Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102544/14/Sch/Rd

Linz, 07.08.1995

VwSen-102544/14/Sch/Rd Linz, am 7. August 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof; Beisitzer: Mag. Gallnbrunner; Berichter: Dr. Schön) über die Berufung des WH, vertreten durch RA vom 24. Jänner 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 2. Jänner 1995, VerkR96-5125-1994-Li, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 4. Juli 1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 10.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zehn Tage herabgesetzt werden.

Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 1.000 S. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 2. Jänner 1995, VerkR96-5125-1994-Li, über Herrn WH, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von elf Tagen verhängt, weil er am 13. August 1994 um ca. 22.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der Freihuber Bezirksstraße 1052 aus Richtung Maria Schmolln kommend in Richtung Mauerkirchen bis Straßenkilometer 1,216, im Ortschaftsbereich von Brunning, Gemeinde Helpfau-Uttendorf, gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 1.100 S sowie zum Ersatz der Kosten für das Alkomatmundstück im Ausmaß von 10 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Beim Berufungswerber wurde zum Meßzeitpunkt, nämlich dem 14. August 1994 um 0.23 Uhr, ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,42 mg/l festgestellt. Diesbezüglich wurde vom Berufungswerber im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung folgende Trinkverantwortung abgegeben:

Konsumation von einem Kaffee und drei Halben Bier im Zeitraum vom etwa 19.30 Uhr bis etwa 22.30 Uhr des 13. August 1993; Reihenfolge des Getränkekonsums:

Zuerst der Kaffee, dann das Bier; Konsumation einer Halben Bier innerhalb ca. der letzten halben Stunde vor Aufbruch aus dem Gasthaus.

Im Hinblick auf die angebliche Trinkmenge an alkoholischen Getränken wurde im Rahmen der oa Berufungsverhandlung das Gutachten einer medizinischen Amtssachverständigen eingeholt. Diese kommt nach einer ausführlichen schlüssigen Berechnung zu der Ansicht, daß, ausgehend von einem Trinkbeginn des Bieres um ca. 19.45 Uhr, zum Meßzeitpunkt (nächster Tag 0.23 Uhr) ein Blutalkoholgehalt von höchstens 0,485 Promille hätte bewirkt werden können. Dem steht allerdings ein tatsächlicher Meßwert von 0,42 mg/l Atemluft gegenüber. Die medizinische Amtssachverständige kommt daher zu dem Schluß, daß die Trinkangaben des Berufungswerbers über den Alkoholkonsum unvollständig seien. Die Berufungsbehörde schließt sich dieser Aussage vollinhaltlich an, da an deren Schlüssigkeit nicht zu zweifeln ist.

Zur weiteren Trinkverantwortung des Berufungswerbers, nämlich die Abfolge des Getränkekonsums, ist folgendes zu bemerken:

Dieses Vorbringen ist erstmals in der (rechtsfreundlich verfaßten) Rechtfertigung vom 15. November 1994 enthalten.

Darin wird vorgebracht, daß der Kaffee deshalb zuerst konsumiert worden sei, weil der Berufungswerber diesen zu spät am Abend nicht trinken dürfe, da er ansonsten nicht schlafen könne.

In der vom GPK Mauerkirchen am 14. August 1994, also unmittelbar nach dem Vorfall, aufgenommenen und vom Berufungswerber unterfertigten Niederschrift ist hievon nicht die Rede. Vielmehr wurde vom Berufungswerber folgendes ausgeführt:

"Am 13.8.1994 um ca. 19.15 Uhr suchte ich das Gasthaus in der S auf. Ich trank dort bis ca. 22.30 Uhr drei halbe Liter Bier und einen Kaffee. Ich wußte, daß ich noch selber mit dem Auto nach Hause fahren muß. Ich dachte mir bereits, daß ich mit drei Bier knapp über 0,8 Promille haben dürfte ..." Die vom Berufungswerber gewählte Formulierung wird von der Berufungsbehörde so verstanden, daß zuerst das Bier und dann der Kaffee konsumiert worden seien. Es ergibt sich daher ein nicht unbeträchtlicher Widerspruch zwischen den unmittelbar nach dem Vorfall gemachten Angaben und jenen im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens.

Dafür, daß ein halber Liter Bier etwa innerhalb einer halben Stunde vor Aufbruch aus dem Gasthaus konsumiert worden sei, findet sich in der erwähnten Niederschrift keinerlei Anhaltspunkt.

§ 45 Abs.2 AVG iVm § 24 VStG normiert den Grundsatz der freien Beweiswürdigung. In diesem Zusammenhang besteht eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aus der einige Erkenntnisse wie folgt (auszugsweise) wiedergegeben werden:

Der Sinn der freien Beweiswürdigung ist nicht der, daß die Behörde die Möglichkeit hätte, bei der Beurteilung der aufgenommenen Beweise oder des Akteninhaltes nach freiem Belieben vorzugehen. Vielmehr bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, daß die Behörde nach bestem Wissen und Gewissen die aufgenommenen Beweise allein nach dem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat, ohne an normierte Beweisregeln gebunden zu sein (VwGH 18.4.1977, 2942/76).

Maßgebend für die Beweiswürdigung ist allein der innere Wert, die Überzeugungskraft der aufgenommenen Beweise (VwGH 23.5.1977, 1938/75).

