Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107382/14/SR/Bk

Linz, 12.03.2001

VwSen-107382/14/SR/Bk Linz, am 12. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des S L, Hgasse , P, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von F vom 24. November 2000, Zl. VerkR96-1894-2000-GG, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO), nach dem am 12. März 2001 abgehaltenen Ortsaugenschein und der am selben Tag durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung gegen Spruchpunkt 1 wird abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufung gegen Spruchpunkt 2 wird stattgegeben, diesbezüglich das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 1 VStG eingestellt.

III. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat - Spruchpunkt I. - einen Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Strafe, d.s. 160,00 Schilling (entspricht  11,63 Euro) zu leisten.

IV. Der Kostenbeitrag zu Spruchpunkt II. hat zu entfallen.

Rechtsgrundlagen:

Zu I. und II: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 19, § 51c und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/2000- VStG.

zu III. und IV.: § 64 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 20.04.2000 um 20.07 Uhr im Ortsbereich von H auf der Lstraße L in Fahrtrichtung K den PKW, Kennzeichen S, gelenkt und dabei

  1. zwischen Strkm und beim Fahren hinter dem nächst vor Ihnen fahrenden Fahrzeug, nämlich den PKW, Kennzeichen Z, keinen solchen Abstand eingehalten, dass Ihnen jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil Sie bei einer Geschwindigkeit von ca 65 km/h nur einen Abstand zu dem nächst vor Ihnen fahrenden Fahrzeug von ca. 10 m eingehalten haben und
  2. bei Strkm ein mehrspuriges Kraftfahrzeug (PKW, Kennzeichen Z) auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, nämlich vor der dort befindlichen unübersichtlichen Linkskurve, verbotenerweise überholt, weil ein gefahrloses Überholen nicht möglich war, da die Überholsicht bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von ca 65 km/h nur 70 m betragen hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 18 Abs.1 StVO 1960

2. § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. S 800,00 27 Stunden § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

(58,14 Euro)

2. S 1.000,00 33 Stunden § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

(72,67 Euro)

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

180,00 Schilling (entspricht 13,08 Euro) als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe

(je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S bzw 14,53 EUR angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.980,00 Schilling (143,89 Euro)."

2. Gegen dieses dem Bw am 30.11.2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4.12.2000 bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen aus, dass den Aussagen des Zeugen mehr Glauben zu schenken sei, da diese schlüssig und widerspruchsfrei wären und im Gegensatz dazu die Angaben des Bw Widersprüche aufgewiesen haben. Da die Tat die Verkehrssicherheit im erheblichen Maß schädigen würde sei der Unrechtsgehalt der Tat nicht gering. Erschwerungsgründe seien nicht hervorgekommen und mildernd wäre die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw in die Beurteilung eingeflossen. Bei der Strafbemessung wären die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse im angegebenen Ausmaß berücksichtigt worden.

2.2. Dagegen bringt der Bw vor, dass er sein Fahrzeug abgebremst und die Geschwindigkeit dem vor ihm fahrenden Fahrzeug angepasst habe. Diese Geschwindigkeit habe ca 30 km/h betragen und er sei bremsbereit hinter diesem Fahrzeug gefahren. Bei dieser Geschwindigkeit wäre erforderlichenfalls das Anhalten bei bremsbereiter Fahrweise möglich gewesen. Ein Überholen in einer unübersichtlichen Linkskurve würde nicht zutreffen, da die Überholsichtweite ca 300 m betragen habe. Entgegen den Ausführungen des Zeugen habe der Bw den Tatort besichtigt und dabei feststellen müssen, dass die Überholsichtweite ca 300 m betragen würde. Aufgrund der Fehleinschätzung des Zeugen wäre seinen Angaben Glauben zu schenken.

3. Die Bezirkshauptmannschaft F hat als Behörde erster Instanz die Berufung und den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat für 12.3.2001 die mündliche Verhandlung anberaumt, dazu die Verfahrensparteien und den Zeugen RI M geladen. Vor der mündlichen Verhandlung wurde ein Ortsaugenschein durchgeführt und Luftbilder des in Betracht kommenden Straßenstückes angefertigt. Die Luftbilder stammen aus DORIS IntraMAP. Während der mündlichen Verhandlung war ein weiterer Ortsaugenschein erforderlich.

In der mündlichen Verhandlung wurde auf die Erkenntnisse des Ortsaugenscheins Bezug genommen und die Luftbilder aus DORIS IntraMAP (Maßstab 1 : 3826) den Verfahrensparteien vorgelegt.

3.2. Aufgrund des Ortsaugenscheins und der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat am 20.04.2000 um 20.07 Uhr im Ortsbereich von H auf der Lstraße L den PKW, Kennzeichen S in Fahrtrichtung K, mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h gelenkt und dabei zwischen Strkm und beim Fahren hinter dem nächst vor Ihnen fahrenden Fahrzeug, nämlich den PKW, Kennzeichen, einen Abstand von ca. 10 m eingehalten.

Die Örtlichkeit des folgenden Überholmanövers konnte trotz Ortsaugenscheins nicht eindeutig festgelegt werden. Die gegenständliche Linkskurve ist bis nur dahingehend unübersichtlich, als ca. 40 Meter der Fahrbahn nicht eingesehen werden können. Abgesehen von dieser Stelle kann bei der Herannäherung an diese "unübersichtliche Linkskurve" ein Teil von ca. 300 Metern der Lstraße eingesehen werden.

