Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102693/2/Bi/Fb

Linz, 30.03.1995

VwSen-102693/2/Bi/Fb Linz, am 30. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufungen des Herrn A S, H, H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J S und Mag. W L, H, R, 1) vom 6. März 1995 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 2. März 1995, VerkR96-2862/1993/Win, womit ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, und 2) vom 13. Jänner 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 2. Jänner 1995, VerkR96-2862-1993-Win/Kne, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

1) Der Berufung wird keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

2) Die Berufung wird als verspätet zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

1) §§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 Z1 AVG iVm §§ 24 und 51 Abs.1 VStG.

2) §§ 66 Abs.4 und 63 Abs.5 AVG iVm §§ 24 und 51 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen insgesamt fünf Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 Geldstrafen und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatz freiheitsstrafen verhängt sowie einen Beitrag zu den Verfahrenskosten vorgeschrieben.

Das Straferkenntnis wurde am 4. Jänner 1995 dem rechtsfreundlichen Vertreter des Rechtsmittelwerbers zugestellt, der am 19. Jänner 1995 (demnach einen Tag nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) Berufung einbrachte.

Am 24. Jänner 1995 beantragte der Rechtsmittelwerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Dieser Antrag wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit Bescheid vom 2. März 1995 abgewiesen.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da im zugrundeliegenden Straferkenntnis im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, eine mündliche Verhandlung aber nicht verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG) bzw die Berufung zurückzuweisen war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, das Straferkenntnis sei seinem ausgewiesenen Vertreter am 4.

Jänner 1995 zugestellt worden. Die Kanzleikraft C P hatte die 14tägige Berufungsfrist einzutragen, was vom Parteienvertreter auch kontrolliert wurde. Dabei sei der Irrtum passiert, daß dem Parteienvertreter nicht aufgefallen sei, daß der 18. Jänner 1995 der letzte Tag der Berufungsfrist gewesen wäre und nicht der eingetragene 20. Jänner 1995. Die Kanzleikraft hatte die Frist ab dem 6. Jänner 1995, dem Ende der Gerichtsferien nach § 222 ZPO, berechnet und nicht nach dem Tag des tatsächlichen Zuganges. Dem Parteienvertreter sei dieser Irrtum nicht aufgefallen. Weder die für zwei Tage verspätete Eintragung der Rechtsmittelfrist aufgrund des Rechtsirrtums der Kanzleikraft noch das Nichtauffallen dieser irrtümlichen Eintragung könne als so gravierend gewertet werden, daß hiedurch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt würde. Tatsächlich handle es sich dabei um ein Versehen minderen Grades, das auch einem sorgfältigen Menschen passieren könne.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist trifft das Verschulden des Parteienvertreters die Partei - der Vertretene hat für Handlungen oder Unterlassungen seines Vertreters und damit für Irrtümer, die diesem unterlaufen, einzustehen.

Im gegenständlichen Fall hat die beim Beschuldigtenvertreter bereits mehrere Jahre bschäftigte Kanzleikraft C P irrtümlich den letzten Tag der Berufungsfrist im Vormerkkalender unrichtig eingetragen. Ihr ist dabei insofern ein Versehen unterlaufen, als sie den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht mit dem Einlangen des Schriftstückes, sondern mit dem Ende der Gerichtsferien annahm und das daraus folgende Ende der Berufungsfrist im Terminkalender mit dem Wortlaut "Berufung i.S. S A" für 20. Jänner 1995 eintrug.

Dazu ist von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates auszuführen, daß bei einer bereits längere Zeit in einer Anwaltskanzlei beschäftigten Kraft davon auszugehen ist, daß dieser bekannt ist, daß für Verwaltungsstrafsachen nicht die Bestimmungen über die Gerichtsferien iSd § 222 ZPO gelten, wobei durchaus nachvollziehbar ist, daß diesbezüglich einmal ein Versehen unterlaufen kann.

