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VwSen-105486/9/GU/Pr

Linz, 03.07.1998

VwSen-105486/9/GU/Pr Linz, am 3. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des B. V., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H. B., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeitdirektion Linz, vom 1.4.1998, Zl. III/S-28.319/97-4, wegen Übertretung der 3. KFG-Novelle nach der am 18. Juni 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 Erster Sachverhalt VStG eingestellt.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, §45 Abs.2 AVG, § 65 VStG Art.III Abs.2 Z2 der 3. KFG-Novelle.

Entscheidungsgründe:

Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 19.8.1997 um 15.10 Uhr in Linz, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen , dessen Sitzplatz nach kraftfahrrechtlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war, die Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes nicht erfüllt zu haben, wie bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt worden sei. Wegen Verletzung des Art.III Abs.1 Satz 1 der 3. KFG-Novelle wurde ihm deswegen in Anwendung des Art.III Abs.5 a leg.cit. eine Geldstrafe von 300 S im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden und ein 10 %iger Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auferlegt. Die I. Instanz stützt ihr Straferkenntnis auf die Angaben eines Straßenaufsichtsorganes.

In seiner dagegen erhobenen Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte im wesentlichen geltend, daß die als Zeugin namhaft gemachte Gattin, welche sich im PKW befunden habe und über den Sachverhalt konkrete Angaben hätte machen können, nicht vernommen worden sei. Der Sachverhalt habe sich nämlich wesentlich anders zugetragen, als von der Behörde aufgrund der bloßen Aussage des Meldungslegers angenommen. Im erstinstanzlichen Verfahren, auf welches in der Berufung verwiesen wurde, hatte der Rechtsmittelwerber dargetan, daß es wohl richtig sei, daß er zum Zeitpunkt der Beanstandung durch das Sicherheitswachorgan der Bundespolizeidirektion Linz im Wagen sitzend nicht angegurtet gewesen sei. Bei ganz geringer Gefahr, wie etwa beim Einparken oder beim langsamen Rückwärtsfahren, sei der Nichtgebrauch des Gurtes gerechtfertigt. Dies gelte umsomehr, wenn sich ein Wagen zum Zeitpunkt der Beanstandung noch nicht in Bewegung befunden habe, was tatsächlich der Fall gewesen sei. Im Ergebnis begehrt der Rechtsmittelwerber wegen der Sache nicht bestraft zu werden.

Aufgrund der Berufung wurde am 18. Juni 1998 in Gegenwart des Beschuldigten und der rechtsfreundlichen Vertretung die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen der Beschuldigte vernommen und ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten sowie Valentina Volodarsky und Kurt Gatty als Zeugen vernommen.

Demnach steht (lediglich) fest, daß B. V. und seine Ehefrau V. V. sich am 19.8.1997 gegen 15.10 Uhr in dem auf die Firma A. zugelassenen PKW mit dem Kennzeichen unangegurtet befanden. Der Ort der Beanstandung lag in Linz, höchstwahrscheinlich im Nahbereich dem zur Verladerampe des Hauptbahnhofes Linz andockenden Straßenbereich vor dem Bahnhofspostamt Richtung Haupteingang.

Diese Unsicherheit bei der näheren Bestimmung des Tatortes hat - wie aufzuzeigen sein wird - maßgeblich mit dem vom UVS in der Hauptsache gefällten Spruch bezug.

Der als Zeuge vernommene Meldungsleger will den, mit dem auffälligen Kennzeichen von der Kärntnerstraße kommenden PKW dann wahrgenommen und sich eingeprägt haben, als er sich in der Nähe des Bahnhofspostamtes dienstversehend befand, wobei er im Vorbeifahren wahrgenommen haben will, daß die Insassen nicht angegurtet waren, um sich dann das auffällige Kennzeichen zu merken, aber den PKW aus den Augen verloren habe, und ein zweites Mal, etwa 15 bis 20 Minuten später, als er in der Nähe der Laderampe des Hauptbahnhofes stand, den PKW vom Bahnhofspostamt in Fahrt entgegenkommend angehalten habe um dabei festzustellen, daß der Lenker und seine Beifahrerin nicht angegurtet gewesen seien.

Die Zeugin V. V. hingegen sagte - im wesentlichen der Rechtfertigung des Beschuldigten (ihres Gatten) - entsprechend aus, daß der Gatte zur fraglichen Zeit das Fahrzeug nur einmal von der Kärntnerstraße kommend Richtung Bahnhofspostamt gelenkt habe und den PKW auf den unmittelbar vor dem Bahnhofspostamt befindlichen, von der beschriebenen Fahrtrichtung her, links neben dem Haupteingang gelegenen zweiten oder dritten Stellplatz abgestellt habe.

Bei der Vorbeifahrt am Busbahnhof sei ihr an dessen Beginn in der Nähe des Zebrastreifens ein Polizist aufgefallen, der sich dann später, als beide in das Bahnhofspostamt gegangen waren, um dort eine Erledigung zu treffen und sich anschließend in den PKW gesetzt hatten und noch unangegurtet im Begriffe waren, aus der Parklücke herauszufahren, durch ein Klopfen am Seitenfenster der Beifahrerin bemerkbar gemacht habe und beide wegen des Unangegurtetseins beanstandet habe.

