Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300205/3/WEI/Bk

Linz, 15.01.1999

VwSen-300205/3/WEI/Bk Linz, am 15. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 20. Jänner 1998, Zl. Pol 96-83-1-1997, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 15 Abs 1 Z 2 iVm § 17 Abs 1 Z 1 Oö. Jugendschutzgesetz 1988 (LGBl Nr. 23/1988) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis vom 20. Jänner 1998 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als verantwortliche Beauftragte der Firma 'L.' für den Geschäftsbereich 'Familie und Partnerschaft' zumindest am 10.7.1997 in der Filiale der angeführten Handelskette in K in den Regalen der Abteilung 'Familie u. Partnerschaft' erotische Taschenbücher, u.zwar 'Erotica Universalis, 100 Nudes, Bizarre, Fetish Girls' sowie 'Elmar Batters' mit pornographischen Darstellungen so zum Verkauf anbieten lassen, daß die Einsicht und der Kauf dieser Taschenbücher auch für Kinder und Jugendliche ohne Einschränkungen möglich war. Die in diesen Taschenbüchern dargestellten Abbildungen waren und sind geeignet einen schädlichen Einfluß auf die sittliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auszuüben, da sie zu einer Reizung einer die Menschenwürde mißachtenden Sexualität führen können." Durch diese Tatanlastung erachtete die belangte Behörde § 15 Abs 1 und 2, § 16 Abs 3 iVm § 17 Abs 1 Z 1 Oö. Jugendschutzgesetz als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 17/1/1 oö. JSchG." eine Geldstrafe von S 5.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 500,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 21. Jänner 1998 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 4. Februar 1998, die am 5. Februar 1998 bei der belangten Behörde einlangte und mit der primär die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Herabsetzung der Strafe beantragt wird. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Anzeige des Gendarmeriepostens Kirchdorf vom 13. Juli 1997, Zl. P-1250/97-Pa, wurde Herr H, der Leiter der Filiale des L an der K , wegen des Verdachts der Übertretung nach § 15 Abs 1 Oö. Jugendschutzgesetz angezeigt, weil er in der Abteilung "Familie Partnerschaft" erotische Taschenbücher mit pornographischen Darstellungen allgemein zugänglich zum Verkauf aufgelegt hatte. Dadurch wäre die Einsicht und der Kauf der Taschenbücher auch für Kinder und Jugendliche möglich gewesen.

Nach eigener Wahrnehmung des Meldungslegers waren diese Taschenbücher auf einer Höhe von 50 cm für jedermann frei zugänglich. Nach Aufforderung veranlaßte die Geschäftsleitung die Entfernung der verfahrensgegenständlichen Taschenbücher aus dem allgemein zugänglichen Verkaufsbereich. Je ein Exemplar (5 Taschenbücher) wurde sichergestellt und der belangten Behörde vorgelegt.

2.2. Der von der belangten Behörde zunächst verfolgte Filialleiter gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 1. September 1997 zur Sache an, daß er keinen Einfluß auf das Verkaufsangebot habe. Ihm werde von der Abteilung Einkauf genau vorgeschrieben, wo und wie er die einzelnen Artikel in den Regalen zu plazieren habe. Verantwortlich dafür sei Frau O. Der Filialleiter fühlte sich daher nicht schuldig.

Unter Hinweis auf diese Aussage lastete die belangte Strafbehörde noch mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 1. September 1997 der Bwin als der für den fraglichen Bereich Verantwortlichen die Tat unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Bestimmugen des Oö. Jugendschutzgesetzes an. Mit Schreiben vom 19. September 1997 nahm die Bwin durch ihren Rechtsvertreter Stellung und vertrat im Ergebnis die Ansicht, daß die allgemein zugänglichen erotischen Taschenbücher in der Abteilung "Familie Partnerschaft" nicht geeignet waren, einen schädlichen Einfluß auf Kinder und Jugendliche auszuüben.

2.3. Die belangte Behörde holte eine fachliche Stellungnahme des Psychologen Dr. Z von der Abteilung Jugendwohlfahrt des Amtes der Oö. Landesregierung zu den erotischen Taschenbüchern ein. Dieser meinte, daß sowohl die Darstellung des weiblichen Körpers in exhibitionistischer Provokation in den Heften "Elmer Batters" und "100 Nudes" als auch die Darstellung von sexual-perversionsbezogenen Handlungen (Sadomasochismus usw.) in den anderen drei Heften (EROTICA UNIVERSALIS, Eric Kroll's Fetish Girls, John Willie's Bizarre) nach allgemeinem Empfinden die Menschenwürde gröblichst verletzen würden. Der Inhalt aller Hefte (Taschenbücher) übe einen schädlichen Einfluß auf die sittliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus. Die dargestellten Szenen wirkten verrohend und vermittelten einem Minderjährigen den Eindruck, daß der Mensch nicht als Gesamtheit interessant und wichtig sei, sondern im Sinne eines Sexualobjekts zur freien Verfügbarkeit degradiert werde.

In der rechtsfreundlich eingebrachten Stellungnahme zu diesen Aussagen vom 10. Dezember 1997 wird nach wie vor bestritten, daß Darstellungen in den erotischen Taschenbüchern geeignet sind, zur Reizung einer die Menschenwürde mißachtenden Sexualität zu führen. Die übermittelte Stellungnahme sowie die beigeschlossenen Kopien ließen die völlig begründungslose Wertung des Amtspsychologen nicht nachvollziehbar erscheinen, da weder der Maßstab der Menschenwürde, noch das "allgemein sittliche Empfinden" näher determiniert werden. Die Erstellung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen für Sexualforschung wurde als unerläßlich angesehen.

