Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108790/8/Bi/Be

Linz, 10.04.2003

 

 

 VwSen-108790/8/Bi/Be Linz, am 10. April 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn W, vom 16. Dezember 2002 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 4. Dezember 2002, VerkR96-802-2002-GG, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, dem Rechtsmittelwerber jedoch - ohne Vorschreibung von Verfahrenkostenbeiträgen - eine Ermahnung erteilt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 21 Abs.1, 64 und 65 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 9 Abs.6 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 58 Euro (19 Stunden EFS) verhängt, weil er am 13. Februar 2002 um 6.11 Uhr auf der Mühlviertler Straße B310 auf Höhe Strkm 29.720 in Fahrtrichtung Linz den KKW, , gelenkt und sich entsprechend dem auf der Fahrbahn für das Einordnen angebrachten Richtungspfeil zum Abbiegen nach links eingeordnet habe und dann an der Kreuzung B310 mit dem Güterweg Pühringer verbotenerweise geradeaus weitergefahren sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 5,80 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung



zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe während des Überholvorganges die Sperrfläche nicht befahren, was seitens der Erstinstanz auch akzeptiert worden sei. Nun jedoch sei ihm die Nichteinhaltung der Fahrtrichtung bei angebrachten Richtungspfeilen vorgeworfen worden, was aber auch nicht zutreffe. Er habe beim Überholen weder die Linksabbiegespur in Richtung Linz noch die in Richtung Freistadt befahren, weil er die Gegenfahrbahn als kürzesten Weg benutzt habe. Die Aussage der Straßenaufsichtsorgane diesbezüglich könne nur auf einem Irrtum, hervorgerufen durch die Dunkelheit und den großen Beobachtungsabstand, beruhen. Seinen Angaben, er habe Rufbereitschaft und müsse wegen eines Notfalles möglichst schnell im Krankenhaus sein, sei bei der Anhaltung kein Glauben geschenkt worden, da er "kein Blaulicht verwendet" habe. Erst am 24.5.2002 sei die Novelle zum KFG in Kraft getreten, die die Bewilligung einer Blaulichtwarnanlage für Spitalsärtze vorsehe. Es sei also am Vorfallstag im Februar 2002 gar nicht möglich gewesen, Blaulicht zu verwenden. Der entsprechende Antrag sei bereits eingebracht und er erwarte sich eine positive Erledigung durch die Behörde.

Er betone nochmals, dass auf diesem Straßenabschnitt ein Überholvorgang ohne jede Gefährdung von Straßenbenützern möglich gewesen sei und die besondere Situation der ärztlichen Rufbereitschaft eine eventuelle und in seinen Augen geringfügige Übertretung der StVO rechtfertige.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie weitere Erhebungen zur Rufbereitschaft des Bw und zur Dringlichkeit seiner Fahrt.

 

Aus der Anzeige geht hervor, dass der Bw als Lenker eines auf ihn privat zugelassenen Kombi am 20. Februar 2002 um 6.11 Uhr auf der B310 in Fahrtrichtung Linz unterwegs war, wobei er laut Anzeige des Meldungslegers (Ml) Insp. E, Autobahngendarmerie Neumarkt iM, als drittes Fahrzeug vor dem Gendarmeriefahrzeug vor der Linkskurve in der Pernau einen Pkw überholte und sich die Sperrlinie überfahrend wieder rechts einreihte. Bei Km 29.750 setzte er laut Anzeige erneut zu einem Überholmanöver an und überfuhr dabei die Sperrlinie und den Linksabbiegestreifen bis km 29.630. Er sei am Parkplatz des Gasthauses "Kurvenwirt" in Neumarkt angehalten und von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt worden. Er habe angegeben, er sei Arzt in einem Linzer Krankenhaus und zu einer dringenden Operation unterwegs.

 




Der Ml gab bei seiner Zeugenaussage am 3. April 2002 vor der Erstinstanz an, er habe sehr wohl gesehen, dass der Bw die dort befindliche Sperrfläche befahren habe, auch wenn er nicht sagen könne, ob dieser bereits zu Beginn des Überholmanövers die Sperrlinie überfahren habe. Er habe den Linkseinbiegestreifen befahren und die Fahrt in gerader Richtung fortgesetzt. In der Gegenrichtung befinde sich ebenfalls ein Linkseinbiegestreifen, den er auch überfahren habe. Das habe er deutlich beobachtet.

