Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102671/7/Weg/Ri

Linz, 05.10.1995

VwSen-102671/7/Weg/Ri Linz, am 5. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des M K vom 18. März 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 2. März 1995, VerkR-..., nach der am 5. Oktober 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... als im Wege des § 29a VStG zuständig gewordene Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 46 Abs.4 lit.c (richtig wohl: lit.d) und 2. § 52 lit.a Z10a, jeweils StVO 1960, Geldstrafen von 1.) 500 S und 2.) 400 S sowie Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 30 Stunden und 2.) 24 Stunden verhängt, weil dieser am 20. August 1993 um 13.35 Uhr das Rettungsfahrzeug ... auf der A.., Fahrtrichtung ..., vor der Ausfahrt ..., infolge eines starken Staus auf der A.. auf den Pannenstreifen gelenkt hat, ohne daß ein das Befahren desselben rechtfertigender Grund (Einsatzfahrt) vorgelegen sei und 2.) auf der unter Ziffer 1 angführten Fahrtstrecke den PKW mit einer Geschwindigkeit von 113 km/h lenkte, obwohl in diesem Bereich die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 100 km/h beträgt.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 90 S in Vorschreibung gebracht.

2. Der Berufungswerber bringt dagegen sinngemäß vor, er habe einen Krankentransport von einem ... Krankenhaus in das ...

Krankenhaus durchzuführen gehabt, wobei es sich bei der Patientin um eine 86-jährige Dame mit einer Halswirbelverletzung gehandelt habe. Im Zuge dieses Krankentransportes habe sich der Gesundheitszustand der Patientin verschlechtert, sodaß die Entscheidung getroffen wurde, den Rest dieses Krankentransportes unter Verwendung des Blaulichtes und somit als Einsatzfahrt durchzuführen. Er habe die A.. als Auffahrt zur A.. benutzt und bereits auf Höhe der Ausfahrt ... das Blaulicht eingeschaltet. Das Folgetonhorn habe er nicht einschalten wollen, um die Patientin nicht psychisch zu belasten. Etwa auf Höhe der Ausfahrt ... staute sich der Verkehr von der .. zurück, sodaß er ab diesem Bereich den Pannenstreifen benutzte und an der stehenden Kolonne vorbeifuhr. Daß das Blaulicht nur teilweise funktionierte, nämlich lediglich die nach vorne leuchtenden blauen Blitzlichter, habe er nicht wahrgenommen.

Daß nämlich das blaue Rundumlicht auf dem Dach nicht funktionierte habe seine Ursache in einer defekten Sicherung gehabt und sei ihm dieser Umstand erst bekanntgeworden, als das die Anzeige erstattende Polizeiwacheorgan seinen Chef verständigte. Das blaue Rundumlicht auf dem Dach sei durch eine eigene Sicherung abgesichert, während im Innenraum des Fahrzeuges mittels der hiefür angebrachten Kontrollvorrichtungen das Funktionieren des Blaulichtes signalisiert worden sei.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten anläßlich der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 1995, bei der auch ein Vertreter der belangten Behörde zugegen war.

Bei dieser Befragung des Beschuldigten war zu ergründen, ob tatsächlich ein Grund für die Verwendung des Blaulichtes iSd § 26 Abs.1 StVO 1960 vorgelegen ist und andererseits, ob die Ausführungen des Berufungswerbers hinsichtlich des defekten blauen Rundumlichtes glaubwürdig sind.

Der Berufungswerber, ein schon zehn Jahre im Rettungsdienst angestellter Kraftfahrer, brachte dabei schlüssig und auch glaubwürdig vor, daß das blaue Rundumlicht wegen einer defekten Sicherung ausgefallen ist und er diesen Umstand bei der Fahrt nicht bemerkte. Die Kontrolleinrichtung hinsichtlich des Funktionierens des Blaulichtes ist nämlich mit dem blauen Blitzlicht (das nur nach vorne strahlt) gekoppelt und dieses blaue Blitzlicht hat auch funktioniert.

Wegen der hellen Lichtverhältnisse hat das Polizeiwacheorgan bei der Nachfahrt mit dem Kraftrad das lediglich nach vorne blitzende Blaulicht nicht bemerken können. Aus diesem Grund konnte das Polizeiwacheorgan auch nicht erkennen, daß zumindest nach vorne Blaulicht ausgestrahlt wurde. Der Beschuldigte hat dem Meldungsleger noch am selben Tag die defekte Sicherung gezeigt, was diesen jedoch unbeeindruckt ließ und letztlich die Anzeige erstattet wurde.

