Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106744/13/Ki/Ka

Linz, 08.02.2000

VwSen-106744/13/Ki/Ka Linz, am 8. Februar 2000 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender Dr. Bleier, Beisitzer Dr. Leitgeb, Berichter Mag. Kisch) über die Berufung des W , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 22.11.1999, VerkR96-3877-1998-Br, hinsichtlich Faktum 1 wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und Verkündung am 1.2.2000 zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens-kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Straferkenntnis vom 22.11.1999, VerkR96-3877-1998-Br, den Berufungswerber (Bw) ua für schuldig befunden, er habe am 28.11.1998 um 01.10 Uhr den Kombi in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf der Schneiderberg Gemeindestraße im Ortsgebiet von Lamm, Gemeinde Neumarkt i.M. in Richtung Schall gelenkt (Faktum 1). Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 12.000 S (EFS 12 Tage) verhängt und überdies gemäß § 64 VStG die Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.200 S (10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.

Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu diesem Punkt aus, dass der Rechtfertigung, dass nach Beendigung der Fahrt in der Wohnung der Lebensgefährtin ein Nachtrunk in Form einer Flasche Bier und eines doppelten Kornschnapses getätigt wurde, kein Glauben geschenkt wird. Der angegebene Alkoholkonsum nach der Fahrt (Nachtrunk) sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Es entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beizumessen sei, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat, wobei in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Umstandes davon auszugehen sei, dass der Betroffene auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit von sich aus hinweist.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen das Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 9.12.1999 Berufung mit dem Antrag, das Straferkenntnis aufzuheben bzw abzuändern und sämtliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da hinsichtlich Faktum 1 eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, diesbezüglich durch die gemäß Geschäftsordnung zuständige 9. Kammer zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1.2.2000. An dieser Berufungsverhandlung nahmen der Beschuldigte im Besein seines Rechtsvertreters und ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Freistadt teil. Als Zeugen wurden Abt. Insp. J Herr Christian I sowie Frau B einvernommen.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1a begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 12.000 S bis 60.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 10 Tagen bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

Zunächst wird festgestellt, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Nach diesem Grundsatz ist das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrunde zu legen. Wenn sohin nach Durchführung der Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Gendarmeriepostens Kefermarkt zugrunde. Danach ergab eine Messung des Atemluftalkoholgehaltes beim Bw um ca. 02.30 Uhr einen Alkoholgehalt in der Atemluft von 0,76 mg/l. Die Messung bzw der erzielte Wert bleiben unbestritten. In der Anzeige ist ferner ausgeführt, dass der Beschuldigte angegeben hat, er habe vor Antritt der Fahrt vier Halbe Bier getrunken.

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung rechtfertigte sich der Beschuldigte dahingehend, dass er vor Antritt der Fahrt lediglich drei Flaschen Bier getrunken und sich seit 20.00 Uhr im Gasthaus aufgehalten habe. Nachdem er nach Hause gekommen war, habe er eine weitere Flasche Bier und zusätzlich einen Schnaps getrunken. Dazu habe er sich zum Wohnzimmertisch gesetzt und auch eine Zeitung gelesen. Es sei für ihn normal, dass er nach dem Nachhausekommen noch ein Bier und einen Schnaps trinkt. Vom Gendarmeriebeamten sei er nicht ausdrücklich dahingehend befragt worden, ob er nach dem Lenken des Fahrzeuges noch Alkohol zu sich genommen hat, da er wegen des Vorwurfes eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden schockiert war, habe er auch nicht daran gedacht, den Nachtrunk bekannt zu geben.

Der als Zeuge einvernommene Gendarmeriebeamte erklärte, dass ihm im Rahmen der Amtshandlung die Lebensgefährtin des Beschuldigten geöffnet habe. Sie habe zunächst angegeben, dass Herr W bereits schlafe und ihn aufgeweckt. Nachdem er beim Beschuldigten intensiven Alkoholgeruch aus dem Mund feststellen konnte, habe er ihn zum Alkotest aufgefordert. Bei der Fahrt auf den Posten habe er ihn befragt, was er getrunken habe, der Beschuldigte habe vier Flaschen Bier angegeben, aber nicht gesagt, wo er diese konsumierte. Der Gendarmeriebeamte erklärte dann zunächst, dass er den Bw ausdrücklich darauf angesprochen hat, ob dieser nach dem Lenken noch etwas getrunken hat, dies wäre vom Bw verneint worden. Erst bei einer niederschriftlichen Einvernahme sei zutage gekommen, dass ein Nachtrunk bekannt wurde. Im Weiteren vermeinte der Zeuge jedoch dann, dass er den Bw nicht ausdrücklich wegen des Nachtrunkes befragt habe. Dieser habe nichts erwähnt, weshalb er auf den Nachtrunk geschlossen habe.

Der Zeuge wies weiter noch darauf hin, dass er in der Küche (Wohnküche) Nachschau gehalten hat, dort aber kein Leergebinde oder Gläser bzw Flaschen feststellen konnte. Bei der Spüle habe er auch unabgewaschenes Geschirr gesehen.

Die Lebensgefährtin des Bw führte bei ihrer Einvernahme aus, dass sie zum Zeitpunkt der Heimkehr des Beschuldigten bereits geschlafen habe. Sie sei von den Gendarmeriebeamten geweckt worden und habe geöffnet. Auf Ersuchen des Gendarmeriebeamten habe sie dann ihren Lebensgefährten geweckt. Bezüglich des behaupteten Nachtrunkes konnte sie keine Angaben machen, weil sie bereits geschlafen hat. Sie erklärte jedoch, dass es durchaus sein kann, dass ihr Lebensgefährte nach dem Nachhausekommen noch etwas trinkt, sie habe damit kein Problem.

Vom Gespräch zwischen dem Gendarmeriebeamten und ihrem Lebensgefährten habe sie nur soviel mitbekommen, dass Herr W mit zum Posten fahren müsse bzw er sich anziehen solle.

Nachdem ihr Lebensgefährte zurückgekommen ist, sei über den Fall noch gesprochen worden, er habe ihr gesagt, dass er zu Hause noch etwas getrunken hat.

Die Zeugin erklärte ferner, dass es üblich sei, dass im Wohnzimmer bzw der Küche immer eine Bierkiste steht. Weiters, dass sie am Abend vorher Geschirr abgewaschen hat und es zum Abtropfen bzw Trocknen auf der Abtropftasse stehen ließ, dabei seien auch Gläser gewesen.

In freier Beweiswürdigung gelangt die erkennende Berufungsbehörde zur Auffassung, dass die Rechtfertigungsangaben des Bw nicht mit einer für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit zu widerlegen sind. Sein Vorbringen bezüglich des Nachtrunkes ist durchaus den Erfahrungen des Lebens gemäß, was insoferne verstärkt wird, als der Gendarmeriebeamte bei seinem Eintreffen intensiven Alkoholgeruch aus dem Mund des Beschuldigten feststellen konnte. Dies rechtfertigt durchaus den Schluss, der Bw habe kurz zuvor noch entsprechend Alkohol konsumiert. Darüber hinaus ist die Aussage des Gendarmeriebeamten bezüglich des Nachtrunkes nicht eindeutig. Wohl hat er zunächst ausgeführt, dass er den Beschuldigten diesbezüglich befragt habe, später aber sagte er letztlich aus, dass eine solche ausdrückliche Befragung nicht stattgefunden hat. Da der Rechtsmittelwerber von einem Nachtrunk nichts erwähnte, habe er daraus geschlossen, dass kein Nachtrunk konsumiert wurde.

Es ist richtig, dass, wie in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausgeführt wurde, es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beizumessen sei, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat. Im vorliegenden konkreten Falle wurde jedoch der Bw zunächst offensichtlich lediglich damit konfrontiert, dass er einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht habe.

Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass er bereits geschlafen hat und überdies ein derartiger Vorwurf zwar in der Regel keinen Schockzustand aber doch einen entsprechenden Schrecken verursacht, mag es durchaus zutreffen, dass zunächst von einem Nachtrunk nicht ausdrücklich gesprochen wurde. Die Trinkangabe von vier Halben Bier würde insforne der Verantwortung, zunächst im Gasthaus drei Halbe Bier und zu Hause eine weitere Flasche Bier konsumiert zu haben, entsprechen.

Auch was die Aussage des Gendarmeriebeamten, er habe Nachschau gehalten und keinerlei Gläser oder Leergebinde feststellen können, anbelangt, so steht dieser die Angabe der Lebensgefährtin gegenüber, wonach sehr wohl auch Gläser auf der Abtropftasse gestanden sind und überdies in der Küche (Wohnzimmer) auch eine Bierkiste gestanden ist. In Gesamtwürdigung der Beweise erscheint auch diese Aussage durchaus schlüssig und nachvollziehbar. Offensichtlich dürfte dieser Umstand dem Gendarmeriebeamten trotz dessen ausdrücklicher Nachschau entgangen sein.

Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass der dem Beschuldigten zur Last gelegte Sachverhalt - jedenfalls nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" - nicht mit einer zur Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen werden kann, weshalb der Berufung Folge zu geben und diesbezüglich das Straferkenntnis zu beheben bzw das Verfahren einzustellen war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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