RI R, der zweite Gendarmeriebeamte im Gendarmeriefahrzeug, bestätigte am
8. April 2002 inhaltlich die Angaben des Ml und führte weiters aus, der Bw habe bei der Anhaltung sofort darauf verwiesen, dass er in einem Linzer Krankenhaus dringend eine ärztliche Tätigkeit zu verrichten habe. Es sei kein Blaulicht verwendet und beim Überholvorgang niemand gefährdet worden.

 

Der Bw hat am 27. März 2003 telefonisch ausgeführt, er werde entsprechende Bestätigungen seines Dienstgebers vorlegen. Er sei Urologe am AKH Linz und habe am Vorfallstag Rufbereitschaft gehabt. Als postoperativer Notfall sei zB zu verstehen, wenn es bei jemandem nach einer Operation zu Nachblutungen käme, die vom Facharzt zu versorgen seien, soweit nicht der Chirurg zuständig sei. An Ort und Stelle habe er das mit den beiden Beamten nicht klären können, weil diese einem vernünftigen Gespräch nicht zugänglich gewesen seien.

Der Bw hat mit Schreiben vom 3. April 2003 zwei Bestätigungen betreffend seine damalige Verantwortung eines Notfalles vorgelegt, nämlich zunächst die Bestätigung vom 1. April 2003, GZ 204/Uro/SS, vom Vorstand der Abteilung für Urologie am AKH Linz, Prim. Univ. Doz. Dr. Helmut H, wonach der Bw als Oberarzt auf der urologischen Abteilung am 13. Februar 2003 zu einem postoperativen Notfall gerufen wurde, und weiters die Bestätigung vom 3. April 2003, ZG 204/15-1-0, der Abteilung Personalaufnahme und -entwicklung des AKH Linz, G, wonach er am 13. Februar 2002 einen Dienst im Rahmen der Rufbereitschaft versehen hat.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 9 Abs.6 StVO 1960 haben, wenn auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt Richtungspfeile angebracht sind, die Lenker ihre Fahrzeuge je nach der beabsichtigten Weiterfahrt einzuordnen. Die Lenker von Fahrzeugen müssen jedoch auch dann im Sinne der Richtungspfeile weiterfahren, wenn sie sich nicht der beabsichtigten Weiterfahrt entsprechend eingeordnet haben.

 

Die angeführten Bodenmarkierungen (Richtungspfeile) sind mit Verordnung der Erstinstanz vom 13. September 1996, VerkR10-411-1996-Ho, ordnungsgemäß verordnet.

Die Aussagen der beiden zeugenschaftlich einvernommenen Gendarmeriebeamten, die sich im in der Kolonne fahrenden Gendarmeriefahrzeug befunden haben,



innerhalb der der Bw überholt hat, sind insofern glaubwürdig, als zunächst zwei Fahrzeuge zwischen dem Gendarmeriefahrzeug und dem davor befindlichen Kombi des Bw waren, dann drei. Aus dieser Beobachtungsposition ist die von den Zeugen geschilderte Wahrnehmung des Überfahrens von Bodenmarkierungen insofern glaubhaft, als diese sich über eine größere Länge erstrecken und daher eine derartige Beobachtung nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bei Dunkelheit und beleuchteten Fahrzeugen möglich ist. Die Verantwortung des Bw, er habe nicht die Bodenmarkierungen überfahren, sondern gleich beim Überholen den Fahrstreifen für den Gegenverkehr benutzt, geht daher ins Leere.

 

Die Zeugen gehen jedoch nicht darauf ein, dass der Bw sofort bei der Anhaltung geltend gemacht hat, dass er als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft dringend nach Linz müsse. Das Zutreffen dieser Verantwortung wurde bei der Anhaltung offenbar weder überprüft noch dem Bw diesbezüglich Glauben geschenkt, obwohl eine Erkundigung durch den Ml über Funk im AKH Linz möglich gewesen wäre.