Aus der dem Akt in Kopie beiliegenden Eintragung im Terminkalender läßt sich weder entnehmen, daß es sich bei dieser Angelegenheit um eine Verwaltungsstrafsache handelt, noch, wann die Berufung eingelangt ist.

Der Rechtsmittelwerber hat geltend gemacht, sein rechtsfreundlicher Vertreter habe zwar im Terminbuch die Tatsache der Eintragung des Endes der Berufungsfrist, nicht aber deren Beginn kontrolliert und auch nicht die Tage nachgezählt. Das Rechtsmittel wurde einige Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist verfaßt und nach Genehmigung durch die Rechtsschutzversicherung bei der Erstinstanz um einen Tag zu spät persönlich überreicht.

Aus diesem Vorbringen ergibt sich, daß der Beschuldigtenvertreter zwar im Terminbuch kontrolliert hat, ob die Kanzleikraft das Fristende überhaupt eingetragen hat, hinsichtlich der Richtigkeit der Eintragung ist ihm weder deren Irrtum aufgefallen, noch hat er selbst diesbezüglich Berechnungen angestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16.

September 1983 Slg. 11140 A, ausgeführt, daß in einer Rechtsanwaltskanzlei für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa jene Kanzleiangestellte allein verantwortlich ist, die den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen.

Der Rechtsanwalt muß gegenüber seiner Kanzlei als seinen Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen... Dabei ist durch entsprechende Kontrollen ua dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt darnach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht (VwGH vom 22. Jänner 1987, 86/16/0194).

Anders als etwa im Fall der Überwachungspflicht des Anwalts gegenüber seinen Angestellten, die bei gesicherter Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Angestellten erst im Fall auftretender Fehlleistungen strenger zu beurteilen sein mag, kann ein gröberes Versehen des Anwalts selbst bei der Fristenwahrung nicht etwa deshalb einer milderen Beurteilung unterzogen werden, weil ihm ein solches Versehen vorher nie unterlaufen ist (VwGH vom 15. September 1994, 94/09/0141).

Im gegenständlichen Fall hat der Rechtsmittelwerber nicht einmal behauptet, daß sein rechtsfreundlicher Vertreter die Tätigkeit der Kanzleikraft in irgendeiner Weise - sei es auch nur stichprobenartig - kontrolliert hat, um Fristversäumnisse im Fall eines Versehens der Kanzleikraft ausschließen zu können. Nachvollziehbar ist, daß dem Parteienvertreter bei Einsichtnahme in das Terminbuch nur die Tatsache der Eintragung des Endes der Berufungsfrist auffallen konnte, wobei in dieser Eintragung jedoch keinerlei Kriterium für eine Überprüfung der Richtigkeit des eingetragenen Fristendes enthalten war.

Geht man nun davon aus, daß die in der Anwaltskanzlei einlangende Post vom Parteienvertreter zur Kenntnis genommen werden muß - wobei auch zu entscheiden ist, ob überhaupt ein Rechtsmittel erhoben wird - und geht man weiters davon aus, daß im gegenständlichen Fall einige Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Berufung verfaßt wurde, so bestand nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates für den rechtsfreundlichen Vertreter des Berufungswerbers ausreichende Möglichkeit zur keineswegs aufwendigen Berechnung der Berufungsfrist bzw Kontrolle der Fristvormerkung.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt daher die Auf fassung, daß im gegenständlichen Fall die Einhaltung der Frist nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, wenn der Parteienvertreter nicht für ein diesbezügliches Kontrollsystem gesorgt hat. Im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann das Verschulden des Parteienvertreters selbst diesbezüglich nicht als Versehen minderen Grades zu beurteilen sein. Da der Parteienvertreter im Rahmen der ihm überantworteten rechtsfreundlichen Vertretungstätigkeit zu besonderer Sorgfalt, insbesondere auch in formellen Angelegenheiten wie der Einhaltung von Rechtsmittelfristen, verpflichtet ist und daran der Versuch, die Verantwortung auf die Kanzleikraft abzuschieben, nichts zu ändern vermag, gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren und in der Folge die Berufung als verspätet zurückzuweisen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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