3.3. Unbestritten steht fest, dass der Bw unmittelbar nach dem Ortsende von Unterweißenbach knapp zum Fahrzeug des Anzeigers und Zeugen GI M aufgeschlossen hat. Während einer Fahrt von ca. 250 Meter blieb der Abstand von ca. 10 m, abgesehen von minimalen Schwankungen, unverändert.

Betreffend der Fahrgeschwindigkeit ist den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben des Zeugen zu folgen. Zur Tatzeit herrschte klare Sicht und geringes Verkehrsaufkommen. An der Tatörtlichkeit befanden sich keine weiteren Fahrzeuge. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Fahrzeuglenker nach Verlassen des Ortsgebietes die Geschwindigkeit erhöhen und nicht reduzieren. Die Verkehrssituation hat hier keinen Anlass zu einer Verminderung der Fahrgeschwindigkeit geboten und ein solcher wurde auch vom Bw nicht behauptet. Würde man den Geschwindigkeitsangaben des Bw folgen, dann hätte seine Fahrgeschwindigkeit im Ortsgebiet über 50 km/h liegen müssen, da er eine deutliche Verringerung derselben und ein Herunterschalten vom 3. auf den 2. Gang behauptet hat. Widersprüchlich waren seine Angaben dahingehend, dass er ursprünglich von einem Herabbremsen bei der Annäherung und anschließend von bremsbereiter Fahrweise gesprochen hat.

Ein Überholen im unübersichtlichen Bereich der gegenständlichen Linkskurve kann nicht erwiesen werden. Die Tatörtlichkeit wurde vom Zeugen laut Anzeige mit exakt Straßenkilometer angeführt. Bei der mündlichen Verhandlung ist der Zeuge davon ausgegangen, dass etwa bei Straßenkilometer der Überholvorgang begonnen habe. Widersprüchlich führt er in der Folge aus, dass an dieser Stelle der Pkw des Bw bereits mit seinem Fahrzeug gleichauf gewesen wäre.

Beim Ortsaugenschein hat der Zeuge ebenfalls die Stelle bei Straßenkilometer als Beginn des Überholmanövers bezeichnet, jedoch bei der weiteren Begehung ein "Ausscheren" des Pkws des Bw bei Straßenkilometer angenommen. An dieser Straßenstelle besteht bereits uneingeschränkte Sicht auf den folgenden Straßenverlauf. Letztere bezeichnete Straßenstelle deckt sich auch mit den Angaben des Bw. Auch wenn man dem Zeugen aufgrund des regelmäßig befahrenen Straßenstückes eine besondere Ortskenntnis zubilligen muss, kann nicht erkannt werden, dass er in der Lage war, bei einer Geschwindigkeit von "etwas mehr als 60 km/h", einer zurückgelegten Wegstrecke von ca. 17 m/sec, der ständigen Beobachtung des hinter ihm fahrenden Pkws und der Fahrbahn vor sich, den Beginn des Überholvorganges auf den Meter genau festzulegen. Die exakte Bestimmung der Örtlichkeit zu Beginn der Einleitung des Überholvorganges ist hier jedoch erforderlich, da von einer unübersichtlichen Linkskurve nur bis zu Straßenkilometer gesprochen werden kann.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses:

§ 18 Abs.1 StVO:

Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

§ 99 Abs.3 lit. a StVO (auszugsweise):

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

4.1.1. Der Überholende darf sich einem Fahrzeug nur soweit nähern, dass ihm die Einhaltung der Bestimmung des § 18 Abs. 1 StVO möglich ist.

Grundsätzlich hängt der einzuhaltende Mindestabstand von der Straßenbeschaffenheit, dem Reifenzustand, der Beschaffenheit der Bremsen, der Ladung und den Sichtverhältnissen ab. Bei einer erheblichen Unterschreitung des nach der allgemeinen Regel für optimale Verhältnisse errechneten Mindestabstandes vom Vordermann sind Feststellungen über die Beschaffenheit der Reifen, Bremsen usw. nicht erforderlich. Der Sicherheitsabstand soll etwa gleich sein mit der Länge des Reaktionsweges. Da das Ermittlungsverfahren einen unbestrittenen Abstand von ca. 10 Metern zwischen den beiden Fahrzeugen erbracht hat und festgestellt wurde, dass die Fahrgeschwindigkeit mindestens 60 km/h betragen hat, ist zumindest von einem Reaktionsweg von 18 Metern auszugehen. So gesehen ist auch ein allfällig bremsbereites Fahren nicht geeignet, einen Abstand von nur 10 Meter zum vorderen Fahrzeug als zulässig zu erachten.

4.1.2. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus (VwGH 24.5.1989, 89/02/0017, 24.2.1993, 92/03/0011, siehe auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 759).

Mangels entsprechender Behauptungen ist davon auszugehen, dass der Bw zumindest fahrlässig gehandelt hat.

4.1.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Was die Strafhöhe anbelangt, ist der unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, dass die verhängte Geldstrafe durchaus tat- und schuldangemessen ist. Die verhängte Strafe ist im untersten Zehntel des Strafrahmens angesiedelt.

Da das Tatverhalten des Beschuldigten keinesfalls hinter den typisierten Schuld- und Unrechtsgehalten der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung zurückbleibt, war auch die Rechtswohltat des § 21 VStG nicht in Erwägung zu ziehen.

4.2. Zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses:

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte nicht bewiesen werden, dass der Bw den Überholvorgang noch im unübersichtlichen Bereich der gegenständlichen Kurve begonnen hat.

Da die dem Bw zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht erwiesen werden konnte, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 1 VStG einzustellen.

5. Der Kostenausspruch war spruchgemäß zu fällen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Abstand, unübersichtliche Kurve

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum