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des Landes Oberösterreich
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VwSen-102650/7/Gu/Atz

Linz, 24.04.1995

VwSen-102650/7/Gu/Atz Linz, am 24. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des Mag. W. F. gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 1.2.1995, Zl. Cst.-13.208/94-Mi, wegen zweier Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, zu Recht:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Straferkenntnis wird zu Faktum 1 vollinhaltlich bestätigt.

Der Rechtsmittelwerber hat an Kosten für das Berufungsverfahren den Betrag von 60 S binnen zwei Wochen nach Zustellung an den O.ö. Verwaltungssenat zu leisten.

Bezüglich des Faktums 2 wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Diesbezüglich entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 8 Abs.4 StVO, § 24 Abs.1 d StVO 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 idF der 19.

StVO-Novelle, § 5 Abs.1, § 6, § 44a Z1, § 16, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 5.10.1994 um 14.07 Uhr in Linz, Ottensheimerstraße Nr. 48, das KFZ mit dem Kennzeichen ..., 1.) teilweise auf einem Gehsteig abgestellt und diesen somit vorschriftswidrig benutzt und 2.) im Bereich von weniger als 5 m vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt zu haben.

Wegen Verletzung des § 8 Abs.4 StVO 1960 einerseits und § 24 Abs.1 lit.d StVO 1960 andererseits, jeweils iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurden ihm für jedes der beiden Delikte Geldstrafen von 300 S (Ersatzfreiheitsstrafen je 12 Stunden) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 % der ausgesprochenen Geldstrafen auferlegt.

Begründend setzt sich das erstinstanzliche Straferkenntnis mit dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Vorbringen des Beschuldigten, er habe das Fahrzeug nur dort abgestellt, weil er hohes Fieber gehabt habe und in der Nähe der Wohnung keinen Parkplatz vorgefunden habe und übrigens am nächsten Tag in der Früh wieder wegfahren wollte, auseinander. Die Rechtfertigungsangaben wurden von der ersten Instanz nicht so bewertet, als das eine Ermahnung im Sinne des § 21 Abs.1 VStG hätte ausgesprochen werden können, weil ein erhebliches Verschulden vorgelegen sei. Überdies seien durch den gewählten Abstellort zwei verwaltungsstrafrechtliche Tatbestände verwirklicht worden und sei die Übertretung rücksichtslos gegenüber den Fußgängerverkehr begangen worden, wodurch die folgende Übertretung nicht unbedeutend gewesen sei. Das Vorbringen sei jedoch geeignet gewesen, bei der Strafbemessung als Milderungsgründe berücksichtigt zu werden. Bezüglich der Einkommens-, Vermögens- und persönlichen Verhältnisse ging die erste Instanz von einem geschätzten Mindesteinkommen von 10.000 S monatlich aus, nahm keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten an und brachte kein für die Strafbemessung relevantes Vermögen in Anschlag.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung begehrt der Rechtsmittelwerber die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und führt aus, daß von weiten Teilen der Strafrechtslehre vorsätzliches Handeln dem Tatbestand zugerechnet werde und damit schuldunerheblich sei. Der Begriff Schuld beinhalte jedenfalls Unrechtsbewußtsein. Dies entfalle, wenn ein mit rechtlichen Werten verbundener Mensch in der selben Situation sich genauso verhalten hätte. Schuld sei Mangel von Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten. Vorsatz bedeute erhebliches Verschulden. Inwieweit sein Verhalten einen Rechtfertigungsgrund (Interessensabwägung mit höherwertigen Rechtsgütern) oder Schuldaufhebungsgrund bilde, wisse er leider nicht. Jedenfalls hätte ein mit den rechtlichen Werten verbunden (kranker) Mensch nicht anders reagiert.

Es sei nicht besonders behindernd, wenn zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr Früh auf einer absoluten Nebenstraße in Alt-Urfahr ohne jeden Verkehr (offenbar gemeint ein Kraftfahrzeug mit zwei Rädern auf einem Fußweg) geparkt werde. Es sei zu berücksichtigen, daß es sich rücksichtslos auf ein Schuldmerkmal beziehe und nicht auf die tatsächlichen Folgen der Tat. Mit rücksichtslos sei nicht zu argumentieren; wohl aber mit den Folgen, und zwar, da zu beurteilen sei, inwieweit erhebliche Folgen trotz Parken zu befürchten seien, wenn der Gehsteig breit genug sei, wobei auch die in Rede stehende Tatzeit berücksichtigt werden müsse.

Falls nicht ohnedies der Bescheid aufzuheben ist, führt der Berufungswerber sinngemäß aus, es sei zumindest gemäß § 21 Abs.1 VStG von einem Strafausspruch abzusehen.

Nachdem der Rechtsmittelwerber auf eine öffentliche mündliche Verhandlung verzichtete und das Abstellen des Fahrzeuges am Tatort zur Tatzeit nicht bestritten ist, konnte die Entscheidung aufgrund der Aktenlage getroffen werden.

Im erstinstanzlichen Verfahren liegt eine Anzeige eines Straßenaufsichtsorganes zugrunde, der feststellte, daß am 5.10.1994 um 14.07 Uhr der PKW Mitsubishi Galant, Farbe blau, mit dem polizeilichen Kennzeichen ... in Linz, Ottensheimerstraße 48, den dortigen Gehsteig vorschriftswidrig benützte, wobei das Fahrzeug mit zwei Rädern auf dem Gehsteig abgestellt war. Durch das abgestellte Fahrzeug war der Fußgängerverkehr erheblich am Vorbeikommen behindert. Weiters war der PKW ca. 0,5 m vom Schnittpunkt der kreuzenden Fahrbahnränder von der Ottensheimerstraße und der Rosenstraße vorschriftswidrig abgestellt. Der Rechtsmittelwerber hat im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft dargetan, daß er das Fahrzeug dort am 2.10.1994 um ca. 22.00 Uhr abgestellt hat und zu diesem Zeitpunkt an fiebriger Bronchitis litt.

