Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107370/8/Br/Bk

Linz, 16.01.2001

VwSen-107370/8/Br/Bk Linz, am 16. Jänner 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 17. November 2000, Zl.: III/S 32304/00 V1P, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 26/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2000 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er als Beteiligter an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden am 20.7.2000 um 13.45 Uhr nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt habe.

2. In ihrer Begründung stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung im Ergebnis auf ein vermeintliches Geständnis des Berufungswerbers, welches dieser anlässlich einer Niederschrift am 28.7.2000 abgelegt habe. Demnach sei ihm zur Kenntnis gelangt, dass sein Unfallgegner in Form einer leichten Abschürfung an dessen Schienbein leicht verletzt wurde.

2.1. In der dagegen fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber eine Kenntnis der Verletzung seines Unfallgegners. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine als schwer einzustufende Verletzung, welche jedoch seine Meldepflicht nicht ausgelöst hätte. Er sei durch seine Verletzung in seiner Wahrnehmungsfähigkeit stark eingeschränkt worden und habe auf Grund des Verhaltens des Unfallgegners - der sich kurz nach dem Unfall von der Unfallstelle entfernte - mit keiner Verletzung desselben rechnen müssen. Diese Umstände ließen einen Schuldvorwurf als unbegründet erscheinen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Beweis wurde ferner erhoben durch Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten und des Zweitbeteiligten W, sowie der Frau C als Zeugen. Im Wege der Bundespolizeidirektion Linz - dessen Vertreter sich für das Fernbleiben von der Berufungsverhandlung aus dienstlichen Gründen entschuldigte - und der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach wurde der Verfahrensausgang hinsichtlich des auch gegen den Zeugen L inhaltsgleich erhobenen Tatvorwurfes erhoben.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

5. Der damals 73-jährige Berufungswerber kollidierte auf dem Radweg der rechten Brückenstraße in Richtung Untere Donaulände am 20. Juli 2000 gegen 13.45 Uhr mit dem ihm entgegenkommenden Radfahrer, dem 29 Jahre alten Zeugen L. Beide Radfahrer kamen zu Sturz. Während der Berufungswerber sofort darauf hinwies, dass er Schmerzen im linken Brustbereich verspüre, machte der Zweitbeteiligte keinerlei Hinweise über eine erlittene Verletzung und verließ, nachdem er sich Name und Telefonnummer des Unfallgegners in seinem Handy abgespeichert hatte, die Unfallörtlichkeit ohne sich um den Zweitbeteiligten und schwer verletzten Berufungswerber näher zu kümmern. Letzterer befand sich vorfallsbedingt offenbar jedoch in einem so schlechten Allgemeinzustand, dass er nicht mehr in der Lage war, die Unfallstelle alleine zu verlassen. Es kam bei ihm folglich auch zu einem Erbrechen. Er rief schließlich die in seinem Handy eingespeicherte Telefonnummer von Frau B und bat diese ihm zu helfen und von der Unfallstelle abzuholen. Der Zweitbeteiligte kam in der Folge nochmals kurz an die Unfallstelle zurück, um den Berufungswerber noch etwas zu fragen. Dieser lehnte zu diesem Zeitpunkt an einem Geländer nächst der Unfallstelle. Abermals entfernte sich der Zeuge ohne sich offenbar mit dem Schicksal seines Unfallgegners auseinander zu setzen.

Nach dem Eintreffen von Frau B wurde der Berufungswerber von dieser ins Krankenhaus verbracht, wo ein Bruch des Schlüsselbeines bei einer gravierenden Verschiebung des Knochens festgestellt und versorgt wurde.

Erst über eine mehrere Tage nach dem Unfall erfolgte telefonische Anfrage des Zeugen L beim Berufungswerber und der damit einhergegangenen Mitteilung über die Verletzungsfolgen, erstattete L am 28.7.2000 Anzeige des Unfalles bei der Bundespolizeidirektion Linz - Verkehrsunfallskommando.

5.1. Die entscheidungswesentlichen Feststellungen ergeben sich aus den im Ergebnis übereinstimmenden Angaben der Zeugen mit denen des Berufungswerbers. Glaubwürdig und logisch nachvollziehbar dargetan, wurde vom Berufungswerber, dass er nach dem Unfall sofort auf seine Schmerzen im linken Brustbereich hinwies. Dies ist angesichts seiner erheblichen Verletzung geradezu logisch. Nicht logisch erscheint im Gegensatz dazu jedoch, wenn der Zeuge L im Ergebnis zum Ausdruck brachte, dass er von einer Verletzung seines Unfallgegners nichts bemerkt hätte. Dies ist einerseits mit Blick auf den Hinweis von Schmerzen des Zweitbeteiligten unwahrscheinlich, andererseits ist es auch auf Grund des Berufes des Zeugen als Gendarmeriebeamter nicht gerade überzeugend, dass er am offenkundig veränderten Gehabe seines Unfallgegners nicht auch dessen Verletzung zumindest hätte erkennen müssen. Andererseits führte L aber auch aus, dass er dem Berufungswerber von seiner erlittenen Verletzung - Hautabschürfung - keine Erwähnung machte. Somit ist es in Zusammenschau mit dem Verhalten des Zweitbeteiligten L - der die Unfallstelle schnell verließ - glaubhaft, dass der Berufungswerber mit einer Verletzung des Zweitbeteiligten nicht rechnen musste.

In diesem Zusammenhang ist auf die beweiswürdigende Beurteilung dieses Sachverhaltes im inhaltsgleichen Strafverfahren nach § 4 Abs.2 StVO gegen L durch die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, Zl: VerkR96-2381-2000, zu verweisen. Dieses wurde mit Aktenvermerk vom 12. September 2000 eingestellt, indem offenbar der Verantwortung des L, "von der schweren Verletzung seines Unfallgegners nichts bemerkt zu haben", geglaubt wurde. Im Rahmen dieses Verfahrens können Überlegungen auf sich bewenden, warum die schweren Verletzungen des Berufungswerbers dem Unfallgegner verborgen bleiben konnten.

Glaubhaft erscheint schließlich auch die Angabe des Berufungswerbers, dass er anlässlich seiner Vernehmung am 28.7.2000 nicht erwähnte, dass L am Schienbein verletzt worden wäre. Dies konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen; dies hat er offenbar erst anlässlich dieser Einvernahme über Vorhalt des Vernehmungsorgans erfahren. Wenn schließlich dieser Umstand dahingehend protokolliert wurde, als ob der Berufungswerber diese Angabe aus "Eigenem" gemacht hätte, mag dies auf einen Protokollierungsfehler zurückzuführen sein. Diese Schlussfolgerung ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass auch der Zeuge L im Rahmen seiner Aussage vor dem Verwaltungssenat bestätigte, von einer Verletzung seiner Person nichts gesagt zu haben. Auch aus seiner Vernehmung vor der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos am 30.7.2000, ergibt sich kein Hinweis, dass dem Berufungswerber eine Verletzung seines Gegners zugänglich geworden wäre. Aus diesen Fakten ergibt sich der fast zwingende Schluss, dass die den Berufungswerber belastende Passage in der Niederschrift vom 28.7.2000 - auf die der berufungsgegenständliche Schuldspruch im Ergebnis gestützt wird - wohl kaum von ihm stammen kann. Wie hätte er ausgerechnet von der Abschürfung aktiv Kenntnis haben sollen?

Dem Berufungswerber war daher in seiner Verantwortung zu folgen.

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Gemäß § 4 Abs.2 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, ........... u.a. wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt wurden, die im Abs.1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Nach der Judikatur des VwGH ist der Tatbestand des § 4 Abs.2 StVO zwar schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit der Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte. Bereits in diesen Fällen setzt die Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 ein (VwGH vom 17.10.1980, ZfVB 1981/6/1664).

Wäre hier etwa der gemäß § 4 Abs.2 StVO Meldepflichtige ab dem Unfallszeitpunkt für eine bestimmte Zeit lang unzurechnungsfähig gewesen - was hier dahingestellt bleiben, aber immerhin bis zu einem bestimmten Grad als wahrscheinlich gelten kann - wäre auch zu klären gewesen, ob nach der Beendigung dieses Zustandes eine Verständigungspflicht iSd § 4 Abs.2 StVO noch bestanden hat. Dieser Zeitpunkt wäre wohl frühestens nach der ärztlichen Versorgung im Krankenhaus anzunehmen. Selbst dies müsste hier wohl verneint werden, da sich der Zweitbeteiligte doch von der Unfallstelle sofort entfernte. Der Zweck der Bestimmung des § 4 Abs.2 StVO liegt nämlich darin, dass dem Verletzten - wovon hier nicht auszugehen war - unmittelbar Hilfe zuteil wird und die verständigte Sicherheitsdienststelle sofort die notwendigen Erhebungen am Unfallsort veranlassen bzw. vornehmen kann. Dieser Zweck kann daher nicht mehr erreicht werden, wenn die Verständigung der Sicherheitsdienststelle erst so spät erfolgen kann, dass eine Unfallsaufnahme an Ort und Stelle nicht mehr zielführend ist (VwGH v. 16.4.1997, 96/03/0370 mit Hinweis VwGH 10.11.1989, 89/18/0121).

Wenn jedoch auf Grund des Verhaltens einer solchen unfallbeteiligten Person auf eine Verletzung gerade nicht geschlossen werden kann, wird eine solche Verständigungspflicht eben nicht ausgelöst. Diese Pflicht ist im Sinne der obigen Rechtsprechung nicht als Selbstzweck zu sehen. Sie hat vielmehr den Zweck, dass die nach einem Unfall allenfalls erforderlichen Erhebungen eingeleitet werden können. Hinsichtlich der eigenen Verletzung - ungeachtet der hier wegen der schweren Verletzung anzunehmenden fehlenden Zumutbarkeit - besteht diese Verpflichtung ohnedies nicht (vgl. VwGH 15.12.1999, 99/03/0406 mit Judikaturhinweisen).

Daher war (insbesondere auch) das Verwaltungsstrafverfahren gegen den bei diesem Unfall schwer verletzten Berufungswerber mangels Tatbestandvoraus-setzungen einzustellen.

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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