Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103502/2/Bi/Ri

Linz, 05.08.1996

VwSen-103502/2/Bi/Ri Linz, am 5. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn R S, Z, B, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K D S, S, G, vom 21. Jänner 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. Jänner 1996, VerkR96-1933-1995-Wi, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß im Punkt 2 die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub nicht verständigt wurde, obwohl gegenüber dem Geschädigten ein Identitätsnachweis nicht erbracht worden war.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 400 S und 2) 300 S, ds jeweils 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Ziff.1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a und 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 idF BGBl.Nr. 518/94; zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem oben angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 1) 2.000 S und 2) 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 60 und 2) 45 Stunden verhängt, weil er es am 10. Jänner 1995 um 6.50 Uhr im Ortsgebiet von K im Bereich der Kreuzung unbenannte Gemeindestraße in Richtung H mit der E Gemeindestraße bzw. mit der W Gemeindestraße nördlich vom Ortsgebiet K auf Höhe der Parzelle des R A aus Richtung B kommend als Lenker des PKWs der Marke Mercedes, Type 190 D, mit dem behördlichen Kennzeichen unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, 1) sofort anzuhalten und 2) die nächste Polizei- oder Gendarmerie dienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 350 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte unterbleiben, weil im einzelnen eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und eine Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Vorfall habe sich bei Dunkelheit ereignet. Es sei aber nie festgestellt worden, ob der Schaden an den Ligustersträuchern auch bei Finsternis hätte wahrgenommen werden können.

Zum einen sei er ausgestiegen und habe nicht fluchtartig die Unfallstelle verlassen und zum anderen habe er sogar seinen Beifahrer gefragt, ob dieser einen Schaden festgestellt habe, was dieser verneint habe. Die Sträucher seien außerdem nicht ab- oder ausgerissen gewesen, sondern lediglich geknickt. Objektive Umstände, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte, seien ihm nicht zu Bewußtsein gekommen und hätten ihm auch nicht zu Bewußtsein kommen müssen.

Es sei plötzlich Glatteis aufgetreten, sodaß er in dieser Situation vorerst völlig überrascht gewesen und unver schuldet von der Fahrbahn geraten sei. Unter Berücksichtigung seines Alters von damals 65 Jahren und dem Umstand, daß er geschockt gewesen sei, habe er dennoch seinen Beifahrer gefragt, ob dieser einen Schaden erkennen könne. Es könne ihm nicht vorgeworfen werden, daß er sich in dieser Situation auf die Aussage des Beifahrers verlassen habe. Er sei nicht noch einmal verpflichtet gewesen, nachzusehen, ob tatsächlich kein Schaden eingetreten ist, da er so gehandelt habe, wie sich ein ansonsten mit den rechtlich geschützten Werten vertrauter Mensch verhalte. Würde von einem Fahrzeuglenker mehr verlangt werden, würde dies nach den Begriffen der Fahrlässigkeit jedwede Sorgfalt bei weitem überspannen.

Er beantragt daher die Einstellung des Verfahrens, in eventu Rückverweisung an die Erstinstanz.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 10. Jänner 1995 um 6.50 Uhr seinen PKW, , im Bereich der Kreuzung unbenannte Gemeindestraße Richtung H - W Gemeindestraße auf Höhe der Parzelle des R A nördlich des Ortsgebietes von K, kam beim Einbiegen in die W Gemeindestraße von der Fahrbahn ab und rutschte in in den Ligusterzaun des R A. Sein Beifahrer A K half ihm, den PKW zurück auf die Fahrbahn zu schieben. Sowohl der Rechtsmittelwerber als auch der Zeuge K haben bestätigt, daß der Rechtsmittelwerber den Zeugen gefragt habe, ob er eine Beschädigung sehe, was der Zeuge verneint habe.

Daraufhin hätten beide die Fahrt nach Wels fortgesetzt.

Der Zeuge K hat angegeben, daß zum Zeitpunkt des Vorfalls die Fahrbahn eisig und glatt gewesen sei, es geschneit und geregnet gleichzeitig und daher gefroren habe. Er hat aber bestätigt, daß der Rechtsmittelwerber ganz langsam gefahren und nur ein kleines Stück von der Fahrbahn hinausgerutscht sei.

Laut Anzeige hat R A den Beamten des Gendarmeriepostens K mitgeteilt, daß durch den Verkehrsunfall drei Sträucher in seinem Ligusterzaun geknickt worden seien und ihm ein Schaden von 350 S entstanden sei. Der Rechtsmittelwerber hat am 16. Jänner 1995 beim Gendarmerieposten K einen Betrag von 400 S zur Schadendsgutmachung hinterlegt, der dem Zeugen A am gleichen Tag ausgefolgt wurde.

R A hat diese Aussage zeugenschaftlich bestätigt und angegeben, drei der Ligustersträucher seien überfahren und somit geknickt worden. Er glaube, daß der Beschuldigte die Beschädigung am Ligusterzaun wahrnehmen hätte müssen, wenn er sich entsprechend vergewissert hätte.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß Abs.5 leg.cit. haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens war davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber mit seinem PKW aus welchen Gründen immer im Bereich des Grundstückes A von der Fahrbahn abkam und dabei in die Ligustersträucher rutschte, wodurch ein Schaden durch das Knicken von drei Sträuchern entstand.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Anhaltepflicht nach § 4 Abs.1 lit.a und der Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl Erkenntnis vom 6. Juli 1984, 82/02A/0072 ua).

Der unabhängige Verwaltungssenat hält es durchaus für denkbar, daß tatsächlich weder der Rechtsmittelwerber noch der Zeuge K den am Ligusterzaun verursachten Schaden wahrgenommen haben. Daß sich im Unfallsbereich ein Ligusterzaun befindet, mußte dem Rechtsmittelwerber beim Herannahen im Scheinwerferlicht auffallen.

Es ist nun zu prüfen, ob dem Rechtsmittelwerber tatsächlich bei Aufwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit und Sorgfalt objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit des Entstehens einer Sachbeschädigung beim Verkehrsunfall zu erkennen vermocht hätte.

Der Zeuge A hat ausgeführt, drei Ligustersträucher seien überfahren und dabei geknickt worden. Der Zeuge K hat ausgeführt, er könne nicht sagen, ob das Knicken der Sträucher durch den PKW selbst oder durch ihn - beim Versuch, den PKW auf die Fahrbahn zurückzuschieben - passiert sei.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist der PKW des Rechtsmittelwerbers beim Abrutschen von der Fahrbahn entweder direkt in diese Sträucher hineingefahren - dafür spricht die Aussage A - oder ihnen jedenfalls so nahe gekommen, daß der Zeuge K sie zum Anschieben des PKWs so weit wegdrücken oder daraufsteigen mußte, daß sie geknickt wurden. Dabei ist irrelevant, ob das Abknicken der Sträucher direkt durch die Krafteinwirkung und Masse des PKWs erfolgte oder im Anschluß daran beim Versuch, diesen wieder auf die Fahrbahn zu bringen.

Allein schon durch den Umstand, daß sich der Vorfall direkt bei diesen Sträuchern ereignet hat, hätten beim Rechtsmittelwerber Zweifel entstehen müssen, ob der Zaun dabei nicht beschädigt worden sein könnte. Dabei muß nach der allgemeinen Lebenserfahrung als bekannt vorausgesetzt werden, daß Sträucher im Winter durch Kälte und Wassermangel austrocknen und dadurch weniger Elastizität aufweisen als zu anderen Jahreszeiten, und daß daher nur ein verhältnismäßig geringer Kraftaufwand erforderlich ist, um einen Ligusterstrauch zu knicken.

