Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108612/2/Fra/Bek/Ka

Linz, 12.12.2002

VwSen-108612/2/Fra/Bek/Ka Linz, am 12. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn CD, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24. September 2002, VerkR96-11855-2002, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG eingestellt.
  2. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG

zu II.: § 66 Abs. 1 VStG

Entscheidungsgründe:

I. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 24. September 2002, VerkR96-11855-2002, schuldig erkannt, er habe am 11.3.2002 um 15.30 den Sattelanhänger mit dem Kennzeichen in Vöcklabruck auf der Wiener Bundesstraße B 1 bei Km 246,500 gelenkt und habe einem Lenker, dem das durchgehende Befahren seines Fahrstreifens nicht möglich war, den Wechsel auf den zunächst gelegenen verbleibenden Fahrstreifen entgegen dem Reißverschlusssystem nicht ermöglicht.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 5 StVO 1960 wurde über den Bw gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro, eine Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit in der Dauer von 36 Stunden und ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 5 Euro verhängt.

Gegen dieses ihm am 3.10.2002 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14.10.2002 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde in der Begründung im Wesentlichen aus, dass für die Behörde die dem Bw angelastete Verwaltungsübertretung durch die dienstliche Wahrnehmung eines im langjährigen Außendienst stehenden Gendarmeriebeamten als erwiesen erscheine. Aus dem Tachografenblatt sei ersichtlich, dass er den LKW um 15.15 Uhr angehalten habe, während die Tatzeit 15.40 Uhr eindeutig als Lenkzeit ausgewiesen sei. Es habe daher den Angaben des Gendarmeriebeamten, dass die Ampel auf grün geschaltet gewesen sei und der Bw über die Kreuzung fuhr, mehr Glauben geschenkt werden müssen, als den Angaben des Bw, zumal dies eindeutig aus der Tachografenscheibe ersichtlich sei. Hingegen dürfe sich der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren in jede Richtung verantworten, ohne irgendwelche Nachteile befürchten zu müssen. Als strafmildernd sei die bisherige Unbescholtenheit zu werten gewesen, straferschwerende Umstände seien nicht vorgelegen. Bei der Strafbemessung sei von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.200 Euro und keinen Sorgepflichten ausgegangen worden.

Dagegen bringt der Bw in seiner Berufung vor, dass er vor der Ampel gestanden sei und dies aus einer genaueren Untersuchung der Tachoscheibe hervorginge. Es sei auch nicht möglich mit einem LKW mit einem Gesamtgewicht von etwa 38 Tonnen gegenüber einem PKW mehr zu beschleunigen. Er habe in letzter Zeit mehrmals versucht, vom damaligen Standpunkt vor der Ampel bis zur Vorfallsstelle durchgehend zu beschleunigen, er sei aber kein einziges Mal über 50 km/h gekommen. Es sei daher nicht, wie behauptet werde, möglich, einen bereits vor ihm fahrenden PKW durch plötzliches Beschleunigen an einem gefahrlosen Einordnen zu hindern. Es sei auch nicht richtig, dass er den KontrInsp. K an den Betonfahrbahnteiler gedrängt habe. Es würde zwar der Fahrstreifen, jedoch nicht der Platz enden, sodass die Gefahr die Betonfahrbahnteiler zu streifen sicher nicht gegeben gewesen sei. Es wäre auch am KontrInsp gelegen, da es sich sehr früh abgezeichnet haben müsse, dass sich ein gefahrloses Überholen nicht mehr ausgehe.

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c erster Satz VStG).

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG die öffentliche mündliche Verhandlung.

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 5 StVO 1960 ist, wenn auf Straßen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich ist oder ein Fahrstreifen endet, den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Wechsel auf den zunächst gelegenen verbleibenden Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass diese Fahrzeuge jeweils im Wechsel einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nachfolgenden können (Reißverschlusssystem).

Für die Anwendung des Reißverschlusssystems ist Kolonnenverkehr Voraussetzung. Dies ist zwar im § 11 Abs. 5 StVO nicht ausdrücklich verankert, ergibt sich jedoch aus grammatikalischen und historisch-teleologischen Überlegungen: Der Begriff "Reißverschlusssystem" umfasst nach herkömmlichem Sprachgebrauch eine größere Anzahl hinter- und nebeneinander fahrender Fahrzeuge (vgl. auch die Worte "...diese Fahrzeuge jeweils im Wechsel..."). Zweck des Reißverschlusssystems ist es, eine "flüssigere Verkehrsabwicklung" zu gewährleisten. Eine solche kommt begrifflich aber nur bei Vorhandensein einer größeren Anzahl von Fahrzeugen (Fahrzeugkolonne) in Betracht. Vom Zweck der Regelung her wird man erst ab ca. 5 Fahrzeugen (auf beiden Fahrstreifen) von einer Fahrzeugkolonne sprechen können (Dittrich-Stolzlechner, Straßenverkehrsordnung I, 3. Auflage).

Aus dem Akt der belangten Behörde ist nicht ersichtlich, ob zum Zeitpunkt der Tat ein Kolonnenverkehr vorgelegen ist. Dieser ist jedoch - siehe oben - Voraussetzung für das tatbildliche Verhalten. Möglicherweise lag hier ein verbotenes Rechtsüberholen vor, was jedoch der unabhängige Verwaltungssenat aufgrund seiner Beschränkung auf die Sache nicht zu beurteilen hat. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht davon aus, dass, wenn Kolonnenverkehr geherrscht hätte, dies in der Anzeige ihren Niederschlag gefunden hätte. Aus den angeführten Gründen war daher in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes "in dubio pro reo" spruchgemäß zu entscheiden.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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