Zahlung von 10%igen Verfahrenskostenbeiträgen verpflichtet.

In ihrer umfangreichen Begründung führt die erste Instanz unter Heranziehung verwaltungsgerichtlicher Judikatur zu Punkt 3) des angefochtenen Straferkenntnisses aus, daß die Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung nicht nur aufgrund eines auffälligen Unfallgeschehens, sondern durch die Wahrnehmungen des Unfallszeugen F. M., dem eine ziemlich unsichere Haltung des Lenkers aufgefallen sei und durch die Festellungen des Anzeigelegers, daß der Beschuldigte starkes Lallen aufgewiesen habe, gerechtfertigt sei.

Daß die Aufforderung zu einem Alkomattest erst 7 1/2 Stunden nach dem Fahrzeuglenken an dem Beschuldigten erging, erscheine unbedenklich, da dieser Zeitraum ausschließlich durch das Fehlverhalten des Beschuldigten, der ausgeforscht werden mußte, entstanden sei und andererseits eine zur Unfallszeit vorgelegene Alkoholbeeinträchtigung sich gegebenenfalls unter Zugrundelegung eines ärztlichen Gutachtens, bei dem auch ein allfälliger Nachtrunk berücksichtigt hätte werden können, sich hätte rückrechnen lassen. Unter Heranziehung des medizinisch bekannten Alkoholabbaues von mindestens 0,1 % pro Stunde hätte, im Fall eines einen Restalkohol anzeigenden gültigen Alkomatergebnisses, eine zum Unfallszeitpunkt vorliegende Alkoholbeeinträchtigung errechnet werden können. Aus diesem Grund sei die ergangene Aufforderung zum Alkomattest, auch wenn dazwischen geraume Zeit verstrichen sei, zulässig gewesen.

Gegen die telefonisch ergangene Aufforderung zu einem Alkomattest bestünden keine Einwände, da der Gesetzgeber hiezu nichts verbiete.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung ficht der rechtsfreundlich vertretene Rechtsmittelwerber zunächst das gesamte Straferkenntnis an, zieht aber mit Eingabe vom 2.2.1995 die Berufung hinsichtlich der Fakten 1) und 2) zurück und verzichtet hinsichtlich des Faktums 3) auf eine mündliche Berufungsverhandlung.

Bezüglich des Faktums 3) macht die Berufung geltend, daß die bloße Tatsache, daß ein KFZ-Lenker einen Unfall erleide, für sich alleine nicht die Vermutung der Alkoholisierung zu begründen vermag (VwGH 28.2.1986, ZfVB 1986/5-6/2223; 20.1.1966, Slg. 6843/A).

Die angebliche Wahrnehmung des Unfallszeugen, welcher nicht fachkundig sei und aus größerer Distanz erfolgt sei, sei sehr vage gewesen.

Ferner sei der Verdacht auf Alkoholisierung lediglich auf ein Telefonat und nicht auf einen von einem Beamten vom Beschuldigten gewonnenen persönlichen Eindruck gestützt.

Es sei daher kein nach dem Gesetz für eine Aufforderung zum erforderlichen Alkomattest ausreichender Verdacht auf Alkoholisierung vorgelegen.

Eine Verpflichtung zur Vornahme der Atemluftprobe bestünde nur solange, als noch verwertbare Ergebnisse zu erwarten sind (ständige Rechtsprechung des VwGH z.B. 5.11.1987, 87/18/0087; 12.9.1986, 85/18/0147; 9.11.1984 ZVR 1987/49; 6.12.1985 ZfVB 1986/4/1747; 19.10.1983 ZfVB 1984/3/1140; 2.7.1982 ZfVB 1983/4/1785; 19.11.1982 ZfVB 1983/5/2359; 4.12.1981 ZVR 1983/96). Untersuchungen der Atemluft dürften nicht zeitlich unbeschränkt erfolgen, weil sie nach Ablauf größerer Zeitabstände infolge eines Alkoholabbaues keine praktisch verwertbaren Ergebnisse erbringen (VwGH 29.1.1968, 1344/67). Daher seien Atemluftuntersuchungen zu einem Zeitpunkt, zu dem keine Rückschlüsse mehr auf die Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Lenkens zu erwarten seien, unzulässig. Wenn mehr als drei Stunden nach Beendigung der Fahrt eine Atemluftprobe eingeholt werde, habe die Behörde besonders zu begründen, warum trotz der verstrichenen langen Zeit noch ein verwertbares Ergebnis zu erwarten ist. Bei einer drei Stunden nach dem Lenken erfolgten Aufforderung zur Atemluftprobe sei bei Fehlen einer besonderen Begründung die Weigerung nicht mehr strafbar.

Festzuhalten sei, daß im vorliegenden Fall die zulässige Zeitspanne zwischen dem Lenken und der Aufforderung zum Alkotest um mehr als das Doppelte überschritten wurde. Die erste Instanz habe nicht durch besondere Begründung den Schuldspruch wegen Übertretung des § 99 Abs.1 lit.b StVO untermauern können, daß aufgrund besonderer Umstände nach so langer Zeit noch verwertbare Ergebnisse zu erwarten gewesen wären. Derartige besondere Umstände seien auch tatsächlich nicht vorgelegen.

