Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102721/12/Weg/Ri

Linz, 08.09.1995

VwSen-102721/12/Weg/Ri Linz, am 8. September 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des H L vom 29. März 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 27. Dezember 1994, VerkR..., nach der am 6. September 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die gegen die Schuld und gegen die Strafhöhe gerichtete Berufung betreffend die Fakten 1 und 2 des Straferkenntnisses wird abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der nur hinsichtlich der Strafhöhe eingebrachten Berufung gegen das Faktum 3 wird mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Geldstrafe auf 4.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 144 Stunden reduziert wird.

III. Verfahrenskosten:

Zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz hat der Berufungswerber als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren betreffend die Fakten 1 und 2 den Betrag von 400 S (20 % der verhängten Geldstrafe) bei sonstiger Exekution zu entrichten.

Hinsichtlich des Faktums 3 ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz auf 400 S. Diesbezüglich war ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1, § 51 f Abs.2, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960, 2.) § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 3.) § 52a Z10a StVO 1960 Geldstrafen von 1.) S 1.000 S (im NEF 48 Stunden), 2.) 1.000 S (im NEF 48 Stunden) und 3.) 6.000 S (im NEF 204 Stunden) verhängt, weil dieser am 18. Oktober 1994 um 15.40 Uhr den PKW ... auf der ... Bezirksstraße von ... in Richtung ... gelenkt und dabei 1.) bei km 4,9 vor einer unübersichtlichen Rechtskurve einen vor ihm fahrenden PKW überholt hat, wobei er 2.) nicht erkennen hat können, ob er sich nach dem Überholvorgang wieder in den Verkehr einordnen wird können, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden oder zu behindern und 3.) bei Kilometer ... das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung, erlaubte Höchstgeschwindigkeit 60 km/h" dadurch mißachtete, daß er mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h fuhr.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von insgesamt 800 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde stützt ihr Straferkenntnis auf die anläßlich einer Nachfahrt mit einem Patrouillenfahrzeug gemachten Wahrnehmungen der Gendarmeriebeamten Rev.Insp. ...

und Rev. Insp. .... Die Strafhöhe hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 52a Z10a StVO 1960 begründet die Erstbehörde mit mehreren einschlägigen Verwaltungsvorstrafen.

3. Der Berufungswerber macht in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung geltend, daß er das Straferkenntnis hinsichtlich der Punkte 1.) und 2.) sowohl hinsichtlich der Schuld als auch der Geldstrafe anficht, hinsichtlich des Faktums 3 jedoch lediglich die Strafhöhe reduziert wissen will. Er habe 350.000 S Schulden und müsse dafür monatlich 6.000 S zurückzahlen. Das Strafausmaß sei deshalb für seine Verhältnisse zu hoch.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch die zeugenschaftliche Vernehmung der Rev. Inspektoren ... und ... sowie durch Einholung eines straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigengutachtens betreffend die Fakten 1.) und 2.) anläßlich der mündlichen Verhandlung am 6. September 1995, bei der auch ein Ortsaugenschein durchgeführt wurde.

Der Berufungswerber ist zur gegenständlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen, weshalb iSd § 51f Abs.2 VStG die Verhandlung ohne dessen Beisein durchgeführt wurde.

Auf Grund des Ergebnisses dieser mündlichen Verhandlung, insbesondere auf Grund der in jeder Phase glaubhaften und in sich schlüssigen Aussagen der Meldungsleger Rev.Insp. ...

und Rev.Insp. ... steht fest, daß der Berufungswerber kurz vor Straßenkilometer ... mit etwa 95 km/h einen vor ihm fahrenden PKW, der mit ca. 70 km/h unterwegs war, zu überholen begann. Das Überholmanöver wurde erst im Kurvenbereich (es befindet sich dort eine unübersichtliche Rechtskurve), und zwar kurz nach Kilometer ... beendet. Auf Grund dieser Vorgaben errechnete der Amtssachverständige, daß die Überholzeit 7,9 Sekunden betragen hat. Aus dieser Überholzeit läßt sich ermitteln, daß der Überholweg des Beschuldigten 208,4 m betragen hat. Ausgehend davon, daß der Gegenverkehr sich in einer zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h nähern könnte und dabei in der Zeit von 6,94 Sekunden eine Strecke von 218,8 m zurücklegt, hätte der Berufungswerber bei Beginn des Überholvorganges eine Überholsichtweite von 427,2 m benötigt. Beim Lokalaugenschein wurde jedoch festgestellt, daß die Erkennungsentfernung auf den Gegenverkehr lediglich 201 m betragen hat.

