Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160658/3/Br/Wü

Linz, 20.07.2005

 

 

 VwSen-160658/3/Br/Wü Linz, am 20. Juli 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Mag. rer.soc.oek. D K, H, L, vertreten durch RA Ing. Mag. K H, S, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 9.6.2005, Zl. VerkR96-1477-2005-OJ, wegen Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit dem Einspruch gegen eine Strafverfügung vom 10.5.2005 (gleiche Aktenzahl), nach der am 19.7.2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

Die Berufung gegen den o.a. Bescheid wird als unbegründet

 

abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 71 Abs.1 Z1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr.137/2002.

 
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 8.6.2005 den o.a. Antrag des Berufungswerbers vom 2.6.2005 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Stellungnahme und dem Nachtrag des Einspruches gegen die o.a. Strafverfügung, abgewiesen.

 

1.1. Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf die am 11.4.2005 erfolgte Hinterlegung der Strafverfügung und die damit bewirkte Zustellung. Der dagegen erhobene Einspruch langte bei der Behörde erster Instanz erst am 10.5.2005 ein.

In der inhaltlichen Begründung des Antrages, wonach der Berufungswerber die Strafverfügung zur Seite gelegt habe um sie am nächsten Tag seinem Rechtsvertreter zwecks Erhebung des Einspruches zu übergeben, seine Mutter aber beim Aufräumen die Strafverfügung in eine Lade legte und er diese daher in der Folge vergessen habe, folgte die Behörde erster Instanz unter Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 71 AVG nicht.

 

 

1.2. Dagegen erhob der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Berufung. Er versucht hinter den zur Fristversäumung führenden Umständen "ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis" aufzuzeigen, woran ihn kein Verschulden treffe, sondern dies nur einen minderen Grad des Versehens darstelle. Unter Hinweis auf die dazu bestehende Judikatur gelange zum Ausdruck, dass ein solches Versehen objektiv besehen auch jedem "ordentlichen Durchschnittsmenschen" unterlaufen könne. Im Ergebnis scheint der Berufungswerber zum Ausdruck bringen zu wollen, im Wegräumen der Strafverfügung durch seine Mutter von seinem Schreibtisch, worin er die Ursache für das "Vergessen des Rechtsmittels" und die dadurch bedingte Fristversäumnis erblickt, für ihn als unabwendbares und unverschuldetes Ereignis begründen zu können.

Er beantragt seine persönliche Einvernahme und die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Mutter.

 

 

2. Die Erstbehörde legte den Verfahrensakt zur Berufungsentscheidung vor. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich angesichts der erforderlich scheinenden Zeugeneinvernahme als geboten (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

 

2.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, sowie durch zeugenschaftliche Einvernahme der Mutter des Berufungswerbers, Frau I W, sowie der Befragung des Berufungswerbers als Verfahrenspartei.

 

 

3. Ausgang des h. Verfahrens ist eine Fahrt des Berufungswerbers mit dem auf seine Mutter zugelassenen Kraftfahrzeug am 19.2.2005 um 10.00 Uhr, in Puchenau auf der Höhenstraße, im Rahmen der es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen sein soll. Mit der antragsursächlichen Strafverfügung wurde über den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach §§ 4 Abs.5 u. 4 Abs.1 lit.c iVm
§§ 99 Abs.3 lit.b und 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 insgesamt 410 Euro an Geldstrafen verhängt.

Der verspätet erhobene Einspruch wurde dem Berufungswerber mit Bescheid vom 10.5.2005 zurückgewiesen.

 

 

3.1. Der Berufungswerber räumt auch im Rahmen der Berufungsverhandlung die Behebung und die nachfolgende Sichtung des Poststückes - der Strafverfügung - ein. Diese habe er dann, offenbar in der Absicht gegen diese ein Rechtsmittel zu ergreifen, auf seinem Schreibtisch abgelegt. In der Folge begab er sich an seinen Studienort nach Wien. Zwischenzeitig räumte jedoch seine im gleichen Haus im ersten Stock lebende Mutter sein Zimmer bzw. seinen Schreibtisch auf und legte die Strafverfügung in eine Schreibtischlade. Aus diesem Grund geriet die Strafverfügung vorübergehend in Vergessenheit, sodass in der Folge auch die fristgerechte Einbringung des Rechtsmittels unterblieb.

Wenn der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung ergänzend vermeinte, angesichts der nicht mehr greifbaren Strafverfügung mangels Kenntnis der Aktenzahl und der erlassenden Behörde gar keinen Einspruch mehr erheben hätte können, überzeugt dies gerade nicht. Damit würde im Ergebnis zum Ausdruck gelangen, dass er das Verstreichen der Frist geradezu billigend in Kauf genommen hätte und offenbar auch nichts zum Wiederauffinden der Strafverfügung getan zu haben. Seine Mutter zu fragen, ob sie über den Verbleib des von ihm wissentlich am Tisch deponierten Schriftstück Auskunft geben könne, wäre angesichts der nunmehrigen Faktendarstellung wohl ebenfalls naheliegend gewesen, wie allenfalls auch eine Rückfrage bei der Behörde. Deren Zuständigkeit musste dem Berufungswerber aus vielen anderen Verfahren wohl hinlänglich bekannt sein. Diese Fähigkeit und Neigung seine eigenen Interessen entsprechend zu verfolgen muss insbesondere von einem Menschen mit dem Bildungshorizont des Berufungswerbers erwartet werden können.