Sowohl der Meldungsleger als auch die Zeugin V. V., welche ausdrücklich auf ihr Entschlagungsrecht aufmerksam gemacht wurde, aber aussagen wollte, wurden vor ihrer Vernehmung eindringlich ermahnt, die Wahrheit anzugeben und sie wurden auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage aufmerksam gemacht. Beiden drohen im Falle einer absichtlich falschen Beweisaussage die gerichtliche Verurteilung, wobei der Gattin des Beschuldigten das Privileg des § 290 StGB nicht zukommt.

Beiden drohen in einem solchen Fall daneben schwere wirtschaftliche Nachteile, dem Beamten dienstrechtliche Folgen, der Zeugin die Abschiebung nach Weißrußland mit einem im Vergleich zu den hiesigen Verhältnissen dürftigen sozialen Netz.

Angesichts der bei der Zeugin - wie sich bei der mündlichen Verhandlung zeigte - gegebenen scharfen Beobachtungsgabe und dem Umstand, daß eine zweite Fahrt rund um den Bahnhofsvorplatz zur Parkplatzsuche mit einem 15 bis 20-minutigen Abstand, als nach den örtlichen Verhältnissen bei weitem zu lange dauernde Zeitspanne betrachtet werden muß, ein sonstiger plausibler Umstand nach der Lage des Falles nicht greifbar ist, erscheint eine zweite Fahrt weniger wahrscheinlich. Die zeitliche Abfolge läßt die Darstellung in der Aussage der Zeugin V. V. mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad erscheinen und zwar, daß insgesamt nur eine Fahrt im Weg von der Kärntnerstraße zum Bahnhofspostamt stattgefunden hat, der Gatte vor dem Bahnhofspostamt das Auto in einer Parklücke geparkt hat, beide im Postamt zu tun hatten und anschließend die Ehegatten den PKW bestiegen, um mit diesem den Stellplatz zunächst rückwärtsfahrend verlassen zu wollen.

Nicht unplausibel erschien die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, daß es ihm angesichts der ungeachtet des Verfahrensausganges zu tragenden Anwaltskosten im Verhältnis zu der äußerst geringen Geldstrafe um das Prinzip ging und er damit zum Ausdruck brachte, daß er sich nicht leichtfertig einem ungerecht erscheinenden Vorwurf aus pekuniären Gründen beugen wollte. Der Meldungsleger war, was seinen ersten Beobachtungsort und den Tatort anlangt, in der mündlichen Verhandlung unsicher, obwohl er sich sonst an die Auffälligkeit des PKW und daran erinnern konnte, daß der Zulassungsbesitzer nicht identisch mit dem Lenker war und daß er die Reisepässe der Insassen kontrollierte.

Diese Unsicherheit des Tatortes, wobei zumindest feststeht, daß er nicht, wie es zunächst im erstinstanzlichen Verfahren erscheinen mochte, etwa vor dem Hauptgebäude des Hauptbahnhofes gelegen war, sondern allenfalls in der Nähe der Verladerampe - Ecke Bahnhofspostamt, rückte die Verantwortung des Beschuldigten in die Nähe des Realistischen. Am ehesten wahrscheinlich ist, daß der Meldungsleger zum auffälligen PKW, der zwischenzeitig am Parkstreifen vor dem Bahnhofspostamt abgestellt war, Vorpaß hielt, und nach dem Einsteigen der Benützer und Herausfahren aus dem Stellplatz, den PKW anhielt, um die Insassen, die noch nicht angegurtet waren, zu beanstanden, wobei der PKW bereits parallel zum Bahnhofspostamt stand bzw. im Begriffe war geradeaus Fahrt aufzunehmen, wobei sich die Gurtenanlegepflicht noch in einer Grauzone befand. Alles in allem verblieben nach durchgeführter mündlicher Verhandlung hinsichtlich des Tatvorwurfes Zweifel, die einen Schuldspruch nicht vertretbar erscheinen ließen, zumal gemäß Art.III Abs.2 Z2 der 3. KFG-Novelle eine Angurtepflicht bei ganz geringer Gefahr, wie etwa beim Einparken oder langsamen Rückwärtsfahren (so etwa auch beim Ausparken) oder bei besonderer Verkehrslage nicht besteht.

Aus all diesen Gründen war mangels Erwiesenseins einer strafbaren Handlung mit der Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens vorzugehen (§ 45 Abs.1 Z1 1. Sachverhalt VStG).

Nachdem die Berufung im Ergebnis Erfolg hatte, ist der Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs.1 VStG von der Pflicht zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Berufungsverfahren befreit.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Guschlbauer Beschlagwortung: Beweiswürdigung, beim Ausparken besteht noch keine Gurtenanlegepflicht

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