Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103595/2/Bi/Fb

Linz, 01.07.1996

VwSen-103595/2/Bi/Fb Linz, am 1. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn J S, A, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, S, M, vom 29. Februar 1996 gegen die mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. Februar 1996, VerkR96-13452-1995-Shw, im Punkt 1. wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 verhängte Strafe zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und die im Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses verhängte Strafe wird bestätigt.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zum Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz den Betrag von 1.800 S als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 99 Abs.1 lit.b und 100 Abs.5 StVO 1960 idF BGBl.Nr.518/94 zu II.: § 64 Abs. 1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. hat im Punkt 1.

des angefochtenen Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 9.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen verhängt, sowie einen Verfahrenskostenbeitrag von 900 S vorgeschrieben.

2. Gegen die Höhe der Strafe hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber begründet seine Berufung damit, er sei zum Unfallzeitpunkt erst 17 Jahre alt gewesen und sei Maurerlehrling im 3. Lehrjahr. Er sei seit 9. Februar 1995 im Besitz einer Lenkerberechtigung und bis zum gegenständlichen Verkehrsunfall verwaltungsstrafrechtlich unauffällig gewesen. Er habe sich ernstlich um Schadenswiedergutmachung bemüht und bereits vor der Gendarmerie ein reumütiges Geständnis hinsichtlich des Verschuldens am Verkehrsunfall abgelegt. Er beantrage daher die Anwendung des § 20 VStG, zumal die aufgezeigten Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und er Jugendlicher sei. Es seien somit mehrere Aspekte gegeben, die die Anwendung des § 20 VStG rechtfertigten. Normzweck sei, daß eine Geldstrafe einen Jugendlichen mit niedrigem Einkommen ungleich schwerer treffen würde, als einen mitten im Berufsleben stehenden Beschuldigten mit höherem Einkommen. Durch die außerordentliche Strafmilderung werde erreicht, daß die vom Gesetzgeber vorgesehene Mindeststrafe dem finanziellen Leistungsvermögen eines Jugendlichen angeglichen werde. Die Rechtsnorm des § 100 Abs.5 StVO 1960 widerspreche dem Gleichheitsgebot ebenso wie auch dem verfolgten Strafzweck.

Er beantrage daher, in Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe auf 4.000 S herabzusetzen, in eventu die Strafe auf 8.000 S zu reduzieren.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, daß der am 4. Mai 1978 geborene Rechtsmittelwerber am 15. Oktober 1995 ein Kleinmotorrad auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem er selbst verletzt wurde (lt. Anzeige Bruch eines Fingers, Knieprellung, Gehirnerschütterung).

Trotz deutlicher Alkoholisierungssymptome hat er der Aufforderung des besonders geschulten und für solche Amtshandlungen behördlich ermächtigten Meldungslegers, eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt durchführen zu lassen, nicht Folge geleistet.

Er hat im Verwaltungsstrafverfahren zunächst bestritten, dem Gendarmeriebeamten gegenüber den Alkotest verweigert zu haben, und ausgeführt, er könne sich daran nicht erinnern, weil er "unter Schock gestanden" sei. Erst nach Einvernahme des Arztes, der ihm nach dem Unfall Erste Hilfe geleistet hat, und des Meldungslegers über seinen Zustand nach dem Verkehrsunfall, den beide als voll orientiert und dispositionsfähig beschrieben haben, hat der Rechtsmittelwerber seine Verantwortung geändert und sich schuldig bekannt.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO idF der 19. StVO-Novelle, die mit 1. Oktober 1994 in Kraft getreten und daher im gegenständlichen Fall anzuwenden ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

Gemäß § 20 VStG kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

Gemäß § 100 Abs.5 StVO 1960 idFd 19. StVO-Novelle finden bei einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1, 2 oder 2a die Bestimmungen der §§ 20 (neu), 21 und 50 VStG keine Anwendung.

Laut Regierungsvorlage wurde diese Änderung damit begründet, daß aus general- und spezialpräventiven Gründen und wegen des besonders großen Unrechtsgehaltes ua bei Alkoholdelikten und bei Delikten, die besonders rücksichtslos oder unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurden (§ 99 Abs.2), nicht nur ein Absehen von der Strafe, sondern auch eine außerordentliche Milderung der Strafe unmöglich sein soll.

Die Neuregelung des § 100 Abs.5 StVO hat zur Folge, daß die außerordentliche Strafmilderung für sämtliche in der Straßenverkehrsordnung angeführten Verwaltungsübertretungen ausgeschlossen ist, weil Mindeststrafen, die unterschritten werden könnten, nur in den Absätzen 1, 2 und 2a des § 99 leg.cit. vorgesehen sind.

§ 20 VStG eröffnet Jugendlichen ohne Rücksicht auf die jeweiligen materiellen Bestimmungen aus grundsätzlichen Erwägungen die Möglichkeit einer geringfügigeren Strafe, ohne erschwerende oder mildernde Umstände abzuwägen. Der Materiengesetzgeber der Straßenverkehrsordnung hat jedoch die Unterschreitung der Mindeststrafe bis zur Hälfte für seinen Regelungsbereich aus general- und spezialpräventiven Gründen ausgeschlossen.

Der unabhängige Verwaltungssenat vermag darin keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu finden, wenn der Materiengesetzgeber eine generelle Bestimmung in den Verfahrensgesetzen mit einer nachvollziehbaren und stichhaltigen Begründung für solche Verwaltungsübertretungen ausschließt, die einen so hohen Unrechtsgehalt aufweisen, daß eine Mindestgeldstrafe von immerhin 8.000 S für gerechtfertigt erachtet wurde.

Strafzweck ist nicht in erster Linie die Einhebung von Geldstrafen zur Budgetaufbesserung, sondern dem Jugendlichen soll vermittelt werden, daß die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrzeug ein großes Maß an Verantwortung darstellt und der Schutz anderer Verkehrsteilnehmer im Vordergrund steht. Er muß daher mit den zur Verfügung stehenden Mitteln davon abgehalten werden, in Hinkunft eine gleichartige Übertretung nochmals zu begehen.

Ein Jugendlicher befindet sich normalerweise in einer Einkommenssituation, die die Bezahlung von Geldstrafen nur unter großen Einschränkungen ermöglicht und große finanzielle Einbußen bedeutet. Die Hinderung am wirtschaftlichen Fortkommen stellt sich nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates als Folge dieser Prävention dar, die aber bei einem Arbeitslosen mit Notstandseinkommen und Sorgepflichten oder einem alleinverdienenden Arbeiter mit Familie und Schulden genauso gegeben ist, wie bei einem Lehrling mit wenig aber doch regelmäßigem Einkommen.

Zu bedenken ist aber auch, daß dem Täter seine eigene wirtschaftliche Situation schon bei Begehung der Verwaltungsübertretung bestens bekannt ist, sodaß er gegebenenfalls sein Verhalten danach richten kann und auch die Folgen einer Bestrafung abzuschätzen in der Lage ist. Gerade dem Jugendlichen werden im Rahmen der Ausbildung die Bedeutung der Einhaltung dieser Bestimmungen und die Folgen der Mißachtung erläutert, sodaß die Begehung einer Alkoholübertretung in vollem Bewußtsein sowohl der Schwere der Übertretung als auch der Konsequenzen erfolgt. Abgesehen davon ist bei ungünstiger wirtschaftlicher Lage die Bezahlung der Geldstrafe in Teilbeträgen vorgesehen.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist daher im Fall einer Übertretung nach § 99 Abs.1 StVO nicht der Jugendliche als solcher schützenswert, sondern nur deswegen, weil er Bezieher geringen Einkommens ist, die Übertretung möglicherweise aus Unbesonnenheit begangen hat uä. Diese Umstände sind aber schon nach den die Strafbemessung regelnden Bestimmungen des § 19 VStG und damit der §§ 32 bis 35 StGB zu berücksichtigen.

Der Gesetzgeber hat auch die auf den konkreten Fall bezogenen Voraussetzungen des § 20 VStG, nämlich das Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe, ausgeschlossen.

Im gegenständlichen Fall hat die Erstinstanz ihren Überlegungen zur Strafbemessung - unwidersprochen - ein Nettomonatseinkommen des Rechtsmittelwerbers von ca. 10.000 S und das Nichtbestehen von Vermögen und Sorgepflichten zugrundegelegt. Sie ist weiters von der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ausgegangen, hat aber gerade bei der Übertretung gemäß §§ 99 Abs.1 iVm 5 Abs.2 StVO 1960 das Vorliegen eines Geständnisses als Milderungsgrund ausgeschlossen. Diesen Überlegungen ist seitens des unabhängigen Verwaltungssenates nichts entgegenzusetzen, zumal das "Geständnis", dh das Zugeben des Tatsächlichen, erst erfolgte, als für eine stichhaltige Gegenargumentation kein Raum mehr blieb.

Dem Argument der Schadenswiedergutmachung bleibt der Erfolg insofern versagt, als die Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung unabhängig von der Verursachung des Verkehrsunfalles erfolgte und durch die Weigerung, sich dem Atemtest zu unterziehen, für den Unfallgegner kein Schaden entstanden ist, der wiedergutzumachen wäre.

Weitere mildernde Umstände wurden nicht behauptet und waren auch nicht zu finden, sodaß eine Herabsetzung der Geldstrafe auf die gesetzliche Mindeststrafe nicht gerechtfertigt war.

Selbst wenn man die Kriterien des § 20 VStG miteinbezöge, ergäbe sich nicht, daß im gegenständlichen Fall die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, weil die Unbescholtenheit allein bei einem 17jährigen, der erst 10 Monate vorher die Ausbildung für den Erwerb der Lenkerberechtigung der Gruppen A und F abgeschlossen hat, nicht als so gewichtig anzusehen ist.

Die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung bei Jugendlichen ist auf der Grundlage des § 100 Abs. 5 StVO 1960 ausgeschlossen und war daher nicht zulässig.

Die verhängte Strafe entspricht damit unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, als auch ist sie den oben genannten finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen. Sie hält generalpräventiven Überlegungen stand und ist auch geboten, um den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der Alkoholbestimmungen anzuhalten. Es steht ihm frei, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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