Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220647/2/Kl/Rd

Linz, 06.07.1994

VwSen-220647/2/Kl/Rd Linz, am 6. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des K.

Z.vertreten durch RA Dr. W.B., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S. vom 6. Juli 1993, Ge-.., wegen Verwaltungsübertretungen nach der GewO 1973 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben (Faktum 1 und Faktum 2) und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es sind keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 31 Abs.1 und 2, 32 Abs.2, 44a Z1 und Z3, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft S. hat mit Straferkenntnis vom 6.7.1993, Ge-.., über den Berufungswerber Geldstrafen von jeweils 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils drei Tagen) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z2 und § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973 verhängt, weil er, wie anläßlich einer am 10.5.1993 durchgeführten Kontrolle festgestellt worden ist, beim Anwesen T.

eine Tischler- bzw. Zimmererwerkstätte mit einer Späneabsauganlage, einer Heizungsanlage mit händischer Beschickung, einer Drehbank, einer Kreissäge, einem Kompressor, einer Dickten-Hobelmaschine, einer Presse, einer Fräse, einer Hobelmaschine, einer Abrichte, einer Bandsäge und einer Ständerbohrmaschine eingerichtet und gewerbsmäßig eine Holzstiege hergestellt hat, 1) ohne im Besitz einer hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung für das Zimmermeistergewerbe gewesen zu sein und 2) somit eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die hiefür erforderliche Genehmigung betrieben hat.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher im wesentlichen ausgeführt wurde, daß trotz Rechtsauskunft seit mindestens einem Jahr unklar sei, ob für den beabsichtigten Stiegenbau die Meisterprüfung aus dem Fach Zimmermeister oder Tischler abzulegen sei. Weiters werde noch einmal darauf hingewiesen, daß der Betrieb beim Finanzamt gemeldet wurde und daher nicht beabsichtigt ist, den Betrieb "schwarz" zu führen. Im übrigen sei eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch oder Staub ausgeschlossen, weil das nächstgelegene bewohnte Haus mindestens 400 m entfernt sei. Es sei daher keine Genehmigungspflicht gegeben. Im übrigen werde Strafberufung erhoben, weil nicht berücksichtigt wurde, daß die Sorgepflicht für seine Gattin und zwei Kinder bestehe. Auch sei als Milderungsgrund anzuführen, daß mittlerweile eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet wurde, in der ein gewerberechtlicher Geschäftsführer eingesetzt ist, sowie die unklare rechtliche Situation.

3. Die Bezirkshauptmannschaft S. als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und mitgeteilt, daß die "Z. Stiegen- und TreppenbaugesmbH" Anfang Juli 1993 um die Erteilung der Bewilligung für die Ausübung des bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes "Zimmermeister" im Standort T., angesucht hat. Dieses Ansuchen wurde am 12.7.1993 dem Amt der o.ö. Landesregierung übermittelt.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich beider Fakten aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muß ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

Es muß daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl.

Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937ff).

Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen.

5.2. Gemäß § 366 Abs.1 GewO 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idF BGBl.Nr. 447/1992 (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung), begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer Z1 ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben; Z2 ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z2) ohne die erforderliche Konzession ausübt.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH erfordert die oben beschriebene Tatkonkretisierung die Umschreibung der Tätigkeit, die den Gegenstand eines Gewerbes bildet, die konkrete Anführung dieses Gewerbes sowie auch Feststellungen über die Ausübung der Tätigkeit wie auch über die Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 GewO 1973. Es wurde daher unterlassen, die als einem konzessionierten Gewerbe unterliegend gewertete Tätigkeit des Berufungswerbers im Spruch unter Beachtung der hiefür maßgeblichen Tatbestandsmerkmale näher zu beschreiben, da der spruchgemäße Vorwurf der bezeichneten dem Zimmermeister(Tischler-)gewerbe zugerechneten Arbeiten allein noch nicht die Erfüllung der angeführten Tatbestandsmerkmale einer gewerblichen Tätigkeit iSd § 366 Abs.1 Z2 GewO 1973 indiziert. Es hätte daher einer konkreten Spruchfassung, daß die das genannte Gewerbe bildende Tätigkeit selbständig, dh, auf eigene Rechnung und Gefahr, regelmäßig und in der Absicht einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, ausgeführt wurden (vgl. VwGH vom 24.11.1992, Zl. 92/04/0156).

Eine eindeutige, die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschuldigten nicht einschränkende Tatumschreibung ist jedoch nicht erfolgt. Einerseits fehlen jegliche Feststellungen (sowohl im Spruch als auch in der Begründung und im Verfahrensakt) über die Gewerbsmäßigkeit der vorgeworfenen Tätigkeit. Das Nichtstreitigsein kann den Akteninhalt und die Bescheidbegründung nicht ersetzen. Andererseits geht aus der im Spruch vorgeworfenen Tätigkeit der Herstellung einer Holzstiege nicht eindeutig hervor, ob es sich hiebei um das Tischlergewerbe oder das Zimmermeistergewerbe handelt. Eine Zuordnung ist auch nicht aufgrund der Begründung des Straferkenntnisses möglich. Gerade im Hinblick auf die Ausführungen in der Begründung, daß "die Tischler im Holzstiegenbau nur eingeschränkte Rechte besitzen und Zimmermeister zur Herstellung sämtlicher Holzstiegen berechtigt" sind, wäre es erforderlich gewesen, im Spruch die gefertigte Holzstiege und sohin die gewerbliche Tätigkeit so zu konkretisieren, daß eine eindeutige Zuordnung zu dem jeweiligen Gewerbe erfolgen kann.