Die wenig aussagekräftige Feststellung der belangten Behörde, daß die im Unfallszeitpunkt vorliegende Alkoholbeeinträchtigung unter Heranziehung des medizinisch bekannten Alkoholabbaues von mindestens 0,1 %o pro Stunde errechnet hätte werden können, sei aufgrund ihrer Abstraktheit nicht ausreichend (VwGH 19.3.1987, ZVB 1987/2401). Die 7 1/2 Stunden nach dem Lenken ergangene Aufforderung zum Alkoholtest sei demnach rechtswidrig gewesen. Weiters sei eine telefonische Aufforderung zum Alkotest im Sinne des Gesetzes nicht ausreichend, da mangels Überprüfbarkeit der Legitimation der anrufenden Person jedwedem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet wäre. Eine telefonische Alkotestaufforderung sei bisher in der Judikatur auch noch niemals als ausreichend anerkannt worden.

Aus all diesen Gründen beantragt der Rechtsmittelwerber die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu die Herabsetzung der Strafe auf das gesetzliche Mindestmaß.

Da der Sachverhalt klar gegeben erscheint und nur Rechtsfragen zur Erörterung heranstanden, war die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entbehrlich.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Am 25.6.1993 stieß der Beschuldigte um 5.40 Uhr in Linz, von der sogenannten Westbrücke kommend, in Fahrtrichtung stadteinwärts auf der Waldeggstraße mit seinem PKW, Kennzeichen ... in der bestehenden Rechtskurve gegen die Mittelleitschiene, wurde von dieser abgelenkt und stieß an die Mauer des Hauses Waldeggstraße .., wobei das am Fahrbahnrand aufgestellte Schild "Halten verboten" ausgerissen wurde. Anschließend schleuderte das Fahrzeug auf die Fahrbahn zurück und pendelte nach rechts zum Hause Waldeggstraße .., wo der am Eingang aufgestellte Fahrrandständer gerammt wurde. Der Beschuldigte stieg aus, besah sich den Schaden, stieg ein und setzte seine Fahrt stadteinwärts bis zum Ende des Fahrbahnteilers fort, kehrte dort um und fuhr mit dem stark beschädigten Fahrzeug wiederum stadtauswärts.

Nach Ermittlung des Beschuldigten als Zulassungsbesitzer aus der Datei konnte dieser erst um 13.12 Uhr vom nachforschenden Polizeibeamten telefonisch erreicht werden.

Der Beschuldigte gab sich als Unfallslenker zu erkennen, wobei dem telefonisch nachforschenden Polizeibeamten eine lallende Sprache auffiel.

Daraufhin wurde er telefonisch zum Alkotest aufgefordert, sagte zu, daß er innerhalb einer Stunde zum Verkehrsunfallkommando kommen und den Alkotest durchführen werde, erschien aber zum vereinbarten Zeitpunkt nicht, sondern erst am 28.6.1993 und gab dann an, daß er zu müde gewesen und eingeschlafen sei.

Angesichts dieses Sachverhaltes kommt der Berufung ungeachtet der äußerst ungünstigen Optik - im Hinblick auf die herrschende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Berechtigung zu.

Abgesehen davon, daß eine Unsicherheit nach einer erheblichen Schleuderbewegung mit Anstößen an Leitschiene und Haus, wahrgenommen durch einen Zeugen, noch kein verläßliches Symptom für die Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung bildete und auch eine veränderte Sprache am Telefon - bei telefonischer Aufforderung zum Alkomattest - mit gutem Grunde nur dann ein verläßliches Symptom darstellt, wenn ein persönlicher oder anderer vorgängiger telefonischer Sprachvergleich vorliegt, fehlte es an Grundlagen, die ein verwertbares Ergebnis einer Alkomatuntersuchung nach verstrichenen 7 1/2 Stunden hätten erwarten lassen.

Die bloße Faustregel des stündlichen Alkoholabbaues von O,1 %o ist noch keine konkrete Tatsache, die eine solche Annahme rechtfertigt, insbesondere nachdem weder eine Trinkabfolge, noch ein Körpergewicht, noch ein etwaiger Genuß von Speisen bekannt war. (Die erste Instanz spricht selbst nur von einer Erwartungshaltung "für den Fall eines Alkomatergebnisses mit Restalkohol" aber gerade dieser Fall muß auf Grund bestimmter Annahmen erwartet werden können.) Aufgrund der bestehenden Zweifel der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zum Alkomattest, für deren Ausräumung in einer mündlichen Verhandlung sich kein Anhaltspunkt ergab, mußte das Straferkenntnis in seinem nunmehr nur in Faktum 3 angefochtenen Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

Dies hatte auf der Kostenseite zur Folge, daß der Rechtsmittelwerber keinerlei diesbezügliche Beiträge zu leisten hat (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Langeder

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