Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108869/2/Br/Pe

Linz, 12.03.2003

 

 

 VwSen-108869/2/Br/Pe Linz, am 12. März 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau MP, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29. Oktober 2002, Zl. VerkR96-121267-2001, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1 und § 51 e Abs.1 VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 29 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, wobei ihr zur Last gelegt wurde, sie habe am 21.6.2001 um 20.55 Uhr als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen auf der Frankenburger Landesstraße 509 bei Strkm 19,652 in Richtung Ried i.I. die in Ortsgebieten erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 16 km/h überschritten.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz erachtete unter Hinweis auf das Ergebnis der Lasermessung durch ein Organ des Gendarmeriepostens Frankenburg als erwiesen. Als straferschwerend wurde eine bereits einschlägige Vormerkung gewertet.

 

2. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer - wegen des Verlustes des Rückscheines in der Sphäre der Behörde erster Instanz - im Zweifel als fristgerecht erhoben zu wertenden Berufung. Sie bestreitet darin im Ergebnis das ihr zur Last gelegte Verhalten, indem sie sinngemäß vermeinte, nicht schneller als 55 km/h gefahren zu sein. Sie hätte kein Messgerät wahrgenommen und außerdem sei für sie als Bezieherin einer Invalidenpension die Geldstrafe zu hoch bemessen.

 

3. Die Erstbehörde hat die Akte mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa fünf Monaten zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier mit Blick auf § 51e Abs.2 Z1 VStG unterbleiben.

 

3.1. Ergänzend Beweis erhoben wurde in Form der Beischaffung eines Luftbildes über den Verlauf der Straßenkilometrierung im Bereich des Mess- bzw. Tatortes. Ferner wurde der aus mehreren anderen Verfahren bekannte Standort des Meldungslegers bei Lasermessungen an dieser Stelle durch fernmündliche Rücksprache mit dem Meldungsleger überprüft.

 

4. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt ist dieser Entscheidung zu Grunde zu legen:

Aus der Anzeige vom 23. Juni 2001 wird als Tatort "Landesstraße-Ortsgebiet" und als Tatortbeschreibung "Meßstelle bei StrKm 19,652" genannt. Nach Beischaffung des hier eingefügten Luftbildes und der ergänzenden Rücksprache mit dem Meldungsleger, wurde auch bei dieser Lasermessung der Standort des Meldungslegers mit dem als amtsbekannt geltenden üblichen Standort im Bereich des Kurvenscheitels der L509 bei Strkm 19,652, bestätigt. Dort befindet sich ein Gebüsch, sodass sich dieser als gut getarnt zu bezeichnende Standort für "hohe Trefferquoten" bei Geschwindigkeitsmessungen gut eignen mag. Die L509 verläuft nach diesem Kurvenbereich (Messort bzw. Standort des Meldungslegers) in Fahrtrichtung Ried im Innkreis in einem leichten Gefälle und übersichtlich, was die Tendenz für etwas höhere Geschwindigkeiten durchaus begünstigt. Aus der Anzeige geht ferner hervor, dass die Messung auf eine Entfernung von 138,1 Meter erfolgte, d.h. die Messung nach dem Passieren des Standortes des Meldungslegers - also von hinten und bei gleichzeitiger vorheriger Notiz des Kennzeichens - erfolgte. Aus diesem Grunde konnte offenbar auch keine Anhaltung erfolgen.

Die Behörde erster Instanz hat in der Folge und ohne nachvollziehbaren Grund gegen die Berufungswerberin erst am 29.10.2001 eine Strafverfügung erlassen, wobei schon darin fälschlicher Weise als "Tatort" der Standort des Meldungslegers angeführt wurde. Tatsächlich muss hier der "Tatort" jedoch bei Strkm 19,514 gelegen sein (siehe Bild). Dieser Tatort wurde der Berufungswerberin jedoch in keinem Verfahrensstadium zu Last gelegt.

Nach Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung wurde von der Behörde erster Instanz im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und der Eichschein sowie das Mess- und Einsatz-protokoll beigeschafft. Mit Schreiben vom 25. Februar 2002 wurde die Berufungswerberin vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, welches von ihr laut Aktenvermerk vom 21. März 2002 mit dem Hinweis zur Kenntnis genommen wurde, auf die Zustellung eines schriftlichen Bescheides zu warten. Dieser folgte schließlich am 29. Oktober 2002 nach Verstreichen eines Zeitraumes von sieben Monaten. Die Berufungswerberin erhob dagegen mit einem Schreiben vom 15. November 2002 Berufung, wobei wegen angeblichen Verlustes des Rückscheines der Zustellzeitpunkt nicht mehr rekonstruierbar scheint. Schließlich wurde am 4. März 2003 mit einer neuerlichen Zeitverzögerung von knappen vier Monaten der Akt zur Berufungsentscheidung dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt.

 

5. Auf Grund des hier als erwiesen geltenden Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens hat der Oö. Verwaltungssenat Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Bereits in der Strafverfügung vom 29.10.2001 wurde die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach dem Tatort durch eine um 134 m divergierenden Umschreibung nicht dahingehend konkretisiert, um den Anforderungen des § 44a Z1 VStG gerecht zu werden. Dieser Mangel bezüglich des Tatvorwurfes kann somit außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist durch eine entsprechende Präzisierung des strafbaren Verhaltens nicht mehr saniert werden.

Daher kann dieser Mangel im Tatvorwurf hinsichtlich diesen wesentlichen Tatbestandsmerkmals wegen des Fehlens jeglicher tauglichen Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 (Strafverfügung, Rechtshilfeersuchen) iVm § 31 Abs.1 VStG auch vom Oö. Verwaltungssenat nicht mehr saniert werden (vgl. auch VwSlg 11.525 A/1984 verst. Senat, sowie VwGH 27.2.1992, 52/02/0065 u.v.a.).

Das Verfahren ist demnach - ohne inhaltliche Sachprüfung - gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen gewesen.

Abschließend wird bemerkt, dass es nicht nachvollziehbar scheint für ein derartiges Verfahren so große Zeitspannen ungenützt verstreichen zu lassen.

In diesem Zusammenhang ist auf die im Lichte der Judikatur des EGMR herrschende Rechtsprechung zu verweisen. Demnach indiziert eine unangemessen lange Verfahrensdauer einen geringeren Verschuldensgrad iSd § 34 Abs.2 StGB (Hinweis auf die EB zur RV zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 BlgNR 20. GP; zum Zeitfaktor ausführlich in ZVR Okt. 2002, S 339, mit Hinweis auf VfGH 5.12.2001, B 4/01 und dort des EGMR 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; 29.5.1986, Deumeland, EuGRZ 1988, 20; 29.3.1989, Bock, A/150; 24.10.1989, H gg. Frankreich, EuGRZ 1987, 301).

Mit der hier als unangemessen zu bezeichnenden Verfahrensdauer - abgesehen davon, dass hier wegen eines wohl vermeidbaren Verfolgungsmangels überhaupt ins Leere ging - wird letztlich ein Strafverfahren zur formalen Hülse degradiert, womit dem Präventionsgedanken wohl kaum mehr Rechnung getragen werden kann. Dieser Hinweis scheint insbesondere im Lichte wirtschaftlicher Überlegungen bei der Führung öffentlicher Aufgaben angebracht.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 
 

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