Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107248/2/Br/Bk

Linz, 09.10.2000

VwSen-107248/2/Br/Bk Linz, am 9. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 14. September 2000, Zl. VerkR96-4811-1999-Hol, wegen I. der Zurückweisung des Einspruches mangels Prozessvoraussetzungen und II. dessen Zurückweisung als verspätet, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zur Gänze behoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 26/2000 iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding wies im Spruchpunkt I. des o.a. Bescheides an A den von T (Sohn des Berufungswerbers) formulierten Einspruch gegen eine an den Erstgenannten gerichtete Strafverfügung wegen fehlender Prozessvoraussetzungen und dessen als Einspruch gewertetes Schreiben vom 10. Mai 2000 gleichzeitig auch als verspätet zurück.

Begründet wurde der Bescheid einerseits mit der fehlenden Prozessvoraussetzung der den Einspruch vom 26.8.1999 erhebenden Person. Gleichzeitig wurde das vom Berufungswerber am 10.5.2000 an die Behörde geleitete Schreiben als verspäteter Einspruch gewertet und die Zurückweisung auf § 49 Abs.1 VStG gestützt.

1.1. Der Strafverfügung liegt ein scheinbar von T, dem Sohn des Berufungswerbers, mit dessen Fahrzeug begangenes Parkdelikt zu Grunde. Dieses wurde von Organen des Gendarmeriepostens Schardenberg am 30.5.1999 idZ von 20.20 Uhr bis 20.35 Uhr wahrgenommen und nach dem Fahrzeugkennzeichen zur Anzeige gebracht.

Nach der Ermittlung des Fahrzeughalters im Wege einer Anfrage an das Kraftfahr-Bundesamt in Flensburg, wurde ohne eine Lenkererhebung sogleich gegen den Fahrzeughalter (vermutlich den Vater des Lenkers) die Strafverfügung erlassen.

1.2. Die Strafverfügung wurde am 26.8.2000 mittels Rückschein "ROT" an der Wohnanschrift des Berufungswerbers, des Herrn A, geb. , zugestellt. Der Übernehmer unterzeichnete mit eigenhändiger Unterschrift mit dem Namenszug "N" (ohne Beifügung des Vornamens). Der Schriftzug auf dem Rückschein kann augenscheinlich weder dem Berufungswerber und auch nicht dessen Sohn, T - der den Einspruch vom 26.8.1999 erhob - zugeordnet werden.

2. Noch am gleichen Tag wurde gegen diese Strafverfügung von T, ein Einspruch verfasst. Darin wird im Ergebnis Inhaltliches bestritten. Eingangs wird das Schreiben nach einer höflichen Anrede mit den Worten "mir ging heute eine Anzeige über ÖS 500,- wegen Falschparkens vom 30. Mai 1999 in F zu," eingeleitet.

Ebenfalls schließt der Verfasser dieses Schreibens in der "Ich-Form" und unterfertigte dieses mit dem eigenhändigen Schriftzug "T".

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding leitete daraufhin das ordentliche Ermittlungsverfahren ein und brachte letztlich dem Berufungswerber mit Schreiben vom 3. Mai 2000 das Ermittlungsergebnis mit einer zweiwöchigen Frist zwecks Äußerung hierzu zur Kenntnis.

Darauf reagierte der Berufungswerber mit einem Schreiben an die Behörde erster Instanz vom 10. Mai 2000, worin er sinngemäß ausführt, dass zur fraglichen Zeit sein in Passau studierender Sohn den Pkw benutzt habe. Ebenfalls weist der Berufungswerber in diesem Schreiben auch schon darauf hin, dass sein Sohn - als damaliger Fahrzeuglenker - den Einspruch erhoben habe, welchen er nun mit diesem Schreiben "auch als Fahrzeughalter" erhebe. Schon aus dieser Formulierung lässt sich ableiten, dass der Berufungswerber erst recht den Einspruch mangels Täterschaft gegen das mit der Strafverfügung zu Last gelegte StVO-Delikt (durch seinen Sohn) erheben wollte.

In der Folge erließ die Behörde gegen den Berufungswerber - den Fahrzeughalter -den angefochtenen Bescheid.

Begründend wurde ausgeführt, dass wegen der Einspruchserhebung einer vom Berufungswerber verschiedenen Person "die Prozessvoraussetzungen zur Einspruchserhebung" nicht vorlägen. Da auch keine Hinweise auf ein bestehendes Vollmachtsverhältnis vorgelegen wären, sei dieser Einspruch wegen Nichtvorliegens der Prozessvoraussetzungen zurückzuweisen gewesen.

Es kann dahingestellt sein, ob die Behörde erster Instanz mit diesem Spruchteil als Bescheidadressaten den als nicht bevollmächtigt erachteten Einspruchsverfasser im Auge hatte. Für diesen Fall hätte sie den Bescheid wohl an diesen zu richten gehabt.

3. Mit der nunmehr binnen offener Frist gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung weist der Berufungswerber im hier verfahrensrelevanten Zusammenhang noch darauf hin, dass sein Sohn von ihm zur Einspruchserhebung am 26.8.1999 sehr wohl bevollmächtigt gewesen sei. Im Übrigen brachte der Berufungswerber noch sein Befremden zum Ausdruck, dass auf seinen Einspruch erst mit Schreiben vom 3.8.2000, also erst nach acht Monaten, reagiert worden sei.

 

3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Darin ist fälschlich von einer rechtzeitig erhobenen Berufung gegen das Straferkenntnis (gemeint wohl Bescheid) vom 14. September 2000 die Rede. Ausdrücklich wurde auch noch dargetan, dass eine Berufungsvorentscheidung nicht in Erwägung gezogen worden sei und darüber hinaus ein Verhandlungsverzicht abgegeben werde.

Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich angesichts der die Entscheidungsgrundlage bildende schlüssige Aktenlage als nicht erforderlich (§ 51e Abs. 1 VStG).

4. Zum Sachverhalt:

4.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat das mit der beeinspruchten Strafverfügung zur Last gelegte Verhalten ohne vorherige inhaltliche Erhebungen zur "Täterschaft" dem Fahrzeughalter zur Last gelegt. Selbst aus dem vom damaligen Fahrzeuglenker bereits verfassten Einspruch lässt sich ableiten, dass die Strafverfügung nicht dem Berufungswerber, sondern offenbar im Wege eines anderen Familienmitgliedes dessen Sohn zuging und dieser den mit der Strafverfügung erhobenen Tatvorwurf im eigenen Namen bestritt. Aus der Sicht einer nicht rechtskundigen und noch weniger mit dem österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht vertrauten Person ist diese Vorgangsweise durchaus naheliegend. Insbesonders mit Blick darauf, weil hier ja jene Person tätig wurde, die den Tatvorwurf letztlich verursachte.

Es kann dem Akt auch nicht entnommen werden, ob und wann diese Strafverfügung dem Berufungswerber letztlich tatsächlich zugekommen und damit zugestellt worden ist. Auch der Rückschein lässt diesbezüglich keinen Schluss zu. Dennoch wurde nach diesem Einspruch vorerst das ordentliche Verfahren, vermutlich die Namensdivergenz übersehend, eingeleitet. Unter der Annahme, dass der Einspruchswerber (hier Berufungswerber) als Fahrzeughalter (Zulassungsbesitzer) auch die Verfahrenspartei im Sinne des Tatvorwurfes und/oder auch der Einspruchsverfasser ist, führte die Behörde erster Instanz unter diesem Blickwinkel dieses Ermittlungsverfahrens bis zur - als Einspruch gewerteten - Eingabe des Berufungswerbers mit seinen Schreiben vom 10. Mai 2000 weiter.

Warum jedoch in der Folge trotz offenkundiger Kenntnis, dass hier Herr A, geb. , die Übertretung tatsächlich nicht begangen haben konnte, einerseits die dessen Sohn am 26.8.2000 zugestellte (ausgefolgte) und von diesem beeinspruchte Strafverfügung mangels Prozessvoraussetzungen zurückwies, bleibt daher unerfindlich. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Behörde erster Instanz entgegen der klaren Aktenlage einerseits von einer tatsächlich bewirkten Zustellung mit diesem Datum (auch) an den Berufungswerber ausgegangen wäre, andererseits sie offenbar von einer zu diesem Zeitpunkt fehlenden Einschreiterbefugnis des Sohnes des Berufungswerbers - den hinsichtlich des Tatvorwurfes tatsächlichen Fahrzeuglenker - ausgegangen zu sein scheint. Selbst ein Minimum an lebenspraktischer Betrachtung lassen Vollmachten innerhalb Familienmitglieder zumindest als naheliegend erscheinen, was als Tätigwerden der Behörde zwecks Abklärung schon bei minimalster Neigung einem Verfahren inhaltliche - zum Recht führende - Substanz zukommen zu lassen, die Einleitung geeigneten Ermittlungsschritte indiziert hätte.