An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, daß die im Spruch (wie auch in der Aufforderung zur Rechtfertigung) gewählte Wortfolge "einer hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung" nicht dem vorgeworfenen Tatbestand des § 366 Abs.1 Z2 GewO 1973 entspricht, da vielmehr der Vorwurf darin gelegen ist, daß ein "konzessioniertes Gewerbe ohne die erforderliche Konzession" ausgeübt wird. Die von der belangten Behörde gewählte Ausdrucksweise hingegen bildet den Straftatbestand des § 366 Abs.1 Z1 GewO 1973. Eine Berücksichtigung mußte diese Ungenauigkeit auch deshalb erfahren, weil aufgrund der angeführten Tätigkeit sehr wohl auch die Zuordnung zum Tischlergewerbe und sohin zu einem Anmeldungsgewerbe denkbar und möglich wäre (vgl. VwGH vom 10.9.1991, Zl. 91/04/0098).

Da eine diesen Konkretisierungsanforderungen entsprechende Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungs verjährungsfrist nicht gesetzt wurde, war daher das diesbezügliche Straferkenntnis nicht mehr vom Verwaltungssenat zu ergänzen, sondern aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

5.3. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idF BGBl.Nr. 447/1992 (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung), begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß der ständigen Judikatur des VwGH hat der diesbezüglich konkretisierte Tatvorwurf jenes Verhalten, mit welchem der Beschuldigte den Betrieb in einer die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage begründenden Weise ausgeübt hat, konkretisiert darzustellen und auch jene Tatumstände zu enthalten, die eine Beurteilung dahin zu lassen, ob die vorliegende Betriebsanlage die im § 74 Abs.2 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungspflichtig ist (vgl. VwGH vom 25.6.1991, 90/04/0216 sowie vom 24.11.1992, 90/04/0310 uam).

Letzterem Erfordernis wurde durch die belangte Behörde nicht nachgekommen.

Wenn auch die Begründung des Straferkenntnisses (sofern es in der Verfolgungsverjährungsfrist ergangen ist) zur Konkretisierung und Interpretation des Spruches herangezogen werden muß - die belangte Behörde hat auf Beeinträchtigungen gemäß § 74 Abs.2 Z2 GewO Bezug genommen -, so kann aber dennoch nicht der Tatvorwurf aufrechterhalten werden, weil wenn auch die grundsätzliche Eignung der Betriebsanlage, derartige Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen hervorzurufen, für die Bejahung der Genehmigungspflicht genügt, ohne daß es Feststellungen darüber bedarf, ob solche Beeinträchtigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen - vielmehr auch das Vorhandensein von Nachbarn, auf die diese Emissionen gefährdend, beeinträchtigend oder belästigend einwirken können, erforderlich ist. Um beurteilen zu können, ob eine Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs.2 GewO 1973 unterliegt, bedarf es daher neben der Feststellung der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Einwirkungen auch konkreter Feststellungen über das Vorhandensein von Nachbarn, die durch solche Einwirkungen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden können (vgl. VwGH vom 23.11.1993, 93/04/0131). Solche Feststellungen fehlen sowohl im angefochtenen Straferkenntnis als auch im übrigen Verfahrensakt. Eine diesbezügliche Genehmigungspflicht (als Voraussetzung der Strafbarkeit) ist daher logisch nicht begründbar und konkretisierbar.

Eine Genehmigungspflicht aus einem anderen in § 74 Abs.2 GewO angeführten Grund kann aber insofern nicht herangezogen werden, als ein solcher Vorwurf weder im angefochtenen Straferkenntnis noch im sonstigen Verwaltungsstrafverfahren jemals gemacht wurde.

Es war daher auch das Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses wegen mangelnder Tatkonkretisierung aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Schließlich wird darauf hingewiesen, daß § 366 Abs.1 Z3 GewO Alternativtatbestände enthält, wobei beim konkreten Tatvorwurf die konsenslose Errichtung (Zustandsdelikt) und der konsenslose Betrieb (fortgesetztes Delikt) der Betriebsanlage zu unterscheiden sind. Diese Unterscheidung ist für die Berechnung der Verjährungsfrist, das Kumulationsprinzip und die Tatzeitkonkretisierung von Bedeutung (vgl. Stolzlechner-Wendl-Zitta, "Die gewerbliche Betriebsanlage", 2.

Auflage, RZ 311).

5.4. Abschließend wird angemerkt, daß nach der nunmehr ständigen Judikatur des VwGH in allen Fällen des § 366 Abs.1 GewO 1973 die für die verhängte Strafe angewendete Gesetzesbestimmung im Sinn des § 44a Z3 VStG "§ 366 Abs.1 Einleitung GewO 1973" zu lauten hat.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren gemäß § 66 Abs.1 VStG - weil die Verwaltungsstrafverfahren einzustellen waren keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum