Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103921/3/Fra/Ka

Linz, 06.09.1996

VwSen-103921/3/Fra/Ka Linz, am 6. September 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Schieferer) über die Berufung des B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P, gegen Punkt 1 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 3.7.1996, VerkR96-14300-1996-Kb, betreffend Übertretung des § 5 Abs.6 iVm § 99 Abs.1 lit.c StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird F o l g e gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) unter Punkt 1) wegen Übertretung des § 5 Abs.6 iVm § 99 Abs.1 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Tage) verhängt, weil er am 19.12.1995 gegen 21.00 Uhr den PKW auf der Sonnleitner Bezirksstraße Nr.1039 in Richtung Uttendorf bis Strkm.1,97, Gemeindegebiet 5261 Helpfau-Uttendorf, Ortschaftsbereich St.

Florian, gelenkt hat und sich am 19.12.1995 um 22.40 Uhr in der Unfallambulanz des Krankenhauses Braunau/Inn, Ringstraße 60, geweigert hat, sich zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol Blut abnehmen zu lassen, obwohl aufgrund von Alkoholisierungsmerkmalen vermutet werden konnte, daß er sich bei der angeführten Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat und aufgrund in seiner Person gelegener Gründe die Durchführung einer Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt sowie einer klinischen Untersuchung nicht möglich war. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt ohne Erstattung einer Gegenschrift dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil hinsichtlich der gegenständlichen dem Bw zur Last gelegten Übertretung eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer entscheidet (§ 51c VStG). Bereits aufgrund der Aktenlage ergibt sich, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb gemäß § 51e Abs.1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.6 StVO 1960 (Verfassungsbestimmung) ist an Personen, die gemäß Abs.5 Z2 zu einem Arzt gebracht werden und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.5 Z2 leg.cit. sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, soferne eine Untersuchung gemäß Abs.2 aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

Gemäß § 5 Abs.2 Z1 leg.cit. sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ua verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen.

Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Im gegenständlichen Fall hat der Bw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt, wobei er bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde. Aufgrund seiner Verletzungen wurde er zur ärztlichen Untersuchung in das Krankenhaus Braunau am Inn eingeliefert. Der ihn untersuchende Arzt Dr. F stellte drei gebrochene Rippen fest. Dieser sagte zeugenschaftlich am 5.2.1996 bei der BH Braunau am Inn aus, daß beim Bw die Vornahme eines Alkotests wegen der damit verbundenen Schmerzen und eines nicht einwandfrei möglichen Ausatmens (Hechelns) aus ärztlicher Sicht nicht vertretbar war. Auch eine klinische Untersuchung hinsichtlich des Grades der Alkoholbeeinträchtigung sei aus ärztlicher Sicht nicht möglich gewesen, weil der Bw aufgrund seiner Verletzung nicht einmal die Arme habe heben können.

Dieser entscheidungswesentliche Sachverhalt erfüllt nicht den Tatbestand der dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, denn zur Untersuchung nach § 5 Abs.5 StVO 1960 sind nur "im öffentlichen Sanitätsdienst stehende oder bei einer Bundespolizeidirektion tätige Ärzte" berechtigt. Wird daher etwa eine (bei einem Verkehrsunfall schwerverletzte) Person, die im Verdacht des alkoholisierten Lenkens steht, in ein öffentliches oder privates Spital eingeliefert, so dürfen nicht die dort tätigen Ärzte die Untersuchung vornehmen, sondern es muß ein im Gesetz genannter Arzt herbeigerufen werden (vgl. Harald Stolzlechner in ZVR, Dezember 1994, Heft 12, S 356). Wird die ursprüngliche Vermutung infolge der amtsärztlichen Untersuchung nach Abs.5 Z2 zu einem Verdacht erhärtet, so ist bei der betreffenden Person die Blutabnahme zum Zweck der Alkoholbestimmung durchzuführen (vgl. Stolzlechner aaO).

In rechtlicher Hinsicht ist somit gegenständlich festzustellen, daß der Bw nicht zu einem Arzt gemäß Abs.5 Z2 gebracht wurde.

Der diensthabende Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt fällt nicht unter dem Begriff eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden (oder eines bei einer Bundespolizeibehörde tätigen) Arztes (zu diesem Begriff siehe auch Fußnote 17 zu § 5 Abs.5 StVO in Messiner, Straßenverkehrsordnung 9. Auflage, 1995).

Die dem § 5 StVO 1960 zugrundeliegende "Systematik der Arztbegriffe" dürfte dahingehend zu verstehen sein, daß zwischen dem "Vorführarzt" und dem "Blutabnahmearzt" zu unterscheiden ist und zwar in dem Sinne, daß die Blutabnahme durch einen bloß zur Blutabnahme befugten Arzt ohne vorherige Einschaltung eines Arztes, der über die zur Vorführung erforderlichen Voraussetzungen verfügt, nämlich eines bei der Bundespolizeibehörde tätigen Arztes oder eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes, unzulässig ist.

Der Sinn dieser Differenzierung dürfte darin liegen, daß die Verpflichtung, sich Blut abnehmen zu lassen, nur dann besteht, wenn sich bei einer klinischen Untersuchung herausstellt, daß eine Blutabnahme erforderlich ist, um den Grad der Alkoholeinwirkung feststellen zu können, sodaß für den Regelfall die "Subsidiarität" bzw die "Wahl des gelindesten Mittels" auch im Verhältnis zwischen klinischer Untersuchung und Blutabnahme eingreift. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß die klinische Untersuchung nur von einem bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt bzw von einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorgenommen und somit der Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung auch nur von einem solchen Arzt festgestellt werden darf.

Der unabhängige Verwaltungssenat verkennt nicht, daß diese Rechtslage die Vollzugspraxis in einer ländlichen Gegend vor erhebliche Probleme stellt. Der Gesetzgeber hat jedoch dieses Problem bereits erkannt. Es wurde daher in einem Entwurf zur StVO-Novelle bereits vorgesehen, daß auch diensthabende Ärzte in öffentlichen Krankenanstalten, soferne diese die Physikatsprüfung abgelegt haben, entsprechende Untersuchungen durchführen können.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß es im gegenständlichen Fall an einer rechtlichen Voraussetzung der gemäß § 99 Abs.1 lit.c StVO 1960 unter Strafsanktion stehenden Blutabnahmeverweigerung fehlt, weshalb der Bw das ihm zur Last gelegte Tatbild nicht erfüllt hat und deshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

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