In der Zusammenschau seines Vorbringens macht der Rechtsmittelwerber, wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren, Rechtfertigungsgründe geltend, die auf die Berücksichtigung des in § 6 VStG geregelten Notstandes hinauslaufen.

Festzuhalten gilt, daß die erste Instanz das vorschriftswidrige Abgestelltsein des Fahrzeuges nicht zur Nachtzeit, sondern um 14.07 Uhr, und zwar am 5.10.1994, zur Last gelegt hat.

Nachdem der Rechtsmittelwerber, der gemäß § 5 Abs.1 VStG gehalten ist, initiativ darzulegen, was zu seiner Entlastung dient, selbst keine Überbreite eines Gehsteiges mit Angabe des Breitenmaßes dargetan hat und andererseits das meldungslegende Straßenaufsichtsorgan in seinem im Akt enthaltenen Bericht plausibel dartat, daß ein Organmandat deswegen nicht angewandt wurde, weil durch das abgestellte Fahrzeug der Fußgängerverkehr erheblich behindert war, erscheint in Würdigung der zur Verfügung stehenden Anknüpfungspunkte - der Beschuldigte hat auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung persönlich und ausdrücklich verzichtet - die erhebliche Behinderung des Fußgängerverkehrs durch die Abstellart des Fahrzeuges erwiesen.

Bei dem vorliegenden Sachverhalt war folgendes rechtlich zu bedenken.

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 idF der 19. StVO-Novelle begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Absätzen 1, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

Die erwähnten strengeren Strafbestimmungen sind für den gegenständlichen Fall bedeutungslos.

Gemäß § 8 Abs.4 StVO 1960 ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern verboten.

Gemäß § 24 Abs.1 lit.d StVO 1960 ist das Halten und Parken im Bereich von weniger als 5 m vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder verboten. Damit der Lebenssachverhalt bei der Anwendung dieser Gesetzesstelle hinreichend beschrieben ist, ist es erforderlich, in der Verfolgungshandlung und im Spruch des Straferkenntnisses die kreuzenden Fahrbahnränder ausdrücklich zu beschreiben.

Nachdem wohl die Anzeige eine Kreuzung der Ottensheimerstraße bei dem Hause Nr. 48 mit der Rosenstraße erwähnte, der Beschuldigte im Verfahren jedoch keine Akteneinsicht nahm und die als Verfolgungshandlung geltende Strafverfügung und das über Einspruch ergangene Straferkenntnis nur von der Ottensheimerstraße Nr. 48 sprach, fehlte die hinreichende Konkretisierung und reichte die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes nicht hin, sodaß zufolge eingetretener Verfolgungsverjährung diesbezüglich der Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Bezüglich des vorschriftswidrigen Abstellens des Fahrzeuges auf dem Gehsteig war hingegen wie folgt rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt (wie im gegenständlichen Fall) zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Wie aus dem gesamten Vorbringen des Rechtsmittelwerbers hervorleuchtet, war er sich als geprüfter Autolenker durchaus im klaren, daß die Abstellung des Fahrzeuges mit zwei Rädern am Gehsteig einem ausdrücklichen Verbot zuwiderläuft.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Unter Notstand kann im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; dies trifft aber selbst bei Annahme einer wirtschaftlichen Schädigung, sofern sie die Lebensmöglichkeit nicht selbst unmittelbar bedroht, nicht zu (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage 1990, Seite 736 und die dort zitierte VwGH-Judikatur). Dem Beschuldigten war ein rechtmäßiges Alternativverhalten möglich und zumutbar, zumal er weder bestreitet, in einem lebensbedrohlichen Gesundheitszustand - welches ihm das Lenken des Fahrzeuges ohnedies unmöglich gemacht hätte - befunden zu haben. Er hätte sich ohne weiteres von einem geeigneten Abstellplatz mit einem Taxi nach Hause bringen lassen können oder zumindest das Fahrzeug ungesäumt von einer geeigneten Person verbringen lassen können.

Aus diesem Grunde ist ihm die Glaubhaftmachung des vorliegenden übergesetzlichen Notstandes nicht gelungen und hat er den zu Faktum 1 vorgeworfenen Tatbestand sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Der unabhängige Verwaltungssenat kommt, wie die erste Instanz, zur Überzeugung, daß von einer Geringfügigkeit des Verschuldens keine Rede sein kann und insbesondere die objektive Tatseite, die an sich keine Folgen verlangt, dennoch mit Folgen der Beeinträchtigung des Fußgängerverkehrs verbunden war, wodurch ein Absehen von einer Bestrafung nicht in Betracht kam.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen beträgt wie zuvor erwähnt in Geld bis zu 10.000 S und an Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen.

Wenn die erste Instanz daher von einem Monatseinkommen von 10.000 S ausging und das Vorbringen des Beschuldigten mildernd wertete, kann kein Ermessensmißbrauch vorgeworfen werden, wenn er den Geldstrafenrahmen nur mit 3 % ausgeschöpft hat. Angesichts der niedrigen Einkommensannahme war der Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe mit 12 Stunden dem Verschulden und Unrechtsgehalt angemessen.

Die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses in Punkt 1 hatte zur Folge, daß diesbezüglich ein Kostenbeitrag von 20 % der bestätigten Geldstrafe als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen waren (§ 64 Abs.1 und 2 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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