Die Berufungsbehörde kann sich der vom Berufungswerber sinngemäß zum Ausdruck gebrachten Ansicht, die Glaubwürdigkeit eines einvernommenen Beschuldigten könne quasi nach Belieben aufgeteilt und beurteilt werden, nicht anschließen.

Die Trinkverantwortung des Berufungswerbers ist für den unabhängigen Verwaltungssenat vielmehr in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Stimmt ein wesentlicher Teil einer Trinkverantwortung objektiv nicht, so ist die Glaubwürdigkeit des Beschuldigten schwer erschüttert. Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber die Menge der konsumierten alkoholischen Getränke unvollständig angegeben. Auch im Hinblick auf die zeitliche Abfolge des Getränkekonsums gibt es einen nicht unbeträchtlichen Widerspruch in dessen Angaben. Würde man sich der Rechtsansicht des Berufungswerbers anschließen, nämlich seine Angaben, insoweit sie objektiv nicht stimmen können, einfach bei der Beurteilung "auszuscheiden" und zum nächsten Punkt überzugehen, könnte sich die Frage der Glaubwürdigkeit eines Beschuldigten bzw. eines Zeugen erst dann stellen, wenn sämtliche Punkte widerlegt sind. Die Berufungsbehörde vertritt vielmehr die Ansicht, daß im Falle unrichtiger Angaben in einem wesentlichen Teil des Aussageinhaltes auch die übrigen Angaben kritisch betrachtet werden müssen. Mit anderen Worten: Stimmt ein wesentlicher Teil der Trinkverantwortung, nämlich die Menge der konsumierten alkoholischen Getränke nicht, so ist es nicht unschlüssig, auch die zeitliche Abfolge des Getränkekonsums für unglaubwürdig zu halten, selbst wenn diese nicht direkt widerlegt werden kann. Die Berufungsbehörde ist daher der Meinung, daß der zeitliche Ablauf des Getränkekonsums deshalb so angegeben wurde, um eine günstige Verteidigungslinie zu finden, ohne aber Wert auf den Wahrheitsgehalt zu legen. Der Konsum einer Halben Bier innerhalb einer halben Stunde vor Antritt der Fahrt (anstelle des Kaffees) wurde vom Berufungswerber deshalb behauptet, um die Möglichkeit einer Rückrechnung unter Abzug dieser Alkoholmenge aufzutun, die - und dazu braucht es keiner besonderen Fachkenntnisse - einen BAG zum Lenkzeitpunkt von unter 0,8 Promille ergeben würde. Von einem medizinischen Amtssachverständigen können selbstredend ausgehend von einem bestimmten Alkoholwert der Atemluft und verschiedenen Mengen alkoholischer Getränke, die zum Lenkzeitpunkt noch nicht resorbiert waren, beliebig viele Berechnungen durchgeführt werden, was im Rahmen des erstbehördlichen, aber auch des Berufungsverfahrens teilweise geschehen ist. Ein solcher Umstand stellt für die Berufungsbehörde aber keinen Grund dar, die Tätereigenschaft in Frage zu stellen und den Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden.

Daraus resultiert auch die Abweisung der vom Berufungswerber gestellten Beweisanträge.

Wenn der Berufungswerber schließlich vermeint, in gleichgelagerten Fällen sei, auch von der Berufungsbehörde, im Sinn des jeweiligen Berufungswerbers entschieden worden, so kann dies, selbst wenn es zutreffen sollte, keine Veranlassung sein, stets so zu verfahren; abgesehen davon handelt es sich im Hinblick auf die angeblich gleichgelagerten Sachverhalte lediglich um eine Behauptung des Berufungswerbers, die aus den von ihm vorgelegten Unterlagen nicht zwingend abgeleitet werden kann.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Übertretungen des § 5 StVO 1960, also die sogenannten "Alkoholdelikte", gehören zu den gravierendsten Verstößen gegen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daß ein alkoholbeeinträchtigter Fahrzeuglenker eine zumindest abstrakte, oft auch konkrete, Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt.

Ausgehend vom Meßwert ist ein minimaler BAG beim Berufungswerber zum Lenkzeitpunkt von 0,99 Promille anzunehmen (siehe die diesbezüglichen Ausführungen der medizinischen Amtssachverständigen im Rahmen der Berufungsverhandlung). Diese Alkoholbeeinträchtigung kann nicht mehr als geringfügig bezeichnet werden.

Andererseits muß dem Berufungswerber aber dessen gänzliche verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zugutegehalten werden. Ein solcher Umstand stellt einen wesentlichen Milderungsgrund dar. Dieser läßt in spezialpräventiver Hinsicht die Prognose zu, daß auch mit der herabgesetzten Geldstrafe noch das Auslangen gefunden werden kann, um den Berufungswerber künftighin von der neuerlichen Begehung eines gleichartigen Deliktes abzuhalten. Schließlich hat sich im Rahmen der Berufungsverhandlung herausgestellt, daß das im Akt enthaltene angebliche monatliche Nettoeinkommen des Berufungswerbers von 30.500 S nicht den Tatsachen entspricht. Vielmehr verfügt er über ein solches in der Höhe von ca. 13.500 S. Auch dieser Umstand hatte in die Strafbemessung Eingang zu finden.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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