Die Darstellung des Berufungswerbers bestätigte im Ergebnis seine als Zeugin einvernommene Mutter. Damit vermag aber für ihn nichts gewonnen werden.

Diese Faktenlage lässt sich auf das Ergebnis reduzieren, dass der Berufungswerber die Erhebung des Einspruches vergessen hat, wobei die Ursache dieses Vergessens sehr wohl im Wegräumen der Strafverfügung erblickt werden kann. Damit reduziert sich diese Faktenlage auf die Rechtsfrage ob diese Art des Vergessen als unabwendbar und nur von einem minderen Grad des Verschuldens umfasst gesehen werden kann.

Dies ist hier, wie nachfolgend darzustellen sein wird, klar zu verneinen!

 

 

4. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat hierzu erwogen:

 

4.1. Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (§ 71 Abs.1 AVG)

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ....

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden (§ 71 Abs.2 AVG).

Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (§ 71 Abs.3 AVG).

Diese Handlungen setzte der Berufungswerber wohl fristgerecht.

Ein minderer Grad des Versehens bzw. ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, welches jedem Durchschnittsmenschen in gleicher Form unterlaufen könnte, vermag im "Vergessen" einer Strafverfügung aber gerade nicht erblickt werden. Immerhin hatte der Berufungswerber laut seiner Angabe diese selbst behoben, wobei er offenbar auch die Rechtsmittelbelehrung mit der entsprechenden Frist nicht übersehen haben konnte. Mit dem Hinweis des Verräumens des genannten Schriftstückes durch die Mutter und das dadurch bedingte Vergessens des Rechtsmittels, ist gerade kein Hinweis auf ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.4.2000, 2000/05/0054 mit Hinweis u.a. auf VwGH 29.11.1994, 94/05/0318) ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei - oder auch deren Vertreter - es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Damit sind aber nicht Begleitumstände die letztlich zum Vergessen führen können gemeint, sondern das Ereignis - hier das Vergessen der Strafverfügung - an sich.

Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist iSd Judikatur dahin zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" (seit der AVG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 357) unterläuft (Hinweis auf VwGH Erk. v. 26. November 1992, Zl. 92/06/0222). Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Sorgfältige Menschen "vergessen" derartige Schriftstücke aber nicht!

Das hier auf das reine "Vergessen der Strafverfügung" hinauslaufende Faktum ist vielmehr als eine besondere Nachlässigkeit in der zumutbaren Sorgfalt in eigener Angelegenheit zu qualifizieren. Es kann geradezu als Selbstverständlichkeit angesehen werden, dass einer Strafverfügung bei jedem durchschnittlich aufmerksamen Menschen mit Blick auf die darin gesetzte Frist ein hoher Signalwert zugeordnet wird und bei objektiver Betrachtung auch zuzuordnen ist.

Der Berufungswerber wäre wohl auch nicht überfordert gewesen sogleich die wenigen Worte - "ich erhebe Einspruch" - wie es letztendlich auch sein Rechtsvertreter nicht anders machte - selbst auf ein Papier zu schreiben und sofort an die Behörde zu leiten um die Frist zu wahren. Er hätte in der Folge immer noch eine ausführliche Begründung nachreichen können, anstatt sich nun im Ergebnis auf seine Mutter auszureden, welche die Strafverfügung seinem visuellen "Aufmerksamkeitshorizont" entzog. Anstatt dessen legte er die Strafverfügung zur Seite und vergaß diese offenbar. Selbst die hierfür ursächlichen Umstände können wohl keinesfalls als adäquater Grund für ein Vergessen eines fristgebundenen und mit einer Strafsanktion von 400 Euro verbundenen Behördenschriftstückes herhalten. Ob dies durch das Wegräumen der Strafverfügung allenfalls noch begünstigt wurde ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

 

 

4.2. Nur beispielhaft wird an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass etwa ein im Zuge einer Übersiedlung in Verstoß geratenes Schriftstück nicht ohne weiteres einen minderen Grad des Versehens indiziert (Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S 1072, Rz. 18f mwN).

Auch eine berufliche Überlastung rechtfertigt nicht eine solche Annahme (VwGH 28.6.2001, 2001/11/0175).

Überzeugt sich ein Betroffener etwa nicht über die Weiterleitung eines Einspruches durch die Rechtschutzversicherung - etwa durch einen Anruf - , so gründet etwa auch darin ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (VwGH 22.4.1992, 91/03/0345 u. VwGH 23.5.2001, 2001/06/0036).

Als grob schuldhafte Unterlassung erachtet die Judikatur etwa den Umstand, sich nicht über den Zeitpunkt einer Hinterlegung und den damit ausgelösten Fristenlauf informiert zu haben (VwGH 26.6.2002, 2002/21/0086).

Nur diese Aufzählung zeigt, dass wohl auch im Verhalten des Berufungswerbers geradezu eine grobe Verletzung der ihm zumutbaren und in eigener Sache zu erwartenden Sorgfaltspflicht erblickt werden muss. Immerhin hat der Berufungswerber in Kenntnis der Existenz der Strafverfügung diese letztendlich einfach vergessen.

Würde man der Sichtweise des Berufungswerbers folgen, würde wohl jedes von Frist- und Rechtskraftfolgen betroffene Schriftstück mit dem Hinweis auf spezifische Umstände der Fristversäumnis der Rechtskraft entledigt werden können.

Die nachteiligen Folgen im Sinne der Rechtssicherheit wären damit unabschätzbar.

 

Der Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte demnach keine inhaltliche Berechtigung zuerkannt werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 
 

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