2.4. Die belangte Behörde erließ daraufhin das angefochtene Straferkenntnis vom 20. Jänner 1998 und vertrat die Ansicht, daß Sachverständige des schulpsychologischen Dienstes sehr wohl in der Lage wären, die möglichen Auswirkungen sexueller Darstellungen auf Kinder und Jugendliche hinsichtlich ihrer seelischen Entwicklung fachgerecht zu beurteilen. Die überwiegend sadomasochistischen Darstellungen bzw Fetische würden bei der Bevölkerung mehrheitlich auf Ablehnung stoßen und wären wohl nicht als "Anschauungsunterrricht" für Kinder und Jugendliche geeignet. Nach der fachlich ausreichend fundierten Stellungnahme des Schulpsychologen wären die Schriften geeignet gewesen, einen negativen Einfluß auf Kinder und Jugendliche auszuüben. Die Taschenbücher wären ausschließlich für Erwachsene - und dabei auch nur für einen kleinen Kreis - geeignet und bestimmt gewesen. Da der maßgebliche Sachverhalt hätte ausreichend festgestellt werden können, erscheine die Beiziehung eines Sachverständigen für Sexualforschung keinesfalls erforderlich und zielführend.

2.5. Die Berufung bekämpft das Straferkenntnis unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Zunächst wird vorgebracht, daß der zur Last gelegte Sachverhalt nicht ausreichend konkretisiert sei. Er werde auch bestritten. In der Folge bestreitet die Berufung abermals die Voraussetzungen des § 15 Abs Oö. Jugendschutzgesetz 1988 und hält die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Sexualforschung für unerläßlich. Die Nichtbeachtung des Beweisantrages wird als Verfahrensmangel gerügt. Im übrigen wird unter Hinweis auf ein allenfalls nur geringfügiges Verschulden und den Nichteintritt von nachteiligen Folgen die Anwendung des § 21 VStG gefordert. Hilfsweise wird ferner gerügt, daß Strafzumessungsregeln nicht befolgt und die Strafe zu hoch bemessen worden wäre. Schließlich wird vorgebracht, daß die Bwin auch nicht zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden wäre.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 15 Abs 1 Z 2 Oö. Jugendschutzgesetz 1988 ist es verboten Kindern und Jugendlichen Gegenstände, die geeignet sind, auf sie einen schädlichen Einfluß auszuüben oder verrohend zu wirken, zugänglich zu machen (das Gesetz nennt kasuistisch das Auflegen, Aufstellen, Aushängen und Anschlagen).

Die bezeichnete Eignung wird im § 15 Abs 2 Oö. Jugendschutzgesetz 1988 definiert, wobei auch Gegenstände, die zur Reizung einer die Menschenwürde mißachtenden Sexualität führen können, erwähnt werden.

Gemäß § 17 Abs 1 Z 1 Oö. Jugendschutzgesetz 1988 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht gerichtlich bestraft wird, wer einem in diesem Gesetz angeordneten Verbot zuwiderhandelt. Nach § 17 Abs 5 Satz 2 leg.cit. sind u.a. bei Zuwiderhandlungen gegen § 15 Abs 1 leg.cit. Geldstrafen bis zu S 50.000,-- vorgesehen.

4.2. Auch wenn der erkennende Verwaltungssenat der belangten Behörde beipflichtet, daß viele Darstellungen in den gegenständlichen Taschenbüchern jedenfalls pornographischer Natur sind und schon deshalb für Kinder und Jugendliche nicht geeignet erscheinen, ist die Berufung im Ergebnis mit dem Einwand im Recht, daß die Bwin nicht zur verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 und 4 VStG der Firma L bestellt worden ist.

Gemäß § 9 Abs 2 und 4 VStG kann eine Person zum verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Unternehmensbereiche wirksam bestellt werden, wenn sie der Bestellung nachweislich zugestimmt hat und eine der übertragenen Verantwortung entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen wird. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 VStG muß spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammender Zustimmungsnachweis eines verantwortlichen Beauftragten einlangen. Ein erst nachträglich zustandegekommenes Beweisergebnis erfüllt diese Voraussetzung nicht, weshalb die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen nicht genügt (vgl näher mwH Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A, 1996, 810 Anm 7 und 821, E 3b ff zu § 9 Abs 2 bis 7 VStG).

Im vorliegenden Verwaltungsstrafakt befindet sich keine solche Bestellungsurkunde. Es war daher nach der Grundregel des § 9 Abs 1 VStG davon auszugehen, daß für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Der erkennende Verwaltungssenat hat Einsicht ins EDV-Firmenbuch genommen. Unter der Firmenbuchnummer w des Landesgerichts Wiener Neustadt ist nunmehr die L Handelsaktiengesellschaft, vormals "L" Buch- und Schallplatten- Handelsgesellschaft m.b.H., mit der Geschäftsanschrift , S, Objekt eingetragen. Die Bwin scheint unter den vertretungsbefugten Personen weder nach den aktuellen noch nach den historischen Daten auf. Sie konnte daher von der belangten Behörde für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die frühere "L m.b.H. nicht verantwortlich gemacht werden. Die von der belangten Behörde im Spruch ihres Straferkenntnisses angeführte "L." hat es nie gegeben.

5. Bei diesem Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren schon gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, weil die beschuldigte Bwin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen haben kann. Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfällt auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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