Damit steht fest, daß der Berufungswerber bei weitem nicht erkennen hat können, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen wird können, ohne dabei andere Straßenbenützer (insbesondere entgegenkommende Fahrzeuglenker) zu gefährden oder zu behindern.

Aus der Tatsache, daß der Überholweg 208,4 m betragen hat, wogegen die Sicht lediglich 201 m betrug, ergibt sich, daß der Beschuldigte auch gegen § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 dadurch verstoßen hat, daß er vor einer unübersichtlichen Kurve überholt hat, obwohl die Überholsicht nicht gegeben war.

Es wird somit als erwiesen angenommen, daß der Berufungswerber sowohl gegen § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 als auch gegen § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 verstoßen hat.

Auch hinsichtlich der angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung wurde die Tatörtlichkeit besichtigt und dabei festgestellt, daß das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 60 km/h" gut sichtbar aufgestellt ist. Diese 60 km/h Beschränkungs-Strecke stellte sich als relativ gerade verlaufendes Straßenstück dar, bei welchem - zumindest bei Straßenkilometer 4,5 - auch relativ gute Sicht auf Ein- und Ausfahrten gegeben ist. Beim Lokalaugenschein bzw. bei der mündlichen Verhandlung trat auch zutage, daß der Tacho des Patrouillenfahrzeuges nicht geeicht war, sodaß zugunsten des Beschuldigten eine Tachoabweichung von ca. 10 km/h anzunehmen ist. Diese Tachoabweichung wurde bei den oben angestellten Überholberechnungen bereits berücksichtigt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurden noch das Vorstrafenverzeichnis sowie die im Akt befindlichen persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten zur Verlesung gebracht. Gegen den Berufungswerber scheinen 10 Verwaltungsstrafvormerkungen auf, davon 4 wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Der Berufungswerber hat ein monatliches Einkommen von netto 15.000 S und für seine Gattin zu sorgen und ist vermögenslos.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zu den Verwaltungsübertretungen nach § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 und § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960:

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven nicht überholen.

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Der vom Berufungswerber durchgeführte Überholvorgang verstößt gegen beide Verbotsnormen. Der Berufungswerber hat - wie der Amtssachverständige schlüssig errechnet hat beiden Normen zuwidergehandelt. Auf Grund des Kumulationsprinzips ist die Behörde nicht nur berechtigt sondern sogar verpflichtet, eine einzige Tat, die gegen zwei Vorschriften verstößt, getrennt zu bestrafen.

Zum Problem der Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer nach § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 wird noch ausgeführt, daß es zur Verwirklichung dieses Tatbestandes keiner konkreten Gefährdung bedarf sondern die Gefährdungsmöglichkeit ausreichend ist.

Der Berufungswerber hat durch sein Überholmanöver zwei nach § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zu bestrafende Verwaltungsübertretungen gesetzt, wobei der Strafrahmen bis zu 10.000 S pro Übertretung reicht.

Zur Strafhöhenberufung:

Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Mildungerungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen beträgt nach § 99 Abs.3 StVO 1960, wie schon erwähnt, bis zu 10.000 S.

Hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen nach § 16 StVO 1960 ist der unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, daß die Geldstrafe im Hinblick auf das mit diesem Fahrverhalten einhergehende Gefährdungspotential zu gering bemessen wurde.

Eine Hinaufsetzung der Geldstrafe ist jedoch wegen des Verbotes der reformatio in peius im derzeitigen Verfahrensstadium nicht mehr möglich.

Hinsichtlich der Geldstrafe zum Faktum 3 ist die Berufungsbehörde jedoch der Ansicht, daß trotz der vorliegenden vier einschlägigen Vormerkungen eine Reduzierung vertretbar ist und auch angebracht erscheint. Der Grund hiefür liegt in erster Linie darin, daß das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung infolge der Tachoabweichung um 10 km/h zu reduzieren ist. Desweiteren hat der Berufungswerber nur im ersten Teilbereich der 60 km/h-Beschränkungsstrecke die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht eingehalten. In diesem Bereiche jedoch sind die Sichtverhältnisse günstig und die Gefährdungswahrscheinlichkeit geringer als am Ende dieser Beschränkungszone. Es war aus diesen Gründen die Geldstrafe auf 4.000 S und demgemäß die Ersatzfreiheitsstrafe auf 144 Stunden herabzusetzen.

6. Die Kostenentscheidung ist eine gesetzliche Folge der §§ 64 und 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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