Widersprüchlich ist demnach auch, wenn die Behörde erster Instanz das im Zuge des ordentlichen Ermittlungsverfahrens übermittelte Schreiben des Berufungswerbers vom 10. Mai 2000 als verspäteten Einspruch qualifizierte und diesen unter Hinweis auf die Zustellung bereits am 26. 8.1999 zurückwies.

Dies führt zur unlogischen Konsequenz, dass die Zustellung an eine in der Folge zur Einspruchserhebung als nicht legitimiert (bevollmächtigten) gewerteten Person - den Sohn des Berufungswerbers - fingiert würde. Bereits daraus leuchtet hervor, dass hier aus nicht nachvollziehbaren Gründen mehrfach einer Sachentscheidung abträgliche Maßstäbe angelegt wurden.

Dies ist umso bemerkenswerter, als offenbar schon der mit der Strafverfügung erhobene Tatvorwurf ohne jegliche Erhebungen zu Unrecht an den Zulassungsbesitzer gerichtet wurde und dieses der Behörde im Zuge des immerhin fünfzehn Monate währenden Verfahrens nicht verborgen geblieben sein konnte.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Indem die Behörde erster Instanz mit dem Punkt I. ihres Bescheides dem Berufungswerber in Verbindung mit dem von T - dem Sohn des Berufungswerbers - eingebrachten Rechtsmittels die Prozessvoraussetzungen im eigenen Verfahren absprach, verkannte sie schon damit die Rechtslage.

Da nach gesicherter Rechtsprechung der Begriff des Formgebrechens weit auszulegen ist und das Fehlen einer Vollmacht als Formgebrechen zu qualifizieren ist, erweist sich das Unterbleiben jeglicher Tätigkeit der Behörde zwecks diesbezüglicher Klärung als augenscheinlich verfehlt (bereits VwGH 29.11.1960, Slg. 5434/A). Zu den nach § 13 AVG zu behebenden Formgebrechen zählt insbesondere das Fehlen einer Vollmacht u.a. (VwGH 25.1.1994, 91/08/0131 mit Hinweis auf Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Anmerkung 10 zu § 13).

Falls die Behörde jedoch Zweifel an der Vertretungsbefugnis bzw. am Vollmachtsverhältnis des Einschreiters - und in Wahrheit an jener Person an die hier die Verfolgungshandlung zu richten gewesen wäre - gehegt haben sollte, wären darüber bestehende Zweifel lt. VwGH Erk. v. 29.8.1995 95/05/0115 nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen und wäre sie daher gemäß § 37 AVG gehalten gewesen, den für die Erledigung der Verwaltungs(straf)sache maßgebenden Sachverhalt festzustellen (vgl. VwGH 1.7.1998, 96/09/0119).

Ebenfalls durfte hier die Behörde erster Instanz nicht ungeprüft von einer an den in Deutschland wohnhaften Berufungswerber erfolgten Zustellung ausgehen. Dies insbesondere im Lichte der Formulierung des von T verfassten "Einspruches" aus dem hervorgeht "mir ging heute eine Anzeige ....zu ...";

Die Klärung des Inhaltes einer rechtzeitigen, aber undeutlichen Prozesshandlung wäre demnach unter Anwendung der Bestimmung des § 37 AVG herbeizuführen gewesen. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Behörde auch verpflichtet, den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Die Behörde hätte sich somit insbesondere im Fall von gehegten Zweifeln über den objektiven Erklärungswert der Zurechnung eines Rechtsmittels darüber Klarheit zu verschaffen gehabt, wer Rechtsmittelwerber ist, anstatt entgegen dem Kontext der Eingaben (von Familienmitgliedern) sich bloß lakonisch auf die fehlende Behauptung einer Vertretungsbefugnis zurückzuziehen (vgl. weiter VwGH Erk. vom 24. Februar 1995, Zl. 94/09/0296 und vom 3. September 1996, Zl. 95/04/0197).

5.1.1. Dies hätte insbesondere angesichts des bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahrens und des als Ergebnis dieses Verfahrens zweifelsfrei feststehenden Sachverhaltes der fehlenden "Täterschaft" des Berufungswerbers einer anderen Vorgangsweise bedurft, als mit dieser rechtlich verfehlten Formalentscheidung einen wahrheits- und rechtswidrigen Schuldspruch über eine Rechtskraftfiktion der inhaltlichen Überprüfung zu entziehen.

Hätte hier die Behörde erster Instanz tatsächlich in augenfälliger Kenntnis der Faktenlage den gegenständlichen Bescheid erlassen, wäre diese Vorgangsweise auf der Stufe der Willkür stehend zu qualifizieren.

Der angefochtene Bescheid war demnach wegen mehrfacher Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Prozessvoraussetzungen

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