 

Richtig ist, dass der Bw damals keine nach außen als solche erkennbare "Einsatzfahrt" durchführte, weil sein Privat-Pkw nicht mit Blaulicht versehen war. Auch sein Hinweis auf die erst mit Inkrafttreten der 21. KFG-Novelle, BGBl.I Nr.80/2002, dh mit 25. Mai 2002, gegebene Bewilligungsfähigkeit von Warnleuchten mit blauem Licht für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Fachärzte (in verkehrsreichen Gebieten), sofern sie sich auf Grund krankenanstaltenrechtlicher Organisationsvorschriften in Rufbereitschaft befinden, für von der jeweils von der Krankenanstalt namhaft gemachte Fahrzeuge der Bereitschaftsdienst versehenden Ärzte, ist zutreffend.

 

Auf der Grundlage der oben angeführten vom Bw vorgelegten und unbedenklichen Bestätigungen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, dass die in Rede stehenden Fahrt im Rahmen der Rufbereitschaft zur Hilfeleistung in einem postoperativen Notfall durchgeführt wurde.

 

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Rechten und Pflichten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln. Weiters gehört zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung



der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl Erk v 17.6.1987, 85/01/0172, v 3.3.1994, 93/18/0090, uva).

Der Bw war als Facharzt (Urologe) im Rahmen der Dienstpflicht zu unmittelbarem Handeln im AKH Linz verpflichtet, dh er hat sich nicht freiwillig in eine solche Situation begeben. Allerdings ist zu bemerken, dass der Bw in Freistadt wohnt und in Linz ein Notfall eintrat. Ohne den Anlassfall genau zu kennen, muss gesagt werden, dass eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben eines Patienten im Sinne eines entschuldigenden Notstandes hier nicht gegeben gewesen sein kann, weil für den Bw jedenfalls klar sein musste, dass der Weg von Freistadt nach Linz, ds ca 40 km, speziell im Rahmen des Frühverkehrs - der 13. Februar 2002 war Aschermittwoch, also Werktag - nicht in einer so kurzen Zeit bewältigbar sein werde, dass lebensrettende Maßnahmen noch rechtzeitig getroffen werden könnten. Der Bw hat am Telefon auch nicht von einer lebensbedrohlichen Situation gesprochen und ergibt sich solches auch nicht aus den vorliegenden Bestätigungen.

Das Rechtsgut Gesundheit ist von der Definition des entschuldigenden Notstandes aber nicht erfasst. Der Bw hat darauf verwiesen, dass bei postoperativen Notfällen im Fachgebiet Urologie der betreffende Facharzt zuständig ist, soweit nicht eine Zuständigkeit des Chirurgen besteht. Wäre der Bw zu lebensrettenden Maßnahmen im Rahmen seiner Rufbereitschaft verpflichtet, wäre die gleichzeitige Verpflichtung naheliegend, in der Nähe oder sogar im Krankenhaus zu übernachten, um tatsächlich in der Lage zu sein, rechtzeitig Hilfe leisten zu können.

 

Es war daher im vorliegenden Fall aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates davon auszugehen, dass zwar ein Notfall, für den abweichend von der sonstigen Dienstzeit die Zuständigkeit des Facharztes im Rahmen der Rufbereitschaft bestand, jedoch keine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben eines Patienten, der zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung durch den Bw zu begegnen gewesen wäre. Entschuldigender Notstand liegt daher nicht vor.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Das Verschulden des Bw war im gegenständlichen Fall deshalb als geringfügig einzustufen, weil er sich nicht selbst in eine derartige Situation gebracht hat, sondern auf Grund der Rufbereitschaft verpflichtet war, möglichst schnell in Linz zu



erscheinen und die von ihm gewählte Strecke (abgesehen von den Bodenmarkierungen auf den zur Vorfallszeit von niemandem benutzten Linkseinbiegestreifen) für den Überholvorgang objektiv und subjektiv geeignet war. Die Übertretung hatte auch keinerlei Folgen im Sinne einer Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer - dass auf dieser Strecke im Frühverkehr meist in einer Kolonne Richtung in Linz fahrende Pkw-Lenker, für die die Gendarmeriebeamten (möglicherweise auch) eingetreten sind, verärgert sind, wenn ein nach außen hin als normaler Pkw erkennbares Kfz (letztlich ohne Erfolg, weil kein Weiterkommen ist) zu überholen beginnt, ist nicht verwunderlich, aber keine Folge im Sinne des § 21 Abs.1 VStG.

Da der Bw in Freistadt seinen Wohnsitz hat und er daher wieder in eine solche Situation kommen könnte, war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger

 

 

 
 

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