Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102612/2/Fra/Rd

Linz, 06.07.1995

VwSen-102612/2/Fra/Rd Linz, am 6. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des E B vertreten durch RA Dr. gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 1. Februar 1995, III-St-2962/94/L, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren wegen Eintrittes der Verfolgungsverjährung eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z3 VStG; zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Übertretungen nach 1) § 18 Abs.1 StVO 1960, nach 2) § 15 Abs.4 StVO 1960 und nach 3) § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 je Geldstrafen von 1.000 S (je Ersatzfreiheitsstrafen von 48 Stunden) verhängt, weil er am 6. August 1994 um 19.30 Uhr in Wels, auf der Vogelweiderstraße, zwischen der Saunakreuzung und der Richard-Wagner-Straße, in Richtung Norden, als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen 1) keinen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hat, daß jederzeit ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, 2) beim Überholen keinen der Verkehrssicherheit und Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom Fahrzeug, das überholt wurde, eingehalten hat und 3) auf einer unübersichtlichen Straßenstelle ein Motorrad überholt hat.

Ferner hat die Erstbehörde den Berufungswerber gemäß § 64 VStG einen Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafen vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Wels sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der Berufungswerber verweist in seinem Rechtsmittel vorerst darauf, daß im angefochtenen Straferkenntnis richtig ausgeführt werde, daß sein Vertreter nach Akteneinsicht keine Stellungnahme abgegeben habe. Eine Stellungnahme "zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens" sei nicht erforderlich gewesen, weil kein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei. Zumal eine derartige Stellungnahme zuzüglich 20 % MwSt 2.436,48 S koste, sei es Pflicht seines Vertreters unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes seine Tätigkeit zu entfalten. Sein Vertreter habe am 17.

Februar 1995 vorsichtsweise nochmals Akteneinsicht genommen und stelle sich der Akt in der gleichen Form dar, in der er ihn bereits seinerzeit eingesehen habe. Er sei der Meinung gewesen, aufgrund seines Einspruches würde die Behörde ein Ermittlungsverfahren durchführen, in welchem der Anzeigenerstatter bzw. der Meldungsleger einzuvernehmen gewesen wäre. Aus der Sicht des Berufungswerbers könne es nicht sein, daß die Behörde die Anzeige eines Privatmannes entgegennehme, eine Strafverfügung erlasse, bei Erhebung eines Einspruches sodann auf die gleichen Beweismittel aufbauend, mit gleichem Text ein Straferkenntnis erläßt.

Im gesamten Verfahren sei kein einziger Akt eines "Ermittelns" zu ersehen, außer eben die Erhebung seiner Daten. Ein ordnungsgemäßes Ermitteln hätte aus Sicht des Berufungswerbers Ergebnisse erbringen müssen, die sofort bewiesen hätten, daß das angefochtene Straferkenntnis inhaltlich unrichtig und mit der Wirklichkeit nicht in Einklang zu bringen sei. Da auf das einzig greifbare "Ergebnis" dieses Verfahrens abzustellen ist, nämlich die Anzeige des Herrn S vom 8. August 1994, sei das Straferkenntnis mit sich selbst in Widerspruch und aktenwidrig, denn ein Straßenstück "auf der Vogelweiderstraße zwischen der Saunakreuzung und der Richard Wagner-Straße, in Richtung Norden" gäbe es in der Wirklichkeit nicht. Die Richard-Wagner-Straße liege westlich der Saunakreuzung und sei über die Salzburgerstraße von der genannten Kreuzung aus erreichbar. Die Vogelweiderstraße führe von der Saunakreuzung kommend durch die Unterführung in Richtung Norden. Nach genauestem Planstudium sei daher keine Verbindung zwischen Vogelweiderstraße und Richard-Wagner-Straße herzustellen, höchstens mit einem Flugzeug. Er habe auf der Vogelweiderstraße zwischen Saunakreuzung und Richard-Wagner-Straße somit weder einen zu geringen Nachfahrabstand eingehalten, noch einen zu geringen Seitenabstand eingehalten, noch ein unübersichtliches Überholmanöver durchgeführt, weshalb er die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens beantrage.

I.4. Aufgrund der Ausführungen des Berufungswerbers hat der O.ö. Verwaltungssenat am 5.7.1995 einen Ortsaugenschein durchgeführt und im Zuge dessen festgestellt, daß es das im angefochtenen Schuldspruch umschriebene Straßenstück in der Realität nicht gibt. Der O.ö. Verwaltungssenat hatte daher zu prüfen, ob er berechtigt war, eine entsprechende Schuldspruchpräzisierung bzw. -berichtigung vorzunehmen.

Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Während der Verfolgungsverjährung wurde seitens der belangten Behörde zwei Verfolgungshandlungen gesetzt, nämlich 1) die Strafverfügung vom 14. September 1994 und 2) die durch den Vertreter des Beschuldigten am 15. November 1994 vorgenommene Akteneinsicht. Die vorhin zitierte Strafverfügung ist nicht als taugliche Verfolgungshandlung zu werten, weil auch in dieser die Tatörtlichkeit wie im angefochtenen Straferkenntnis aufgenommen wurde. Aber auch die Akteneinsichtnahme, welche grundsätzlich eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG darstellt (vgl. VwGH 12.9.1986, 85/18/0072), unterbrach im gegenständlichen Fall nicht den Eintritt der Verfolgungsverjährung. In diesem Zusammenhang ist nämlich darauf hinzuweisen, daß eine Verfolgungshandlung nur dann als tauglich zu werten ist, wenn sie keinen Zweifel darüber läßt, was dem Beschuldigten zum Vorwurf gemacht wird. Aus der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wels vom 8. August 1994 geht nun aus der Sachverhaltsdarstellung in etwa hervor, wo die inkriminierten Verhaltensweisen des Beschuldigten gesetzt wurden. Andererseits ist jedoch in dieser Anzeige eindeutig als Tatort auf der ersten Seite "Wels, Vogelweiderstraße, Fahrtrichtung Norden, zwischen Saunakreuzung und Richard-Wagner-Straße" angeführt. Bereits diese widersprüchliche Umschreibung ist nicht geeignet, die Identität der Tat in Ansehung des Ortes als unverwechselbar feststehend anzusehen.

Darüber hinaus ist zu bemängeln, daß das Faktum 1 (§ 18 Abs.1 StVO 1960), insofern nicht der Umschreibung iSd § 44a VStG entspricht, als sich der Schuldspruch auf die verba legalia der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift beschränkt. Das Faktum 2 (§ 15 Abs.4 StVO 1960) genügt deshalb nicht dem Umschreibungserfordernis des § 44a Z1 VStG, weil darin der eingehaltene Seitenabstand nicht entfernungsmäßig angegeben ist. Die Anführung der eines seitlichen Abstandes erst in der Begründung des Bescheides genügt nicht (vgl. VwGH 16.1.1985, 83/03/0027). Aber auch der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses sind die vorhin genannten Kriterien - weil nicht ermittelt - nicht zu entnehmen.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

II. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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