Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102571/13/Fra/Ka

Linz, 23.05.1995

VwSen-102571/13/Fra/Ka Linz, am 23. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des H B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 29.3.1994, Zl.3-2691-94, betreffend Übertretung des KFG 1967, nach der am 19.5.1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt.

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, daß das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt wird; der Beschuldigte hat keine Beiträge zu den Verfahrenskosten zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z3 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 58 Abs.1 Z2 lit.e KDV 1967 gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 700 S (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Stunden) verhängt, weil er als Fahrzeuglenker am 16.2.1994 um 5.38 Uhr am Grenzübergang Suben, Amtsplatz des Zollamtes Suben, mit dem Kraftwagenzug, LKW-Zug, und die höchstzulässige Geschwindigkeit von 70 km/h überschritten hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten legte das Rechtsmittel mit Schreiben vom 26.4.1994, Zl.

3-2691-94, dem unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich vor. Dieser retournierte mit Schreiben vom 23.1.1995, Zl.Senat-AM-94-054, die Berufung samt Akt an die BH Amstetten mit dem Hinweis, daß dem Beschuldigten das Recht zur Berufung an jenen unabhängigen Verwaltungssenat zusteht, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde (§ 51 Abs.1 VStG). Da im angefochtenen Straferkenntnis als Tatort "Grenzübergang Suben, Amtsplatz des Zollamtes Suben" angeführt ist, ist für die Berufungsentscheidung der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich örtlich zuständig. Daraufhin übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Amstetten mit Schreiben vom 31.1.1995 die fristgerecht eingebrachte Berufung unter Aktenanschluß dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Dieser entscheidet, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c VStG).

Beweis wurde aufgenommen durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.5.1995.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Berufungswerber vertritt die Auffassung, zu Unrecht bestraft worden zu sein, weil seines Erachtens die Zollorgane zwar berechtigt seien, das Schaublatt hinsichtlich der Einsatzzeiten (AZG) zu prüfen, nicht jedoch hinsichtlich der Geschwindigkeitsaufzeichnungen. Er sei der Meinung, daß er nicht bestraft werden könne, wenn die Art der Feststellung nicht gesetzeskonform erfolge. In einer der Berufung beigelegten Abhandlung von Dr. Herbert G wird ua die Auffassung vertreten, daß Zollamtsplätze in der Regel keine Straßen mit öffentlichem Verkehr sind, da sie nicht von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Sollte also ein Zollorgan anläßlich einer Zollamtshandlung auf einem Zollamtsplatz auch eine Anzeige nach kraftfahrrechtlichen Vorschriften, etwa wegen abgefahrenen Reifen oder wegen Nichtmitsichführens des Führerscheines erstatten, sei diese Anzeige aus dem angeführten Grund unberechtigt, da die Verwaltungsübertretungen nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr begangen werde.

Der O.ö. Verwaltungssenat kann der Auffassung des Berufungswerbers aus folgenden Gründen nicht beitreten:

Gemäß § 134 Abs.3a KFG 1967 können zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit auch Aufzeichnungen der Schaublätter von Fahrtschreibern herangezogen werden. Dabei gilt der Ort der Aushändigung des im Fahrtschreiber eingelegten Schaublattes gemäß § 102 Abs.1 3. Satz, 2. Halbsatz als Ort der Begehung der Übertretung, wenn a) die Übertretung mit dem Fahrtschreiber festgestellt wurde und b) aus dem Schaublatt ersichtlich ist, daß sie nicht früher als zwei Stunden vor seiner Aushändigung begangen wurde.

Nach der 15. KFG Novelle, welche am 1. Juni 1993 in Kraft getreten ist, dürfen nun auch Zollorgane kraftfrahrrechtliche Vorschriften kontrollieren. Sie sind den Organen der Gendarmerie und der Polizei diesbezüglich gleichgestellt.

Im gegenständlichen Fall wurde von einem Zollorgan eine Stichprobe wegen Geschwindigkeitsüberschreitung durchgeführt. Die Kontrolle wurde am Zollamtsplatz Suben am 16.2.1994 um 5.38 Uhr durchgeführt und aufgrund der oben genannten gesetzlichen Bestimmung zulässig.

Der Auffassung des Dr. G, daß es sich bei einem Zollamtsplatz in der Regel um keine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, wird entgegengehalten:

Gemäß § 1 Abs.1 KFG 1967 sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, sofern in Abs.2 nicht anderes festgesetzt ist, auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs.1 StVO 1960) verwendet werden, und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden. Gemäß § 1 Abs.1 letzter Satz StVO 1960 gelten als Straßen mit öffentlichem Verkehr solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Die Erläuternden Bemerkungen stellen klar, daß es für die Qualifikation als Straße mit öffentlichem Verkehr nicht auf die Eigentums- oder Besitzverhältnisse der Straße ankommt, sondern nur auf die Benützung der Straße. Dabei ist nach aktueller Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes tatsächlich nur die Art und der Umfang der faktischen Benützung entscheidend, völlig unabhängig von der Widmung, also davon, ob die Straße dem allgemeinen Gebrauch gewidmet wurde oder nicht, wobei es auf die bloße Möglichkeit zur Benützung ankommt. Konsequenterweise findet damit natürlich zB auf einem "Privat"-Parkplatz, der nur für die Bewohner eines bestimmten Hauses bestimmt ist, worauf auch durch Anschlag - unter Androhung der Abschleppung bzw Besitzstörungsklage - hingewiesen wird, bei Fehlen einer Abschrankung öffentlicher Verkehr statt, da ja trotz der Verbote und angedrohten Sanktionen jedermann rechtswidrigerweise diesen Parkplatz benützen könnte. Ist sogar ein derartiger Parkplatz als Straße mit öffentlichem Verkehr zu qualifizieren, dann umsomehr der gegenständliche Zollamtsplatz.

Der Zollamtsplatz, auf dem die Amtshandlung stattfand, erstreckt sich vom Ende der Autobahn bis zum Beginn der Autobahn in Deutschland und ist unterteilt durch Fahrstreifen für LKW, Omnibusse und PKW. Diese Fahrstreifen sind durch Hinweiszeichen gekennzeichnet. Die LKW-Lenker werden auf den rechten Fahrstreifen Richtung Deutschland gesehen gelotst, um den Omnibus- und PKW-Verkehr flüssiger zu halten. Sollte jedoch ein PKW- oder ein Omnibuslenker irrtümlich auf dem LKW-Fahrstreifen fahren, setzt er damit keine Übertretung der StVO 1960. Der sogenannte Zollamtsplatz ist somit im Sinne der oben genannten gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen. Jeder Fahrzeuglenker kann den Platz unter gleichen Bedingungen benützen.

Wäre ein Zollamtsplatz keine Straße mit öffentlichem Verkehr - wie dies in dem der Berufung beigelegten Artikel behauptet wird - könnte auf einem solchen Platz mangels Tatbestandsmäßigkeit auch keine kraftfahrrechtliche Übertretung begangen werden. Nun ist davon auszugehen, daß Amtshandlungen durch Zollorgane in der Regel auf Zollamtsplätzen stattfinden. Wenn ein Zollamtsplatz keine Straße mit öffentlichem Verkehr darstellt, würden Anzeigen wegen Nichtmitführens des Führerscheines, wegen Feststellung von abgefahrenen Reifen oder - wie hier - von Geschwindigkeitsüberschreitungen ins Leere gehen. Derartige Übertretungen setzen nämlich tatbestandsmäßig voraus, daß sie auf Straßen mit öffentlichem Verkehr begangen werden.

Eine derartige unsinnige Regelung kann wohl dem Gesetzgeber nicht zugedacht werden. Würde die Ansicht Grundtners zutreffen, hätte im gegenständlichen Fall das Zollorgan den Beschuldigten des Zollamtsplatzes verweisen müssen, um außerhalb dieses Platzes das Schaublatt zu kontrollieren und hätte anschließend die Amtshandlung wieder auf dem Zollamtsplatz weiterzuführen gehabt.

Der Berufung war jedoch Folge zu geben, weil der Spruch des Straferkenntnisses eine unrichtige Tatzeit enthält. Dies verstößt gegen § 44a Z1 VStG und belastet den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Eine Richtigstellung durch den unabhängigen Verwaltungssenat war nicht zulässig, weil während der Verfolgungsverjährungsfrist keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde. So ist in der Strafverfügung vom 8.3.1994 eine unrichtige Tatzeit angeführt. Wenn man weiters davon ausgeht, daß der Beschuldigte bei seiner Vernehmung am 23.3.1994 in den Akt Einsicht nahm, unterbrach diese Verfolgungshandlung ebenfalls nicht die Verjährung, weil es in der Anzeige vom 16.2.1994 als Tatzeit ebenfalls "5.38 Uhr" angeführt ist. Zu diesem Zeitpunkt wurde der LKW-Zug jedoch nicht gelenkt. Es handelt sich um den Abfertigungszeitpunkt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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