Der Rechtsmittelwerber hat schon aus diesen Gründen die Möglichkeit einer Beschädigung nicht ausschließen können und war deshalb verpflichtet, sich vom Nichteintritt eines Schadens konkret zu überzeugen. Offenbar hatte er sogar Zweifel dieser Art, weil sonst kein Grund bestanden hätte, den Beifahrer genau danach zu fragen. Selbst wenn sich der Rechtsmittelwerber selbst an der Unfallstelle nach etwaigen Schäden umgesehen hat - dem widerspricht seine eigene Verantwortung, er habe sich auf den Zeugen K verlassen und sei nicht verpflichtet gewesen, sich noch einmal zu überzeugen -, hätte auch ihm auffallen müssen, daß er bei der Dunkelheit eine Beschädigung der Sträucher nicht ausschließen würde können. Die Dunkelheit ist jedenfalls nicht als Argument dafür heranziehbar, daß ihm ein Schaden am Zaun nicht auffallen mußte, wobei naturgemäß beim Anfahren an drei Ligustersträucher im Schnee auch kein Anstoßgeräusch oder ruckartige Anstoßerschütterungen zu erwarten sind. Abgesehen davon ereignete sich der Vorfall laut Aussage des Zeugen K bei Schneefahrbahn und Schneefall. Von absoluter Dunkelheit kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil dunkle Sträucher, die niedergefahren wurden, vor dem hellen Hintergrund des Schnees aus nächster Nähe jedenfalls erkennbar sind.

Der Rechtsmittelwerber war zwar an der Unfallstelle schon auf Grund des Unfallherganges gezwungen, sein Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, was aber nicht als Anhalten iSd § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 zu werten ist. Die Anhalteverpflichtung dient dazu, den in einen Verkehrsunfall verwickelten Lenker in die Lage zu versetzen, sich zu vergewissern, ob und welche weiteren Verpflichtungen nach der Straßenverkehrsordnung ihn treffen bzw. ob solche Verpflichtungen für ihn nicht bestehen (vgl. VwGH vom 11. November 1992, 92/02/0161).

Wenn daher ein Fahrzeuglenker vom Fahrbahnrand aus aufgrund der "Dunkelheit" nicht in der Lage ist, den Eintritt einer Beschädigung konkret auszuschließen, darf er sich nicht allein auf seinen Beifahrer verlassen und die Fahrt fortsetzen, sondern er ist verpflichtet, in geeigneter Weise Nachschau zu halten, dh wenn notwendig durch Aussteigen aus dem PKW und genaue Besichtigung der Unfallstelle bzw des in unmittelbarer Nähe befindlichen Ligusterzaunes. Wenn diese Besichtigung dazu führt, daß ein Schaden am Zaun wegen der Sichtverhältnisse nicht ausgeschlossen werden kann, besteht die Verpflichtung, den Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub bei der nächsten Sicherheitsdienststelle zu melden, wenn der Fahrzeuglenker dem eventuell Geschädigten gegenüber aus irgendwelchen Gründen nicht in Erscheinung treten will.

Dadurch daß der Rechtsmittelwerber die Fahrt fortgesetzt und auch keine Unfallmeldung erstattet hat, hat er nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates beide ihm vorgeworfenen Tatbestände erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Die Spruchergänzung im Punkt 2 erfolgte auf der Grundlage des § 44 lit.a Z1 StVO 1960, wobei dem Rechtsmittelwerber in der innerhalb von sechs Monaten nach dem Vorfall ergangenen Strafverfügung ein ausreichend konkretisierter Tatvorwurf gemacht wurde.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO 1960 reicht von 500 S bis 30.000 S Geldstrafe bzw 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, der Strafrahmen des § 99 Abs.3 bis zu 10.000 S Geldstrafe bzw. bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Die Erstinstanz hat das Nettomonatseinkommen des Rechtsmittelwerbers mit 12.000 S geschätzt und das Nichtvorhandensein von Sorgepflichten und Vermögen angenommen. Dieser Schätzung wurde nicht widersprochen und Gegenteiliges nicht nachgewiesen, sodaß sie auch der Berufungsentscheidung zugrundezulegen war. Weiters wurde - zutreffend - die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als mildernd gewertet und erschwerende Umstände nicht angenommen.

Eine Überschreitung des der Erstinstanz bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraumes war nicht festzustellen. Die verhängten Strafen liegen im untersten Bereich des jeweiligen gesetzlichen Strafrahmens, entsprechen vor allem dem nicht als geringfügig anzusehenden Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen und sind geeignet, den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen anzuhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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