Auf Grund der Schilderung des Beschuldigten wird im Zweifel als erwiesen angenommen, daß das am Dach montierte blaue Rundumlicht nicht funktionierte, obwohl im Innenraum das Funktionieren angezeigt wurde.

Ob nun die Gründe für die Verwendung des Blaulichtes iSd § 26 Abs.1 StVO 1960 gegeben waren konnte nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Es konnte aber auch umgekehrt nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen angenommen werden, daß diese Gründe nicht vorlagen.

Der Berufungswerber nannte während der Verhandlung seinen Beifahrer (Sanitäter) als Zeugen für den Umstand, daß dieser ihm während der Fahrt mitgeteilt hat, daß die Patientin schweißgebadet und bleich geworden sei. Der Gesundheitszustand der Patientin war allerdings nicht so lebensbedrohlich, daß deshalb die Fahrt zu unterbrechen gewesen sei, um einen Notarzt herbeizuholen oder um umzukehren und das Ausgangskrankenhaus in ... wieder aufzusuchen. Der Beschuldigte habe nach seiner Aussage auf Grund seiner zehnjährigen Tätigkeit eine verläßliche Abschätzung darüber abgeben können, daß der Transport nach Gmunden, ohne das Leben der Patientin zu gefährden noch möglich sei, allerdings sei eine rasche Transportierung und somit die Verwendung des Blaulichtes notwendig geworden. Das Umkehren in das Krankenhaus Linz hätte im übrigen auch einige Zeit in Anspruch genommen, zumal zum Tatzeitpunkt dichter, innerstädtischer Verkehr gegeben war.

Auf die zeugenschaftliche Vernehmung des mitfahrenden Sanitäters (dessen Name erst bei der mündlichen Verhandlung bekanntgegeben wurde) wurde verzichtet, weil hiezu eine neuerliche mündliche Verhandlung notwendig gewesen wäre, was aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht gerechtfertigt gewesen wäre, zumal anzunehmen ist, daß der Zeuge die Aussage des Beschuldigten bestätigt. Auch der Vertreter der belangten Behörde verzichtete auf die Vernehmung dieses Zeugen.

Die Patientin selbst konnte nicht mehr befragt werden, weil sie zwischenzeitig verstorben ist. Eine die Einsatzfahrt rechtfertigende Bestätigung des Krankenhauses konnte der Beschuldigte mit dem Hinweis nicht vorlegen, das Krankenhaus habe wegen der ärztlichen Schweigepflicht eine derartige Bestätigung nicht ausgestellt.

Bei verständiger Würdigung aller in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente wird also im Zweifel davon ausgegangen, daß die Gründe für eine Einsatzfahrt vorlagen bzw. der Lenker vermeinte, daß die Einsatzfahrt gerechtfertigt gewesen sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die vorgeworfenen Übertretungen stellen dann keine Verwaltungsübertretung dar, wenn diese im Zuge einer Einsatzfahrt verwirklicht wurden (§ 26 Abs.2 StVO 1960). Nach dieser Gesetzesstelle dürfen jedoch hiebei nicht Personen gefährdet oder Sachen beschädigt werden. Eine konkrete Gefährdung von Personen ist dem Akt nicht zu entnehmen, ebensowenig eine Beschädigung von Sachen. Nachdem also - zumindest im Zweifel - eine durch § 26 Abs.1 StVO 1960 gedeckte Einsatzfahrt vorlag, hat der Berufungswerber die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht gesetzt, sodaß dem Grundsatz in dubio pro reo folgend iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden war, ohne die formalrechtliche Seite des Aktenganges durchleuchten zu müssen, wonach die Verfolgungshandlungen nach § 46 Abs.4 lit.c StVO 1960 (Befahren einer Betriebsumkehr) gesetzt wurden sowie im Straferkenntnis als Tatort die .. vor der Ausfahrt ...

angeführt ist, während in allen Verfolgungshandlungen und auch in der Anzeige von der A.. nach der Ausfahrt ... die Rede war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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